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Der UN-Einsatz auf Zypern und die Kämpfe 1974

1964, vor 50 Jahren, begann der UN-Einsatz auf der Insel Zypern. Nach der türkischen Intervention und der Teilung der Insel 1974, wandelte sich der Einsatz von einem "erweiterten Peacekeeping" zu einem "traditionellen" Einsatz zur Überwachung der Pufferzone zwischen den Konfliktparteien. Österreich beteiligte sich von 1972 bis 2001 mit einem Bataillon.

2014 bietet im Hinblick auf den Zypern-Einsatz gleich mehrere Anlässe zur Erinnerung. Zypern, das seit 1878 (ähnlich wie Bosnien und Herzegowina von Österreich-Ungarn) von Großbritannien verwaltet, aber formell noch Teil des Osmanischen Reiches war, wurde zu Beginn des Weltkrieges 1914, also vor 100 Jahren, britische Kolonie.

1964 begann auf der seit 1960 unabhängigen Insel Zypern der UN-Einsatz, an dem Österreich von Anfang an beteiligt war. Zwar hatte die Ära der österreichischen Auslandseinsätze schon 1960 mit der Entsendung eines Sanitätskontingentes in den Kongo begonnen. Allerdings galt das damals noch als einmalige Unternehmung - daher war man in Wien überrascht, als die UNO 1964, am Beginn des Zypern-Einsatzes, Österreich um die Stellung eines Bataillons ersuchte. Dazu war man aber in Wien noch nicht bereit und entsandte lieber erneut ein Sanitäts- sowie ein Polizeikontingent. Die Anfrage aus New York lieferte jedoch den Anstoß zum Beschluss des Entsendegesetzes 1965 und damit zur "Regularisierung" der Auslandseinsätze.

Zehn Jahre nach dem Beginn des Zypern-Einsatzes, 1974, führte die türkische Invasion zu einer Teilung der Insel. Auch österreichische "Blauhelme" wurden beschossen, drei Österreicher starben bei einem türkischen Jagdbomberangriff. In der Folge wandelte sich der UN-Einsatz von einem solchen des "erweiterten Peacekeeping" (mit der Aufgabe der Stabilisierung der gesamten Insel) zu einem "traditionellen" Einsatz zur Überwachung einer Pufferzone. Österreich beteiligte sich von 1972 bis 2001 mit einem Bataillon.

Vor zehn Jahren schließlich, 2004, trat Zypern - wiewohl faktisch weiterhin geteilt - der Europäischen Union bei.

Zypern-Konflikt und Beginn des UN-Einsatzes

Weltpolitisch wurden die sechziger Jahre von der Auseinandersetzung zwischen Ost und West bestimmt. Wenn dieser Krieg auch in Europa ein "Kalter Krieg" war - mit allen Schrecknissen des "Eisernen Vorhanges", an dessen Fall vor 25 Jahren wir uns heute erinnern -, so darf man nicht vergessen, dass dieser Krieg in anderen Teilen der Welt alles andere als "kalt" war. Auch die Friedensbemühungen der Vereinten Nationen (UNO) wurden vom Ost-West-Konflikt überschattet. Die große, durchaus "robuste" UN-Operation im vormals belgischen Kongo (1960 - 1964) hatte die UNO in eine tiefe politische und finanzielle Krise gestürzt; der äußerst aktive UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld (1905 - 1961) war auf einer Vermittlungsmission in Afrika bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen.

1962/63 organisierte die UNO daher - zusätzlich zum von 1956 bis 1967 laufenden Einsatz im Sinai - lediglich zwei kleinere Friedensmissionen (1962 - 1963 die Übergangsverwaltung für die niederländische Kolonie West-Neu Guinea, die als West-Irian zu Indonesien kam, sowie 1963 - 1964 eine Beobachtermission im Jemen).

1964 aber gärte ein neuer Unruheherd: die Insel Zypern. Die Insel der schönen Aphrodite im östlichen Mittelmeer war seit 1571 Bestandteil des Osmanischen Reiches gewesen. 1878 gelangte Zypern unter britische Verwaltung; 1914 wurde die Insel von Großbritannien annektiert. Die Bevölkerung war (in gewisser Weise mit der Lage in Bosnien und Herzegowina vergleichbar) gemischt - einer Minderheit von Muslimen (ca. 20 Prozent "Türken", in der Regel aber "türkisierte" Zyprioten) stand die Mehrheit an griechisch-orthodoxen Zyprioten (ca. 80 Prozent "Griechen") gegenüber.

Griechenland sowie Vertreter der griechisch-zypriotischen Bevölkerung forderten daher einen Anschluss der Insel an Griechenland (die sogenannte "Enosis"), was Großbritannien jedoch - mit Rücksicht auf die türkisch-zypriotische Minderheit und die Bedeutung der Türkei als östlichstes NATO-Mitglied - ablehnte. Daran änderte auch der mit griechischer Unterstützung inszenierte und teils äußerst brutal geführte Guerillakrieg des Obersten Georgios "Digenis" Grivas (1898 - 1974) in den 1950er-Jahren nichts. 1959 einigten sich Griechenland, die Türkei und Großbritannien auf einen Kompromiss mit Schutzrechten für die türkisch-zy­priotische Minderheit. Zypern wurde am 16. August 1960 unabhängig.

Die Verfassung - mit Schutzbestimmungen für die Minderheit - war kompliziert und brachte in der Praxis zahlreiche Schwierigkeiten. Der Präsident, Erzbischof Makarios III. (1913 -­ 1977), schlug daher Ende 1963 eine Verfassungsänderung vor, die aber de facto die griechisch-zypriotische Position gestärkt hätte. Daraufhin begannen am 21. Dezember 1963 erste Ausschreitungen. Der UN-Vermittler Galo Plaza Lasso (1906 - 1987) aus Ecuador schrieb später dazu, in den folgenden bürgerkriegsartigen Unruhen hätten sich rasch zwei "grüne Linien" herausgebildet: Die eine bezeichnete auf der Karte die Straßensperren und Schützengräben zur Trennung der griechischen und türkischen Gemeinden, vor allem in Nikosia; die zweite und vielleicht noch schlimmere Trennungslinie sei jedoch in den Köpfen der Streitparteien entstanden: eine psychologische Barriere nämlich, so Plaza, die die normale Kommunikation unterbinde und dazu führe, dass Vorschläge der einen Seite von der anderen sofort zurückgewiesen würden.

Noch im Dezember 1963 wurde ein erster Waffenstillstand ausgehandelt. In London suchten die beteiligten Staaten - Griechenland und die Türkei sowie Großbritannien als Schutzmacht - eine friedliche Lösung. Zuerst dachte man an eine NATO-Friedenstruppe unter britischem Kommando; Präsident Makarios forderte jedoch die Unterstellung unter den UN-Sicherheitsrat. Im Auftrag des UN-Generalsekretärs Sithu U Thant (1909 - 1974) legte der Kongo-erfahrene indische Generalmajor Indar Jit Rikhye (1920 - 2007) am 21. Februar 1964 ein Konzept für eine internationale Truppe von 10 000 Mann vor. Am 4. März erteilte der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 186 das (vorerst auf drei Monate beschränkte) Mandat zur Aufstellung einer UN-Truppe auf Zypern, genannt UNFICYP (United Nations Force in Cyprus).

Einsatz des österreichischen Feldspitals

Um nicht nur NATO-Staaten in der UN-Truppe zu haben (neben britischen und kanadischen gehörten der UNFICYP auch dänische "Blauhelme" an), bat U Thant am 3. März außer Finnland und Irland auch Österreich um die Gestellung eines Infanterie-Bataillons in der Stärke von 700 bis 800 Mann. Obwohl das UN-Generalsekretariat, wie der österreichische Vertreter in New York berichtete, "die Kompatibilitätsfrage betreffend der Neutralität Österreichs (…) eingehend geprüft" hatte, lehnte die österreichische Bundesregierung dies ab, zumal es damals noch keine gesetzliche Regelung für Auslandseinsätze gab. Wohl aber bot man, wie schon im Kongo-Einsatz, die Entsendung eines Feldspitals mit 54 Mann an. Dieses wurde von der UNO zwar nicht wirklich benötigt, gab es doch die medizinischen Einrichtungen der britischen Basen auf Zypern, aus politischen Gründen aber "in Kreisen der UN-Missionen allgemein sehr begrüßt", wie Botschafter Dr. Franz Matsch (1899 - 1973) berichtete.

Die UN-Truppe auf Zypern erreichte im April 1964 ihren Einsatzstatus mit einer Gesamtstärke von 6 350 Mann, die auf der ganzen Insel verteilt waren - ebenso wie die griechisch- bzw. türkisch-zypriotische Bevölkerung, wobei aber letztere nach den Unruhen 1963/64 teilweise in "Enklaven" geflüchtet waren, die in der Folge von der UN-Truppe betreut und versorgt wurden. Angesichts der Finanzkrise nach dem Kongo-Debakel wurde die Zypern-Operation von den Truppenstellern selbst bezahlt, mit der Möglichkeit einer Refundierung aus freiwilligen Beiträgen. Erst 1993 kam es zu einer Umstellung dieses Modells.

Das österreichische Vorkommando traf am 14. April 1974 in Nikosia ein. Das Feldspital wurde schließlich in Kokkini Trimithia, einem ehemaligen Internierungs- und Ausbildungslager rund 20 Kilometer westlich von Nikosia, eingerichtet. Erster Kommandant war Oberstleutnant-Arzt Dr. Robert Wech (der davor, 1963, das letzte Kongo-Kontingent geführt hatte). Das restliche Personal und die Ausrüstung des Spitals trafen am 16. Mai auf Zypern ein. Nicht nur beim österreichischen Kontingent waren Veteranen der Kongo-Operation: Man erzählt, dass sich österreichische Sanitäter und irische UN-Soldaten manchmal in Swahili verständigt hätten.

Angesichts der besonderen Aufgabe der "Blauhelme", das Zusammenleben der beiden Bevölkerungsgruppen auf Zypern zu erleichtern und zur Rückkehr zu normalen Lebensbedingungen beizutragen, schlug der Kommandant der UN-Truppe schon früh die Ergänzung der militärischen Komponente der Operation durch kleine zivile Polizeidetachements vor. Etwa 30 UN-Polizisten für jeden Distrikt sollten die lokale Polizei unterstützen, um damit ein Element der internationalen Kontrolle auch auf dieser Ebene zu etablieren. Dies war der erste derartige Einsatz einer UN-Polizeitruppe, die als "CivPol" (Civilian Police, zur Unterscheidung von der Militärpolizei) bezeichnet wurde (ab 2005 ist der Begriff "UNPol" üblich). Am 20. März 1964 fragte die UNO an, ob Österreich auch "einige Polizeioffiziere" nach Zypern entsenden könnte - schließlich waren es 31, später sogar bis zu 45 Polizisten, die Österreich ab April 1964 nach Zypern entsandte. Gerade in einer angespannten Situation wie auf Zypern, wo auch "normale" kriminelle Handlungen oft im Kontext mit den Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen gesehen wurden, bewährte sich die Präsenz unparteiischer Polizei und trug dazu bei, das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu heben. Die UN-Polizisten begleiteten die zypriotische Polizei, überwachten Kontrollposten sowie Straßensperren und eskortierten Auto-Konvois in gefährdeten Gebieten. Wie ein österreichischer Polizeioffizier, Oberst Erich Bäumel, später schrieb, waren die Polizisten oft "für die Bevölkerung Beichtvater und Vertrauter" in einem. Anders als später waren die UN-Polizisten nicht gemischt, sondern nach Provinzen aufgeteilt - die Österreicher im Raum Nikosia.

Entsendegesetz von 1965

Da Bundesverfassung und Wehrgesetz den Einsatz österreichischer Heereseinheiten außerhalb der Grenzen untersagten, wurde beim Kongo- wie beim Zypern-Einsatz "getrickst": Die Angehörigen des Bundesheeres wurden für den UN-Einsatz karenziert und gleichzeitig mit Sonderverträgen neu angestellt. Jede andere Regelung wäre verfassungswidrig gewesen. Diese unbefriedigende Situation wurde letztlich mit dem "Entsendegesetz" vom 30. Juni 1965 behoben, das - als Verfassungsgesetz beschlossen - die entsprechenden rechtlichen Grundlagen für Auslandseinsätze schuf (BGBl. Nr. 173/1965). Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, durch Beschluss der Regierung und nach Anhörung des Hauptausschusses des Nationalrates österreichische Einheiten des Bundesheeres auf Ersuchen internationaler Organisationen zur Hilfeleistung in das Ausland zu entsenden. Das Gesetz von 1965 galt bis 1997, als es durch das "KSE-BVG" ersetzt wurde (Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, BGBl. I Nr. 38/1997).

Das Entsendegesetz von 1965 stellte auch die Grundlage für die Aufstellung eines österreichischen UN-Bataillons als Reserveverband dar, der den Vereinten Nationen auf "Stand-by"-Basis (nach skandinavischem Vorbild) zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Aufstellung dieses Bataillons wurde mit 1. September 1965 befohlen. Es meldeten sich rund 2 000 Freiwillige, und im März 1966 fand die erste Waffenübung (Inspektion und Instruktion) des österreichischen UN-Bataillons in Wien statt. Im Juni 1966 meldete der damalige österreichische Vertreter in New York, der Botschafter (und spätere Bundespräsident) Dr. Kurt Waldheim (1918 - 2007) dem Generalsekretär, dass das Bataillon in Stärke von 623 Mann (davon 31 Offiziere) binnen eines Monats einsatzbereit wäre. Dieser Verband übte in den folgenden Jahren regelmäßig, kam allerdings nie zum Einsatz. Österreich entsandte aber ab 1967 Offiziere und Unteroffiziere zur UN-Beobachtermission United Nations Truce Supervision Organization (UNTSO) in den Nahen Osten.

Ebenfalls 1967 verschärfte sich die Lage auf Zypern erneut. Man befürchtete im November sogar den Ausbruch eines Krieges zwischen Griechenland und der Türkei. Für das österreichische Feldspital und das Polizeikontingent wurden Möglichkeiten der Evakuierung überlegt; außerdem zusätzlicher Splitterschutz für den Fall von Fliegerangriffen geschaffen und die Vorräte aufgestockt. Das kanadische Kontingent stellte zwei Panzer und 15 bis 20 Soldaten zum Schutz des Feldspitals ab. Auch die Verstärkung der UN-Truppe durch das österreichische Reserve-Bataillon wurde erwogen.

1972: Entsendung des österreichischen Bataillons

Erst 1972 war es soweit: Als Irland sein Kontingent auf Zypern von 400 auf 100 Mann verkleinerte, ließ Waldheim - inzwischen selbst UN-Generalsekretär (1972 - 1981) - in Wien anfragen, ob Österreich einem Einsatz des Bataillons auf Zypern zustimmen würde. Im Verteidigungsministerium meinte man zwar, dass dieser Einsatz (gerade zur Zeit der Bundesheer-Reform) mit Rücksicht auf die Personalknappheit des Heeres kaum zu verantworten wäre, erkannte aber die politischen Argumente für diesen Einsatz: Man konnte einem österreichischen UN-Generalsekretär ein derartiges Ansuchen nicht ablehnen, zumal die Angehörigen des Reserve-Bataillons selbst seit sieben Jahren für einen Einsatz geübt hatten. Am 8. Februar 1972 beschloss der Ministerrat daher, ein allfälliges Ansuchen der UNO zu erfüllen. Dieses folgte am 15. Februar. Am 29. Februar stimmte die Bundesregierung zu, am 15. März der Hauptausschuss des Nationalrates. Schon Ende Februar 1972 flog eine Erkundungsmission nach Zypern, mit 2. März wurde der Aufstellungsstab beim Ausbildungsregiment 2 in Wien eingerichtet. Am 24. März kam das Vorkommando (35 Mann) auf die Insel; der Rest des Bataillons verließ Wien am 21. April und traf eine Woche später auf dem Seeweg, über Rijeka (Fiume) in Kroatien, auf Zypern ein. Mit 3. Mai 1972 übernahm das österreichische Bataillon in einer Gesamtstärke von 283 Mann die volle Verantwortung für den Distrikt Paphos im Westen der Insel.

Dieses Gebiet hatte einen recht hohen türkisch-zypriotischen Bevölkerungsanteil und galt als krisenanfällig. Einige Teilnehmer beurteilten diese Stimmung "als krisenhafte Vorkriegszeit". Erster Kommandant des österreichischen Bataillons war Oberstleutnant Alphons Kloss, der schon 1964 beim österreichischen Feldspital auf Zypern dabei gewesen war. Der Bataillonsstab und die 1. Kompanie befanden sich in Paphos, die 2. Kompanie in Polis.

Nach dem Yom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973 entstand eine neue UN-Truppe zur Überwachung des Waffenstillstandes zwischen Israel und Ägypten, die United Nations Emergency Force II (UNEF II; eine erste UNEF hatte von 1956 bis 1967 bestanden). Um diese Formation möglichst rasch aufzustellen, wurden am 26. Oktober 1973 einige Kontingente aus der einzigen damals laufenden größeren UN-Operation, jener auf Zypern, abgezogen und nach Ägypten verlegt, darunter auch ein großer Teil des österreichischen Bataillons. Die österreichische Bundesregierung hatte der Verlegung noch am Morgen, vor Beginn der Festsitzung des Nationalrates zum Nationalfeiertag, zugestimmt. Die österreichische Truppe in Ägypten wurde schließlich in den folgenden Wochen auf einen Stand von über 600 Mann gebracht und war an verschiedenen Orten der Suez-Pufferzone, ab Juni 1974 dann als Teil der neuen United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) auf den syrischen Golan-Höhen im Einsatz (bis 2013).

Der Rest des österreichischen Bataillons auf Zypern wurde Ende 1973 wieder auf einen Stand von 270 Mann gebracht. Im Zuge der Neuverteilung der Einsatzräume wurde der Distrikt Paphos an das britische Kontingent übergeben, während das österreichische Bataillon mit 3. Dezember 1973 den Distrikt Larnaka im Süden der Insel übernahm, wo bis dahin der Rest des irischen Kontingentes eingesetzt gewesen war. Schon am 18. Oktober war das österreichische Feldspital in eine kleine Feldambulanz beim Hauptquartier (UMC - UNFICYP Medical Centre) in der Stärke von 14 Mann (davon drei Ärzte) umgewandelt worden. In den fast zehn Jahren seit 1964 hatte das Feldspital rund 65 000 Patienten betreut.

Für das österreichische Engagement in Friedensoperationen war 1973 ein wichtiges Jahr: Mit der Aufstellung des zweiten österreichischen UN-Bataillons 1973 hatte sich die österreichische Truppenpräsenz bei UN-Friedensoperationen gegenüber 1972 mit einem Schlag verdreifacht, verglichen mit dem Stand vor 1972 sogar verachtfacht. Ende 1973 standen 889 österreichische Soldaten im UN-Einsatz; damit war Österreich ab Mitte der siebziger Jahre einer der wichtigsten Truppensteller der UNO.

1974: Kämpfe um Zypern

Die Lage auf Zypern änderte sich dramatisch im Juli 1974. Nach einem Staatsstreich radikaler griechisch-zypriotischer Elemente gegen Erzbischof Makarios am 15. Juli eskalierten die Unruhen. Es kam auf der ganzen Insel zu Kämpfen um die türkischen Enklaven. Am 20. Juli landeten türkische Truppen auf Zypern - aus türkischer Sicht galt dieser Einsatz als eine "Peacekeeping-Operation" zum Schutz der türkisch-zypriotischen Bevölkerung.

Bei den heftigen Kämpfen wurden auch das österreichische Camp bei Larnaka und mehrere Beobachtungsposten beschossen. Die "Blauhelme" bemühten sich um lokale Waffenstillstände zwischen der griechisch-zypriotischen Nationalgarde und den türkisch-zypriotischen Milizen ("Turkish Fighters"). Am 14. August starben drei österreichische "Blauhelme", als ihr - deutlich als UN-Fahrzeug gekennzeichneter - Land Rover bei Goshi von einem türkischen Jagdbomber mit Napalmbomben angegriffen und zerstört wurde. In den folgenden Wochen starben noch zwei dänische und ein kanadischer UN-Soldat. In der Folge wurde die Insel de facto geteilt. Der Norden blieb unter türkischer Kontrolle und wurde 1983 sogar zur Republik "Nordzypern", die allerdings nur von der Türkei anerkannt wird. Damit änderte sich auch die Aufgabe der UN-Truppe. Hatte es bis 1974 gegolten, die Ruhe und Ordnung auf der gesamten Insel wiederherzustellen bzw. zu sichern und das Zusammenleben der beiden Volksgruppen zu ermöglichen, so ging es jetzt um die Überwachung der Waffenstillstandslinie quer durch die Insel, ohne allerdings die zusätzlichen Polizeifunktionen gänzlich aufzugeben. Das österreichische Bataillon wurde mit 31. Juli 1974 auf 300 Mann verstärkt.

Der Zwischenfall bei Goshi

Am 14. August 1974 um 1000 Uhr begann der Aufmarsch der griechisch-zypriotischen Nationalgarde zum Angriff auf Goshi. Dieser Ort war wichtig, weil die dortigen "Turkish Fighters" jederzeit die Straße von Larnaka nach Nikosia unterbrechen konnten. Ab ca. 1130 Uhr befand sich ein Beobachtungstrupp des österreichischen UN-Bataillons unter Oberleutnant Johann Izay in Goshi, um zwischen Nationalgarde und "Turkish Fighters" zu vermitteln. Um 1300 Uhr meldete Izay die Antwort des türkisch-zypriotischen Kommandanten, sich nicht zu ergeben; Izay erhielt daraufhin den Befehl, Goshi zu verlassen, das Ergebnis dem Kommandanten der Nationalgarde mitzuteilen und sich südlich von Goshi für weitere Befehle bereitzuhalten.

Um 1400 Uhr griff die Nationalgarde mit Granatwerfern und rPAK-Unterstützung Goshi an. Um 1510 Uhr meldete Izay den Überflug türkischer Jagdbomber. Zehn Minuten später griffen türkische F-100 "Super Sabre" in zwei Rotten an, die erste mit Bordkanonen, die zweite mit Napalmbomben.

Der Fahrer des Beobachtungstrupps, Gefreiter Franz Sattlecker, schilderte den Ablauf der letzten Minuten: "Als die Jabos im Tiefflug angriffen, sprangen die vier Österreicher vom Land Rover, liefen nach vor und deckten sich. Sie sahen, wie ihr Fahrzeug von einem Jabo mit Bordkanonen beschossen wurde und dahinter befindliche Fahrzeuge der Nationalgarde, von Napalmbomben getroffen, in Flammen aufgingen. Auf Befehl von Oberleutnant Izay sprangen sie auf die andere Straßenseite und versuchten, deckungsreicheres Gelände zu erreichen." Sattlecker lief rechts vorne, vernahm knapp hinter sich eine Detonation, spürte eine Hitzewelle, lief weiter und deckte sich. Minuten später, als der Angriff vorbei war, rief er nach seinen Kameraden. Er bekam keine Antwort.

Seine drei Kameraden, Oberleutnant Johann Izay, Oberfeuerwerker (Oberwachtmeister) Paul Decombe und Korporal August Isak, waren vom Napalm voll getroffen worden - sie waren gefallen "im Dienste des Friedens". Die Gefallenen wurden am 21. August in einer kurzen Feier im Camp "Leopold" verabschiedet und nach Österreich geflogen. (Hinweis: Ein ausführlicher Beitrag über die Kämpfe 1974 erschien unter dem Titel "Zypern 1974: Gefallen für den Frieden - Vorgeschichte und Hintergründe des Einsatzes des österreichischen UN-Bataillons während der Kämpfe im August 1974", im TD-Heft 4/1999, S. 282-292.)

Weiterer Verlauf des Einsatzes auf Zypern

Am 10. April 1976 endete der Einsatz der österreichischen Feldambulanz und am 27. Juli 1977 kehrten die letzten Polizisten aus Zypern zurück. Im selben Jahr wurden, nach dem ersatzlosen Abzug des finnischen Bataillons, erneut die Einsatzzonen geändert: Im Tausch mit dem schwedischen Kontingent übernahm das österreichische Bataillon mit 18. Oktober 1977 den Distrikt Famagusta im Südosten der Insel. Das dortige Camp war das einzige UN-Camp im türkischen Nordteil der Insel und daher politisch besonders wichtig. Wie schon seine Vorgänger an den Standorten Paphos und Larnaka hieß es "Camp Duke Leopold V.", nach dem österreichischen Babenberger-Herzog, der 1190 bis 1191 am dritten Kreuzzug teilgenommen hatte.

Das österreichische Bataillon blieb noch bis 2001 auf Zypern im Einsatz. In dieser Zeit wurden die Abschnitte der UN-Pufferzone mehrmals geändert - nach dem Abzug des kanadischen Kontingentes 1993 übernahm das österreichische Bataillon zeitweise die östliche Hälfte der Pufferzone bis zur Hauptstadt Nikosia. Auch wenn der Einsatz im Allgemeinen ruhig blieb, kam es immer wieder zu Unruhen und kritischen Situationen. Obwohl der Süden der Insel ein Touristenparadies blieb, herrschte entlang der Pufferzone eine Art "Kalter Krieg".

1995 gliederte Österreich ein ungarisches Kontingent - zuerst einen Zug, dann eine Kompanie - in das österreichische Bataillon ein, 1998 außerdem einen slowenischen Zug. Dies war Teil der Bemühungen, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten auch im Bereich der Friedensoperationen zu verstärken.

Durch die Steigerung des österreichischen Engagements in Friedenseinsätzen - ab 1996 im Rahmen der NATO-Truppe in Bosnien und Herzegowina, ab 1999 auch im Kosovo - standen zur Jahrtausendwende rund dreieinhalb Bataillone in Auslandseinsätzen. Dies überforderte die finanziellen Möglichkeiten Österreichs - in der Folge wurde das Engagement auf Zypern 2001 mit Ausnahme einiger Offiziere im Stab beendet. Das österreichische UN-Bataillon in Famagusta übergab den Abschnitt Mitte 2001 an ein slowakisches Bataillon (die ungarische Kompanie blieb, während der slowenische Zug mit den Österreichern abzog).

Die Zypernfrage ist bis heute ein gefährliches Krisenpotenzial im östlichen Mittelmeer. Weitere Streitpunkte zwischen den NATO-Partnern Griechenland und Türkei betreffen Abbaurechte für Erdölvorkommen im Ägäischen Meer sowie die kleinen Inseln vor der Küste Kleinasiens. 2004 trat Zypern (als Gesamtstaat, wiewohl de facto weiter geteilt) der EU bei. Die Bemühungen um die Lösung der Zypernfrage gehen weiter, ohne dass ein wirkliches Ergebnis absehbar wäre. Auch der UN-Einsatz, 1964 auf drei Monate anberaumt, dauert nunmehr seit über 50 Jahren an.

Der UN-Einsatz auf Zypern wird oft als "Sunshine-" oder "Club Med-Peacekeeping" kritisiert. Es heißt, er festige nur die Patt-Situation, weil die Existenz der UN-Pufferzone den Druck auf die lokalen Führer verringere, zu einer echten Lösung zu gelangen. Dies ist nicht ganz falsch. Allerdings könnte eine mögliche Alternative auch ein neuer Krieg sein.


Autor: Hofrat Univ.-Doz. Dr. Erwin A. Schmidl, Jahrgang 1956. Studium der Geschichte, Völkerkunde und Kunstgeschichte an der Universität Wien, Promotion 1981 "sub auspiciis praesidentis". Ab 1981 Forschungstätigkeit im Heeresgeschichtlichen Museum. 1991 bis 1992 Dienstzuteilung beim Bundesminis­terium für auswärtige Angelegenheiten (UNO-Abteilung). 1993 Absolvierung des 3. Lehrganges der Europaakademie in Wien. 1994 UN-Beobachter in Südafrika. 1995 bis 1996 Senior Fellow am U.S. Institute of Peace, danach Leiter der Forschungsabteilung des Militärwissenschaftlichen Büros, 2001 bis Juni 2014 Leiter des Fachbereiches Militär- und Zeitgeschichte am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik (ISS) der Landesverteidigungsakademie. Seit Juli 2014 Leiter des ISS; Präsident der Österreichischen Kommission für Militärgeschichte und der österreichischen Gesellschaft für Heereskunde, Generalsekretär der Internationalen Kommission für Militärgeschichte.

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