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Zivil in den Friedenseinsatz

Training soll feldtauglich machen

Minengefahr, Heckenschützen, Überfälle, Morddrohungen: Internationale Friedensmissionen müssen nicht, können aber gefährlich sein. Auch zivile Einsatzkräfte sollten wissen, wie man sich sicher im Feld bewegt. Deshalb gibt es jetzt in einigen Staaten Europas Trainingszentren, die auf Friedenseinsätze vorbereiten - die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) treibt diese Entwicklung voran. Ziviles und militärisches Personal sind im Einsatz oft aufeinander angewiesen. Sind beide gut trainiert, steht dem gemeinsamen Erfolg im "Einsatz nach dem Krieg" nichts mehr im Weg.

Der Krieg im Burgenland ist vorbei. Aber ist die Gegend sicher genug, damit die Flüchtlinge zurückkehren können? Eine OSZE-Kommission vor Ort will das überprüfen, einige Missionsmitglieder machen sich auf den Weg. Die Gruppe hält sich an die geteerten Straßen, abseits davon herrscht Minengefahr. Eine Flüchtlingsfrau mit ihrem Baby schließt sich an, lässt sich nicht abwimmeln - bis zu einem illegalen Checkpoint, auf den die Gruppe stößt. Die Männer sind mit Maschinengewehren bewaffnet; sie nehmen den Missionsmitgliedern zwei Funkgeräte weg, lassen sie aber passieren. Nur die Flüchtlingsfrau nicht: Sie wird ins Gebüsch gezerrt, geschlagen, in ein Auto gestoßen. Was tun?

Was im Burgenland eine Übung ist, kann in einem Krisengebiet schnell zur Realität werden. Deshalb gehört diese Simulation zur Standardausbildung am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) im burgenländischen Stadtschlaining - der einzigen Institution in Österreich, die ziviles Personal für internationale Einsätze ausbildet.

Fit für den Einsatz

Zwei unterschiedliche Programme sollen zukünftige Missionsmitglieder für den Einsatz fit machen: Das Mission Preparation Training Programme for the OSCE (MPT) ist speziell als Vorbereitung für OSZE-Missionen gedacht. Das International Civilian Peace-Keeping and Peace-Building Training Programme (IPT) bereitet auf alle internationalen Missionen vor, auch auf die Arbeit in der Entwicklungshilfe oder bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Die beiden Programme unterscheiden sich nicht wesentlich - nur insofern, als dass das MPT auch mit der OSZE als Organisation vertraut macht.

In zweiwöchigen Grundkursen üben die Teilnehmer, wie man ein Funkgerät und einen Kompass benutzt, wie man Karten liest und ein Kraftfahrzeug mit Allrad-Antrieb fährt, wie man Minen erkennt und sich in Gefahrensituationen verhält. Drei Tage sind dem richtigen Verhalten im Einsatzgebiet gewidmet. Darüber hinaus lernen die Kursteilnehmer, mit Dolmetschern zu arbeiten, Berichte zu schreiben und welche kulturellen Verständigungsprobleme in einem multinationalen Team auftauchen können.

In ebenfalls zweiwöchigen Spezialisierungskursen geht es dann, nach dem Grundkurs, um bestimmte Aufgaben im Feld, beispielsweise um Wahlbeobachtung, humanitäre Hilfe, Menschenrechtsschutz oder die Förderung unabhängiger Medien. Nach insgesamt vier Wochen Ausbildung sollen die Teilnehmer für den Einsatz gerüstet sein.

Das Schlaininger Friedenszentrum versteht sich als grenzübergreifende Trainingsinstitution - und entsprechend international besetzt sind die Kurse: Die Teilnehmer kommen vor allem aus den östlichen OSZE-Mitgliedsstaaten, vom Balkan, aus dem Kaukasus und aus Zentralasien. Österreicher sind in Stadtschlaining meist in der Minderheit. In den vergangenen Jahren kamen pro Kurs durchschnittlich ein oder zwei Teilnehmer aus dem Inland. Der Grund: Wer auf Mission will, kann das hierzulande auch ohne Vorbereitungskurs tun - Pflicht ist ein solcher Lehrgang in Österreich nicht. Erst 2004 hat sich die Zahl der österreichischen Teilnehmer erhöht.

