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Pilot-Intended Crash: Möglichkeiten der Prävention

Ein, von einem Piloten bewusst herbeigeführter Flugzeugabsturz (Pilot-Intended Crash) ist eine seltene Unfallursache, aber dafür umso tragischer und aufsehensreicher, wenn sie dann doch einmal auftritt. Bisher hat es meist Fluglinien in Afrika, Ägypten oder Japan betroffen. Im westlichen Kulturkreis dürfte der Flugzeugabsturz des Flugzeuges der "German Wings", Flugnummer 4U9525, der erste Unfall dieser Art sein. Was hat sich geändert? War es reiner Zufall? Was kann man daraus lernen? Können solche Vorfälle verhindert werden und gibt es Ableitungen für das ÖBH?

Das Flugzeug ist stabilisiert und auf Reiseflughöhe ausgerichtet. Alles ist in Ordnung. Ein ganz gewöhnlicher Flug. Der Kapitän verlässt kurz das Cockpit, um die Toilette aufzusuchen. Sein Erster Offizier (F/O = Copilot) mit ca. 600 Flugstunden Erfahrung ist jederzeit in der Lage die Maschine für einige Minuten alleine zu fliegen. Für den Kapitän wirkt der Copilot völlig unauffällig.

Der Kapitän weiß jedoch nicht, dass sein Erster Offizier erst vor kurzem von einem drohenden Lizenzverlust erfahren hat und dessen Welt gerade am einstürzen ist. Sein Copilot hat bereits entschieden, dass er nicht mehr leben will ("... so nackt und ohne Flügel ..."), wenn es einmal so weit kommt. Er weiß vielleicht noch nicht genau wie oder wann … da sitzt er plötzlich allein im Cockpit, Tür innen verriegeln, Sinkflug einleiten … (langsam, damit der Computer nicht ins Notprogramm schaltet und ihm die Kontrolle entreißt). Jetzt ist die Gelegenheit für ihn gekommen, das verzweifelte Hämmern und Schlagen gegen die Cockpittüre klingt weit entfernt, genauso wie die Schreie im Hintergrund … So oder auch ganz anders könnten sich die letzten Minuten im "German Wings"-Flugnummer 4U9525 im Frühjahr des Jahres 2015 abgespielt haben. Pilot-Intended Crash ist der Fachbegriff für dieses Drama.

Das Präsuizidalsyndrom

Beginnen wir beim klinischen Bereich, also beim Blick auf die möglicherweise kranke Seite dieses Copiloten. Die Phänomenologie eines suizidalen Menschen beschreibt der Psychiater, Neurologe und Suizidforscher Erwin Ringel 1953 als das Präsuizidalsyndrom. Einengung und soziale Isolation stehen neben den immer stärker werdenden Vorstellungen eines Selbstmordes. Will man Suizidprävention betreiben, muss man Kommunikationskanäle errichten, die eine Isolation verhindern und dem Umfeld die zunehmende Einengung erkennbar machen. Unglückliche Menschen brauchen die Möglichkeit, ihre Sorgen und Ängste zu beschreiben. Nur so kann die - für Außenstehende oft schwer nachvollziehbare - Einengung besprochen und verringert werden. Diese Einengung wird durch eine mit sich selbst geführte Grübelei, einem inneren Monolog mit dem Wunsch nach einer Lösung verstärkt. Ein Pilot, der z. B. Hinweise auf eine drohende Untauglichkeit erhält, könnte auf die Idee kommen, dass er ohne die Berufsfliegerei nicht leben könne. Er überlegt tage- und wochenlang, wie das Leben mit entzogener Fluglizenz aussehen könnte. Weil er vielleicht zusätzlich dazu neigt, sich viele Gedanken zu machen, beginnt das nächtliche Kreisdenken erste Schlafstörungen auszulösen. In Kombination mit den Zukunftsängsten kommt es zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität. Die negative Stimmung dominiert den Tag, Freunde und Verwandte beginnen sich zurückzuziehen. Der Dialog mit anderen wird zum Monolog mit sich selbst. Gespräche gibt es vielleicht nur mehr im beruflichen Umfeld. Hier lebt der Pilot in einer Welt der Erfolgreichen und Belastbaren. Probleme sind etwas für Verlierer, unter richtigen Männern völlig unpassend. Es wird eine Scheinwelt aufrechterhalten, in der alles funktioniert, und auch das Privatleben kann nicht mehr dagegenhalten, wenn dort nichts mehr passt. Was soll dieser Pilot machen, wenn auch dieser Bereich seiner heilen Vergangenheit in die Brüche geht? Wer ist er dann? Was für ein Leben soll er führen? Eigentlich ist nichts mehr übrig von ihm. Wenn der Pilot in ihm stirbt, dann macht es auch keinen Sinn, dass ein etwaiger ihm bisher unbekannter Rest noch weiterlebt. Er beginnt Möglichkeiten durchzudenken, wie er aus dem Leben scheiden könnte. Zuerst vielleicht passive Methoden, also überfahren werden, aus Versehen beim Klettern abstürzen und dergleichen. Immer wieder denkt er die Situationen durch, bis nur mehr eine - oft aktive - übrig bleibt: im Flugzeug sterben. Das Gerät, das ihm zuerst ein so unbeschreibliches Gefühl der Macht geschenkt hat, soll ein letztes Mal zum Quell von Freude und unbändiger Stärke werden … Wie kann ein Unternehmen, eine Firma, ein Betrieb geführt werden, um diese spezielle Art der Problematik zu bewältigen? Betrachten wir dazu die Organisation hinter dem Menschen:

