Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Das Assessment-Center 2003 an der TherMilAk

Im Jahr 1999 wurde das Aufnahme- bzw. Auswahlverfahren für die Erreichung eines Studienplatzes an der Theresianischen Militärakademie massiv geändert. Zusätzlich zum Auswahlverfahren, bei dem die berufliche Eignung festgestellt wird, gibt es nun ein Assessment-Center, das nach festgelegten Dimensionen weitere wichtige Fähigkeiten für den Offiziersberuf überprüft.

Ein historischer Exkurs

Die Ursprünge des Assessment-Centers sind, wie vieles in der Wissenschaft, in Europa zu finden. Dieses spezielle Verfahren wurde in Deutschland entwickelt und diente der Reichswehr (in der Weimarer Republik, Anm. der Redaktion) zur Auswahl der Kraftfahrer, Funker und Piloten mit Hilfe psychologischer Tests. Der deutsche Heerespsychologe Rieffert war bei der Durchführung und der Auswertung federführend. Ab 1927 wurde dieses Verfahren auch für die Offiziersauswahl verpflichtend vorgeschrieben und die so genannte führerlose Gruppendiskussion war dessen Kernelement.

Im Verlaufe des Zweiten Weltkrieges ging man von dieser Vorgangsweise ab, die Auswahl des Offiziersnachwuchses erfolgte dann nach anderen Kriterien.

Die englische Armee hat dieses Aufnahmeverfahren zur Auswahl von Offizieren seit 1942 eingesetzt und danach im gesamten Commonwealth verbreitet. Die Vereinigten Staaten von Amerika übernahmen diese Testreihen 1942/43 und verwendeten sie, um geeignete Bewerber für den Geheimdienst zu selektieren. Der Psychologe Murray war führend an der Konzepterstellung beteiligt, und er schuf den Begriff "Assessment-Center". Später übernahm auch die amerikanische Armee dieses Verfahren.

Wie das Militärische Führungsverfahren wurde nun auch das Assess­ment-Center von der Wirtschaft übernommen und ihrem Bedarf angepasst. In den fünfziger Jahren begannen Firmen in den USA, mit dieser Methode das Personal auszuwählen. Die erkannten Stärken und Schwächen wurden nach der Selektion auch in der folgenden Karriere der "Ausgewählten" berücksichtigt. Durch die Erkenntnis, dass zwischen den Prognosen, die im As­sessment-Center erstellt wurden, und dem späteren, tatsächlichen Berufsweg der Probanden ein enger Zusammenhang zu erkennen war, wurde dieses Verfahren als probates Mittel für die Personalauswahl bewertet. Nach den Erfolgen in Übersee führte dieses Aufnahmeverfahren auch die Wirtschaft in Europa als Instrument zur Personalauswahl und Personalentwicklung ein.

Assessment-Center 2003

Eine Weiterentwicklung dieses erfolgreichen Verfahrens - und nun schließt sich der Kreis zum Militär wieder - wurde auch für die Auswahl der Studenten des Fachhochschul-Diplomstudienganges "Militärische Führung" für die Aufnahme zum Studium an der Theresianischen Militärakademie eingeführt.

Zielsetzung

Das Assessment-Center dient der Feststellung, ob der Bewerber oder die Bewerberin für die Aufnahme in den Fachhochschul-Diplomstudien­gang befähigt ist. Dies erfolgt durch die Beurteilung einerseits der Leis­tungs­ergebnisse und andererseits des in berufsspezifischen Übungen gezeigten Verhaltens sowie einer abschließenden Bewertung und Reihung.

Grundlagen

Die Grundlagen für die Entwicklung des Aufnahmeverfahrens 2003 bildeten
  • der Verlängerungsantrag 2001 für die Fortführung des Fachhochschul-(Diplom)Studienganges,
  • die Dissertation von Dr. Franz Fel­linger zum Thema "Personalauswahl durch Assessmentverfahren" sowie
  • die bereits vorhandenen, grundlegenden Ausarbeitungen für das Assess­ment-Center 2000.