Wer geht in den Einsatz?

Es sind die Außenministerien, die besonders im OSZE-Rahmen entscheiden, ob, und wenn ja, welche Vorbereitung sein muss. Denn die Wiener Organisation arbeitet mit dem so genannten Sekundierungssystem: Die Kandidaten bewerben sich nicht direkt bei der OSZE, sondern beim Außenamt ihres Heimatstaates, welches den Kandidaten dann vorschlägt. (Anders ist das im UN-System: Dort bewirbt man sich meist direkt auf Positionen, worauf das Außenministerium keinen unmittelbaren Einfluss hat.) Wenn die OSZE den Kandidaten akzeptiert, nimmt ihn das Außenamt unter Vertrag und stellt ihn der OSZE wiederum zur Verfügung - er ist dann ein sekundierter Mitarbeiter.

In der OSZE wird durchaus betont, dass die Kandidaten auch wichtige Überlebenstechniken beherrschen müssen und wissen sollten, was sie in einem Nachkriegsland erwartet. Unter diesem Aspekt betrachtet gibt es immer noch zu viele Missionsmitglieder, die völlig unvorbereitet in den Einsatz geschickt werden: "Von den neuen Mitarbeitern ist in der Regel ein Drittel missionserfahren und sehr gut vorbereitet, ein weiteres Drittel war zwar schon auf Mission, wurde aber nicht systematisch trainiert - und ein Drittel der neuen Mitarbeiter ist weder vorbereitet noch erfahren", sagt der OSZE-Trainingskoordinator in Wien, Thomas Neufing. Der Grund: Die wenigsten OSZE-Teilnehmerstaaten setzen einen Vorbereitungskurs als Bedingung für eine Nominierung an.

Ausbildung nicht zum Nulltarif

Beispiel Österreich: Wer sich vorbereiten will, muss sich selbst darum kümmern - und auch die Kosten tragen. Der zweiwöchige MPT-Grundkurs in Stadtschlaining kostet 2 000 Euro, ein aufbauender Spezialisierungskurs, ebenfalls 14-tägig, schlägt sich mit 1 200 Euro zu Buche.

Die OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), mit Sitz in Paris, setzt sich in erster Linie für die Verbesserung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen ein und fördert ökonomisch schwache Länder. Mitglieder sind u. a.: EU- und EFTA-Staaten, die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Mexiko und Südkorea. Vollstipendien für die Stadtschlaining-Kurse vergibt das Außenministerium ausschließlich an Nicht-Österreicher aus Nicht-OECD-Staaten, "um das auch Leuten zu ermöglichen, die ein solches Angebot in ihrem Heimatland nicht haben oder die es sich nicht leisten könnten", sagt Hans Michael Plut, ehemals zuständiger Referent im Außenministerium. Und Plut weiter: "Österreicher können sich das im Regelfall schon leisten, wenn sie so etwas wirklich machen wollen." Für den letzten MPT-Grundkurs im Mai 2004 hat das Außenministerium erstmals seit Jahren Teilstipendien für Österreicher in Höhe von 1 000 Euro vergeben. Die Folge: 13 Österreicher nahmen teil - ein Rekord.

Vorbereitung - eine Notwendigkeit?

Nicht jeder braucht nach Ansicht von Trainingsexperten ein Vorbereitungstraining. "Es gibt Kandidaten, die schon auf UN-Missionen waren und schon viel Erfahrung haben", sagt Trainingskoordinator Neufing. "Es wäre unsinnig, die zu einem Grundkurs zu schicken." Zudem gebe es Missionen, in denen ein Sicherheitstraining im Vorfeld nicht erforderlich sei. "Wer in eines der OSZE-Vertretungsbüros in den Hauptstädten wie nach Jerewan oder Baku geschickt wird, muss nicht unbedingt wissen, wie man Minen erkennt oder sich vor Heckenschützen in Acht nimmt", meint Neufing.

