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Mehr als ein Sprachkurs

An der Landesverteidigungsakademie (LVAk) finden seit Jahrzehnten Sprachkurse statt. Seit ca. zwanzig Jahren gibt es dort auch Deutschkurse für ausländische Offiziere und diese gehen weit über das Erlernen der Sprache hinaus. Am Sprachkurs für Mitglieder ausländischer Streitkräfte im Jahr 2011 nahmen Offiziere aus acht Ländern teil.

Ziel der Sprachaus-, -fort- und -weiterbildung im Bundesheer ist die Herstellung der Zusammenarbeitsfähigkeit in Friedensunterstützenden Einsätzen, die Sicherstellung der Aufgabenerfüllung am Arbeitsplatz in der Muttersprache und die fremdsprachliche Vorbereitung ausländischer Soldaten auf militärische Lehrgänge in Österreich. Die Fremdsprache ist in diesem Fall Deutsch. Der Kurs lief von Mitte Jänner bis Mitte April 2011. Kursteilnehmer aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, China, Montenegro, Senegal, Serbien, der Tschechischen Republik und der Ukraine (einige davon nahmen nur an einem Teil des Kurses teil) lernten Deutsch als Fremdsprache.

Der Hauptzweck der Deutschausbildung für ausländische Militärpersonen ist die Entwicklung der kommunikativen und sozialen Handlungsfähigkeit im militärischen Umfeld sowie in allgemeinsprachlichen und berufsübergreifenden Situationen. Dem Ausbildungssystem liegt als Kern die auf internationalen militärischen Normen (NATO-Standardization Agreement 6001 STANAG-6001) beruhende Beschreibung der Leistungsstufen zugrunde. Bei Sprachkursen, bei der Sprachausbildung in der Offiziersweiterbildung und bei Sprachkursen für internationales Militärpersonal geht es um die jeweils vorgesehene Leistungsstufe in den vier Sprachfertigkeiten:

  • Hörverstehen,
  • mündlicher Gebrauch,
  • Leseverstehen und
  • schriftlicher Gebrauch.

Der Sprachkurs STANAG-3 (die Zahl steht für die zu erreichende Leistungsstufe) "Deutsch als Fremdsprache" dient der Ausbildung von Fertigkeiten bzw. deren Weiterschulung und ist nicht spezifisch auf bestimmte Funktionen oder Arbeitsplätze ausgerichtet. Dabei gilt, dass fachsprachliche Inhalte der streitkräfterelevanten (deutschen) Fachsprache in entsprechendem Ausmaß vermittelt werden müssen, um die notwendige fachsprachliche Kompetenz für weitere militärische Lehrgänge, aber auch für die berufliche Tätigkeit zu sichern.

Ein "typischer Kursteilnehmer"