Im Verlängerungsantrag legte das dafür eingesetzte Entwicklungsteam, ausgehend vom Berufsfeld des Offiziers und dem Berufsprofil die folgenden Anforderungsdimensionen fest:

  • Führungsfähigkeit;
  • Soziale Kompetenz;
  • Psychische sowie Physische Belastbarkeit;
  • Fremdsprachenkenntnisse (Englisch).
Soziale Kompetenz
Soziale Kompetenz ist die Fähigkeit, durch genaue Wahrnehmung und Diagnose der Wechselbeziehungen sowie der Anwendung von Problemlösungsstrategien in zwischenmenschlichen Situationen effektiv zu agieren. Sie ist geprägt von Kooperationsfähigkeit und Konfliktfähigkeit.

Die Kooperationsfähigkeit umfasst das Vermögen der jeweiligen Person, auf andere Menschen einfühlsam und verständnisvoll einzugehen und auf der Basis einer wertschätzenden Grundhaltung zur Umsetzung eines gemeinsamen Standpunktes zusammenzuarbeiten.

Die zweite Anforderungskategorie beinhaltet die Fähigkeit des Erkennens von Konflikten und deren Ursachen, die Bereitschaft, sich verbal ausdrücken zu können, zum Überdenken (Reflexion) des eigenen Standpunktes sowie zu einer kontrollierten Form der Austragung und Regelung auftretender Konflikte.

Führungsfähigkeit
Die Führungsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit zum gerichteten Einwirken auf Menschen, um unter Berücksichtigung des Einsatzes von materiellen Mitteln eine Zielvorstellung zu verwirklichen. Diesem Bereich sind drei Kategorien zugeordnet:
  • Die Leistungsbereitschaft/Antrieb und Leistung umfasst die Fähigkeit, Aufgaben aus eigenem Streben in Angriff zu nehmen und dabei selbstständig, engagiert und zuversichtlich Aktivitäten zu setzen, um auch unter seelischer und körperlicher Belastung Ergebnisse in der erforderlichen Qualität zu erbringen. Sie wird durch einen Leistungsmotivationstest, der vom Heerespsychologischen Dienst erstellt wurde, überprüft.
  • Die Planungs- und Organisationsfähigkeit werden in einer Kategorie subsummiert und sollen die Fähigkeiten aufweisen, komplexe Sachverhalte zu erfassen, zu strukturieren und systematisch zu analysieren. Dabei soll der Teilnehmer wesentliche Zusammenhänge erkennen, Situationen und Personen einschätzen und Prioritäten richtig setzen können sowie durch koordinierende und kontrollierende Steuerung Leistung und Ergebnisse in der erforderlichen Qualität erbringen. Als Messins­trument dient eine Planungsaufgabe in Form einer "Postkorbübung".
  • Die Anforderungskategorie Durch­setzungsfähigkeit soll feststellen, ob der Bewerber in der Lage ist, sich eigenständig zugunsten einer Hand­lungsalternative festzulegen und durch Engagement andere Menschen positiv zu beeinflussen, damit diese Aktivitäten entwickeln, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Psychische Belastbarkeit
Die psychische Belastbarkeit ist die Disposition, individuelle psychische Leistungen in und nach Stressbe­lastungen aufrechterhalten zu können.

Die Palette der Anforderungen umfasst folgende Kategorien:

  • Die Frustrationstoleranz ist das Maß für die Fähigkeit, auch bei Enttäuschung und Zurückweisung unter Vermeidung von Fehlreaktionen zielori­en­tiert zu handeln.
  • Die Angstbewältigung zeigt die Fähigkeit auf, individuell als gefahrvoll empfundenen Situationen angemessen und selbstständig zu begegnen.
  • Beim Test der Psychischen Ausdauer soll einem Reiz, der zum Abbruch einer Belastung auffordert, möglichst lange widerstanden werden.
  • Im Zuge der Emotionalen Stabilität müssen Gefühle beherrscht und rational verarbeitet werden, und es muss dabei eine beständige Verhaltensweise beibehalten werden.
  • Die Konzentrationsfähigkeit umfasst wiederum das Vermögen, auch unter belastenden Situationen die Leis­tungsmenge und Leistungsgüte auf einem hohen Niveau zu halten.
Physische Leistungsfähigkeit
Die physische Leistungsfähigkeit be­schreibt die Disposition, trotz hoher körperlicher Belastung über einen längeren Zeitraum, Aufgaben zu erfüllen.

Fremdsprachenkenntnisse
Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens wird der Beherrschungsgrad der englischen Sprache in den beiden passiven (rezeptiven) Sprachfertigkeiten, nämlich Hörverstehen und Leseverstehen, überprüft.

