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Pakistan - Das Militär und der Terror

von Ulrich Stahnke

Kurzfassung

◄ Staatspräsident General Musharraf hat das vom Militärdiktator Zia ul Haq islamisierte Land von der jahrelangen Unterstützung der Taliban weg zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus hingeführt. Allerdings muss das Bewusstsein, dass sich das Land zu lange mit den Terroristen eingelassen und dabei Terroristen auch für eigene politische und militärische Zwecke in Kaschmir eingesetzt hat, in der in der pakistanischen Elite und auch in der breiten pakistanischen Bevölkerung noch wachsen. Dazu wird Zeit benötigt. Das innerstaatliche islamistische Potenzial, das mit dieser falschen Politik gewachsen ist, kann wiederum nur durch langfristige Bildungsinvestitionen - wohl über Generationen - und über wirtschaftliches Wachstum mit ausreichenden Arbeitsplätzen gezielt ausgetrocknet werden.

Im Konflikt mit Indien um Kaschmir setzt Pakistan nämlich auf islamistische "Freischärler" und paramilitärische Einheiten Pakistans mit logistischer Unterstützung der pakistanischen Armee. Erstaunlich ist, dass die gleichen islamistischen Kräfte, die in der "North West Frontier Province" im Grenzgebiet zu Afghanistan gegen die eigenen pakistanischen Sicherheitskräfte kämpfen, von der politischen und militärischen Führung Pakistans als terroristisch bezeichnet, im Einsatz in Kaschmir jedoch als "Freiheitskämpfer" tituliert werden.

Musharraf ist als Staatspräsident ein Garant für Pakistans Stabilität. Er ist in seinem Amt "gewachsen" und hat sich zu einem anerkannten und verlässlichen Partner der freien Welt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus entwickelt. Zu seiner Person und der von ihm gesteuerten Innen- und Außenpolitik gibt es gegenwärtig keine Alternative. Allerdings sieht er sich durch Islamisten, auch aus den Reihen der Streitkräfte herausgefordert. Der pakistanische Auslandsgeheimdienst "Inter Services Intelligence" (ISI) ist ein "Staat im Staate" des pakistanischen Militärs, schwer zu kontrollieren und zu steuern. Dies umso mehr, als ehemalige Geheimdienstchefs sich noch heute ungehindert als militärische Berater islamistischer Parteien betätigen. Der Unmut in den Streitkräften, einer ansonsten in sich geschlossenen und vom Geheimdienst abgeschotteten Großorganisation über Musharrafs USA-freundliche Politik scheint jedoch beträchtlich zu sein.

Pakistanischen Überlegungen zufolge könnten radikale Islamisten mit organisatorischer Hilfe durch die Al Qaida mit gezielten Anschlägen eine landesweite Eskalation von Gewaltakten zwischen Schiiten und Sunniten herbeiführen wollen, um Pakistan und seine Regierung wegen ihrer Kooperation mit den USA zu destabilisieren. Ziel dürfte es sein, die innere Stabilität Pakistans in den Grundfesten zu erschüttern und Chaos und Unsicherheit zu erzeugen. Damit sollen eine wirtschaftliche Genesung Pakistans verhindert, die weit verbreitete Armut und mangelhafte Bildung verfestigt und der Nährboden für Extremisten kultiviert werden. Pakistan braucht aber innere Stabilität. Das Bildungs- und Gesundheitswesen muss reformiert, Infrastruktur und Institutionen müssen verbessert werden. Das Land hat einen hohen Investitionsbedarf. Investoren legen ihr Geld aber nicht in einem instabilen, unsicheren Land an. Nur mit Bildung, Arbeit und sozialer Sicherheit wird es gelingen, den Zulauf zu den extremen Islamisten zu stoppen. ►


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Pakistan - Das Militär und der Terror

Pakistans Geschichte wurde seit der Staatsgründung im August 1947 im Wesentlichen durch drei Kriege (1947, 1965, 1971) mit dem übermächtigen Nachbarn Indien sowie seit dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan im Dezember 1979 bis zu deren Abzug im Jahr 1988 durch die Unterstützung des Freiheitskampfes der afghanischen Mudschaheddin bestimmt.

Afghanistan wurde von allen pakistanischen Regierungen im Rahmen der Konfrontation mit Indien als strategische Tiefe betrachtet. Folgerichtig unterstützte Pakistan die in den Madrassen (Koranschulen) Pakistans entstandene Taliban-Bewegung bei der Erringung der Macht in Kabul. Saudi-Arabien leistete finanzielle Hilfe, die USA lieferten anfänglich Waffen(Fußnote 1/FN1). Der Dollarregen für die Unterstützung der afghanischen Mudschaheddin sowie die Waffenlieferungen waren höchst willkommen für das pakistanische Militär.

Sieben Jahre lang war Pakistan der "Hauptsponsor" der Taliban-Bewegung. Die Rekrutierung und Schulung von Taliban-Kämpfern in pakistanischen Madrassen wurde nicht nur geduldet, sondern auch gefördert. Auch die militärische Führung der "Gotteskrieger" wurde bei ihrem Kampf gegen die afghanische Nordallianz(FN2) von pakistanischen Offizieren und anderen Militärangehörigen beraten und praktisch unterstützt. Pakistan war einer von drei Staaten, die das Taliban-Regime nach der Eroberung Kabuls im Oktober 1996 diplomatisch anerkannten, nur Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate vollzogen den gleichen Schritt.

In Folge der Terrorangriffe der Al Qaida auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 vollzog Pakistan unter seinem Staatspräsidenten General Pervez Musharraf notgedrungen eine Kehrtwende seiner Taliban-Politik und hat sich zum wichtigen Verbündeten der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen den internationalen Terrorismus entwickelt, an dem pakistanische Sicherheitskräfte maßgeblich beteiligt sind.

Pakistan kämpft aktiv gegen den Terrorismus; etwa 2.000 bis 4.000 Soldaten(FN3) (Militär und Paramilitär) bekämpfen in der Grenzregion die aus Afghanistan nach Pakistan ausgewichenen Taliban- und Al Qaida-Terroristen mit militärischen Mitteln. Aber auch innerhalb des Landes, und hier insbesondere in den Großstädten, sind diese terroristischen Kräfte präsent. Sektiererisch motivierte Gewaltakte zwischen der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit und der schiitischen Minderheit nehmen zu und werden offensichtlich von Seiten der Al Qaida angeheizt, um Pakistan mit seiner moderaten Staatsführung zu destabilisieren. Der Staat befindet sich im Würgegriff des Terrorismus.

Staatspräsident Musharraf, der nach dem Putsch im Oktober 1999 zugleich auch weiterhin in Personalunion das Amt des obersten Befehlshabers der pakistanischen Armee (Chief of the Army Staff - COAS)(FN4) bekleidet, steht mit seiner Regierung und den Militärs in der Verantwortung, das Land aus der terroristischen Bedrohung herauszuführen. Erst im Dezember 2003 entging der Präsident nur knapp zwei Anschlägen mutmaßlich der Al Qaida nahe stehender Terroristen. Auch auf den neuen Ministerpräsidenten Shaukat Aziz wurde bereits vor dessen Amtsübernahme am 30. Juli 2004 ein erfolgloser Selbstmordanschlag verübt.

Kann sich Pakistan aus dieser (selbst verschuldeten) Misere befreien? Gibt es Zusammenhänge zwischen dem internationalen islamistischen Terror, dem "Freiheitskampf" der mit terroristischen Mitteln in Kaschmir kämpfenden Mudschaheddin und dem sektiererischen Terror innerhalb Pakistans? Viele Beobachter halten Pakistan schon lange für ein Pulverfass, das jederzeit explodieren könne. Zu lange ist in Pakistan der islamistische Fundamentalismus verharmlost und zu Zeiten des Militärdiktators Zia ul Haq (Staatspräsident von 1977 bis 1988) sogar gefördert worden.

