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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Psychologie und Human Resource Management

Betrachtet man die meisten Auswahlsysteme im Österreichischen Bundes­heer (Fliegertestung, Spezialeinsatzkräfte, Auslandseinsätze etc.), lässt sich mit Bestimmtheit feststellen, dass die Psychologie aus all diesen Prozessen nicht mehr wegzudenken ist. Dies darf dennoch nicht zur Überheblichkeit führen, dass die Psychologie mit ihren Instrumentarien und Methoden nunmehr der Weisheit letzter Schluss bezüglich Eignung oder Nicht-Eignung eines Bewerbers sei. Einerseits hat die Psychologie viele Möglichkeiten und Vorteile aufzuweisen, andererseits müssen im gleichen Atemzug auch ihre Grenzen mitberücksichtigt werden.

Jedes Auswahlsystem stellt im herkömmlichen Sinn einen Situationsreport dar. Es werden zumeist leistungsmäßige und persönlichkeitsrelevante Aspekte erfasst und daraus die Prognose für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe erstellt. Wie kann es dann aber vorkommen, dass sich Kommandanten sehr verwundert über die Beurteilung eines Bewerbers aus psychologischer Sicht äußern, wenn sich doch ihre Beobachtungen aus Sicht der Praxis fast widersprüchlich zur psychologischen zeigen?

Genau hier setzt der Schwachpunkt der Psychologie ein, dass nur Situationsaufnahmen gemacht werden können. Diese stellen keine hundertprozentige Gewissheit dar, ob sich ein gezeigtes Verhalten auch sicher auf zukünftige Situationen umlegen lässt. Jüngste Selektionsanalysen in der US-Armee haben gezeigt, dass gerade Lei­stungsdaten, wie logisches Denken, verbale Fähigkeiten, Merkfä­higkeit etc. zukünftige Leistungen gut voraussagen können. Demgegenüber stehen die erhobenen Per­sönlichkeitsaspekte, welche sehr stark kontextabhängig und daher immer sehr kritisch zu betrachten sind.

Ich möchte als gutes Beispiel für mehrmaliges Unverständnis seitens der Truppe hinsichtlich der psychologischen Beurteilung eines Bewerbers die Eignungsprüfung Chargen (EPrCh) heranziehen. Ein wesentliches Problem in diesem System ist die Tatsache, dass sich ein interessierter Kaderanwärter in einem sehr frühen Stadium seines Dienstes beim Öster­reichischen Bundesheer (üblicherweise zwischen dem fünften und siebenten Ausbildungsmonat) dafür entscheiden muss, um einer Auswahltestung zugeführt zu werden. Viele zu erwartende Umstände sind ihm noch nicht bekannt, aber auch wenn sie ihm dargestellt wurden, so sieht die Realität zumeist doch anders aus. Aus meiner Tätigkeit in der Flieger­psychologie weiß ich, dass bei einer Mehrzahl der in den letzten Jahren freiwillig ausgetretenen Pilotenanwärtern der Umstand hauptver­ant­wortlich war, dass der militärische Alltag ganz und gar nicht ihren Vorstellungen und unseren Darstellungen entsprochen hat. In jüngster Zeit haben sowohl die belgische als auch die niederländische Armee dieses massive Problem erkannt und wissen, dass sich ein unklares Rollen­bild, mangelnde Karriereplanung, unsoziale Dis­lozierung, mangelnde Transparenz in Personalent­schei­dungen, Un­flex­ibilität im Job, mangelnde Möglich­­keit der Spezialisierung etc. nachhaltig negativ auswirken.

Hat nun ein Bewerber bei der psychologischen Kadereignungstestung das Ergebnis geeignet, gut oder sehr gut geeignet erreicht und steht dieses Ergebnis nun im Widerspruch zur Beurteilung des Kommandanten (Kompanie, Zug, Gruppe) so ist es erforderlich, nicht nur mit dem Unter­suchungs­psychologen Verbindung aufzunehmen, sondern auch den Kontext (die situativen Faktoren hinsichtlich Fremd- und Selbsterwartungen des Bewerbers) abzuklären. Dies natürlich auch im umgekehrten Fall (ein Bewerber bewährt sich bei der Truppe, wird aber bei der Kaderauswahltestung für nicht geeignet eingestuft).

Es darf aber nicht außer Betracht gelassen werden, dass es sich bei der EPrCh um eine so genannte Schlech­testenauswahl handelt, dass heißt, dass nicht die besten weiterkommen, sondern lediglich die schlechtesten ausscheiden. Schließlich soll ja aus dem großen Topf der geeigneten Anwärter von der Truppe die besten zukünftigen Kadersoldaten ausgewählt werden. Hier kommt natürlich die Kommandantenverantwortlichkeit zu tragen. Zu dieser Verantwortlichkeit zählt auch das Abschätzen, inwieweit ein junger Soldat durch entsprechende Ausbildung und Förderung dem speziellen Anforderungsprofil und den Arbeitsplatzerfordernissen gerecht werden kann. Die psychologische Auswahltestung wird auf der Grundlage eines sehr allgemeinen Anforderungsprofils durchgeführt. Diesem zu entsprechen gilt die jeweilige Beurteilung. Jedem Kommandanten muss klar sein, und darauf baut das Konzept der gesamten EPrCh auf, dass seine Entscheidung einen wesentlichen Baustein des umfassenden Systems der Personalauswahl darstellt.

Das derzeit sehr populäre Rollen-Modell von R. E. Quinn beschreibt einen heutigen Kadersoldaten als In­novator, Negotiator, Producer, Direc­tor, Co­ordinator, Controller, Motivator und Counsellor. Der breite Ansatz der psychologischen Kader­auswahltestung stellt ein kleinstes gemeinsames Vielfaches jener Kriterien dar, welche sowohl von Experten der Truppe als auch der Psychologie festgelegt wurden, um diesem Erfordernis der Entsprechung obig angeführter Rollen näher zu treten. Es ist Aufgabe der Kommandanten, dies zu berücksichtigen und nach praktischer Verwendung zu erwägen, ob ein junger Kader­soldat diesem Anspruch gerecht wird - viel­leicht nicht sofort, aber mit entsprechender Förderung. Genau hier ergibt sich wieder die Schnittstelle mit der Psychologie, deren Gegenstand das Verhalten, das Erleben, das Bewusstsein, deren Entwicklung sowie deren Bedingungen und Ursachen ist.

Oberstleutnant dhmfD Mag. Christian Langer

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