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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Gescheitert!

In unserer Gesellschaft gibt es nur noch wenige Tabus. Eines davon ist das Scheitern. Das Wort "scheitern" wird erst ab dem 17. Jahrhundert in der heutigen Bedeutung verwendet. Die Wortbildung geht auf das altgermanische "Scheit" zurück und meint das gespaltene Holzstück. Klötze, die in kleinere und größere Scheite zu Brennholz zerschlagen werden. Der Plural Scheite oder Scheitern bezieht sich dann schon auf "zu Grunde gehen". Dies wird später im übertragenen Sinn im Verb scheitern zum Versagen, zum Misslingen, dem Nichterreichen eines Zieles, zur Niederlage umgedeutet (Christine Coring u. a. (Hrsg.), SCH. Das Buch des Scheiterns. taz Verlags- und Vetriebs GmbH, Berlin 2003). In unserer erfolgsorientierten Zeit ist für Niederlagen aber kein Platz. Doch jeden von uns trifft es irgendwann im Leben. Scheitern gehört zum Leben. Gescheiterte Beziehungen, Verhandlungen, Karrieren, schlechte Noten erhalten, keine Ausbil­dungsstelle bekommen, ein Projekt in den Sand setzen, sich im Stich gelassen fühlen, krank werden. Scheitern ist ein Bestandteil unseres Alltags. Die Kultur des Umgangs mit Scheitern steht aber noch am Anfang. Die Begabung, eine Chance im Scheitern zu erkennen, ist bei den meisten Menschen wenig ausgeprägt. Doch den Umgang mit dem Scheitern kann man lernen, also versuchen, den Gewinn im Verlust zu erkennen. Wir müssen uns das Scheitern eingestehen, das Scheitern als ebenso selbstverständlich wie den Erfolg einkalkulieren, akzeptieren. In manchen Lebenslagen kann Selbstsuggestion durch­­aus selbstwertstärkend sein. ("Ich bin ein guter Verkäufer, alle anderen sind schlechter."). Wenn es um das Scheitern geht, ist Selbstsuggestion hingegen kontraproduktiv. Redet sich ein Spielsüchtiger ein, dass seine Pechsträhne ganz sicher mit dem nächsten Spiel zu Ende geht, wird er dadurch seinen Verlust noch vergrößern. Wer glaubt, dass sein Arbeitsplatz nicht gefährdet ist, obwohl der Personalabbau im Unternehmen schon lange im Gang ist, der ist bei einer Kündigung oder Versetzung nicht vorbereitet und fällt in eine emotionale Krise. Wer glaubt, seine Beziehung sei problemfrei, obwohl sich der Partner immer weiter entfernt, verpasst die Gelegenheit, die Beziehung zu retten. Wenn wir das Scheitern nicht als ebenso selbstverständlich wie den Erfolg einkalkulieren und akzeptieren, können wir mit Misserfolgen nicht konstruktiv umgehen. Wer um keinen Preis scheitern darf, der ist im Ernstfall nicht in der Lage, zu fragen: "Was kann ich aus dieser Situation lernen?" Niedergeschlagenheit, Beschämtheit, Resignation, aber auch Aggressivität können Folgen sein.

Niederlage und neue Ziele

Um eine Niederlage bewältigen zu können, muss man unbedingt die Bindung an das gescheiterte Projekt, an das nicht erreichte Ziel lösen und zugleich nach einer Alternative suchen. Wer nur seine Anstrengungen reduziert, dem gescheiterten Ziel aber emotional verhaftet bleibt, wird sich schwer von den nicht realisierbaren Plänen verabschieden und neue Ziele finden können. In der Psychologie spricht man vom " Ovsiankina-Effekt" ("nicht erledigte Handlungen beschäftigen uns das ganze Leben"). Es ist daher für unsere psychische Befindlichkeit unbedingt notwendig, Erlebtes, Begonnenes emotional und/oder real immer abzuschließen, unter Umständen mit professioneller Unterstützung. Ebenso ungünstig wirkt es sich aus, wenn man die Bindung an eine gescheiterte Beziehung, ein gescheitertes Projekt aufgibt, aber keine Alternativen dazu findet. Die Bereitschaft, einen We­chsel vorzunehmen, wenn die Umstände es erfordern, ist eine wichtige menschliche Stärke. Genauso ist die Fähigkeit, sich selbst neu zu definieren eine wesentliche Voraussetzung, um einen Gewinn aus dem Scheitern zu ziehen. Eine Niederlage öffnet "gewinnenden Verlierern" bislang verschlossene Türen (Martin Doehlemann, Absteiger. Die Kunst des Verlierens, Suhrkamp, Frankfurt/ Main 1996). Plötzlich gibt es eine Möglichkeit, Neues zu erproben, die beengende Routine und Ordnung hinter sich zu lassen, die bisher brachliegende Kreativität zu entwi­ckeln, sich aus der gut gemeinten Bevormundung der Eltern oder des Partners zu lösen und endlich das tun zu können, was man eigentlich immer schon tun wollte, aber aus Rücksicht auf die Wünsche der Eltern, des Partners nicht tat. Manche erkennen, dass die bisherige Jagd nach Status und Erfolg ihnen keinen Sinn im Leben geben konnte, und verabschieden sich vom verloren gegangenen, hochdotierten Job, um beispielsweise karikativ zu arbeiten. Und einige entdecken auch die "Wonnen der Gewöhnlichkeit" (Doeh­le­mann). Bislang in anspruchsvollen, stark fordernden Berufen tätig, sehen sie im Scheitern die Chance zum "downshifting", zur Verlangsamung. Besonders Herzinfarkt-Patienten wissen um diese Notwendigkeit. "Der Nutzen des Scheiterns könnte also darin liegen, dass das Richtige deutlicher wird. Sogar dann, wenn man sich bislang auf dem richtigen Weg wähnte, können in der Niederlage schlummernde Ressourcen entdeckt werden. "Ich kann auch ein anderer sein" - in dieser Erkenntnis steckt Kraft für einen Neuanfang" (Ursula Nuber, Die Kunst, "richtig" zu scheitern, in: Psychologie Heute, Jänner 2004). Scheitern kann man nicht vermeiden, die Kunst ist, daraus zu lernen. "Der Lernerfolg liegt in der Gewöhnung ans Scheitern, im Umdenken oder Para­digmenwechsel: weg von Schuld und Sühne, hin zur Erhöhung der Re­fle­xions­kompetenz, um Fehler nicht zu wiederholen" (Michael Hengl über den Zusammenhang zwischen Scheitern und Erfolg, in: Psychologie Heute, Jänner 2004). Denn eines ist sicher: Wir können alle lernen, aus dem Scheitern zu lernen!

Hofrat Dr. Herbert Klingler Psychologe im Heerespersonalamt

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