Wer sind diese ausländischen Offiziere, die an der LVAk ihre Deutschkenntnisse verbessern? Der Kursteilnehmer Oberleutnant Suad Korièiæ aus Bosnien und Herzegowina porträtiert seinen Kurskameraden Major Xiong Xuehui aus China (in China ist es üblich, den Familiennamen an erster Stelle anzugeben), einen "typischen Kursteilnehmer", so: "Xiong Xuehui wurde 1984 in Xinyang, China, geboren. Er ist verheiratet und hat eine Tochter, die derzeit in China bei seiner Frau lebt. Seine schulische Laufbahn begann Xiong mit der Grundschule in China von 1990 bis 1995. Xiong besuchte die Hauptschule von 1995 bis 2001. Nach dem Hauptschulabschluss war es für Xiong Xuehui klar, sich weiterhin fortzubilden. Seit seinem 16. Lebensjahr ist er aktiv in einem Karateverein tätig, und im Frühjahr 1999 ermöglichte es ihm dieser Verein, an einer Übungsleiterausbildung des Xinyang-Amateurkarateverbandes teilzunehmen. Nach bestandener Abschlussprüfung erhielt er die Vereins-Übungsleiterlizenz und trainiert seither die Jugendabteilung seines Karatevereins. Dies bedeutet vor allem: Verantwortung für die Trainingsinfrastruktur zu übernehmen, für Disziplin bei den Athleten zu sorgen und eventuell auf deren individuelle Probleme einzugehen. Ausgewählt aus hunderten Bewebern besuchte er von 2001 bis 2007 die Militärakademie in Peking (Ausmusterungsdienstgrad Hauptmann). Seit 2011 widmet sich Major Xiong der deutschen Sprache. Den Deutschkurs der Stufe eins absolvierte er in China mit "sehr gut". Das gab ihm die Möglichkeit, die Stufe zwei in Wien zu absolvieren. Auch diese schaffte der technische Offizier mit "sehr gut". In diesem Kurs wird Xiong die Stufe drei der deutschen Sprache erreichen. Den Dienst als Offizier - insbesondere im Heer - sieht er als eine persönliche Herausforderung, deshalb ist er hochmotiviert, nach dem Deutschkurs berufliche Fortschritte zu machen, etwa als Kommandant oder Leiter der Stabsarbeit eines Bataillons."

Warum Deutsch lernen?

Major Esmer Ga¹anin (Montenegro) befragte dazu die Kursteilnehmer und erhielt u. a. folgende Antworten:

