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Militärhistorisches Museum Dresden

Der Anblick des Militärhistorischen Museums (MHM) der Bundeswehr irritiert: Ein gewaltiger Keil - aus Stahl und Glas - spaltet das alte Gebäude, durchbricht scharfkantig dessen Fassade. Eine herausfordernde Symbolsprache. Sie steht zugleich für das museumspädagogische Konzept, das nicht nur einen althergebrachten chronologischen Rundgang, sondern auch einen Themenparcours anbietet und in komplexer Weise die Exponate miteinander verzahnt und vernetzt. Dieses Museum ist keine Eisensammlung. Es stellt, verteilt auf 10 000 Quadratmeter, 700 Jahre Militärgeschichte in den Kontext unserer Kultur- und Zivilgeschichte - in beachtlicher Bandbreite und inklusive diverser Abzweigungen.

Ebenfalls beeindruckend: das Originalportal des von dem amerikanischen Architekten Daniel Libeskind neugestalteten Arsenals der königlich sächsischen Armee in Dresden. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut, symbolisiert es unverkennbar einen Zeitgeist, der uns heute fremd ist.

Hat der Besucher dieses Portal durch­schritten, erlebt er eine - für manchen handfeste - Überraschung: Sein Auge trifft auf keine blank geputzten Waffen, Standarten oder Uniformen.

Erst auf den zweiten Blick entdeckt er eine schlichte, dunkle Vitrine. Ihr Inhalt: ein unscheinbares Buch - die Erstausgabe des unvollendeten Hauptwerks "Vom Kriege" des preußischen Generals und Heeresreformers Carl Philipp Gottlieb von Clausewitz. Seine Theorien zur Taktik, Strategie und Philosophie werden noch heute an Militärakademien unterschiedlichster Couleur gelehrt und finden nach wie vor in Bereichen der Unternehmensführung und des Marketing Anwendung.

Kulturgeschichte der Gewalt

In der Vorhalle des Museums wird klar, dass die um den Chef des Hauses, Oberst Dr. Matthias Rogg, und Kurator Dr. Gorch Pieken versammelten Macher zumindest eines mit dem "Philosophen im Waffenrock" gemein haben: Sie suchen Wege, die vielfältigen Formen von Krieg (und Gewalt) zu strukturieren. Was die Museums­experten den Besuchern ihres Hauses letztlich mitgeben wollen, macht Pieken deutlich: "Dass ihnen hier bewusst wird, wie fragil der Frieden ist." Für ein Militärmuseum - Träger ist immerhin die Bundeswehr - ist eine solche Zielsetzung avantgardistisch. Dennoch stehen Soldaten dahinter - Soldaten wie Rogg oder sein Öffentlichkeitsarbeiter, Oberstleutnant Mag. Alexander Georgi. Auch sie betonen, dass das MHM weder eine Waffenschau noch eine Techniksammlung sein will. "Vielmehr präsentiert es die Kulturgeschichte der Gewalt, in deren Mittelpunkt der Mensch - mit seinen Aggressionen wie seinen Ängsten - steht", so Georgi.

Kurator Pieken verrät, warum den Dresdnern der Gedanke einer klassischen Sammlung ("sprich: Rüstkammer, die typisierend aufzählt") von vornherein suspekt war: "Sie decken die Bandbreite der Militärgeschichte nicht ab. Sie beantworten die Fragen nicht, die uns heute umtreiben - wie zum Beispiel die nach den Ursachen von Gewalt oder dem Seelenleben der Soldaten." Und so entstand ein (vermutlich nicht nur) in der europäischen Kulturlandschaft nahezu einmaliges Militärmuseum. Es bietet unterschiedlichste Blickwinkel auf die Militärgeschichte - vom Feldherrnhügel genauso wie aus der Sicht des einfachen Soldaten oder des Zivilisten respektive derjenigen, die Gewalt ausüben und wie derjenigen, die Gewalt erleiden.

Es verdeutlicht ebenso, unter Themenstellungen wie "Militär und Mode" oder "Militär und Sprache", wie sehr Militärisches in unserem Alltag verankert ist, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Beispiel Sprache: Wer weiß schon, was ein "Gassenhauer" ursprünglich bedeutete, woher Ausdrücke wie "bei der Stange halten", "Lunte riechen", "pfuschen" oder "in Schuss halten" stammen?