Rolle und Selbstverständnis der pakistanischen Streitkräfte im Staat

Die pakistanische Armee und besonders ihr Offizierskorps verstehen sich als Elite, als die staatstragende Kraft, ohne die Staat und Regierung nicht überlebensfähig wären. Diese Einstellung wird nicht nur durch die drei Militärregierungsperioden (1958-1969, 1969-1971, 1977-1988, seit 12. Oktober 1999) in der Geschichte des Landes deutlich, sondern auch dadurch, dass die zivilen Regierungen immer wieder zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung auf das Militär zurückgreifen mussten, zuletzt von Mai 1992 bis November 1994, als die Armee in der Provinz Sindh zum Herstellen und Erhalten der inneren Ordnung gerufen wurde.

Die Streitkräfte - insbesondere das Heer - haben traditionell erhebliches Gewicht im Szenario pakistanischer Politik, obgleich es dafür keine gesetzliche Verankerung gibt. Historisch mag dies durch die Tatsache begründet sein, dass seit der Staatsgründung Pakistans das Land 29 Jahre vom Militär regiert wurde und gegenwärtig wieder von einem General geführt wird. Selbst nach den Wahlen(FN5) im Jahr 2002 und der Einsetzung einer Zivilregierung ist eine Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen, wie wir sie im Westen kennen, bei Weitem nicht erreicht worden.

Die Streitkräfte überwachen die übrigen Staatsorgane wie z.B. Polizei, Strafvollzug sowie andere Institutionen und Behörden und führen die Energieversorgungsunternehmen und bemühen sich, eine ordnungsgemäße, korruptionsfreie Administration und Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die Streitkräfte sind die einzige Großorganisation Pakistans, die effektiv strukturiert ist und die Umsetzung von Aufgaben auch allgemeiner Art (Katastropheneinsätze, Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben etc.) halbwegs effizient durchzuführen versteht. Hinzu kommt, dass im Vergleich zu anderen staatlichen Exekutivorganen wie Polizei und Verwaltung, in denen Korruption und Bestechung weit verbreitet sind, die Streitkräfte wegen eines internen Rechtssystems diesbezüglich weniger anfällig sind.

Viele staatliche Großunternehmen und Fabriken werden traditionell von ehemaligen Generalen geführt oder befinden sich als so genannte "Stiftungen" im Besitz der Streitkräfte. Zu den Stiftungen tritt ein weiterer Zweig ökonomischer Aktivität des Militärs hinzu: Im Bereich des Transportwesens hat sich die 1978 zunächst für Militärbedürfnisse gegründete "National Logistic Cell (NLC)" zu einem Riesen des Geschäfts entwickelt, und die ebenfalls von der Armee kontrollierte, profitorientiert arbeitende "Frontier Works Organisation (FWO)" sichert sich einen Großteil der öffentlichen Aufträge im Straßenbau. Mit allen diesen Unternehmungen verfügen die Streitkräfte über ein bedeutendes wirtschaftliches Gewicht.

Auch im diplomatischen Dienst finden aus dem aktiven Dienst ausgeschiedene Generale Verwendung. So war der ehemalige Chef des pakistanischen Geheimdienstes von 1990 bis 1992, Generalleutnant a.D. Assad Durrani, von 1994 bis 1997 Botschafter in Deutschland und von 2000 bis 2003 Botschafter in Saudi-Arabien. General a.D. Jehangir Karamat (COAS von 1996 bis 1998),(FN6) ein international und besonders im Westen anerkannter General, hat am 9. Dezember 2004 in Washington dem US-Präsidenten Bush seine Beglaubigungsurkunde als Botschafter Pakistans überreicht.

Der politische Einfluss der Militärs hat seit der Staatsgründung bis heute verhindert, dass Rationalität und Kosteneffektivität der Militärausgaben einer vollständigen Überprüfung unterzogen werden. In Abwesenheit jeglichen politischen Drucks kann das Militär daher selbst bestimmen, wie viel Mittel es braucht, und wofür diese Mittel eingesetzt werden. Eine durchgehende Kontrolle der Streitkräfte durch das Parlament war niemals gegeben. Zwar begrenzt der Haushalt zwangsläufig Umfang und Ausrüstung der Streitkräfte, er legt sie jedoch nicht fest. Kontrollinstanzen wie die Einrichtung eines Verteidigungsausschusses bzw. eines unabhängigen Beauftragten des Parlaments sind nicht vorgesehen.

Auch das Verteidigungsministerium übt keinerlei Kontrolle über die Streitkräfte aus. Der Verteidigungsminister hat keine Kommandogewalt über die Streitkräfte; er übt mit seinem Ministerium lediglich "administrative control" aus. Seine Aufgaben beschränken sich im Wesentlichen auf: - Vertretung der militärischen Belange gegenüber anderen Ressorts; - Koordinierung der Unterbehörden des Verteidigungsministeriums und - Repräsentation.

Der pakistanische Auslandsgeheimdienst Inter Services Intelligence (ISI) wird von einem vom Präsidenten bestimmten ehemaligen Korpskommandeur geführt. Das Geheimdienstpersonal gehört weit gehend zu den Streitkräften. Darüber hinaus stehen viele ehemalige Soldaten im Dienst des ISI. Wenngleich es eigentlich nicht zu den Aufgaben eines Auslandsgeheimdienstes gehören dürfte, innenpolitische Vorgänge zu überwachen und zu steuern, findet dies in Pakistan statt. Nicht-regierungstreue Parteien oder Einzelpersonen werden überwacht, bedroht und innenpolitische Vorgänge und Wahlen manipuliert. Unter dem Militärdiktator General Zia ul Haq wurden vom ISI zahlreiche islamistische Parteien(FN7) mit dem Zweck finanziell gefördert und auch neu gegründet, um daraus islamistisch indoktrinierte Männer für die den islamistischen Parteien nahe stehenden militanten Gruppierungen zu rekrutieren. Diese Gruppen (u.a. Harakatul-Mujaheddin - HUM und Lashkar-e-Taiba - LT) wurden und werden - zum Teil offensichtlich bis heute - vom ISI für den Kampf im indischen Teil Kaschmirs militärisch ausgebildet.

Der pakistanische Geheimdienst ISI ist ein "Staat im Staate" des pakistanischen Militärs, schwer zu kontrollieren und zu steuern. Dies umso mehr, als insbesondere ehemalige militärische Geheimdienstoffiziere über ihr Ausscheiden aus dem aktiven Dienst hinaus Beziehungen in den ISI und zu ihren ehemaligen Kontaktleuten weiterhin nutzen können und in ihren alten Betätigungsfeldern "mitmischen". Hier sind insbesondere die ehemaligen Geheimdienstchefs General Hameed Gul (1987-1989) und General Javed Nasir (1989-1990) zu nennen, die sich noch heute ungehindert als militärische Berater islamistischer Parteien betätigen und öffentlich politische Statements für diese abgeben können. Aus ihrer islamistischen, antiwestlichen und Anti-Musharraf-Gesinnung machen beide Generale dabei keinen Hehl.

Das innere Gefüge der pakistanischen Streitkräfte ist durch britische Kolonialtradition, islamisches Gedankengut und das Suchen nach eigenen Wegen gekennzeichnet. Auch bei einer zum Teil veralteten Ausrüstung ist die Motivation der Soldaten hoch. Das Ausmaß extrem islamistischer Auffassungen nimmt jedoch seit der durch die vom pakistanischen Militärdiktator General Zia ul Haq im Jahre 1977 eingeleitete Islamisierung des Landes auch in den pakistanischen Streitkräften stetig zu. Zum Zwecke der Islamisierung hatte Zia ul Haq den Zugang zur Offizierslaufbahn, der bis dahin den Söhnen der Offiziere selbst und der sozialen Oberschicht vorbehalten war, auch für die sozial unteren, sehr religiösen Schichten der Bevölkerung geöffnet. Auch nach dem Tod des Militärdiktators im Jahre 1988 wurde die Islamisierung nicht gestoppt. Es hat den Anschein, als wäre aus militärischen Gründen auch von den folgenden Streitkräfteführungen bis zum heutigen Tage eine gewissen Nähe, weniger zu den politischen islamistischen Gruppierungen, dafür aber zu deren militanten Kräften, eindeutig gewollt. Lassen sich doch auf diese Weise durch die kostengünstig zu unterhaltenden militanten Kräfte zusätzliche Special Forces (SF) für unkonventionelle verdeckte Operationen gewinnen.