Die oben angeführten Kategorien der jeweiligen Anforderungsdi­mensionen werden in Kriterien unterteilt, um sie durch die jeweiligen Messinstrumente beobachtbar bzw. erfassbar zu machen.

Procedere des Assessments

Alle Bewerber werden von Ent­schei­dungsträgern der Theresianischen Mili­tärakademie, ausgewählten Fachkräften der Truppe sowie geeigneten Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft beobachtet und beurteilt. Diese Personengruppe wird vorgestaffelt in das Procedere des Assessment-Centers eingewiesen und als Beobachter geschult.

Die Bewerber erhalten eine Reihe von praktischen und schriftlichen Aufgaben, die in Einzel- bzw. Gruppenarbeiten zu bewältigen sind. Dabei wird jeder Bewerber von mindestens zwei Beobachtern beurteilt. Die Praxisnähe und Pro­gnosequalität wird durch Aufgaben aus dem Berufsfeld, welche die berufliche Realität simulieren, sichergestellt. Weiters wird darauf Rücksicht genommen, dass alle Beob­achtungskriterien in den verschiedenen Situationen so ausgelegt sind, dass sie beurteilbar bleiben. Daraus wird eine Potenzialeinschätzung abgeleitet und eine Reihung unter Bedachtnahme einer möglichst hohen Transparenz durchgeführt.

Im Rückmeldegespräch werden die Bewerber von den Beobachtern gezielt, ausführlich und belegbar über die Stärken und die Schwächen aufgeklärt, aber auch über die folgenden notwendigen Maßnahmen beraten.

Bisher wurde das Assessment-Center eher als methodische Hilfe zur Auswahl der zukünftigen Offiziere verwendet. Als Förder­assessment wäre es notwendig, dass von der Bildungsinstitution und den Studenten Maßnahmen getroffen werden, damit die festgestellten Stärken ausgebaut und die Schwächen abgebaut werden können. Diese Förder­maßnahmen sollen individuell, fächerübergreifend und konsequent, zumin­dest bis zur Ausmusterung, erfolgen.

Die Erlangung eines Studienplatzes am Fachhoch­schul-Diplomstu­diengang "Militärische Führung" an der There­sianischen Militärakademie ist also von zwei Komponenten abhängig, dem Auswahlverfahren und dem Auf­nah­meverfahren.

Das Auswahlverfahren

Das Ziel dieses Verfahrens ist die Vorauswahl von Studierenden (Berufsoffiziersanwärtern) für eine beschränkte Anzahl von Studienplätzen für die Truppenoffiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie. Dem Bewerber werden während des Vorbereitungssemesters die fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für die Ebene eines Gruppenkommandanten - mit Schwergewicht praktische Ausbildung - vermittelt, diese dann im Rahmen des Auswahlverfahrens von einer Kommission überprüft und nach einem festgelegten Schlüssel mit Punkten bewertet. Die Ausbildungsinhalte werden in folgenden Gegenständen zusammengefasst:
  • Waffen- und Gerätelehre;
  • Führen im Gefecht;
  • Führen im Frieden;
  • Versorgung und Materialerhaltung;
  • Körperausbildung.

Das Aufnahmeverfahren

Beim Aufnahmeverfahren werden die oben angeführten Inhalte durch verschiedene Aufgaben überprüft und ebenfalls mit Punkten bewertet. Ist die Summe der Punkte aus dem Auswahl- und Aufnahmeverfahren so hoch, dass einer von den 99 Studienplätzen erreicht wird, dann wird der Bewerber als Student an der Theresianischen Militärakademie aufgenommen.


Autor: Oberst dhmfD i. R. Mag. Gerhard Maier, Jahrgang 1944. Nach seiner Ausmusterung leistete er rund 20 Jahre Dienst als Truppenoffizier beim Fernmeldebataillon 1. Nebenberuflich studierte er Pädagogik, Psychologie und Psychosoziale Praxis. Nach einer mehrjährigen Verwendung als stellvertretender Kommandant der Fernmeldetruppenschule war er an der Landesverteidigungsakademie im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. Mit Beginn 2002 wurde er an die Theresianische Militärakademie berufen, wo er bis zur seiner Versetzung in den Ruhestand am 1. Dezember 2003 zuerst als Leiter der Studiengangsdirektion und später als Fachbereichsleiter Pädagogik und Fremdsprachen tätig war.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle