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Aus der Truppe: Bilden wir zeitgemäß aus?

Im Bericht der Bundesheer-Reformkommission wird im Kapitel zur Streit­kräfteentwicklung unter anderem ausgeführt, dass der primäre Zweck des Grundwehrdienstes die Ausbildung für Einsatzaufgaben ist. Diese Ausbildung hat den Grundsätzen der modernen Erwachsenenbildung zu entsprechen und soll im gesamtstaatlichen Bildungssystem anerkannt sein.

Der Erwachsene

Unter einem Erwachsenen verstand man früher einen Menschen, der einen Prozess zum Abschluss gebracht hat - nämlich den des Erwachsenwerdens. So unterstellt man ihm gleichzeitig, soweit entwickelt zu sein, dass er sich nicht mehr ändern könne und stabil bliebe, bis der Verfallsprozess im Alter einsetzt. Dieses Verständnis vom Prozess des Erwachsen-Werdens und der Zustand des Erwachsenseins musste aus wesentlichen Gründen aufgegeben werden und einem Modell lebenslanger Entwicklung weichen. Der neue Er­wach­senen­begriff kann demnach nicht im Sinne einer Zustandsbeschreibung definiert werden, sondern lediglich in Form des Festmachens typischer Ereignisse oder Aufgaben.

Erwachsenenbildung

Erwachsenenbildung ist aber auch eine gesellschaftliche Ausdrucksform sozial- und geistesgeschichtlicher Konstellationen. Diese wiederum sind in dem jeweiligen ge­sell­schafts- und bil­dungspolitischen Be­din­gungs­rahmen eingebunden. Funktionser­for­der­nisse und Handlungsspielräume bestimmen den Stellenwert, die Ziele und die Lernprozesse der Erwachsenenbildung.

Erwachsenenbildung, die dem Anspruch des Wortes gerecht werden will, kann sich nicht nur auf die Vermittlung von beruflichen Fertigkeiten in zweckrationaler Form beschränken. Vielmehr muss sie auch die Vermittlung formaler Fähigkeiten für Grup­penprozesse zum Ziel haben und zu selbstständigem und aktivem Handeln befähigen. Es muss mit sehr unterschiedlichen Lernerfahrungen gerechnet werden, die das Lernver­halten geprägt haben. Wird darauf keine Rücksicht genommen, wird die Lernbe­reit­schaft nur sehr schwer zu erhalten sein. Keinesfalls bedeutet Erwachsenenbildung ein Lernen und Lehren in völligem Freiraum, ohne Prüfungsangst und ohne den Druck, bestimmte Ausbildungsziele zu erreichen. Lern­zielkontrolle ist auch in der Erwachsenenbildung selbstverständlich geworden.

Militärische Ausbildung

Zum Unterschied zur außermi­li­tärischen Erwachsenenbildung ist die Ausbildung im Bundesheer durch ein systemimmanentes Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis geprägt. Dies macht ein angstfreies und gruppenbezogenes Lernen schon vom Ansatz her schwieriger. Vor allem die Unter­richtsqualität, weniger die praktische Ausbildung, leiden unter ernormen Zeitdruck, der zu einer do­zenten­orien­tierten Durchführung von Fron­tal­unterrichten mit zu großen Zuhörerzahlen verleitet. Die Möglichkeit des Auszubildenden, selbst mitzubestimmen, was er lernt, ist weitestgehend ausgeschlossen.

In der didaktischen Ausbil­dungs­pla­nung besteht stets eine Diskrepanz zwischen dem zu Lernenden und dem Möglichen. Es ist daher zu hinterfragen, welche Reduktions­mög­lich­keiten der Lernstoff anbietet, um mit der Zeit in vertretbarer Weise zurechtzukommen. Dabei han­delt es sich nicht nur darum, auf welche Inhalte verzichtet werden kann, sondern vor allem darum, von welchen Beziehungen, Differenzierungen und Nuancen abgesehen werden kann und muss.

Dies geht auch durchaus konform mit unseren militärischen Bestimmungen, die verlangen, alles an In­for­mation wegzulassen, was nicht unmittelbar der Erreichung des Ausbil­dungs­­zieles dient, um die Gefahr der Überforderung und des Ver­zettelns zu vermeiden. Der Katalog von Ver­an­stal­tungsformen und Unter­richts­­me­tho­den, der in der Literatur angeboten wird, unterscheidet sich zwar geringfügig von den in unseren Aus­bil­dungs­vorschrif­ten angeführten Me­thoden, jedoch ist dieser Unterschied meist ein rein begrifflicher.

Der Ausbilder

Wir brauchen unser Licht bezüglich der Qualifikation unserer Ausbilder im Vergleich mit anderen Er­wachsenenbil­dungseinrichtungen keines­­wegs unter den Scheffel zu stellen. Richtigerweise wurde in den vergangenen Jahren in unseren Kaderschulen sehr viel modernisiert, und wir bilden eine ausgewogene Mischung zwischen Kommandant und Ausbilder aus. Die Qualität der Ausbilder kann daher nicht mehr die Ursache sein, wenn der Ruf nach besserer Ausbildung noch immer nicht ganz verstummt ist.

Wie schon frühere Generale festgestellt haben, dass die Ausbildung häufig unter Zeitdruck stand und von Ungeduld, Unrast und manchmal Unlust erfüllt war, so ist dazu leider anzumerken, dass diese Aussagen zum Teil immer noch zutreffen. Die Ursache liegt aber nur zum geringsten Teil in der mangelnden Professionalität unserer Ausbilder, zum größten Teil liegt sie an den Rahmenbedingungen, unter denen die Ausbildungen stattfinden.

Zur Mitarbeit bringen wir unsere Soldaten jedoch nur dann, wenn sie nicht mehr als unbedingt notwendig und einsichtig in äußere Formen gepresst werden. Genausowenig wie wir es uns leisten können, unsere Rekruten nicht einsatzbezogen auszubilden, können wir es uns leisten, in Anbetracht der kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit ineffizient auszubilden.

Oberst Josef Fischer

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