Durch die unumkehrbare Islamisierung und die Symbiose von Teilen der Streitkräfte (inkl. ISI) mit den islamistischen Militanten gewinnt die Einflussnahme religiös-extremistischer Gruppierungen auch auf das staatstragende Militär an Bedeutung. Seit 1998 versucht die Streitkräfteführung, durch die Schulung und den Einsatz von "Streitkräftemullahs" ihren Soldaten den Islam in gemäßigter Form nahe zu bringen und damit religiösen Spannungen wie z.B. zwischen Sunniten und Schiiten innerhalb des Militärs zu begegnen. Soldaten mit auffällig erkennbarer extrem-islamistischer Gesinnung und daraus resultierender Gefahr für die innere Ordnung werden ohne langwieriges Verfahren aus den Streitkräften entlassen.

Noch sind die Streitkräfte unter der Kontrolle der Streitkräfteführung, die sich General Musharraf mit der "Corps Commanders Conference",(FN8) einer mindestens einmal pro Quartal in Islamabad tagenden Versammlung aller acht Korpskommandeure und der übrigen "Drei-Sterne-Generale", teilt. Noch gelingt es ihm, durch die persönliche Auswahl der neuen "Dreisterner", die ihm als COAS zusteht, ihm und seiner Politik gewogene "Mitstreiter" zu gewinnen. Dies dürfte auch ein wesentlicher Grund dafür sein, dass Musharraf das Amt des COAS behalten will und nicht, wie zunächst versprochen, zum 31.12.2004 aufgegeben hat.

Der Unmut in den Streitkräften, einer ansonsten in sich geschlossenen und vom Geheimdienst abgeschotteten Großorganisation über Musharrafs USA-freundliche Politik scheint jedoch beträchtlich zu sein. Makhdoom Javed Hashmi, der Parteivorsitzende der dem von General Musharraf am 12. Oktober 1999 entmachteten ehemaligen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif weiterhin treu ergebenen Partei Pakistan Muslim League (PML-N), wurde im Herbst 2003 wegen der Veröffentlichung einer im pakistanischen Offizierskorps kursierenden Petition gegen Musharrafs Anti-Terror-Politik vom ISI verhaftet und im April 2004 wegen Hochverrates und Anstiftung zur Meuterei zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt. Musharrafs am 27. Mai 2004 in einem Fernsehinterview (GEO-TV, privater pakistanischer Nachrichten- und Unterhaltungssender) selbst öffentlich geäußerter Verdacht, dass die Ende 2003 gegen ihn verübten Anschläge von jungen Offizieren geplant und durchgeführt worden seien, wurde von der Pressestelle der Streitkräfte allerdings schnell dementiert. Es scheint mittlerweile auch klar zu sein, dass die Anschläge von einer der Al Qaida nahe stehenden pakistanischen Terrorgruppe (Minar-e-Pakistan)(FN9) unter Mitwirkung des Libyers Abu-al-Faraj al-Libbi durchgeführt worden sind.

Es fehlt den Militärs - wie den Zivilregierungen davor - nicht an der Kenntnis der dringend zu lösenden Probleme des Landes. Eigennutz und Partikularinteressen politisch einflussreicher gesellschaftlicher Gruppen erschweren jedoch jede Reform, die Privilegien (auch die des Militärs!) beschneiden könnte. Die pakistanische Oberschicht bzw. Elite hat auch auf Grund der althergebrachten feudalen Strukturen bisher wenig Verständnis für eine Solidargemeinschaft entwickelt. Dies trifft auch weit gehend für die Spitzen des Militärs zu. Erfolge für die Reformansätze jeder Regierung sind daher nur sehr langwierig erreichbar.

Der Kaschmirkonflikt als ungelöstes Problem

Kaschmir ist der Dreh- und Angelpunkt pakistanischer Politik. Sowohl Indien als auch Pakistan erheben Anspruch auf ganz Kaschmir. Diese Positionen sind nie verrückt worden und dermaßen gegensätzlich, dass eine Einigung unmöglich erscheint. Im Mittelpunkt aller sicherheitspolitischen Überlegungen Pakistans steht daher seit der Staatsgründung das Verhältnis zum dreimaligen Kriegsgegner Indien. An Indiens als übermächtig empfundenem militärischen Vermögen werden Gliederung, Ausrüstung und Dislozierung für die eigenen Streitkräfte ausgerichtet.

Seit 1990 findet im indisch regierten Unionsstaat "Jammu und Kaschmir" ein Bürgerkrieg zwischen den ursprünglich für ein unabhängiges, säkulares Kaschmir kämpfenden aufständischen Kaschmiris und indischen Armee-Einheiten statt. Pakistan leistete den einheimischen Aufständischen politische und logistische Unterstützung. Nachdem die indischen Truppen gegenüber diesen Aufständischen Erfolge erzielen konnten, änderte Pakistan etwa 1994 seine Strategie und schleuste zunehmend propakistanische, zum großen Teil islamistische Gruppierungen wie die Hizbul Mujaheddin (HM), die Harkatul Ansar bzw. Harkatul Mujaheddin (HA/HUM) oder die Lashkar-e-Taiba (LT) mit einem Anteil an ausländischen Söldnern in den indisch besetzten Teil Kaschmirs ein. Die Rebellen werden von Pakistan politisch und logistisch unterstützt und militärisch ausgebildet. Die von Pakistan als "Freiheitskämpfer" bezeichneten islamistischen Militanten wenden vorwiegend terroristische Mittel gegen die indischen Sicherheitskräfte und auch gegen zivile Ziele an. Ihre terroristischen Aktionen haben viele Menschenleben gefordert.

Der vorerst letzte Höhepunkt der militärischen Auseinandersetzung mit der Gefahr einer Ausweitung zu einem offenen Krieg zwischen den Nuklearmächten Pakistan und Indien fand im Frühjahr 1999 statt. Während der Wintermonate hatten islamistische "Freischärler" und reguläre paramilitärische Einheiten Pakistans mit logistischer Unterstützung der pakistanischen Armee indische Stellungen an der "Line of Control (LoC)" besetzt, welche die Inder auf Grund der großen Winterkälte - wie auch in den Vorjahren - vorübergehend aufgegeben hatten. Dies führte im Mai/Juni 1999 im Sektor Dras-Kargil (westliches Ladakh) zu einem wochenlangen Grenzkrieg zwischen beiden Ländern. Den Indern gelang es nur unter großen Opfern, die strategisch außerordentlich wichtigen Bergkämme wieder zu erobern.

Selbst nach dem Kargil-Abenteuer, wo die islamistischen Militanten der HUM, LT und weiterer Gruppen Seite an Seite mit den militärischen und paramilitärischen Verbänden Pakistans über die LoC in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs vorgedrungen waren, ist zumindest eine anhaltende Symbiose mit den regulären pakistanischen Streitkräften, und hier vermutlich den für verdeckte Operationen ausgebildeten regulären Special Forces (SF), anzunehmen. Pakistan nutzt ganz offensichtlich mit den militanten islamistischen Gruppen ein Potenzial, das sich im Kampf in und um Kaschmir gegen die Interessen des Nachbarlandes in Kaschmir einsetzen lässt.