High Reliability Organizations

Firmen, die z. B. eine Fluggesellschaft betreiben, nennt man "High Reliability Organizations (HRO)". Das sind Organisationen bei denen bereits kleinste Fehler zu großen Katastrophen führen können. Der Organisationspsychologe Karl E. Weick beschreibt 2007 in seinem Buch: "Managing the Unexpected" die Problematik dieser Firmen mit einem Satz: "They have no choice but to function reliable". Er meint weiter, dass diese Organisationen ständig vor die Aufgabe gestellt werden, unerwartete Probleme zu lösen, damit diese nicht die "Reliability" (Betriebssicherheit) einschränken. Was zeichnet nun derartige Firmen aus? Wie müssen sie gestaltet sein, um genau solche Probleme in den Griff zu bekommen?

Safety (wird in diesem Artikel als der genauere Begriff für Arbeits- und Betriebssicherheit verwendet) und Fachkompetenz sind zumindest gleich wichtig.

Diese Organisationen haben eine Gesprächskultur, die einen Kommunikationsprozess über Themen der Sicherheit zwischen allen Ebenen fördert. Sie besitzen eine Lernkultur, die einem Entwicklungsprozess aus Unfällen, Fehlern und vor allem Beinahe-Abstürzen förderlich ist. Sie haben die Idee der Redundanz von Technik und Verhalten. Flugzeuge zum Beispiel werden nicht nur von einem Computer überwacht und gesteuert, sondern immer von mehreren, die sich im Notfall auch gegenseitig ersetzen können. In der Kommunikation zwischen Flugverkehrskontrolle und Piloten werden wesentliche Anordnungen zurückgelesen, bevor sie ausgeführt werden, vergisst ein Pilot eine Handlung ist das gesamte "Procedure" (Handlungsablauf) so geregelt, dass dies sofort auffällt.

Mitarbeiterauswahl in HR-Organisationen

Der Spruch hierfür: Der richtige Mann, die richtige Frau für den richtigen Arbeitsplatz.

Mit einer entsprechenden Selektion sollten nach Möglichkeit jene gefunden werden, die auch wirklich über die in dem angestrebten Job notwendigen Fähigkeiten verfügen.