"Fremdsprachen liegen mir einfach. Neben meiner Muttersprache kann ich auch Englisch. Deutsch und Englisch habe ich angefangen, weil ich in einem technischen Bereich arbeite und eine hoch angesehene Stelle bei der Armee bekommen wollte. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr in Deutschland auch ein Praktikum bei der Deutschen Bundeswehr machen kann." (Major Xiong Xuehui, China) "Ich habe viele Jahre in der Schule Deutsch gelernt. Deutsch war ein großer Teil meines Lebens, seit ich sehr klein war. Ich war oft in Deutschland und hatte dort nie Probleme mit der deutschen Sprache. Mein Deutsch wurde sogar sehr gelobt! In Zukunft ist es mir nun möglich, nach Deutschland zu fahren und dort an der Führungsakademie zu studieren. Dafür brauche ich STANAG-3 und mehr Erfahrungen im militärsprachlichen Bereich" (Oberstleutnant Zoran Bogojeviæ, Serbien) "Deutsch ist die Sprache großer Denker wie Goethe, Schiller, Freud und Nietzsche. Wenn man deren Sprache lernt, lernt man diese Menschen auch ein bisschen besser kennen. Man kann zwar Übersetzungen ihrer Werke lesen, aber das genügt nicht. Ich lese oft Bücher, höre Musik, schaue Fernsehsendungen auf Deutsch an und habe auch Verwandte in Deutschland. Weil ich oft nach Deutschland reise und dienstlich mit deutschsprachigen Offizieren zusammenarbeite, möchte ich mein Deutsch weiter verbessern. Mit Deutsch als Fremdsprache kann ich meine Berufschancen entscheidend verbessern." (Hauptmann Jovo Cvijanoviæ, Bosnien und Herzegowina) "Erstens mag ich diese Sprache und habe an Deutsch Gefallen gefunden. Deutsch ist schön, aber manchmal schwer. Meine Motivation, Deutsch zu lernen, ist meine weitere Militärausbildung. Zweitens lerne ich Deutsch, weil es eine lebende Sprache ist, die von 100 Millionen Menschen gesprochen wird. Es ist die zehntmeist gesprochene Sprache der Welt." (Oberleutnant Suad Korièiæ, Bosnien und Herzegowina) "Ich habe vor ungefähr einem Jahr angefangen, Deutsch zu lernen. Meine Hauptmotivation ist meine weitere Ausbildung. Mindestens die Hälfte der Quellen der medizinischen Fachbücher, die die Unfallchirurgie betreffen, ist auf Deutsch. Ich bin auch für einen längeren Ausbildungsgang bei der Deutschen Bundeswehr vorgesehen, und das wäre ohne gute Deutschkenntnisse schwierig." (Hauptmannarzt Artem Bespalenko, Ukraine) "Deutsch ist in Europa die am häufigsten gesprochene und am weitesten verbreitete Sprache. Mit Kenntnissen der deutschen Sprache gestaltet sich auch die militärische Zusammenarbeit in Europa viel einfacher. So kann man sich an den europäischen Urlaubsorten in Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, der Türkei oder Griechenland häufig besser auf Deutsch verständlich machen als auf Englisch. Ich habe gelesen, dass in Osteuropa knapp 50 Prozent der Kinder bereits in der Grundschule Deutsch lernen, in Japan 68 Prozent aller Studenten. Weltweit geben etwa 130 Millionen Menschen Deutsch als ihre Muttersprache an und etwa 15 bis 18 Millionen lernen Deutsch als Fremdsprache. Das sagt Einiges aus." (Hauptmann Eduart Muca, Albanien) "Ich arbeite als Offizier an der Fakultät Körpererziehung und Sport der Karls-Universität in Prag. Deutsch benötige ich unter anderem zum Verständnis sportorientierter Fachbeiträge sowie für die Zusammenarbeit mit der Sportschule der Deutschen Bundeswehr in Warendorf. Auch für unsere Zusammenarbeit mit dem österreichischen Gebirgskampfzentrum in Saalfelden sind gute Deutschkenntnisse sehr hilfreich, wenn nicht gar unverzichtbar. Darüber hinaus bin ich Betreuer der tschechischen Pentathlon-Athleten (Militärischer Fünfkampf; Anm.), die jährlich an Wettkämpfen in Deutschland und Österreich teilnehmen." (Oberst Lubomír Pøívìtivý, Tschechische Republik) Major Ga¹anin selbst hat gemeinsam mit einem Freund Abendkurse an der Universität in Podgorica besucht - zweimal pro Woche jeweils zwei Stunden. In Budapest besuchte er 2005 einen Intensivkurs an einem Militärischen Institut, wo er achtundzwanzig Stunden pro Woche Deutsch gelernt und das STANAG-2-Niveau erreicht hat. In diesem Intensivkurs wurden unterschiedliche Lernmethoden und -theorien angewandt. Die zehn Leute der Gruppe hatten ausgezeichnete Lehrer und viel Gelegenheit zum Sprechen. Wahrscheinlich wird Major Ga¹anin noch die Führungsakademie in Hamburg (Deutschland) besuchen, um sich in seinem Beruf fortzubilden. Diese Gelegenheit will er nicht verpassen.

Der Kurs aus der Sicht des Kommandanten

Der Kommandant und Hauptlehroffizier des Deutschkurses, Hauptmann Walter Rys, beschreibt diesen als Teil einer Kernaufgabe des Sprachinstitutes der Landesverteidigungsakademie im Rahmen der Deutschausbildung ausländischer Heeresangehöriger. Die LVAk veranstaltet jährlich zwei Deutschkurse in der Dauer von 13 Wochen für Offiziere, Unteroffiziere und vergleichbare zivile Bedienstete ausländischer Streitkräfte. Seit 1993 haben an vergleichbaren Vorhaben über 260 Personen aus mehr als 30 Staaten teilgenommen.

Dieser international besetzte Kurs ist deshalb notwendig, weil die europäischen Institutionen aktive Mehrsprachigkeit in Europa als eine wesentliche Voraussetzung für die Vertiefung einer Integration fordern. Auf das Militär umgelegt ist eine tiefere Kenntnis verschiedener Militärkulturen ohne die jeweilige Führungssprache kaum möglich. Gerade hier kann das Kennenlernen anderer Kulturen und Mentalitäten helfen, die eigene Vergangenheit im Spiegel der anderen besser zu verstehen. In Kenntnis einiger Partnerinstitutionen sagt Hauptmann Rys, dass mehrere dieser Institutionen die breite Basis der LVAk für Führungs-, Arbeits- und Nachbarsprachen bewundern, wenn nicht sogar die LVAk dafür ein wenig beneiden.

