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Führungssimulatorausbildung

Verbesserung der Realitätsbezogenheit unter Berücksichtigung rechtlicher Aspekte

Das große, alles entscheidende Gefecht am Führungssimulator ist eine Seite der Ausbildung. Die andere Seite muss die gezielte Vorbereitung der Kommandanten und Stäbe auf alle jene rechtlichen Grundlagen sein, die während einer internationalen Mission Einfluss auf das Handeln der Soldaten haben können.

Das Einsatzkonzept 2001 brachte erstmals eine deutliche Akzentver­schiebung. Von der herkömmlichen militärischen hin zur "erweiterten" Landesverteidigung im Sinne der Mitwirkung am internationalen Krisenmanagement, in Form von Einsätzen im Ausland, eingegliedert in einen multinationalen Verbund.

In der taktischen Fortbildung von Kommandanten und Stäben wird versucht, dieser Vorgabe mit der Anlage "international kompatibler" Lagen zu entsprechen. Dies hat auch in der führungssimulatorunterstützten Taktikausbildung seinen Niederschlag gefunden.

Beispielsweise besticht die Ausgangslage für die Stabsübung einer Jägerbrigade am Führungssimulator durch eine detaillierte Schilderung der militärischen Ausgangslage. Dagegen werden die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Operation durchgeführt wird, nur kurz umrissen und beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass öster­reichische Truppen unter UN-Mandat im Rahmen einer "Koalitionsstreitmacht" im X-Staat zum Einsatz kommen. Ein paar Schlagworte wie "Rules of Engagement" oder das Anführen von "Host Nation Support" unter dem Kapitel Logistik sollen helfen, das Bild abzurunden; dies ist aber völlig unzureichend.

Fragen, die auf Antworten warten ...

Gerade diese zuvor zitierten Schlagworte wären mit "Leben zu füllen", um die zu beübenden Kommandanten und Stäbe mit den Realitäten eines Einsatzes im Ausland, auch unter den Bedingungen eines internationalen bewaffneten Konfliktes, tatsächlich vertraut zu machen.

Es gilt als erwiesen, dass Antworten auf die folgenden Fragen Gegenstand jeder seriösen Lagebeurteilung sind:

  • Was sind die Rechtsgrundlagen für den Aufenthalt im X-Staat?
  • Was steht in der Entsendeweisung?
  • Gibt es nationale Vorbehalte im Zuge der Operationsführung?
  • Wie sind der Waffengebrauch im Allgemeinen und die Einsatzricht­linien ("Rules of Engagement") im Besonderen für die österreichischen Kräfte und die Koalition geregelt?
  • Welche Bestimmungen im Humanitären Völkerrecht wirken sich be­sonders auf den Einsatz aus (Schutz der Zivilbevölkerung, Kulturgüterschutz usw.)?
  • Wie sieht es mit der Verhältnismäß­ig­keit und Notwendigkeit der geplanten Anwendung militärischer Gewalt aus? Wie wirkt sich das "Status of Forces Agreement" auf die Logistik und den "Host Nation Support" im Speziellen aus?

Im Sinne einer konstruktiven Kritik sind Vorschläge legitim; zwei davon seien im Folgenden angerissen:

Interoperabilität im Führungsverfahren

Die Schulung der taktischen Kenntnisse und Fertigkeiten des am Füh­rungssimulator übenden Personals hat natürlich im Vordergrund zu stehen. Die simulierte Lage hat dabei jedoch so weitgehend wie möglich der Realität der Rahmenbedingungen in einem internationalen Einsatz zu entsprechen. Dies impliziert, dass Aufträge an die eingesetzten (nicht nur österreichischen) Truppen und deren Befugnisse im Einklang mit dem internationalen und nationalen Recht stehen müssen.

Im Konzeptpapier für das "Führungssystem des Österreichischen Bundesheeres" (Seite 70 f.) wird daher zurecht angeführt: "Der militärische Einsatz unterliegt in jeglicher Form geltendem Recht und schränkt damit einen allein auf den operativen Erfolg konzentrierten zügellosen Einsatz der militärischen Mittel ein. Die militärische Führung hat Rechts- und Verhaltensnormen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen und dabei auch die zutreffenden regionalen gesetzlichen Bestimmungen zu beachten." Weiters wird noch darauf verwiesen: "Die Erfolgsaussichten einer Mission hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. dem Vorhandensein eines klaren, realistischen Mandats, der Er­füllbarkeit des Auftrags, der eindeutigen Festlegung des definierten Endzustandes der Mission, der Akzeptanz der Einsatzrichtlinien, dem Vorhandensein klarer Befehlsverhältnisse bzw. der öffentlichen und politischen Unterstützung." (Einsatzkonzept, S. 113).

Übertragen auf die Führungssimula­torausbildung bedeutet dies, dass eine Standardisierung und Interoperabilität daher auch im Führungsverfahren und in der Denkweise im Rahmen der Stabsplanspiele zu erfolgen hat. Die Ausgangslage sollte deshalb die rechtlichen und politischen Rahmenbedin­gungen, unter denen eine Mission stattfindet, natürlich auf die jeweilige Führungsebene abgestimmt, genau darstellen. Beispielgebend dazu sind die internationalen "Command Post Exer­cises" (vergleichbar mit unseren Stabsrahmenübungen) anzuführen, in welchen die Rechtslage und politische Lage von Anfang an mit beurteilt werden und diese unweigerlich Auswirkungen auf konkrete militärische Planungen und dementsprechende Reaktionen nach sich ziehen; so wie dies im Übrigen auch der Realität internationaler Krisenmanagementoperationen entspricht.

Einbindung rechtlicher und politischer Gegebenheiten

Österreichische Kommandanten und Stäbe aller Ebenen sind daher bei Planspielen und Übungen in vollem Umfang mit den Einflüssen rechtlicher und politischer Gegebenheiten auf ihre Planungen und Befehle zu konfrontieren, um sie zeit- und sachgerecht auf mögliche internationale Einsatzszena­rien und -bedingungen vorzubereiten. Dabei werden ihr Wissen über die gegenwärtige gültige Rechtslage und deren Auswirkungen auf konkrete militärische Fragestellungen vertieft und ihre Kenntnisse in der Anwendung des humanitären Völkerrechts praktisch geschult. Letztendlich wird dadurch der gemäß dem Wehrgesetz und dem I. Zusatz­protokoll zu den Genfer Abkommen geforderte (völker)rechtliche Standard in der Ausbildung und Anwendung erzielt.

Es sollten daher, bevor das "Gefecht am Simulator losbricht", auch die politischen und rechtlichen Rahmenbedin­gungen beurteilt sowie deren Auswirkungen auf den eigenen Einsatz herausgearbeitet werden. Dazu muss natürlich in der Folge vom Leitungsteam ein entsprechendes "feedback" erfolgen oder zumindest die Learning by doing-Methode angewandt werden.

Geringe Änderungen, große Wirkung

Die oben angeführten Anregungen erfordern für die "eingespielten, taktischen Gefechtsabläufe" am Simulator nur geringfügige Adaptierungen. Sie verlangen aber, dass sich die Kommandanten und Stäbe im Rahmen der La­gebeurteilung mit den faktischen und realitätsbezogenen Gegebenheiten einer komplexen Ausgangslage auseinandersetzen müssen. Dadurch wird jedoch sichergestellt, dass österreichi­sche Offiziere nicht erstmalig im Rahmen eines tatsächlichen internationalen Einsatzes oder einer Übung mit dem vollen Umfang der Auswirkungen rechtlicher und politischer Gegebenheiten auf den eigenen Einsatz konfrontiert werden.


Autor: Oberst dIntD Mag. Dr. jur. Michael Pesendorfer, Jahrgang 1961. Berufsoffi­ziersausbildung, in weiterer Folge Zugskom­mandant, Kompaniekommandant und S3 beim Jägerbataillon 26 in Spittal/Drau; Studium der Rechtswissenschaften in Salzburg; Gerichts- und Anwaltspraxis in Klagenfurt; Leiter der Intendanzabteilung des Militärkommandos Burgenland 1996 bis 2001, Chief of Finance der European Union Monitor Mission in Sarajewo 1998 bis 1999; Rechtsberater des Österreichischen Humanitären Kontingentes in Albanien 1999; Rechtsberater im Militärstab der Europäischen Union in Brüssel 2001 bis 2003; Rechtsberater im Hauptquartier der EU-Force in Mazedonien 2003; seit September 2003 Rechtsberater im Kommando der 7. Jägerbrigade in Klagenfurt.

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