Auch auf die latente Gefahr hin, dass sich diese Gruppen gegen die sie führende und schützende Hand - die politische und militärische Führung Pakistans - wenden könnten, wird die Unterstützung dieser Kräfte beim Eindringen in den indisch besetzten Teil Kaschmirs während Phasen der politischen Verhandlungen mit Indien zwar reduziert, aber nicht gänzlich aufgegeben. Wieweit die Steuerung und Kontrolle dieser Gruppen der pakistanischen Militärführung bereits entglitten ist, sei dahingestellt. Daran ändern auch Verbote einzelner Gruppierungen und zeitweilige Festnahmen der Führer von LT und HA/HUM nichts. Nach wie vor sollen nach indischen Angaben(FN10) vom Oktober 2003 allein im Norden Pakistans in bis zu 85 Ausbildungslagern islamistische Kämpfer für den Terroreinsatz im indischen Teil Kaschmirs ausgebildet werden. Der Guerillakrieg in Kaschmir ist die einzige realistische Strategie, die es dem viel kleineren Pakistan erlaubt, den großen Nachbarn "mit tausend Stichen und Schnitten" bluten, wenn nicht verbluten zu lassen.

Indische Online-Publikationen(FN11) listen als terroristische Vereinigungen u.a. auch eine Gruppierung mit dem Namen Al Mujahid Force (AMF) auf. Nach offiziellen pakistanischen Angaben ist diese Truppe jedoch eine Art paramilitärischer "Heimatschutzverband" in Stärke von bis zu 35.000 Mann, der sich im Wesentlichen aus freiwilligen Männern der Grenzregion zusammensetzt. Einzelne Verbände der AMF sind danach auch in Stellungen direkt an der LoC eingesetzt und verstärken so das für die Verteidigung der "Northern Areas" und "Azad Kaschmir" zuständige Forces Command Northern Areas (FCNA).(FN12) Eine klare Einstufung der gesamten AMF als terroristische Vereinigung kann deshalb bislang nicht getroffen werden. Möglicherweise ist es aber gerade diese Organisation, die die militärische Ausbildungsorganisation auf pakistanischem Boden für den Kampf der Terroristen im indischen Teil Kaschmirs stellt.

Tatsache bleibt, dass das pakistanische Militär (inkl. ISI) bis heute islamistische Kämpfer für den Terroreinsatz im indischen Teil Kaschmirs ausbildet. Es sind aber letztlich die gleichen islamistischen Kräfte, die (im Verbund mit der Al Qaida) in der "North West Frontier Province" (NWFP) im Grenzgebiet zu Afghanistan mit terroristischen Mitteln auch gegen die eigenen pakistanischen Sicherheitskräfte kämpfen. Für die politische und militärische Führung Pakistans gibt es offensichtlich nützliche, d.h. "gute" und schädliche, also "schlechte" Terroristen; eine gefährliche Einschätzung! Die pakistanische Streitkräfteführung möchte offensichtlich auf die Kampfkraft der islamistischen Militanten im Kaschmirkonflikt auch weiterhin nicht verzichten. Diese Kräfte tragen, soweit sie sich (noch) durch das pakistanische Militär oder den Geheimdienst ISI steuern lassen, als billige "Spezialkräfte" den terroristischen Kampf dosiert nach Indien hinein und unterstützen so die politische Führung in ihrem Anspruch auf ganz Kaschmir. Gefährlich für Pakistans Politik werden sie erst, wenn sie sich der staatlichen Kontrolle entziehen und die LoC eigenmächtig überqueren. Dies ist nach dem im November 2003 mit Indien für die LoC vereinbarten Waffenstillstand sowie dem seit Beginn 2004 zu beobachtenden politischen "Tauwetter" in der pakistanisch-indischen Kaschmirpolitik mehrfach geschehen. Nach indischen Angaben soll nach dem Waffenstillstand die Infiltration militanter Kräfte über die LoC in einem vergleichbaren Zeitraum um bis zu 40% (eine Bezugsgröße liegt nicht vor) abgenommen haben, im Frühjahr 2005 jedoch wieder angestiegen sein.

Keine der militanten islamistischen Parteien, die auf persönlicher und organisatorischer Ebene mit den militanten Gruppen verbunden sind, wäre mit einer politischen Lösung des Kaschmirkonfliktes - d.h. ohne den Anschluss des indisch besetzten Teiles von Kaschmir an Pakistan - einverstanden. Musharrafs neue und in Ansätzen hoffnungsvolle Kaschmirpolitik eines Ausgleichs mit Indien ist daher in sich selbst verstrickt. Kaschmir und die Bedrohung durch Indien geben dem pakistanischen Militär die wesentliche Daseinsberechtigung und in der Folge die eigene Dominanz im Staat. Damit verwoben ist der Anspruch, das überwiegend muslimisch bewohnte Kaschmir an Pakistan anzugliedern. Darauf muss Rücksicht genommen werden. Musharraf ist Gefangener der tradierten Kaschmirpolitik aller pakistanischen Regierungen vor ihm. Änderungen dieser Politik kann er (selbst als aktiver Militärangehöriger) nur sehr behutsam vornehmen. Jeder Verdacht einer Konzession gegenüber Indien kann nicht nur sprichwörtlich seinen Kopf kosten. Die bereits erfolgten Attentatsversuche gegen den Staatspräsidenten machen diese Gefahr sehr deutlich.

Pakistan im Kampf gegen den internationalen Terrorismus

Aber auch wegen des von General Musharraf im Herbst 2001 innerhalb seiner Afghanistan-Politik vollzogenen Kurswechsels droht Gefahr für die innere Stabilität Pakistans.

Nach der Vertreibung des Taliban-Regimes durch Kräfte der von den USA geführten Anti-Terror-Koalition bot sich für die versprengten Taliban- und Al Qaida-Kräfte v.a. die schwer zugängliche pakistanische Grenzregion als Rückzugsraum an. Die NWFP mit ihren Stammesgebieten ("Tribal Areas"(FN13)) war hierzu besonders geeignet. Die Tribal Areas genießen seit der Unabhängigkeit Pakistans eine weit gehende Autonomie, staatlicher Machteinfluss ist hier kaum vorhanden.

Aber auch in die paschtunischen Siedlungsgebiete der Provinz Belutschistan mit ihrer Hauptstadt Quetta sowie in den Millionenstädten Rawalpindi, Lahore, Faisalabad, Multan und insbesondere in der unregierbaren 12-Millionenstadt und Wirtschaftsmetropole Karatschi sind Al Qaida-Kämpfer und Taliban untergetaucht. Hier treffen sie sich mit den in den dortigen Madrassen indoktrinierten Jung-Islamisten und bilden so ein kaum zu beherrschendes gefährliches islamistisches Potenzial.

Die Operationen pakistanischer Sicherheitskräfte (Paramilitär,(FN14) Polizei und reguläre Armee) in der NWFP erfordern immer mehr den Einsatz regulärer Truppen, und auch die pakistanischen Luftstreitkräfte sind schon zum Einsatz gegen Bodenziele im eigenen Land gekommen. Die Verluste aller Sicherheitskräfte und auch der von den einheimischen Stämmen zur Unterstützung der Sicherheitskräfte aufgestellten Tribal Lashgars (FN15) sind seit dem Beginn der Operationen im März 2004 enorm angestiegen. So dürften, basierend auf pakistanischen Presseangaben, seit Operationsbeginn hochgerechnet über 200 Angehörige pakistanischer Sicherheitskräfte durch Minen, Bombenanschläge, Hinterhalte oder im Kampf getötet worden sein(FN16) und auch der Blutzoll unter der Zivilbevölkerung in den Stammesgebieten ist hoch.

Wenngleich eine unabhängige internationale Berichterstattung nicht stattfindet, entsteht der Eindruck, dass pakistanische Sicherheitskräfte in den eigenen Grenzgebieten in ähnlicher Weise militärisch unter Druck geraten wie die Kräfte der Anti-Terror-Koalition auf der afghanischen Seite der Grenze.