Ein weiteres Ziel der Kurse ist die Befähigung der Kursteilnehmer zur Teilnahme an weiterführenden Führungs- oder Stabslehrgängen. Einige ehemalige Kursteilnehmer haben sich bereits in den Attachékorps ihrer Heimatländer bewährt.

Wirkung und "Nebenwirkungen"

Vereinfachend beschrieben kann jemand mit STANAG-1-Niveau in einem Land sprachlich "überleben", mit STANAG-2-Niveau "leben" und mit STANAG-3-Niveau "mitleben". Auf diesem letzteren Niveau befinden sich nach dem Kurs alle Kursteilnehmer. Die Kenntnisse der Kursteilnehmer gehen fachlich weit über den "Small Talk" hinaus (Stichwort: militärische Fachsprache), sind sie doch alle militärische Experten. Das macht sie aber noch lange nicht zu Dolmetschern! Dafür ist ein eigenes mehrjähriges Studium erforderlich.

Die "Nebenwirkungen" dieses Kurses bringt der Kursteilnehmer Hauptmannarzt Bespalenko (Ukraine) wie folgt auf den Punkt: "Lernt man eine andere Sprache, dann lernt man auch, wie andere Menschen denken, und das ist sehr nützlich, wenn man sie verstehen will. Wenn wir einander besser verstehen könnten, wäre die Welt ein friedlicherer Ort."

Tor zum internationalen Militäraustausch

Bei jedem internationalen Militäraustausch versucht man, umfassende und zugleich komplexe Themen aufzugreifen. Der Ablauf ist zwar kompliziert, der Nutzen aber offensichtlich. Doch wie empfindet ein Offizier aus dem Ausland diesen Kurs? Was möchte das Österreichische Bundesheer den Kursteilnehmern vermitteln? Was bringen diese Offiziere für Österreich? Die dafür angebotenen Antworten klingen beeindruckend: Internationale Einladungen, Völkerverständigung, Kulturaustausch, Demonstration der eigenen Leistungsfähigkeit usw.

Für den Kursteilnehmer der Chinesischen Volksbefreiungsarmee, Major Xiong Xuehui, ergibt sich z. B. folgender Eindruck: "Eine ausländische Armee erhält die Einladung des Österreichischen Bundesheeres und entsendet einen Offizier zum Kurs. Nicht nur der Lehrplan, auch die logistische Unterstützung und die interaktiven Inhalte werden vom Sprachinstitut des Bundesheeres (SIB) sorgfältig arrangiert. Zusätzlich zu Deutsch lernt jeder Teilnehmer noch die österreichische Kultur kennen. Zugleich erhält jeder einzelne Teilnehmer Einblicke in die Funktion, das Selbstverständnis und die Strategie des Bundesheeres sowie der Streitkräfte der anderen Kursteilnehmer. All das kann für eigene Reformen und Transformationen im militärischen Bereich von hohem Nutzen sein." Kurse dieser Art sind kein unnötiger Aufwand in Krisenzeiten, sondern eine unverzichtbare Investition in die Kenntnisse sowie in die besseren Beziehungen von Ländern und somit in die Zukunft. Denn reich ist man nicht durch Besitz, sondern durch das, was man (auch als Soldat) weiß und kann.


Autor: Oberstleutnant Zoran Bogojeviæ (Serbien), Jahrgang 1964. Seit 1988 Infanterieoffizier mit Verwendungen bei der Militärpolizei und im Grenzschutz. Seit 2002 im serbischen Verteidigungsministerium.

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