Rund die Hälfte der insgesamt 18 OSZE-Feldaktivitäten sind in einem als heikel eingestuften Umfeld angesiedelt. Die OSZE-Aktivitäten in den unsicheren Nachkriegsländern sind weitaus umfangreicher als die in den sicheren Staaten. So finden sich allein in den Missionen im Kosovo, in Bosnien und Georgien mehr als 500 internationale Fachkräfte - die OSZE-Büros in Jerevan, Baku, Almaty und Aschgabad bestehen aus insgesamt rund 20 Mitarbeitern (Stand 2004). 90 Prozent des OSZE-Personals arbeitet in den gefährlichen Missionen.

Zivile Einsatzreserve straff organisiert

Bei den wenigsten Kandidaten ist von vornherein klar, wohin sie entsandt werden. Sie werden meist nicht erst ausgesucht, wenn Stellen in den Missionen besetzt werden müssen. Vielmehr haben viele Teilnehmerstaaten der OSZE, darunter auch Österreich, eine Personalreserve - also einen Pool an Leuten, die grundsätzlich für Friedensmissionen in Frage kommen, aber nicht sofort geschickt werden. Auf diese Weise sollen die Außenministerien jederzeit auf kompetente Fachkräfte zurückgreifen können und für Krisenzeiten besser gewappnet sein.

Einige Staaten, wie zum Beispiel Norwegen, haben in ihrem Personalpool auch eine Stand-by-force integriert, eine kleine Anzahl von Leuten, ähnlich einer schnellen Eingreiftruppe, die innerhalb weniger Tage einsetzbar ist.

Der Personalpool des österreichischen Außenministeriums umfasst rund 600 Personen, gleich viele sind es derzeit in Deutschland. Dort sollen jedoch in Zukunft bis zu 1 300 Freiwillige verfügbar sein. Das deutsche Außenministerium hat dafür im April 2002 ein eigenes Institut gegründet: das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) mit Sitz in Berlin. Aufgabe des ZIF ist es nicht nur, die geeigneten Kandidaten auszuwählen und die Personalreserve zu verwalten. Das Zentrum bereitet Deutsche auch selbst auf Friedenseinsätze vor.

Anders als in Österreich ist ein vorbereitendes Training für deutsche OSZE-Mitarbeiter Pflicht. "Ausgenommen sind lediglich Leute aus Polizei oder Militär sowie Fachkräfte, die im Ausland eine vergleichbare Ausbildung gemacht oder schon in einigen Missionen gearbeitet haben", führt Markus Postert aus, Leiter der Abteilung Training am ZIF.

Jeder Teilnehmer muss für einen zweiwöchigen Kurs nur 300 Euro berappen, Verpflegung und Unterkunft inklusive - ein symbolischer Beitrag. Die restlichen Kosten, pro Person zirka 1 500 Euro, übernimmt das Auswärtige Amt. Auch sonst wird das ZIF aus Mitteln für Krisenprävention des Auswärtigen Amtes finanziert. Das Budget 2004: zwei Millionen Euro. Es ist zwar eine gemeinnützige GmbH, Gesellschafter ist jedoch die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Auswärtige Amt.

In den ZIF-Grundkursen geht es, wie in Stadtschlaining, um das richtige Verhalten im Einsatz und um die Arbeitsbedingungen in der Mission. "Worauf wir unsere Leute vorbereiten, sind aber auch ganz alltägliche Situationen, wie Mobbing beispielsweise", berichtet Postert. "Zu Hause kann man mit diesen Dingen umgehen, wenn man mit Familie oder Freunden darüber spricht. In der Mission kümmert das oft niemanden - weil dort alle Leute dieselben Probleme haben." Die Kurse dauern zehn bis zwölf Tage, "das ist natürlich wenig Zeit, um jemanden vorzubereiten", sagt Postert. "Wir versuchen daher vor allem, den Leuten die Augen zu öffnen und sie zum Selbststudium anzuregen. Es geht in erster Linie darum, dass sie ein Gefühl dafür bekommen, wie es in einer Friedensmission sein wird."

Internationales Flair zur besseren Arbeit im Feld

Dass sich Deutschland eine eigene Institution für diese Aufgaben leistet, liegt auch daran, dass verhältnismäßig viele Deutsche in internationalen Friedensmissionen arbeiten. Allein in OSZE-Missionen ist Deutschland mit rund 100 Leuten vertreten - auf diese Zahl kommen sonst nur Großbritannien und die Vereinigten Staaten. Österreich liegt mit rund 40 Mitarbeitern an fünfter Stelle, nach Frankreich mit knapp 70 Sekundierungen. Insgesamt hat die OSZE rund 950 internationale Missionsmitglieder.

Ob und wie man die eigenen Leute vorbereitet, hängt auch davon ab, wieviele Personen das jeweilige Land sekundiert. Bei zwei, drei Personen pro Jahr lohne es sich nicht, ein eigenes Trainingsprogramm zu organisieren, sagt Neufing. "Ein Beispiel dafür ist Litauen: Das Land hat derzeit drei Personen in den Missionen. Sollte man da eine eigene Trainingsinstitution einrichten?" Neufing plädiert deshalb für das Konzept der regionalen Zentren: Alle Institutionen, die Vorbereitungslehrgänge anbieten, sollen ihre Kurse auch für ausländische Teilnehmer öffnen. "Auf diese Weise gewinnen die Kurse außerdem ein internationales Flair - was ja den realen Arbeitsbedingungen im Feld entspricht." Die meisten Trainingsinstitutionen haben bereits Plätze für Ausländer reserviert, etwa das deutsche ZIF, die Schweiz und Schweden. Das Schlaininger Friedenszentrum in Österreich ist ohnehin international ausgerichtet. Auch EU-weit ist gerade ein Projekt der Europäischen Kommission angelaufen, das Trainingsinstitutionen in ganz Europa miteinander verknüpfen will - um europaweit eine einheitliche Ausbildung ziviler Einsatzkräfte zu garantieren.

Die Kosovo-Erfahrung

Ausschlaggebend für all diese Trainingsbemühungen in der OSZE war das "Kosovo-Disaster": die Erfahrungen mit der OSCE Kosovo Verification Mission (KVM), die im Oktober 1998 eingesetzt wurde, noch vor den Luftschlägen der NATO gegen Milosevic. Ziel der Mission war es, den vereinbarten Abzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo zu überwachen.

"Das war eine akute Krise, die Leute mussten sehr schnell mobilisiert werden", erzählt OSZE-Trainingskoordinator Neufing. Das Problem: Es gab nur wenige zivile Fachkräfte, die sich für einen solchen Einsatz eigneten. Die Lage war äußerst gefährlich, die kosovo-albanische UCK kämpfte gegen die serbischen Truppen. "In dieser Situation ist es schwer für nicht-militärisch geschulte Leute, sich zurechtzufinden, die Lage einschätzen zu können und sich sicher zu bewegen." Kaum einer der Kandidaten habe grundlegende Überlebenstechniken beherrscht oder gewusst, wie man sich im Feld orientiert. "Eine Gruppe verirrte sich und verlor den Kontakt zu den Kollegen - weil sie das Global Positioning System nicht bedienen konnte." Deshalb griff die OSZE auf Militärs zurück: "Rund 80 Prozent des KVM-Personals hatte einen militärischen Hintergrund - viele waren ehemalige Soldaten im Ruhestand", erzählt Neufing.

Die KVM wurde zur großen Lernerfahrung in der OSZE: "Den Teilnehmerstaaten ist damals bewusst geworden, dass man ziviles Personal schulen muss, um Verluste zu verhindern", resümiert Thomas Neufing. "Das geht nur, wenn man die Strukturen in den Mitgliedsstaaten verändert - und auch die in der OSZE."

Das ideale Missionsmitglied

Das Resultat: Die Kriterien, die zukünftige Missionsmitglieder erfüllen sollten, wurden im Rahmen des so genannten REACT-Programmes, dem Rapid Expert Assistance and Co-operation Teams-Programme, genau festgelegt. Das erleichtert den Teilnehmerstaaten, geeignete Leute auszuwählen. Zu den Kriterien gehören persönliche Anforderungen, wie beispielsweise die Fähigkeit, unter Stress zu arbeiten und mit psychisch belastenden Situationen umzugehen, aber auch formale Bedingungen, wie der Besitz eines Führerscheins.

Daneben wurden bestimmte Bereiche an Expertenwissen definiert, die im Feld oft gebraucht werden. Nicht nur Menschenrechts- oder Sicherheitsexperten sind auf Missionen gefragt, sondern auch Projektmanager, Finanzexperten oder Computerspezialisten.

Aus dieser Liste an Kriterien ist die staffing matrix entstanden, ein Raster, mit dessen Hilfe Kandidaten im Vorfeld kategorisiert werden können - um die Suche nach bestimmten Experten zu erleichtern, wenn es schnell gehen muss. Der Anforderungskatalog dient mittlerweile auch bei der routinemäßigen Rekrutierung von OSZE-Missionsmitarbeitern als Richtlinie.

Ergänzend hat das OSZE-Sekretariat in Wien die training standards entwickelt. Diese im November 2000 herausgegebenen Standards sind Empfehlungen an die Teilnehmerstaaten, was eine gute Vorbereitung der zivilen Experten umfassen sollte. Danach wird unter anderem in den Grundkursen des ZIF und des ÖSFK gelehrt.

Orientierung vor dem Einsatz

In der OSZE selbst gibt es zudem eine zentrale Einführung in die Missionsarbeit - der erste Arbeitsschritt aller neuen Missionsmitglieder. Das fünftägige General Orientation Programme (bis März 2004 noch Induction Programme in der Dauer von zwei Tagen) soll in erster Linie mit der OSZE vertraut machen: mit ihrer Entstehung, ihrem Mandat und der politischen Prioritätensetzung. Auf dem Programm steht auch der organisationsinterne Verhaltenskodex, vor allem das Verhalten gegenüber der Bevölkerung vor Ort. "Wir sprechen auch das Thema Menschenhandel an, das in Osteuropa ein großes Problem ist", erläutert Neufing. "Jeder, der Verbindungen zu Personen hat, die darin irgendwie involviert sind, fliegt sofort aus der Mission." Fragen der persönlichen Sicherheit werden in zwei Stunden behaldelt. Dabei geht es vor allem darum, den Teilnehmern klar zu machen, mit welchen Gefahren und Problemen sie in der Mission konfrontiert sein können - und welche Unterstützung sie in schwierigen Situationen von der OSZE erwarten können, zum Beispiel nach psychisch traumatischen Erfahrungen. In gefährlichen Missionen wie im Kosovo gibt es aber auch vor Ort ein Sicherheitsbriefing, das bis zu zwei Tage dauern kann und vom dort stationierten Militär gemacht wird.

Der Trainingsansatz der OSZE

Auch während des Missionseinsatzes gibt es Schulungsangebote, sowohl für die internationalen Mitarbeiter als auch für lokal rekrutiertes Personal. Als Trainingskoordinator ist Thomas Neufing - zusammen mit der ihm unterstehenden Trainingssektion der Organisation - für die Schulung und Weiterbildung aller OSZE-Mitarbeiter verantwortlich. Die Entscheidung, welche Trainings wann und für wen stattfinden, richtet sich nach dem aktuellen Bedarf. Einsatz freigestellt werden können - und danach wieder auf ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren dürfen. Ein Auslandseinsatz ist für sie zwar oft mit finanziellen Einbußen verbunden. Aber er wird in Norwegen sehr hoch geschätzt - als eine Art Freiwilligendienst auf hohem Niveau.

Ein Prozent des OSZE-Budgets steht der Sektion insgesamt zur Verfügung - rund 1,7 Millionen Euro pro Jahr.

Derzeit kümmert sich die OSZE vor allem um den Wiederaufbau von Ländern, in denen ein Konflikt oder Krieg bereits längere Zeit zurückliegt - wie etwa in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo oder in Mazedonien. Die Missionen vor Ort beraten die Verwaltungsbehörden und die Justiz, bilden lokale Polizeieinheiten aus, unterstützen Gründer von unabhängigen Zeitungen und überwachen die Wahlen.

Die aktuellen Trainingsschwerpunkte liegen auch auf Personalführung innerhalb der Missionen, ebenso auf Verhandlungs- und Vermittlungstechniken. "Das hängt mit dem intensiven Kontakt zu den Gruppen vor Ort zusammen", erläutert Neufing. "Die Missionen üben vor Ort oft auch eine kontrollierende Funktion aus - da kommt es manchmal zu konfliktgeladenen Verhandlungen." Generell solle das Training die jeweilige Person in die Lage versetzen, ihre Aufgaben möglichst gut zu erfüllen. "Es geht um Leistungssteigerung", erklärt Thomas Neufing den Ansatz der Organisation. "Das heißt heute, spezifisches Expertenwissen zu trainieren - und nicht, der Person grundsätzliche Dinge beizubringen, die sie eigentlich schon können müsste." Allerdings, präzisiert Neufing, könne man niemanden durch ein kurzes Training zum Experten machen. "Nach zwei Wochen Spezialisierungskurs hat man nicht 20 neue Menschenrechtsspezialisten - die Expertise muss schon da sein, wenn die Leute rekrutiert werden. Aber man kann Menschenrechtsexperten beispielsweise durch das Vermitteln von Verhandlungstechniken helfen, ihre Arbeit effektiver zu machen."

Der Knackpunkt Rekrutierung

Wirkliche Experten zu finden, ist nicht einfach. Denn es sind hauptsächlich junge Leute mit wenig Berufserfahrung, die sich für einen Missionseinsatz interessieren: "60 bis 70 Prozent unserer Kandidaten im Reservepool sind zwischen 22 und 35", schätzt der Ex-Referent im Außenministerium, Hans Michael Plut. Ähnlich sind die Erfahrungen in Deutschland und in der Schweiz. Experten, die schon seit vielen Jahren im Beruf stehen, bewerben sich kaum.

Das Problem: Nur wenige werden für einen Missionseinsatz beurlaubt, die meisten müssten ihren Arbeitsplatz aufgeben - und damit möglicherweise ihre Karriere, denn nach ein, zwei Jahren Ausland ist es schwierig, wieder eine Stelle auf demselben Niveau zu finden: "Eine Missionserfahrung wird von den Arbeitgebern nicht geschätzt, im Gegenteil", sagt Markus Postert vom ZIF. "Es kann passieren, dass die Leute von einem anstrengenden Missionseinsatz ganz erschöpft zurückkehren und dann gefragt werden: ‚Na, hast Du einen schönen Urlaub gehabt?‘" Ähnliches weiß auch ein Mitarbeiter des schweizerischen Außenministeriums zu berichten: "Die Anfragen der internationalen Organisationen sind in letzter Zeit sehr spezifisch." Es seien oft sehr qualifizierte Personen gefragt, zum Beispiel Richter. "Die sind fast nicht zu finden. Auch bei uns gibt es Arbeitslosigkeit - und da gibt man seine Stelle nicht so leicht auf." Diese Entwicklung habe sich in letzter Zeit verschärft. "Die Mandate der Missionen ändern sich, sie sind spezifischer und komplexer. Damit werden die Anforderungen an die Mitarbeiter höher", erläutert der Schweizer. Die Allrounder seien heute nicht mehr so gefragt.

Wie es anders laufen kann, macht zum Beispiel Norwegen vor. Seit elf Jahren hat das Land eine Personalreserve mit Menschenrechts- und Demokratisierungs-Experten: NORDEM - die Norwegian Resource Bank für Democracy and Human Rights. Diese Experten gehen in Norwegen ihrer normalen Arbeit nach; Verträge mit den Arbeitgebern legen aber fest, dass sie jederzeit für einen internationalen Einsatz freigestellt werden können - und danach wieder auf ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren dürfen. Ein Auslandseinsatz ist für sie zwar oft mit finanziellen Einbußen verbunden. Aber er wird in Norwegen jedoch sehr hoch geschätzt - als eine Art Freiwilligendienst auf hohem Niveau.

___________________________________ ___________________________________ Autorin: Mag. Julia Raabe, Deutschland, Jahrgang 1976, studierte Politikwissenschaft in Berlin und Paris, Spezialisierung: Internationale Beziehungen. 2003/2004 Redakteursausbildung am Kuratorium für Journalistenausbildung in Salzburg. Heute freie Mitarbeiterin im Außenressort der Austria Presse Agentur.

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