Dazu ist eine entsprechende Anforderungs- und Belastungsanalyse des angestrebten Arbeitsplatzes notwendig. Im Bereich der Militärluftfahrt müssen sowohl die zivilen Standards also auch die militärischen erfüllt werden. Werden Bewerber als psychologisch geeignet beurteilt, müssen sie sich noch einem "Training on the Job" mit gleichzeitiger Selektion unterziehen. In der Militärluftfahrt aber auch in weiten Bereichen der Zivilluftfahrt, ist diese Phase gleichzeitig die erste Ausbildungsphase. Strenge Prüfungen über geradezu phänomenal große Stoffmengen erzeugen hier einen andauernden Leistungsdruck, den nur jene überstehen, die neben den erforderlichen Fertigkeiten auch den entsprechenden Willen und die notwendige Stabilität besitzen. Treten in dieser Phase Probleme auf, müssen die Betreuenden (Fluglehrer, Psychologen, Ärzte) neben der psychischen Fitness auch das soziale Umfeld des Bewerbers näher betrachten. Liegt die Problematik in einer persönlichen Überforderung und nicht in seinem Umfeld, ist das ein deutlicher Hinweis auf Mängel, die es für den Bewerber als ratsam erscheinen lassen, sich einen anderen Beruf zu suchen. Dies klingt wenig sozial und in einer Gesellschaft, die bemüht ist, tolerant zu sein - also Menschen mit all ihren Eigenheiten, Schwächen und Einschränkungen zu akzeptieren - etwas rückständig, ist bei näherer Betrachtung aber notwendig.

Belastungen durch Glascockpits und Fly by wire

Die Tätigkeit in der Luftfahrt ist durch vielseitige Belastungen gekennzeichnet. Die Einführung moderner Glascockpits mit "Fly by wire" hat zwar zu der erwarteten handwerklichen Entlastung geführt, hinsichtlich der kognitiven, also mentalen Belastung, ist der Effekt aber gegensätzlich.

Ständig muss der Pilot entscheiden, wie viel Kompetenz er für sich übernimmt oder doch lieber dem Flugzeug überlässt, welche Kontroll­instrumente er sich auf den vielen Bildschirmen anzeigen lässt und welche nicht. Informationsüberlastung ist in der Fliegerei schon längst Alltag. Einfaches Fliegen muss der Berufspilot in der Freizeit üben.

Der Pilot als Manager

Dazu kommt häufig sozialer Stress. Ein Pilot ist ein Manager seines Gerätes, aber oft auch seines Umfeldes. Er muss mit anderen Berufsgruppen interagieren, Flugpläne, Wetterberichte, Treibstoff und Beladungspläne einholen, und falls er der Kapitän ist, so ganz nebenbei auch noch seine Mannschaft führen und für das Wohl der Passagiere sorgen. Dabei darf er sich keine Schwächen leisten, da junge und aufstrebende neue Mitarbeiter die Position des Vorgesetzten ständig hinterfragen, was der Sicherheit zwar zuträglich ist, aber den Menschen entsprechend fordert. Die Firmenpolitik tut hier oft noch ihr Übriges. Er muss ständig zwischen Wirtschaftlichkeit, Sicherheit und Serviceorientierung balancieren und dabei erkennen, was die Firmenleitung gerade erwartet.

Hat man nun mit einem entsprechenden mehrstufigen Selektionssystem den zu den Anforderungen und Belastungen passenden Bewerber ausgewählt, gilt es nun, ihn an seine Tätigkeit entsprechend heranzuführen.

Ausbildung in HRO-Betrieben

Ab der ersten Minute muss der Grundsatz geschult werden, dass professionelles Verhalten in der Luftfahrt neben den fliegerischen Fertigkeiten auch das Sicherheitsdenken an vorderster Front enthält. Dazu werden unter anderem so genannte "Soft Skills" geschult, die gleich wichtig sind wie technische Fertigkeiten. Fluglehrer, Fliegerärzte, Luftfahrtpsychologen und Sporttrainer vermitteln folgende "Social Skills":

- Kooperationsfähigkeit: Das bedeutet "Team Building", andere miteinbeziehen/berücksichtigen/unterstützen und auch Konflikte lösen.

- Führungsfähigkeit und Management: Umgang mit Autorität und Standards, Planung und Koordination des Betriebes sowie ein ausgereiftes Belastungsmanagement.

- Situations-Aufmerksamkeit: Das Erkennen von Systemzuständen sowie deren Antizipation.

- "Decision Making": Probleme definieren, Lösungen und Alternativen generieren, das Risiko einschätzen.

- Stress Management: Der Umgang mit den eigenen Belastungen, das Erkennen von Überforderung, aber auch das rechtzeitige Einleiten von Gegenmaßnahmen, wie z. B. sportliches oder auch mentales Training.

Neben der Basisschulung, die gerade in den oben erwähnten Fertigkeiten nur die "Türen" des Bewusstseins für "Safety" öffnen kann, ist eine weitere Säule dieser Ausbildung das wiederkehrende Training. In regelmäßigen Abständen werden die fliegerischen Fähigkeiten in Simulatorchecks oder so genannten Checkflügen getestet. Die "Soft Skills" werden in Crew Resource Management Kursen wiederholt.

Crew Resource Management

Innerhalb von regelmäßigen Abständen sollte jeder Pilot seine "Soft Skills" unter Beweis stellen, indem er an einem dieser mehrtägigen Seminare teilnimmt, wo die Auseinandersetzung mit Flugvorfällen bzw. Flugunfällen im Vordergrund steht. Jeder Teilnehmer stellt sich bereits vor dem Seminar auf dessen zentrale Botschaft ein: "Menschen machen Fehler, und größere Katastrophen können nur verhindert werden, wenn jeder für sich akzeptiert, dass er fehleranfällig ist". Dazu wird ein kurzer Vortrag über eigene Fehler im Flugdienst vorbereitet. Diese Vorträge sind dann die Basis der Diskussionen, die dann schließlich längerfristig Einfluss auf das Verhalten der Teilnehmer nehmen soll. Die Seminarleiter - im Allgemeinen erfahrene Fluglehrer gemeinsam mit Luftfahrtpsychologen - achten peinlichst genau auf den Umgang der Seminarteilnehmer mit den oft sehr heiklen Informationen, die sie in den Vorträgen bekommen. Niemals darf eine bestrafende oder auch nur sozial abfällige Stimmung aufkommen. Fehler sollen nicht verheimlicht, sondern allgemein bekannt gemacht werden. Eine klare Unterscheidung zwischen Disziplinlosigkeit oder gar Absicht auf der einen Seite und Fehler auf der anderen Seite ist dazu unbedingt nötig. Nur in einem Klima des Vertrauens und des Verständnisses sind Menschen bereit ihre Fehler bekannt zu machen. Das ist die Voraussetzung, dass andere aus diesen Fehlern lernen können, ohne sie erst selbst machen zu müssen.

Führungskräfte in einem HRO-Betrieb

Die Führungskräfte müssen die Wichtigkeit der "Soft Skills" nicht nur erkennen, sondern sie quasi selbst vorleben. Kommandanten dürfen keine unantastbare Helden sein. Wenn sie Fehler machen, müssen sie diese auch zugeben und damit beispielgebend vorangehen. Nur wer menschlich stark genug ist, hat genügend Selbstvertrauen, um sich durch Fehler nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Menschen, die große Angst vor Fehlern haben, entwickeln oft einen Kontrollzwang, der sie in Dauerstress versetzt, den sie über einen längeren Zeitraum nur dann durchhalten, wenn sie ihre Aufmerksamkeit nur mehr auf ihre dienstlichen Verrichtungen lenken, was sie dann oft, sozial verarmt, in ein "Burn-out" laufen lässt. Andere wiederum begegnen dieser Angst, indem sie kleinere Fehler beharrlich leugnen oder diese gar ignorieren und alles daran setzen zu verhindern, dass andere von diesen Fehlern Kenntnis erlangen. Angst vor Fehlern ist also genauso falsch wie Ignoranz und das Gefühl der Unfehlbarkeit. Der Luftfahrtpsychologe und ehemalige Boeing 747 Kapitän Frank H. Hawkins beschreibt 1993 in seinem Buch über Human Factors in Flight unter anderem folgende Führungseigenschaften als positiv und damit essenziell: Technische und professionelle Kompetenz, gute Kommunikationsfähigkeit, Fähigkeit zum Zuhören, gute Problemlösekompetenz, Mut, Risikobewusstsein, ein gewisses Maß an Sturheit, das Gefühl für etwas verantwortlich zu sein, emotionale Stabilität, ein positives Selbstbild, ethische Kompetenz, Einfühlungsvermögen, Flexibilität, Humor und nicht zuletzt ein ausreichendes Maß an Enthusiasmus. Um gesund zu bleiben, darf auch die Fähigkeit delegieren zu können, nicht vergessen werden.