Präsident Musharraf selber räumt ein, im Grenzgebiet keine vollkommene Kontrolle über die radikalen Gruppen zu haben, gleichzeitig lässt er Erfolgsmeldungen verbreiten. So sollen mit Stand 1. November 2004 von ursprünglich 2.500-3.000 "Ausländern" im Stammesgebiet der besonders unruhigen South Warisistan Agency bislang mehr als 500 Al Qaida-Kämpfer inhaftiert worden sein. Derselben Meldung zufolge sollen nur noch 60 bis 80 "Ausländer" in der "Agency" durch lediglich etwa 150 lokale militante Stammesangehörige versteckt gehalten und mit Waffengewalt gegen die Festnahme geschützt werden. Dass diese Erfolgsmeldung jedoch kaum der Wahrheit entsprechen dürfte, lässt sich aus der seit Frühjahr 2005 deutlich angestiegenen Infiltration Afghanistans durch aus Pakistan eingedrungene Taliban belegen. In allen "Agencies" und Regionen der "Tribal Areas" und in der NWFP gärt es und nehmen die Überfälle auf Sicherheitskräfte spürbar zu.

Im Parlament der NFWP in Peschawar verfügt der Dachverband der sechs extrem religiösen Muslimparteien Muttahidda Majlis-e-Amal (MMA) über eine absolute Mehrheit und wird in seinem religiös-fundamentalistischen Eifer nur durch eigene Unerfahrenheit bzw. Erfolglosigkeit, v.a. aber durch die Macht der Zentralgewalt beschränkt. Der vom Staatspräsidenten ernannte Provinzgouverneur (häufig ein ehemaliger Korpskommandeur) kann die Provinzregierung exekutiv übersteuern und - nach Abstimmung mit der Zentralregierung - sogar das Provinzparlament und die Provinzregierung entlassen. Dadurch bleiben die Islamisten in den Parlamenten schwach, doch sie betreiben ihre Politik über die Mullahs wirkungsvoll auf der Straße. Die Machtausdehnung der Mullahs hat nach den letzten Wahlen in einem für Pakistan bisher unbekannten Ausmaß stattgefunden und bietet das geistige Umfeld für einen militanten Islamismus.

In den Provinzen der NFWP und Belutschistans herrscht eine unterschiedliche Ausgangslage insofern, als die MMA im Parlament in der Provinzhauptstadt Quetta zwar die wichtigste Regierungspartei stellt, aber im Gegensatz zur Situation in Peschawar nicht allein regiert. Neben einer stark nationalistischen Opposition im Parlament (Paschtunen und Belutschen) wird die politische Szene dieser rückständigsten und ärmsten Provinz Pakistans von einer beherrschenden Präsenz des Geheimdienstes ISI geprägt. Das letzte Aufbegehren Belutschistans mit blutigen Auseinandersetzungen um die angestrebte Unabhängigkeit liegt zwar schon 30 Jahre zurück, aber die Provinz gilt noch immer als unsicherer Kantonist, bei dem man "besser nichts anbrennen lässt".

Die Kontrolle der paschtunischen Siedlungsgebiete in der NWFP und in Belutschistan durch den pakistanischen Geheimdienst ISI ist auch wegen der ungelösten Paschtunistanfrage(FN17) für die Zentralregierung von großer Bedeutung. Nur durch den Erhalt des gegenwärtigen Status quo an der Grenze zu Afghanistan lässt sich ein "Zweifrontenkonflikt" für Pakistan vermeiden. Die pakistanische Zentralregierung wird daher nur so wenig staatliche Präsenz in den "Tribal Areas" zeigen, wie es ihr zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Lage erforderlich erscheint, die gelegentliche "Befriedigung" der Amerikaner eingeschlossen. Dies geht immer so weit, dass ein Kampfeinsatz von amerikanischen Soldaten auf pakistanischem Gebiet ausgeschlossen werden kann, da deren Einsatz wegen des zu erwartenden "Volkszornes" fatale Auswirkung für die innere Stabilität Pakistans hätte.

Ein Großteil der einfachen, ungebildeten pakistanischen Bevölkerung hegt große Sympathien für radikal-islamisches Gedankengut und sieht in Osama bin Laden und den Taliban-Führern Volkshelden. Die mächtige, im Dachverband MMA der extremen islamistischen Parteien verbundene Opposition, die drittstärkste Kraft im pakistanischen Parlament, sieht in Musharraf längst eine Marionette der verhassten USA. Unterstützung für seine säkulare Politik findet der Präsident lediglich in der gebildeten städtischen Mittelklasse. Sie ist zahlenmäßig klein und artikuliert sich kaum. In diesen Kreisen macht sich schon lange die Befürchtung breit, dass Pakistan seine säkulare Ausrichtung verlieren und es zu einer "Talibanisierung" des Landes kommen könnte.

General Musharraf muss häufig einen Kompromiss mit den Mullahs finden und eingehen, da er bei der Amtsausübung auch auf deren Wohlwollen angewiesen ist und diese durch die wöchentlichen Freitagspredigten einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Stimmung in der Bevölkerung besitzen.

Der innerstaatliche Terrorismus weitet sich aus

Sektiererische Gewalttaten zwischen Sunniten (80% der Bevölkerung von insgesamt 150 Millionen) und Schiiten (18% der Bevölkerung) haben in Pakistan Tradition. Aber auch Christen wurden in der jüngsten Zeit mehrfach Opfer terroristischer Gewalt.(FN18) Nach Medienberichten(FN19) wurden in Pakistan von 1989 bis 2003 insgesamt 1.818 sektiererische Gewaltakte registriert. Dabei wurden 1.481 Menschen getötet und 3.378 zum Teil schwer verletzt. Die Provinz Pandschab und die Provinz Sindh mit der Wirtschaftsmetropole Karatschi waren in den letzten zwei Jahrzehnten Schwerpunkte terroristischer und sektiererischer Auseinandersetzungen.(FN20) Die Wurzeln des sunnitisch-schiitischen Konfliktes reichen bis in die 80er-Jahre zurück, als der Militärdiktator Zia ul Haq eine Politik der Islamisierung von Staat und Gesellschaft unter explizit sunnitischen Vorzeichen einleitete. Die Schiiten, die etwa ein Fünftel der pakistanischen Bevölkerung ausmachen, und andere religiöse Minderheiten gerieten in das Fadenkreuz eines fundamentalistischen Islamismus, der von Saudi-Arabien finanziell unterstützt und von den pakistanischen Sicherheitskräften sowie den Geheimdiensten gedeckt wurde. Die militanten Sunniten trafen auf eine radikalisierte schiitische Szene, die in der Folge der iranischen Revolution ihrerseits das Ziel der Islamisierung von Staat und Gesellschaft verfolgte.

Am 12. Januar 2002 verkündete Staatspräsident General Musharraf eine Kampagne, um nach seinen Worten "das sektiererische Übel" auszurotten. Er verbot fünf sektiererische Gruppen(FN21) und ließ landesweit 390 ihrer Büros schließen und zunächst 1.500 Aktivisten festnehmen. Diese Maßnahme hatte jedoch sehr mäßigen Erfolg. Die Extremistengruppen gingen in den Untergrund und formierten sich unter anderen Namen neu. Eine Verminderung ihrer Aktivitäten ist nicht erkennbar, im Gegenteil! Die Gewalt der religiösen Gruppen richtet sich - wie bereits oben erwähnt - nun auch mit Anschlägen gegen die höchsten Repräsentanten des Staatsapparates.

Im Mai und Juni 2004 wurden in Pakistans Wirtschaftsmetropole Karatschi in einer Welle von Gewalt mehr als 60 Personen getötet und Hunderte verletzt. Dabei entkam am 10. Juni 2004 der Korps-Kommandeur Karatschis, Generalleutnant Ahsan Hayat, in einem mitten in der Stadt gelegten Hinterhalt nur knapp einem Anschlag. Bei diesem Angriff töteten die Terroristen zehn seiner Sicherheitskräfte und einen Passanten.

Am 4. Juli 2004 sprengte sich in Quetta, wo es bislang nur wenige sektiererische Auseinandersetzungen gab, ein von drei weiteren Terroristen begleiteter Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee während des Freitagsgebetes in die Luft und riss 53 Gläubige mit in den Tod, 57 Personen wurden verletzt. Die Provinzhauptstadt Quetta, die überwiegend von Paschtunen, aber auch noch von vielen afghanischen Flüchtlingen bewohnt wird, war einer der Schwerpunkte terroristischer Gewalt im Jahr 2004.

In der Provinz Pandschab fand am 1. Oktober 2004 in Sialkot während des Freitagsgebetes ein Bombenanschlag mit 31 Toten auf eine schiitische Moschee statt, gefolgt von einem Anschlag mit einer offenbar fern gezündeten Autobombe auf eine Versammlung radikaler Sunniten am 7. Oktober 2004 in Multan, bei dem 40 Personen getötet wurden. Am 10. Oktober 2004 wurde ein mit Sprengstoff bewaffneter Attentäter beim Versuch, eine schiitische Moschee in Lahore zu betreten, von Sicherheitskräften gestoppt. Dieser sprengte sich selbst in die Luft, fünf Menschen starben.

Trotz zeitweiligem Hausarrest und Festnahmen wichtiger Führer der religiösen Parteien, Versammlungsverboten und Festnahmen, auch von Hunderten von extremistischen Aktivisten (wie zuletzt im Sommer 2005) sowie verstärkten Schutzmaßnahmen gelingt es den Sicherheitskräften nicht, weitere Anschläge zu verhindern. Es gibt nicht für alle Anschläge und Attentate öffentliche Bekenntnisse. Der militanten Sunni-Extremistengruppe Lashgar-e-Jhangvi (LEJ) mit ihrer militanten Untergruppe Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP), mit Verbindungen zu den Taliban und zur Al Qaida, wird jedoch die Masse der Anschläge auf die Schiiten zugeschrieben. Da aber in der Vergangenheit auch der ISI in Gewaltakte gegen einzelne religiöse Extremistengruppen verwickelt gewesen sein soll, ist die Frage nach der Urheberschaft müßig. Die Lage ist verworren, und vielfach können nur Vermutungen angestellt werden.

Während bislang als Hintergrund der Gewalttaten eher spontane Racheakte der rivalisierenden islamischen Glaubensrichtungen erkennbar waren, halten die Sicherheitsbehörden nun auf Grund der - bei bisherigen Auseinandersetzungen unüblichen - engen zeitlichen Abfolge der Anschläge eine zentrale Koordination für wahrscheinlich. Zu diesen Koordinierungen waren die sektiererischen Gruppen beider Seiten bislang nicht in der Lage. Pakistanischen Überlegungen zufolge könnten radikale Islamisten mit organisatorischer Hilfe durch die Al Qaida mit gezielten Anschlägen eine landesweite Eskalation von Gewaltakten zwischen Schiiten und Sunniten herbeiführen wollen, um Pakistan und seine Regierung wegen ihrer Kooperation mit den USA zu destabilisieren.

Ziel dürfte es sein, die innere Stabilität Pakistans in den Grundfesten zu erschüttern und Chaos und Unsicherheit zu erzeugen. Damit sollen eine wirtschaftliche Genesung des Landes verhindert, die weit verbreitete Armut und mangelhafte Bildung verfestigt und der Nährboden für Extremisten kultiviert werden. Die islamische Militanz ist Ausfluss der Indoktrination in den Madrassen, die keiner staatlichen Kontrolle unterliegen. Jeder bisherige staatliche Versuch, über Curricula Einfluss auf Lehrinhalte in den Madrassen zu nehmen und sie zu modernisieren, ist bislang gescheitert. Religiöse Toleranz steht nicht auf dem Lehrplan.

Gegenwärtig keine Alternative zur Politik General Musharrafs

Mit der Teilung Kaschmirs wurde im Januar 1949 ein prekärer politischer und militärischer Status quo geschaffen, der Pakistan und Indien nur einen begrenzten Handlungsspielraum lässt. Insbesondere Pakistan musste mit dem Status quo unzufrieden sein, da Indien nicht nur den größeren Teil Kaschmirs unter seine Verwaltung nehmen konnte, sondern mit dem mehrheitlich von Muslimen bewohnten Kaschmirtal auch das politische und kulturelle Zentrum kontrolliert.

Kaschmir wurde daher für Pakistan zu einer nationalen Identitätsfrage: Die politische und militärische Verteidigung Kaschmirs wurde identisch mit der Verteidigung der inneren und äußeren Grenzen der pakistanischen Nation. Konsequenterweise ging die militärische Konfrontation mit Indien in allen Kaschmirkriegen von Pakistan aus. Mehr noch: Die Politik der Unterstützung des "kaschmirischen Freiheitskampfes" ist nicht nur innen- und außenpolitisch Staatsräson, sie ist auch das Einfallstor der pakistanischen Armee in die pakistanische Innenpolitik. Dass Pakistan mehr als 27 Jahre vom Militär regiert wurde, ist auch auf den permanenten inneren Kriegszustand zurückzuführen, in den die Kaschmirproblematik das Land versetzt hat.

Pakistan definiert sich als islamische Nation, als Heimstätte für alle Moslems des Subkontinentes, als "Land der Reinen". In Indien wiederum weckt jede Gefahr der Veränderung des Status quo in Kaschmir Ängste vor einer Desintegration eines Vielvölkerstaates, der sich an seinen geografischen Rändern seit seiner Unabhängigkeit von Rebellenbewegungen herausgefordert sieht.

In der Bevölkerung im indisch besetzten Teil Kaschmirs macht sich derzeit offensichtlich eine Kriegsmüdigkeit breit. Ihre gemäßigten Führer suchen daher nach einer politischen Lösung für die durch die extrem hohe indische Truppenpräsenz(FN22) in Kaschmir verursachte Unterdrückung der muslimischen Bevölkerung. Daran scheint auch Pakistans Staatspräsident Musharraf kurzfristig interessiert zu sein. Gleichwohl kann er wegen des innerstaatlichen Drucks den Gesamtkonflikt nur zu pakistanischen Bedingungen lösen, d.h. dem Anschluss des von Indien besetzten Kaschmirteiles an Pakistan. Islamistische Terroristen - bei ihrem Einsatz in Kaschmir als "Freiheitskämpfer" tituliert - werden daher weiterhin benötigt, um den Konflikt für die pakistanische Politik weiter beeinflussen zu können. Sie sind die billigen "Spezialkräfte", auf die die pakistanische Politik und das pakistanische Militär bislang noch nicht verzichten zu können glauben. Diese mit dem internationalen Terrorismus verwobenen islamistischen Gruppierungen werden jedoch zunehmend unkontrollierbar und sind mit ihrem Gedankengut bereits in Teile der pakistanischen Streitkräfte eingedrungen, töten in den Grenzprovinzen zu Afghanistan pakistanische Sicherheitskräfte und bereiten mit Hilfe der Al Qaida Anschläge gegen die hohen Repräsentanten des Staates vor.

Der innerstaatliche extremistische Terror hat in Pakistan seit 2004 ein bislang unbekanntes Ausmaß angenommen. Es reicht daher nicht, einzelne islamistische Organisationen zu verbieten und ausländische Terroristen festzunehmen. Der Staat muss die hausgemachte religiöse Militanz bekämpfen. Nur so kann Pakistan ein liberaler, toleranter, progressiver, dynamischer und starker islamischer Staat werden und keine Heimat für islamistische Militante bieten.

