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Attraktivitätssteigerung der Rekrutenausbildung beim AAB4

Das Aufklärungs- und Artilleriebataillon 4 (AAB4) führte ein Pilotprojekt mit Initiativen zur Steigerung der Attraktivität des Grundwehrdienstes durch. Den Rekruten sollte u. a. der Sinn einer fordernden Ausbildung, die Wertschätzung ihrer Leistungen im Dienst und eine gesündere Lebensweise näher gebracht werden.

Der Kader des Aufklärungs- und Artilleriebataillons 4 erarbeitete im Rahmen eines Pilotprojektes Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Rekrutenausbildung. Diese Maßnahmen wurden beim Vollkontingent April 2010 angewandt. Ausgehend von der Erwartungen der einrückenden Rekruten auf eine professionelle Ausbildung, Betreuung und Führung, wurden für das Kadernachwuchskonzept zur Erhöhung der Qualität und der Professionalität des Kadernachwuchses durch folgende Initiativen ein- und durchgeführt:

  • Innovative Dienstzeit
  • Wettkampf/Erlebnis
  • Kader als Vorbild
  • Korpsgeist (Corporate Identity)
  • Gesundheit

Innovative Dienstzeit

Aufgrund des bisherigen Endes der Normdienstzeit (Kader: 1545 Uhr, Rekruten: 1615 Uhr) standen viele Rekruten vor dem Problem einer sinnvollen Freizeitgestaltung. Zum Verbleiben in der Kaserne nach Dienst war die Zeit zu lange, zum Heimfahren für viele Soldaten zu kurz. Das Resultat waren Wegunfälle von und in die Kaserne, hohe Fahrtkosten und Langeweile.

Diesen Problemen begegnete man durch eine innovative Gestaltung der Dienstzeit. Das heißt, dass es bei gleicher Stundenbelastung zu einer Blockung der Dienststunden und der Freizeit kam. Durch eine Verlängerung der Tagesdienstzeit (z. B. mittwochs statt 1600 Uhr erst um 2200 Uhr Dienstschluss) wurden die Freitag- und Samstagdienste teilweise oder vollständig eingearbeitet. Das Zeitmodell wurde jeweils für einen Ausbildungsabschnitt (z. B. Basisausbildung 1) geplant und den Rekruten rechtzeitig bekannt gemacht.

Der Vorteil dieses Dienstzeitmodells lag in

  • der Steigerung der Effizienz der Ausbildung (durch längere durchgehende Abschnitte),
  • einer Verminderung der Problematik einer "sinnlosen" Freizeitgestaltung in den Kasernen nach Dienst,
  • einer Erhöhung der verfügbaren Freizeit außerhalb der Kasernen,
  • einer Reduzierung der Gefährdung durch Stress im Straßenverkehr und
  • einer Verbesserung der finanziellen Situation für die Rekruten durch weniger Fahrtkosten und Ausbezahlung von Kostgeld.

Wettkampf/Erlebnis

Ein Ziel der Ausbildung war u. a. Dinge zu bieten, die bei den Rekruten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Leistung sollte bewusst gefördert und die Leistungssteigerungen in allen Bereichen sichtbar gemacht werden. Hierzu wurden in den Einheiten messbare Ergebnisse der Auszubildenden und v. a. Leistungssteigerungen dokumentiert und ausgehängt. Nach jedem Scharfschießen wurden alle Schießergebnisse veröffentlicht und von jedem Schießabschnitt der beste Schütze prämiert. Sportlich wurden Leistungen in den Bewerben 2 400-Meter-Lauf und Liegestütze ausgewertet, um den Rekruten die Wirksamkeit des täglichen Trainings zu zeigen. Am Ende des Grundwehrdienstes wurden dann die Rekruten mit den besten Ergebnis und mit den signifikantesten Leistungssteigerungen mit Medaillen, Urkunden ausgezeichnet. So konnte durchaus ein Rekrut Sieger sein, der bei der ersten Überprüfung des 2 400-Meter-Laufes 19 Minuten benötigte und zum Abschluss des Grundwehrdienstes dieselbe Strecke dann in 12 Minuten lief.