Beispiel Mode: Ob in den 20er oder 30er Jahren des letzten Jahrhunderts oder heute, militärische Kleidung stellte für moderne Designer stets eine willkommene Inspirationsquelle dar. Das galt und gilt besonders für die Damenmode. So waren in den 60er und 70er Jahren bei den Frauen strenge Linien, Schulterklappen und Trenchcoat angesagt. Letzterer, ein doppelreihiger Regenmantel, wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Londoner Modehaus Aquascutum als Mantel für die britischen Streitkräfte kreiert. Bei den Herren ist es beispielweise der Blazer, der sich auf britische Marinejacken des 19. Jahrhunderts (Fregatte HMS "Blazer") zurückführen lässt.

Dem Museumsbesucher wird auf diese Weise deutlich, dass Militärgeschichte nicht isoliert existiert. Wir alle sind ein Teil davon. Und genau das erzählt auch der in Afghanistan angesprengte Geländewagen "Wolf" - mit vielleicht folgenden Worten:

Du, Besucher, bist ein Teil meiner Geschichte. Das bezeugen die Abstimmungskarten aus dem Deutschen Bundestag von Gerhard Schröder (SPD, damals Bundeskanzler) und Dr. Angela Merkel (CDU, damals Oppositionsführerin). Beide warfen, als es um den Einsatz in Afghanistan ging, ihre blaue Karte ("Ja") in die vor dem Bundestagspräsidium aufgestellte Urne. Du, Besucher, bist der Souverän, Du hast diese Politiker zuvor in den Bundestag gewählt. Sie haben dort abgestimmt und unsere Soldaten - und damit auch mich - an den Hindukusch geschickt, um dort, wie es damals wörtlich hieß, "Deutschland zu verteidigen".

Zurück zum Startpunkt

Zurück in die Vorhalle, zurück zur Vitrine mit der Erstausgabe des Bestsellers von Clausewitz. Von dort führt ein breiter Durchbruch in einen bunkerähnlichen, leicht abgedunkelten Raum, der von einer Videoinstallation beherrscht wird. Unregelmäßig pulsierend springen die Worte "Love" und "Hate" in unterschiedlicher Anzahl an den Wänden hin und her, auf und nieder. Welches Wort gerade in der Mehrzahl ist, bestimmt ein Zufallsgenerator.

Beim Verlassen der Videoinstallation muss sich der Besucher entscheiden - für einen traditionellen (ergo chronologisch geordneten) Rundgang oder für den in zwölf Bereiche gegliederten Themenparcours.

Chronologie

Der chronologisch geordnete Rundgang führt vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart - in Bildern festgehalten: von der "Faulen Magd" (einem zirka 1410 bis 1430 gebauten Steinkugelgeschütz) bis hin zu dem bereits erwähnten "Wolf"-Geländewagen. Der Schwerpunkt der Chronologie liegt eindeutig im 20. Jahrhundert - mit seinen zwei Weltkriegen, zwei Streitkräften - Bundeswehr und NVA (1956 bis 1990) sowie den Auslandseinsätzen, in die die Bundeswehr seit Beginn der 90er Jahre geschickt wird.

Überzeugend an diesem Teil ist die Idee der Museumspädagogen, dem "eiligeren" Besucher drei Epochen (Spätmittelalter bis 1914, Zeitalter der Weltkriege 1914 bis 1945, die Zeit von 1945 bis heute) in einem äußeren Kurzrundgang anzubieten.

Eine zweite Informationsebene bilden darauf aufbauend die so genannten Kabinette. Sie geben detailliertere Auskunft.

Diejenigen, die eine wirklich differenzierte Darstellung suchen, finden - als dritte Ebene - im Innenteil so genannte Vertiefungsräume. Dort wird auf für den Besucher eher ungeläufige Fragestellungen (Beispiel: "Ökonomie des Krieges") ebenso eingegangen wie beispielsweise auf die Themen "Einsatz von Frauen im Krieg", "Verwundung und Tod" oder "Besatzungsherrschaft und Partisanenkrieg".

Themenparcours

Wer den Themenparcours mit seinen zwölf Bereichen wählt, sollte in der Vorhalle in den Fahrstuhl steigen. Denn dieser Parcours führt von oben nach unten. Oben, das ist das vierte Stockwerk.

Von dort geht es in die balkonartige Spitze des Libeskind-Keils - mit Blick auf Dresden, und zwar exakt in die Richtung, aus der am 13. Februar 1945 die Bomberarmada der Alliierten auf die Stadt zuflog. Mit diesem infernalischen Angriff, auch daran wird erinnert, schloss sich ein Kreis: Deutsche Bomberverbände hatten am 14. Mai 1940 Rotterdam in ein Flammenmeer verwandelt und in Schutt und Asche gelegt. Fragmente einer Figur vom Portal des Rotterdamer Waisenhauses zeugen von dieser Tragödie, so wie andere Exponate dem Besucher das Drama von Dresden in Erinnerung rufen.