Die Notwendigkeit sozialer und gesellschaftlicher Reformen im Bildungswesen hat sich in Pakistan seit Jahren und Jahrzehnten zugespitzt. Im Bildungswesen liegt der Schlüssel für Veränderungen. Auch der jetzigen pakistanischen Regierung ist es bislang nicht gelungen, mit den Vertretern der religiösen Schulen ins Gespräch zu kommen. Die Madrassen haben die Lücken gefüllt, die das aus Geldmangel dahinsiechende staatliche Erziehungswesen (Pakistan gibt nur etwa 2% seines Bruttoinlandsproduktes für Bildung aus; die UNESCO empfiehlt 6%!) geschaffen hat. Die Madrassen beschränken sich zumeist auf die Vermittlung von indoktrinierendem Koranwissen, ihre Absolventen haben auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Die Regierung Musharraf konnte und wollte sich bislang gegenüber diesem von religiösen Fundamentalisten kontrollierten Bereich nicht durchsetzen; war sie doch aus verschiedenen Gründen und zuletzt bei den militärischen Operationen gegen Al Qaida und Taliban-Kräfte der vergangenen Monate auf das Stillhalten der religiösen Parteien angewiesen. Den Fundamentalisten hingegen ist es bislang gelungen, jegliche Reform im Erziehungswesen als unislamisch zu brandmarken.

Pakistan braucht innere Stabilität. Das Bildungs- und Gesundheitswesen muss reformiert, Infrastruktur und Institutionen müssen verbessert werden. Das Land hat einen hohen infrastrukturellen Investitionsbedarf. Investoren legen ihr Geld aber nicht in einem instabilen, unsicheren Land an.

Gesellschaftlicher Wandel und daraus entstehende Stabilität sind jedoch nur langfristig zu erreichen. Nur das pakistanische Militär mit seiner stabilen Organisationsstruktur kann dies erreichen. Keine andere Institution ist hierzu gegenwärtig in der Lage. Eine Entschärfung des Kaschmirkonfliktes, z.B. eine deutliche Reduzierung indischer Truppen in Kaschmir und Erleichterungen für die dortige Bevölkerung, könnte der pakistanischen Regierung Luft verschaffen für die Bekämpfung des hausgemachten militanten Islamismus.

Mit dem von der pakistanischen Regierung im Sommer 2005 beschlossenen Maßnahmenkatalog - die Registrierung aller Madrassen bis Ende 2005, die Kontrolle aller Predigten in Moscheen, Beschlagnahme von Hass verbreitendem Material, kein Tragen von nicht lizenzierten Waffen in der Öffentlichkeit und der seit dem 19. Juli 2005 erfolgten Festnahme von über 1.500 Extremisten - sind Schritte eingeleitet worden, die längst überfällig waren. Ob die Maßnahmen diesmal greifen, muss abgewartet werden.

Die USA haben Pakistan für die kommenden fünf Jahre eine Finanz-, Wirtschafts- und Militärhilfe in Höhe von 3 Mrd. USD zugesagt. Die erste Rate von 600 Mio. USD enthält 300 Mio. USD an Militärhilfe(FN23) und soll Pakistan als Partner der USA im Kampf gegen den Terrorismus in den Grenzgebieten zu Afghanistan und bei der Kontrolle der Seegrenze am Indischen Ozean positionieren. Mit der Finanz- und Wirtschaftshilfe sollen die Bildung verbessert sowie wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung gefördert werden. Es ist zu hoffen, dass die pakistanische Wirtschaft den Impuls bekommt, den sie dringend benötigt, um gegenüber der eigenen Bevölkerung Erfolge vorweisen zu können. Nur mit Bildung, Arbeit und sozialer Sicherheit wird es gelingen, den Zulauf zu den extremen Islamisten zu stoppen.

Die Förderung der politischen, sicherheitspolitischen und militärischen Bindungen Pakistans an den Westen (Pakistan genießt seit Mitte 2004 den Status eines "major nonNATO ally") sind bei dem neuen pakistanischen Botschafter in den USA in guten Händen. Auch die militärische Ausbildungshilfe für den militärischen Führungsnachwuchs der pakistanischen Streitkräfte in Ausbildungseinrichtungen westlicher Nationen soll bald wieder aufgenommen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch das zukünftige militärische Spitzenpersonal "über den Zaun", d.h. über Mekka hinaus, gesehen und sich vor Ort mit westlichem Gedankengut und Lebensweise auseinander gesetzt hat. Auch "alte" gefestigte Einstellungen gegenüber dem religiösen Extremismus könnten möglicherweise so verändert werden.

Staatspräsident Musharraf hat das vom Militärdiktator Zia ul Haq islamisierte Land von der jahrelangen Unterstützung der Taliban weg zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus hin geführt. Das Bewusstsein, dass sich das Land zu lange mit den Terroristen eingelassen und dabei auch Terroristen (als "Freiheitskämpfer") für eigene politische und militärische Zwecke in Kaschmir eingesetzt hat, muss in der pakistanischen Elite und auch in der breiten pakistanischen Bevölkerung noch wachsen. Dazu wird Zeit benötigt. Das innerstaatliche islamistische Potenzial, das mit dieser falschen Politik gewachsen ist, kann wiederum nur durch langfristige Bildungsinvestitionen - wohl über Generationen - und über wirtschaftliches Wachstum mit ausreichenden Arbeitsplätzen gezielt ausgetrocknet werden.

Nur ein dem pakistanischen Staatspräsidenten treu ergebenes Militär (das aber insbesondere im jüngeren Offizierskorps schon islamistischen Einfluss erkennen lässt) kann den säkularen Staat mit allen seinen Mängeln, wie z.B. rudimentärer Demokratie, vor dem Abgleiten in einen die Demokratie westlicher Prägung ablehnenden Gottesstaat bewahren. Die der feudalen Oberschicht angehörenden Politiker sind hierzu auf absehbare Zeit nicht in der Lage. Pakistan braucht die eigenen Streitkräfte mit ihrer organisatorischen Expertise und Durchsetzungskraft als Stabilitätsfaktor und Motor der staatlichen Entwicklung. Diese nirgendwo festgeschriebene Aufgabe ist geschichtlich gewachsen und wird auch von einem Großteil der pakistanischen Bevölkerung und der überwiegenden Masse der säkularen Politiker den Streitkräften zugebilligt.

Das Nuklearpotenzial Pakistans und die latent angespannten Beziehungen zur Nuklearmacht Indien bilden ein großes Gefährdungspotenzial. Versuche einer Entspannung zwischen beiden Ländern sind immer wieder am Kaschmirkonflikt gescheitert. Pakistan bemüht sich unter Musharrafs Führung um enge Beziehungen zu den USA, von denen er sich politische, ökonomische und auch militärische Unterstützung sowie Vermittlung gegenüber Indien erhofft.

General Musharraf ist als Staatspräsident ein Garant für Pakistans Stabilität. Er ist in seinem Amt "gewachsen" und hat sich von einem (nach dem Militärputsch im Oktober 1999) international isolierten "Paria"(FN24) zu einem anerkannten und verlässlichen Partner der freien Welt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus entwickelt. Zu seiner Person und der von ihm gesteuerten Innen- und Außenpolitik gibt es gegenwärtig keine Alternative. Ein Abgleiten Pakistans in die Unregierbarkeit und Massenvernichtungswaffen in der Hand von islamistischen Fundamentalisten - ein Albtraum!

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Der pakistanische Militärdiktator, General Zia ul Haq, erhielt in den 80er-Jahren 4,2 Mrd. Dollar US-Hilfe (darunter 40 F-16-Kampfflugzeuge).

(FN2) Die Nordallianz ist ein Zweckbündnis von ehemals rivalisierenden afghanischen Oppositionsgruppen, die sich Mitte der 90er-Jahre gegen die siegreich vorrückenden Taliban zusammengeschlossen hatten. Der letzte afghanische Präsident, Burhanuddin Rabbani, der nach dem Abzug der UdSSR 1989 eingesetzt worden war und der Nordallianz angehörte, wurde als offizieller Vertreter Afghanistans von der UNO anerkannt.