Jeder Ausbildungsabschnitt wurde mit einer Abschlussüberprüfung unter Wettkampfbedingungen beendet und die Überprüfung ausgewertet. In der Basisausbildung 1 wurde dies zum Beispiel mit einem Marsch mit mehreren Überprüfungsstationen durchgeführt. Die Siegerehrung dieser "Abschlussprüfung" fand beim "Tag des Rekruten" im Beisein der Angehörigen der Soldaten, des gesamten Kaderpersonals sowie des Kommandanten der 4. Panzergrenadierbrigade statt.

Die Feldlagerwoche war ein Schwerpunkt der Innovation "Wettkampf/Erlebnis". Die Feldlagerwoche fand als Ausbildungs- und Erlebnislager auf dem Übungsplatz der Garnison Weitra statt. Weitere Höhepunkte waren ein Scharfschießen im Organisations¬element als Abschluss der Basisausbildung 2 und die Teilnahme an der Verbandsübung "EURAD 2010" als Beendigung der Basisausbildung 3.

Diese Vorgehensweise führte zu einer deutlichen Steigerung der Leis¬tungsbereitschaft und der Motivation der Rekruten während ihrer gesamten Dienstzeit.

Kader als Vorbild

Die Grundwehrdiener sollten spüren, dass sie und ihre Ausbildung ihren Kommandanten ein echtes Anliegen waren. Durch Fürsorge, Vorzeigen und Vorleben als taktischer Führer des Organisationselementes, Wertschätzung von Leistungen, die Weitergabe von Informationen, Gerechtigkeit und entsprechenden Umgangston, wurden Vertrauen und Akzeptanz erzeugt und der jeweilige Kommandant zum Vorbild gemacht.

Die Wertschätzung der Leistungen der Rekruten wurde durch ein Belohnungssystem sichtbar gemacht. Die Herausforderung des Kaderpersonals bestand darin, Alternativen zur begehrten Dienstfreistellung zu finden. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Rekruten gerecht zu werden, wurde ein umfangreicher Belohnungskatalog, der von militärischen Highlights (z. B. Mitfahren auf militärischem Gerät, Hubschraubermitfliegen) bis zu zivilen Veranstaltungen (z. B. Besuch von Theaterveranstaltungen) reichte, ausgearbeitet und koordiniert angewandt.

Korpsgeist (Corporate Identity)

Durch besondere Zeremonien und Symbole wurde das Profil des eigenen Verbandes hervorgehoben und der unverwechselbare Charakter des Bataillons (Professionalität, Selbstvertrauen, Stil, Präzission, Verlässlichkeit, Wertschätzung) betont. Dies führte zu einer Stärkung des Selbstwertgefühles der Soldaten und des Verbandes. Folgende Zeremonien wurden im AAB4 in einem besonders feierlichen Rahmen durchgeführt:

Waffenübergabe:

Die erste Übergabe des Sturmgewehres an den Rekruten erfolgte in feierlicher Form durch den Einheitskommandanten vor angetretener Truppe. Dadurch sind das Vertrauen und die besondere Verantwortung, die dem Rekruten übertragen wurden zum Ausdruck gebracht worden.

Verleihung der Verbandsabzeichen aus Stoff:

Vor dem ersten genehmigten Ausgang in Uniform bekam jeder Rekrut das Verbandsabzeichen aus Stoff verliehen. Damit wurden die Rekruten symbolisch in die "Familie" des AAB4 aufgenommen. Beim Ausgang in Uniform waren sie jetzt offiziell Repräsentanten des Verbandes.

Verleihung des Baretts:

Als Anerkennung der erbrachten Leistungen während der Basisausbildung 1 wurde den Rekruten vor der Angelobung das schwarze Barett verliehen.

Tag des Rekruten

Die Angelobung an sich wurde im Rahmen des "Tags des Rekruten" veranstaltet. Der Ablauf der Angelobung wurde daher gänzlich neu durchdacht und umstrukturiert. Ziel war es, ein Fest für die Rekruten und deren Angehörige sowie für das Kaderpersonal zu veranstalten. Die Eltern der Wehrpflichtigen bekamen für die Angelobung und den "Tag des Rekruten" eine schriftliche Einladung. Durch die integrierte Info-Schau über Waffen und Gerät des Verbandes konnten die Rekruten ihre Angehörigen persönlich begleiten. Ein gemeinsames Mittagessen war ebenfalls Programmpunkt dieses Tages. Den Höhepunkt bildete nach wie vor die feierliche Angelobung mit dem Treuegelöbnis, im Zuge dessen die Rekruten mit dem gesamten Kaderpersonal der Einheiten angetreten waren. Nach dem Festakt gab es für alle ein Buffet begleitet durch eine Diashow über die bisherige Ausbildung. Die besten Marschgruppen des Überprüfungsmarsches der Basisausbildung 1 wurden im Anschluss vom Bataillonskommandanten und vom Brigadekommandanten geehrt.

Verabschiedung der Rekruten

Ziel war es, den Rekruten ein Erinnerungsgeschenk als Ausdruck der Wertschätzung für die erbrachten Leistungen zum Abschluss des Grundwehrdienstes zu überreichen. Mit truppeneigenen Mitteln wurde eine Erinnerungstafel entworfen und hergestellt. An dieser Tafel waren alle Utensilien, welche die Rekruten mit nach Hause nehmen können, angebracht. Im Detail sind das die Wehrdienstkarte, das Namensschild, das Namensband, der eventuell erworbene Dienstgrad und das Bewährungsabzeichen, das Kompanie-/Batterieabzeichen und die Wehrdiensterinnerungsmedaille.

Gesundheit

Auf den unterschiedlichen Gesundheitszustand beim Einrücken der Wehrpflichtigen wurde große Rücksicht genommen. Um diesen zu verbessern und ein Bewusstsein für eine gesunde Lebensweise zu erlangen leben die Kadersoldaten einen gesunden Lebensstil (Sport, Ernährung, Suchtprävention) vor. Ziel war es, die Rekruten zu einer Verbesserung ihrer Einstellung zur Gesundheit und zu einer eventuellen nachhaltigen Änderung der bisherigen Lebensgewohnheiten zu bewegen. Die durchgeführten Initiativen umfassten die Bereiche Sport, Ernährung, Suchtprävention und Unfallverhütung.

Sport:

Die Sportausbildung der Rekruten wurde in das umfangreiche Sportkonzept "Fit mach mit" eingebettet und wie folgt umgesetzt:

  • "Abholung" des Wehrpflichtigen im derzeitigen Fitnesszustand; - Professionelle und individuelle Betreuung durch den Kader;
  • Vorbildwirkung des Kaderpersonals;
  • Bewusstmachen der Leistungssteigerung durch wettkampfmäßige Zwischenüberprüfungen (einschließlich der Absolvierung des Österreichischen Sportabzeichens);
  • Schwergewicht bei militärischen Sportarten.

Die Motivation zur körperlichen Betätigung im und nach Dienst wurde durch eine moderne Sportinfrastruktur gehoben. So stehen den Soldaten u. a. Fitnessstudio, Beach-Volleyballplatz, Sporthalle, Fußballplatz und Sportanlagen für den Militärischen Fünfkampf zur Verfügung.

Ernährung:

Die richtige Ernährung stellt einen wesentlichen Faktor zur Verbesserung der körperlichen Fitness dar. In diesem Bereich nutzt das AAB4 die Kompetenz des Kooperationspartners, des Herz-Kreislaufzentrums Groß Gerungs. Durch Vorträge von Ernährungswissenschaftern wurde das Problembewusstsein bezüglich einer unausgewogenen Ernährung bei den jungen Soldaten geweckt. Weiters wurde das Warenangebot in den verschiedenen Betreuungseinrichtungen nach ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen erweitert bzw. geändert.

Durch verschiedene Steuerungsmaßnahmen, wie der transparenten Beurteilung des Mittagessens nach ernährungswissenschaftlichen Aspekten (siehe auch TD 1/2010, "Was sollen die Soldaten essen …?"), bekamen die Wehrpflichtigen eine Hilfestellung, um ihre Ernährung ausgewogener zusammenzustellen.

Suchtprävention:

Ziel war es, die Probleme von Sucht und dem damit verbundenen Suchtverhalten bei den Soldaten aufzuzeigen und ihre Einstellung gegenüber Suchtmitteln zu sensibilisieren. Um ein eventuelles Suchtproblem rechtzeitig zu erkennen und professionell handhaben zu können, unterzog sich ein Großteil des Kaderpersonals am Anton-Proksch-Institut einer Schulung zum Thema "Suchtprävention/Alkohol". In weiterer Folge wurde ein Stufenplan, beginnend von Maßnahmen zur Früherkennung bis zur Zuführung zu einer professionellen Entwöhnung, erarbeitet.

Die Wehrpflichtigen wurden bei der Einstellungsuntersuchung einem Drogentest unterzogen. Bei einem positiven Ergebnis waren die Rekruten zum ersten Mal mit dem Delikt des Suchtgiftmissbrauchs konfrontiert. In Vorträgen von Ärzten und der S2-Gruppe des Militärkommandos wurden die Rekruten über die gesundheitlichen und rechtlichen Folgen von Drogenmissbrauch informiert und in die Systematik der weiteren unangekündigten Überprüfungen eingewiesen. Durch diese Maßnahmen konnte präventiv Überzeugungsarbeit geleistet werden. So wurde während der gesamten Grundwehrdienstzeit des Einrückungstermins 4/2010 kein weiterer Missbrauchsfall festgestellt.

Unfallverhütung:

Um die Anzahl jener Rekruten, welche jährlich im Straßenverkehr am Weg zum oder vom Dienst verunglücken zu senken, wurde das bestehende Verkehrssicherheitsprogramm durch einen Schockvortrag eines Notarztes erweitert. In einem unter die Haut gehenden Vortag stellte der Arzt die Ursachen und Folgen von Verkehrsunfällen anschaulich dar.

Abschlussbemerkungen Meinungsumfragen beim Kaderpersonal und bei den Rekruten wurden begleitend zu diesem Pilotprojekt durchgeführt. Die überwiegende Mehrheit war von den Initiativen und den damit gesetzten Maßnahmen begeistert. Dies trug zu einer deutlichen Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes bei. Die Rekruten konnten die Sinnhaftigkeit der geforderten Leistungen und den zivilen Nutzen daraus erkennen. Der Grundwehrdienst wurde damit von der überwiegenden Masse der Rekruten als wertvolle Zeit empfunden. Dieses Ergebnis hat den Verband angespornt im eigenen Bereich diese attraktivitätssteigernden Maßnahmen weiter fortzusetzen.


Autor: Oberstleutnant Herbert Gaugusch, MSD; Jahrgang 1966. Ausmusterung 1989, Jahrgang "Rodakowsky", zum Panzergrenadierbataillon 9; 1989-1991 Zugskommandant eines Panzergrenadierzuges; 1991-2000 Kommandant der 2. Panzergrenadierkompanie in Weitra; 2000-2005 in verschiedenen Verwendungen im Kommando des Panzergrenadierbataillons 9, zuletzt stellvertretender Kommandant Panzergrenadierbataillon 9, Verwendung im Kommando der 3. Panzergrenadierbrigade als S5; 2005-2010 Kommandant Aufklärungs- und Artilleriebataillon 4 in Allentsteig; seit Ende 2010 Leiter der Stabsabteilung und stellvertretender Kommandant des TÜPl Allentsteig; 2010 Absolvierung des Führungslehrganges 3.

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