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Militärpolitik

Themen für die internationale Arbeit im Herbst 2006

Der Sommer hat einige weltpolitische Unwägbarkeiten mit sich gebracht und so kann es sein, dass im Kongo oder im Nahen Osten Entwicklungen eintreten, welche den Akzent der internationalen Arbeit anders setzen, als es derzeit absehbar ist.

Der NATO-Gipfel von Riga wird sich mit der weiteren Entwicklung der Allianz und der Partnerschaft für den Frieden beschäftigen. Spätestens mit dem NATO-Erweiterungsschritt von 2004 hat die Partnerschaft ihr wesentliches politisches Ziel, die Einbeziehung der Gesamtheit der nicht-sowjetischen Warschauer Pakt-Staaten und sogar von Teilen der ehemaligen Sowjetunion erfüllt. Es verbleiben noch Staaten, die der NATO beitreten wollen. Alle diese Staaten haben bereits Sonderformen der Partnerschaft, die direkt auf den Beitritt ausgerichtet sind. Die verbleibenden Partnerstaaten sind geografisch und nach Interessenlage in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt.

Österreich zählt zur Gruppe jener europäischen Partner, die schon jetzt einen vergleichsweise hohen Standard aufweisen. Das Hauptinteresse der NATO ist nicht, diese Länder zum NATO-Beitritt zu bewegen, sondern deren hohes militärisches und finanzielles Potenzial den Zielsetzungen der NATO im Bereich des internationalen Krisenmanagements nutzbar zu machen. Dazu gehört weiterhin ein hohes Maß an militärischer Fähigkeit zur Zusammenarbeit (Interoperabilität), vor allem aber die politische Bereitschaft, Beiträge zu Operationen zu leisten. Die Herausforderung an Österreich wird sein, vor dem Gipfel von Riga, vor allem aber auch in der Phase zwischen Riga und dem nächsten "großen" NATO-Gipfel 2008, zu bestimmen, welches Instrument es in diesem Konzert spielen will. Diese Frage kann natürlich nicht vom österreichischen Engagement in der NATO isoliert betrachtet werden. Es gibt immer mehrere Optionen einer internationalen Strategie. Die EU mit der ESVP, die Vereinten Nationen, das regionale und das bilaterale Engagement und andere Faktoren sind bei der Entwicklung einer NATO-Policy stets im Auge zu behalten. Das gilt naturgemäß auch für die NATO-Policy-Entwicklung in anderen Bereichen.

Die Fähigkeit zur Bereitstellung interoperabler Kräfte ist ein Kernstück der internationalen Strategie, weil die gleichen Kräfte auch für Operationen im Rahmen der EU, der Vereinten Nationen (VN) oder in einem anderen Rahmen zur Verfügung stehen sollen ("single set of forces"!). Es ist weiterhin die NATO, welche den geeignetsten Rahmen anbietet, die Qualität solcher Kräfte zu definieren und überprüfbar zu machen. In diesem Zusammenhang sei auch das Herzstück der Interoperabilität für NATO-Partner, das "Operational Capability Concept" (OCC) erwähnt, das den Rahmen für die oben dargestellten Prozesse bietet. Die Herausforderung in einer sich weiter entwickelnden NATO-Partnerschaft ist, den Zugang zu Entscheidungen und Informationen im Wege von PfP weiter auszubauen und dabei den Handlungsspielraum zu erhalten, eigene Kräfte auch in einem anderen institutionellem Rahmen einsetzen zu können.

Die anstehenden Themen im Felde der ESVP wurden in der letzten Ausgabe von TRUPPENDIENST vorerst ausreichend beschrieben. Aufgrund der dramatischen Ereignisse im Nahen Osten steht nicht nur die Region, sondern auch die Rolle der VN als sicherheitspolitischer Akteur neuerlich im Rampenlicht. Besonders sei auch vor dem Österreich betreffenden tragischen Hintergrund die politisch überaus wichtige Rolle von UNTSO und der österreichischen Präsenz im Raum hervorgehoben.

Gerade für Österreich stellte die friedenserhaltende Rolle der VN traditionell einen Schwerpunkt der sicherheitspolitischen Konzepte dar. Wie es auch die Arbeitsteilung zwischen EU und VN zur Sicherung der Wahlen im Kongo gezeigt hat, kommt den zwischen New York und Brüssel erzielbaren Synergien höchste Bedeutung für Frieden und Stabilität in Krisenregionen zu. Das gilt auch auf für die aktuelle Krise im Libanon, wobei gerade die Zeit bis zum Erscheinen dieses Beitrages zeigen wird, welcher Organisation welches Gewicht in dieser komplexen Situation zukommen wird. Der militärische Aspekt der friedenserhaltenden Rolle der Vereinten Nationen entwickelt sich schon seit mehreren Jahren weg vom traditionellen "Peace Keeping" hin zu Einsätzen, die hochwertige militärische Fähigkeiten und rasche Reaktion erfordern. Es sind hier durchaus auch jene Kräfte angesprochen, welche Österreich im Rahmen der NATO und der ESVP bereitstellt. Mit den VN wird es zunehmend einen dritten Bedarfsträger für diese Qualität von Kräften geben, und die mittelfristige Planung unseres internationalen Engagements wird sich darauf einstellen müssen. In diesen Themenkreis gehört auch die Frage, wie intensiv sich Österreich in den kommenden Jahren in die der VN zur Verfügung stehenden SHIRBRIG einbringen wird.

Autor: Brigadier Wolfgang Wosolsobe

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