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Das Phänomen der zunehmenden Radikalisierung bei Jugendlichen

Die Radikalisierung bei Jugendlichen zählt zu den weltweit bedrückendsten Entwicklungen. Das bedeutet, dass immer mehr junge Menschen sich radikalen Gruppen (Extremisten) unterschiedlichster Art (linker, rechter oder religiöser Radikalismus etc.) anschließen und es dadurch auch zu Gewaltakten (z. B. von der Zerstörung öffentlicher Einrichtungen bis hin zum terroristischen Anschlag mit Menschenopfern) kommen kann.

Radikalisierung kann viele Gesichter annehmen. Ich möchte mich auf einige wenige beschränken. Jedoch haben Radikalisierungen eines gemeinsam: Man verschreibt sich einer bestimmten Auffassung politischer, religiöser oder sonstiger Art, die als unverrückbare Wahrheit nicht mehr hinterfragt wird. Alle Anderen, die diese Wahrheit nicht teilen, werden in der Folge entweder als verrückt oder als bösartig abgestempelt. Hinzu gesellt sich dann noch das intensive Sendungsbewusstsein, die Anderen von dieser Wahrheit "überzeugen" zu müssen. Die "Unbelehrbaren" werden, je nach Machtverhältnissen, diskriminiert, verfolgt oder vernichtet.

Gründe für Radikalisierung: Wer wird radikal?

Das Phänomen ist sehr vielschichtig und darf nicht ausschließlich im Menschen verortet werden. Es ist auch die soziale Bezogenheit des Einzelnen und seine Stellung in der Gemeinschaft in den Brennpunkt zu rücken. Dabei müssen u. a. folgende Fragen gestellt und beantwortet werden: Welche Position wird in einer bestimmten Gesellschaft jungen Menschen eingeräumt? Welche Entwicklungsmöglichkeiten (Bildung, Beruf etc.) werden angeboten? Welchen Zugang gibt es? Welche Werthaltungen werden vorgelebt?

Man könnte nach Vorgabe politischer Äußerungen meinen, dass hier mehr als genug getan wird. Doch wie sieht es tatsächlich aus? Wie erleben die jungen Menschen ihr Dasein und ihre Position in einer bestimmten Gesellschaft? Ist wirklich alles Sonne und Wonne, wie uns die Politiker Glauben machen wollen? Was tut der Staat für eine gerechte und lebenswerte Gesellschaft? Sicher ist, dass Vieles nicht passt, und dass sich vor allem bei Jugendlichen eine gewisse Unzufriedenheit breit gemacht hat (vgl. Schlagwort von der Politikverdrossenheit). Im Hinblick auf die Anfälligkeit Jugendlicher für Radikalisierung stellt sich die Frage nach dem Nährboden, der solche Entwicklungen zulässt und begünstigt.

Radikal wird jemand, der mit sich und seiner gesellschaftlichen Position unzufrieden ist und keine positiven Zukunftsperspektiven sieht, da diese nicht (mehr) möglich zu sein scheint. Das Schlagwort dazu lautet "No Future". Aus den Gefühlen tiefer Enttäuschung und Ohnmacht sucht man dann die Antwort bei extremistischen Gruppen, die (anscheinend) entsprechende Lösungen anbieten. Häufig ist es dann purer Zufall, wo man landet und von wem man einverleibt wird. Gefährlich ist allerdings der Standpunkt, dass es hier nur um eine kleine Gruppe von "Spinnern" geht, die es immer schon gegeben hat. Die Vermutung eines gesamtgesellschaftlichen Problems wird brüsk zurückgewiesen. Niemand, und schon gar nicht die Regierung eines Staates, sei für derartige Auswüchse verantwortlich, außer die Betroffenen selbst.

Gegenmaßnahmen:

Der zunehmenden Radikalisierung kann nur mit geeigneten gesellschaftlichen und sozialpolitischen Maßnahmen entgegenwirkt werden, wie dies zum Beispiel im Österreichischen Bundesheer umgesetzt wurde. Die Infrastruktur in der Maria-Theresien-Kaserne (Gebetshaus für Moslems, Anpassung der Verpflegung an die religiöse Zugehörigkeit) konnte erfolgreich an die Bedürfnisse für Soldaten mit Migrationshintergrund angepasst werden. Doch mit derartigen Maßnahmen wird nur ein Teil abgedeckt. Um dem Gesamtphänomen der Radikalisierung entgegenzutreten, bedarf es gravierender Veränderungen. Die Werte, die heute von den Politikern und Managern propagiert werden, sind in Frage zu stellen. Es muss eine Vorstellung entwickelt werden, was es heißen könnte, in einer gerechten Welt zu leben, die ein sinnerfülltes Dasein ermöglicht. Doch davon sind wir derzeit weit entfernt. Dazu der Schlusssatz von Richard Sennet’s Buch "Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus" (1998): "Ein Regime, das Menschen keinen tiefen Grund gibt, sich umeinander zu kümmern, kann seine Legitimität nicht lange aufrechterhalten.".

Hofrat Dr. Günter Fleck

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