Umgang mit Unfällen und Vorfällen in HRO-Betrieben

Sollte es dann doch einmal zu einem Unfall - selbst wenn dieser nur beinahe passiert - kommen, muss der Umgang damit bereits vorher geregelt sein. Spezialisten aus den Bereichen (Flug-)Sicherheit, (Flug-)Betrieb, Meteorologie, (Flug-)Technik, (Flug-)Recht, Medizin und schließlich auch Psychologie arbeiten Hand in Hand bei der Analyse der zum Unfall führenden Umstände. Diese können niemals monokausal, ganz einfach auf einen Schuldigen zurückgeführt werden, sondern setzen ein systemisches, multikausales Denken voraus. Es gibt immer vorfallsbegünstigende Faktoren, die es zu erkennen gilt und die dann gemeinsam behoben werden müssen, um die Wahrscheinlichkeit eines ähnlichen weiteren Vorfalles zu minimieren. Im speziellen Fall eines Pilot-Intended Crash wäre es einfach, den Absturz auf den Selbstmord des Piloten zurückzuführen. Doch bei dieser Art der Lösung lernt man (der Betrieb) nichts (außer vielleicht, dass man dem Piloten hilflos ausgeliefert ist). Ein moderner Ansatz z. B. nach dem "5 M-Modell" von C. O. Miller (System Safety Society) würde fragen:

- Welchen Beitrag zu diesem Absturz hat das Management des Betriebes geleistet.

- Was muss im System verändert werden, damit man in Zukunft rechtzeitig erkennt, dass es einem Menschen (Mitarbeiter) schlecht geht.

Hinsichtlich der Mensch-Mensch-Interaktion wäre zu hinterfragen, was beim Briefing gemacht werden kann, um den aktuellen Zustand eines Kollegen besser beurteilen zu können. Schließlich muss sich auch der Mediziner fragen, welche Untersuchungen werden gemacht, wie oft bestehen Zweifel, die dann aus Kostengründen nie abgeklärt werden? Gibt es überhaupt die Möglichkeit z. B. Fachgutachten eines psychologischen Gutachters zu bekommen etc. Diese Erhebungen sollten letztendlich die Resilienz (auf die Sicherheit bezogen) eines Betriebes erhöhen.

Resiliente Organisationen

Verschiedene Autoren geben eine Antwort auf die Frage, wie ein re­silienter Betrieb gestaltet sein sollte. Der englische Psychologe von der Universität Manchester, James Rea­son, empfiehlt folgende Checkliste anzuwenden:

- Wissen die Kommandanten von den möglichen Gefahren.

- Gibt es eine Tendenz der Akzeptanz von Rückschlägen.

- Existiert ein Bekenntnis zur Sicherheit.

- Veranstalten die Kommandanten reguläre Sicherheitsmeetings.

- Werden Vorfälle analysiert und ihre Lehren dieser Analysen in den Alltag integriert.

- Wurden Abwehrstrategien für Fehler und Vorfälle entwickelt.

- Gibt es regelmäßige Checks der Sicherheitsstandards.

- Wurden institutionelle Sicherheits­risiken erkannt.

- Gibt es ein entsprechendes Wissensmanagement.

- Werden "Near Miss" Daten mit dem Wissen um den Unternehmenszustand gekoppelt?

- Existieren Safety-Meetings auch für die "einfachen" Soldaten?

- Sind Safety-Arbeitsplätze mit hohem Status versehen?

- Wird der Konflikt zwischen Geld/Einsatzzweck und Sicherheit ehrlich diskutiert.

- Wird ein "Incident Reporting" ­gefördert.

- Gibt es ein Vertrauen in die "Repor­ting-­Systeme" des Unternehmens.

- Werden fehlerbedingte Vorfälle ­und ­Unfälle anders behandelt als ­Diszi­plinlosigkeiten.

- Werden "Non technical Skills" (siehe weiter oben) als wichtig erachtet.

- Gibt es organisierte Feedbackschleifen.

- Ist die Akzeptanz von Fehlern gegeben.

Ableitungen für das ÖBH

Will nun die Organisation Bundesheer wissen, ob sie alles unternimmt, um die Wahrscheinlichkeit von Vorfällen wie einen Pilot-Intended Crash zu minimieren, so müssen die Entscheidungsträger lediglich beurteilen, ob sie die 19 Fragen zur Resilienz alle mit einem uneingeschränkten "Ja" beantworten können, ob das ÖBH den weiter oben beschriebenen Anforderungen an einen HRO-Betrieb entspricht. Aus der Sicht des Luftfahrtpsychologen kann festgestellt werden, dass viele Punkte verwirklicht sind. Bereits 1980 kam mit der Einführung des humanfaktoriellen Konzeptes ein völlig neues Denken in die österreichische Militärluftfahrt, die damals von bis zu zwei toten Piloten im Jahr erschüttert wurde. Mit der Einführung der Saab "Draken" 1987 hat sich dann endgültig vieles zum Guten gewandelt. Die Flugsicherheitsoffiziere haben einen besonderen Stellenwert erreicht. Sie gelten als wesentliche Säule des Flugbetriebes und werden als Berater in die Entscheidungen der Flugauftragserteilenden mit einbezogen. Jeder Kommandant im Bereich der Luftstreitkräfte ist sich seiner Verantwortung bewusst und achtet auf die Einhaltung der strengen Sicherheitsstandards. Schließlich ist auch jeder Mitarbeiter von der Notwendigkeit der manchmal auch unangenehmen Beschränkungen überzeugt. In der mit dem humanfaktoriellen Konzept etablierten "humanfaktoriellen Betreuung" bilden Arzt und Psychologe ein vielbeachtetes Instrument zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit aller. Die Bediensteten der Luftstreitkräfte des ÖBH haben dadurch nicht nur die Möglichkeit, jederzeit psychologische und medizinische Betreuung kostenlos in Anspruch zu nehmen, sondern auch die Gewissheit, dass bei gesundheitlichen Problemen der "gesamte" Mensch betrachtet wird und eine entsprechende Behandlung immer sowohl den Körper als auch die "Psyche" des Mitarbeiters berücksichtigt. Sind Maßnahmen am Arbeitsplatz nötig, weil etwaige Probleme die Tauglichkeit einschränken, werden diese dann unter Beachtung des humanfaktoriellen Konzeptes in Form der Einbeziehung aller Betroffenen (der Bedienstete, Kommandant, Arzt, Psychologe, Personalvertreter) diskutiert und schließlich meist im Einvernehmen aller gesetzt.

Zu bedenken ist aber, dass HRO-Betriebe nur verantwortungsbewusst geführt werden können, wenn man bereit ist, dafür auch die entsprechend notwendigen Ressourcen bereit zu stellen. Ressourcenmangel und Wettbewerb schränken die Flugsicherheit und damit die Sicherheit aller ein. Das Hochgefühl, sich wie ein Vogel in der Luft zu bewegen, darf nicht billiger sein als eine Taxifahrt zum Flughafen. Wir alle, nicht nur das ÖBH, sollten überlegen, was es bedeutet, bei der Effizienzberechnung des Flugbetriebes die Flugsicherheit zu vergessen.


Autor: OR Mag. Michael Mikas; Jahrgang 1961. Eingerückt 1979 bei der ABCAwS, Ausbildung zum Unteroffizier und Heeresfahrlehrer. 1988 bis 1993 Studium der Psychologie an der Universität Wien. 1991 bis 1993 Testleiter im Heerespsychologischen Dienst, seit 1993 Psychologe am Referat für Flieger- und Verkehrspsychologie. 2011 bis 2014 Lektor für psychologische Diagnostik an der Universität Wien. Klinischer und Gesundheitspsychologe, Militär- und Luftfahrtpsychologe, stv. Leiter des Referates für Flieger- und Verkehrspsychologie im Heerespersonalamt und seit April 2015 interimistisch mit der Referatsleitung betraut.

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