Den gern bemühten bildhaften zwei Seiten einer Medaille findet man sich auch ein Deck tiefer, im dritten Obergeschoss, gegenüber. Dort geht es um "Krieg und Gedächtnis". Ein beeindruckendes Beispiel: Triumphzug versus Flüchtlingstreck. Einem Gemälde vom Triumphzug Kaiser Wilhelms I. 1871 durch das Brandenburger Tor wird der Handwagen einer schlesischen Flüchtlingsfamilie, die im November 1945 Thüringen erreichte, gegenübergestellt.

Die zweite Etage ist dem Thema "Militär und Gesellschaft" gewidmet - wobei "Politik und Gewalt" im Fokus der Betrachtungen stehen. Dabei wird der Rezipient mit der Frage nach dem Verhältnis von Gewalt und politischer Herrschaft konfrontiert.

Nochmals ein Stockwerk tiefer, in der ersten Etage, erwarten den Besucher drei Bereiche: "Tiere beim Militär", "Leiden am Krieg" und "Formationen der Körper". Zu den wohl bekanntesten Exponaten zählt das im Falkland-Krieg eingesetzte dreibeinige Minenschaf. Es gehört zur imposanten Parade der Tiere, die in den Krieg zogen - nicht nur als Lastentiere, sondern auch als "Aufklärungs- oder Kampfmittel".

Dass das Leiden und der Tod auch im Krieg viele Facetten hat, ist einer Mehrzahl der Besucher vermutlich kaum präsent. Noch im 19. Jahrhundert starben die wenigsten Soldaten den "Heldentod". Es waren Unfälle und Krankheiten, die weit mehr Leben forderten als die Schlachtfelder.

Im Erdgeschoss schließt der Themenparcours mit den Bereichen "Militär und Technologie" sowie "Schutz und Zerstörung" ab.

Ob Thermoskanne oder Eieruhr, was damals für das Militär erfunden wurde, macht sich längst in unseren Haushalten nützlich wie der Kurzzeitwecker. Er diente dem Militär um 1900 zur minutengenauen Zeitmessung.

Beim Thema "Schutz und Zerstörung" geht es im Kern um den Wettstreit zwischen zerstörenden und schützenden Kampfmitteln. Symbolisch dafür steht am Beginn dieses Bereiches eine Figurengruppe, die in klassischer Abwehrformation einen Kreis bildet. Jede Figur trägt die Schutzkleidung ihrer Zeit (vom Mittelalter bis heute), mit der man sich vor gegnerischen Attacken zu schützen suchte.

Trendsetter

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Der chronologische Rundgang und der Themenparcours stehen sich nicht separiert gegenüber. Es sind nur zwei sehr unterschiedliche Ansätze, die aber ein und dasselbe Ziel verfolgen, nämlich den Besucher für die Anthropologie der Gewalt zu sensibilisieren.

Chronologischer Rundgang und Themenparcours sind eng miteinander verzahnt; man kann zu jedem Zeitpunkt und an jedem Standort von einem zum anderen wechseln.

Beiden Museumsangeboten gemeinsam ist, dass sie es dem Besucher etwas schwerer machen und ihm keine Deutungsmuster an die Hand geben. Es wäre also falsch, davon auszugehen, dass, wer in Dresden 10 000 Qua­dratmeter Ausstellungsfläche abläuft, damit quasi ein Handbuch zur deutschen Militärgeschichte inklusive "gebrauchsfertiger" Wertungen erwirbt.

Dem Besucher eine eigenständige Interpretation abzuverlangen, setzt sich in der modernen Museumspädagogik zunehmend durch. Im Kreis der Militärmuseen ist das Militärhistorische Museum der Bundeswehr mit diesem Konzept aber immer noch Trendsetter.

Auf einen Blick

Adresse:

Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden.

Öffnungszeiten:

Donnerstag bis Dienstag 1000 bis 1800 Uhr, Montag 1000 bis 2100 Uhr, Mittwoch geschlossen.

Eintrittspreise:

Der Eintritt beträgt fünf Euro.

Gruppen ab 10 Personen: vier Euro pro Person; Familien: sieben Euro Montag ab 1800 Uhr frei.

Überblicksführungen:

Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 1400 Uhr; Samstag 1100, 1200 und 1400 Uhr; Sonntag 1100, 1200, 1400 und 1500 Uhr.

Die Führungen finden ab einer Teilnehmerzahl von mindestens drei Personen statt.

Homepage:

http://www.mhmbw.de/

Autor: Fregattenkapitän dR Mag. Jürgen R. Draxler

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
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