(FN3) Die pakistanischen Streitkräfte (keine Wehrpflicht) umfassen - einschließlich der dem Innenministerium unterstellten paramilitärischen Verbände ("Civil Armed Forces") - 780.000-800.000 Mann. Ein erheblicher Anteil (geschätzt mindestens 15%) sind Zivilisten, die vornehmlich in Einrichtungen der Instandsetzung und den Militär-Agrarbetrieben eingesetzt sind.

(FN4) Die parlamentarische Opposition hatte den von General Musharraf eingeführten Verfassungsänderungen nur unter der Bedingung zugestimmt, dass er bis zum Jahresende 2004 sein Amt als COAS aufgibt.

(FN5) Am 30. April 2002 hat sich General Musharraf in einem Referendum als Präsident für eine Amtszeit von 5 Jahren bestätigen lassen. Am 10. Oktober 2002 wurden die gemäß Beschluss des Obersten Gerichts aus dem Jahr 2000 vorgesehenen Wahlen zu den Provinzversammlungen und zur Nationalversammlung (Unterhaus) durchgeführt. Im Ergebnis wurde eine Koalitionsregierung gebildet, in der eine dem Militär nahe stehende Fraktion der "Pakistan Muslim League Quaid-i-Azam" (PML-Q) die Mehrheit bildet.

(FN6) Im Oktober 1998 beendete General Karamat seine aktive Dienstzeit in den pakistanischen Streitkräften als "Chairman Joint Chiefs of Staff Committee" (CJCSC). Er bekleidete bis zuletzt in Personalunion auch das politisch wichtigere Amt des "Chief of the Army Staff" (COAS).

(FN7) Die einflussreichste religiöse Partei Pakistans ist die Jamaat-e-Islami (JI), die der pakistanische Islamwissenschaftler Abu A’la Maudidi 1941 gründete und seit 1947 in Lahore zu einer lautstarken Opposition gegen den säkularen Staat aufbaute. Eine weitere bedeutende religiöse Partei ist die Jamiat-e-Ulama-e-Islam (JUI). Sie entstand 1945 als Abspaltung der Jamiat-ul Ulama-e-Hind (JUH), der konservativen Vereinigung muslimischer Gelehrter.

(FN8) An der "Corps Commanders Conference" nehmen alle Korpskommandeure und übrigen Drei-Sterne-Generale (d.h. auch der Chef des pakistanischen Geheimdienstes ISI) teil.

(FN9) "Minar-e-Pakistan” = Eine der Nachfolgeorganisationen der am 12. Januar 2002 verbotenen islamistischen Extremistengruppen.

(FN10) Siehe z.B.: http://www.rediff.com/cms/print.jsp?docpath=/news/2003/oct/07jk1.htm oder http://www.satp.org/satporgtp/usa/Pakmap.htm#.

(FN11) Siehe z.B.: www.satp.org/satporgtp/countries/india/states/jandk/terror-ist_outfits/terrorists_list_J&K.htm.

(FN12) Das "Forces Command Northern Areas" (FCNA) mit Hauptquartier in Gilgit führt als Divisionsstab insgesamt bis zu fünf Brigaden und diverse paramilitärische Verbände, darunter das im Sommer 1999 im "Kargil-Abenteuer" eingesetzte "Northern Light Infantry Regiment" (NLI) sowie Verbände der "Al Mujahid Force".

(FN13) Als Teil der NFWP sind die paschtunischen Stammesgebiete ("Tribal Areas") de facto zwar Teile von Pakistan, haben aber verwaltungsmäßig einen besonderen Status.

(FN14) Paramilitär: Das "Frontier Corps NWFP" verfügt über insgesamt ca. 35.000 und das "Frontier Corps Belutschistan" über ca. 40.000 Grenzsoldaten. Diese regional organisierten Grenztruppen unterstehen dem Innenministerium.

(FN15) "Tribal Lashgars" sind bewaffnete Stammesangehörige, die hilfspolizeiliche Aufgaben wahrnehmen.

(FN16) Im gleichen Zeitraum wurden auf der afghanischen Seite der Grenze 30 US-Soldaten getötet.

(FN17) Über die zwiespältige pakistanische Afghanistanpolitik wurde vom Verfasser dieses Artikels in ÖMZ-Heft 5/2004 (Seite 594) berichtet.

(FN18) Anschläge auf Christen in Bahawalpur (28.10.2001, 15 Tote), Islamabad (17.3.2002, 5 Tote, 40 Verletzte), in Murree (5.8.2002, 6 Tote) und in Taxila (9.8.2002, 4 tote Krankenschwestern und 1 toter Angreifer, 26 Verletzte).

(FN19) www.satp.org/satorgtp/countries/pakistan/database/sect-killings.htm.

(FN20) Seit 1986 befindet sich die pakistanische Hafenmetropole Karatschi in einem bürgerkriegsähnlichen Zustand. In der 12-Mio.-Stadt findet ein höchst komplexer innerstaatlicher Krieg statt, in dem sich eine Vielzahl von Konfliktlinien und Akteursgruppen überlagern.

(FN21) Am 12.1.2002 verbotene islamistische Extremistengruppen: Lashkar-e-Taiba (LT), kämpft vorwiegend in Kaschmir; Jaish-e-Mohammad (JM), kämpft vorwiegend in Kaschmir; Sipah-e-Sahaba Pakistan (SSP), Sunni-Extremisten, umbenannt in: Milliat-e-Islamia; Tehreek-e-Jaffaria Pakistan (TJP), umbenannt in Tehrik-e-Islami, Schiitenextremistengruppe mit der militanten Untergruppe Sipah-e-Mohammad Pakistan (SMP); Tehrik-e-Nifaz-e-Shariat-e-Mohammadi (TNSM), eine militante Wahabbitengruppe, die vorwiegend in der Region "Swat" und in den Tribal Areas der NFWP operiert.

(FN22) Indische Truppenpräsenz in Kaschmir vage mit 200.000 bis 300.000 Soldaten angegeben. Pakistan schätzt die Anzahl der indischen Sicherheitskräfte aber auf ca. 500.000 bis 700.000 Soldaten.

(FN23) Die USA haben Pakistan nach Aufhebung des nach dem Putsch von 1999 verhängten Waffenembargos die größte Waffenlieferung seit über 14 Jahren zugesagt. Die Rüstungslieferungen belaufen sich auf insgesamt 1,2 Mrd. Dollar. Für den Verkauf vorgesehen sind neben Ersatzteilen für bereits eingeführtes US-Gerät acht Aufklärungsflugzeuge vom Typ P3-C Orion, sechs Phalanx-Flugabwehr-Geschützsysteme und über 2.000 Panzerabwehrraketen vom Typ TOW 2. Über die Wiederaufnahme von Lieferungen des US-Kampfflugzeuges F-16 wird noch verhandelt.

(FN24) Pakistans Mitgliedschaft im Commonwealth wurde nach dem Militärputsch im Oktober 1999 suspendiert und am 22. Mai 2004 erneuert.

Ulrich Stahnke

Geb. 1944, Oberstleutnant a.D., 1964 Eintritt in die deutsche Bundeswehr, Offiziersausbildung; Stabs- und Truppenverwendungen, dabei Kommandeur des (einzigen) Bataillons für Operative Information in Andernach; ab 1991 Lagereferent und ab 1993 Referent für Operative Information (PsyOps) im Bundesministerium der Verteidigung, Führungsstab der Streitkräfte, Bonn; 1996 - 2000 Einsatz als Militärattaché an der deutschen Botschaft in Islamabad/Pakistan; 2002 - 2003 Einsatz als militärpolitischer Berater des deutschen Botschafters in Kabul/Afghanistan; seit 2003 im Ruhestand; Wehrübungen in der Einsatzreserve des BMVg im Führungsstab der Streitkräfte als Referent für Nationale Risikobeurteilung für Asien und Ozeanien.



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Grnzverläufe in der Konfliktregion Kaschmir.
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