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"Weapons free!"

Fliegerabwehrgefechtsschießen in Polen

Unter dem Übungsnamen "FIFTY YEARS 2005" fand vom 16. August bis zum 1. September 2005 die größte Auslandsübung des Österreichischen Bundesheeres des vergangenen Jahres statt. Gleichzeitig handelte es sich bei diesem Fliegerabwehrgefechtsschießen auch um das bis dato größte Scharfschießen des Bundesheeres der Zweiten Republik.

Nach dem Fliegerabwehrgefechtsschießen im Jahr 2003 unter dem Übungsnamen "ROLAND I" (siehe auch TRUPPENDIENST, Heft 1/2004, Seite 40 ff.) war dieses Gefechtsschießen 2005 bereits das zweite Scharfschießen der Fliegerabwehrtruppe auf dem polnischen Truppenübungsplatz (TÜPl) in Ustka an der Ostseeküste.

Die wesentlichsten Unterschiede zum Fliegerabwehrgefechtsschießen 2003 waren: - Die Anlandung des Hauptkontingentes am Flugplatz von Siemirowice erfolgte unter dem Schutz von Soldaten eines österreichischen Sicherungselementes.

- Auch die Bahnentladung auf dem Truppenübungsplatz Ustka wurde von den Soldaten des Sicherungselementes gesichert.

- Die Zieldarstellung erfolgte durch zwei "Learjet" der schwedischen Firma SAAB NYGE AERO und durch zwei Pilatus PC-6 "Turbo Porter" der 4. Staffel des Fliegerregiments 1.

- Mit der leichten Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" wurde diesmal in Verbindung mit dem Wärmebildgerät ein Nachtschießen durchgeführt.

- Außerdem erfolgte erstmals das Schießen mit der leichten Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" von der Transporthalterung des Steyr-Daimler-Puch LKW (6 x 6) 712 lFAL "Pinzgauer" (lFAL - leichte Fliegerabwehrlenkwaffe).

Teilnehmer

Unter der Führung des Kommandanten der Fliegerabwehrschule, Brigadier Gottfried Eisenberger, MSD, nahmen 380 Soldaten der Fliegerabwehrtruppe der Land- und Luftstreitkräfte des Österreichischen Bundesheeres mit 110 Fahrzeugen (davon 7 Gepanzerte Kampf- und Gefechtsfahrzeuge) an der Übung teil. Darunter befanden sich auch 80 Rekruten, die sich freiwillig zur Teilnahme gemeldet hatten, sowie insgesamt 7 in das Übungsvorhaben integrierte Teilnehmer aus Deutschland, aus der Schweiz, aus Slowenien und aus Ungarn.

Das taktisch führende Kommando wurde durch das Fliegerabwehrregiment 2 (FlAR 2) aus Zeltweg gestellt. Die Übungstruppe des FlAR 2 gliederte sich in - eine Stabsbatterie, - eine Fliegerabwehrbatterie bestehend aus drei 35-mm-Fliegerabwehrzügen und zwei 20-mm-Fliegerabwehrzügen, - eine Fliegerabwehrbatterie, bestehend aus zwei lFAL-Zügen und einem gepanzerten lFAL-Zug.

Die einzelnen Feuereinheiten wurden durch die Fliegerabwehrregimenter und die leichten Fliegerabwehrlenkwaffenbatterien der Panzerstabsbataillone und des Stabsbataillons 1 gestellt. Somit waren in den Batterien Feuereinheiten aller Fliegerabwehrkräfte der Land- und Luftstreitkräfte präsent. Die Schießübungsleitung wurde durch die Fliegerabwehrschule gestellt.

Warum Fliegerabwehrgefechtsschießen in Polen?

Da solche Ausbildungsvorhaben immer wieder in Frage gestellt werden, müssen folgende Fakten klargestellt werden: Ein Schießvorhaben mit Bewegung, gegliedert in 22 Phasen, in denen alle Fliegerabwehrwaffensysteme des Bundesheeres im scharfen Schuss feuern, ist aus Sicherheitsgründen wegen des benötigten Raumes in Österreich nicht durchführbar. Alleine die leichte Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" benötigt einen Sicherheitsbereich, der ein realistisches Luftzielschießen auf einem österreichischen Truppenübungsplatz nicht zulässt. Der Übungsplatz in Ustka ermöglicht aufgrund seiner Lage an der Ostseeküste nicht nur ein Luftzielschießen in Richtung Ostsee, sondern er verfügt auch über ausreichende Möglichkeiten, dieses Schießen in einen taktischen Übungsablauf einzubinden. Damit bietet der Truppenübungsplatz Ustka der übenden Truppe Möglichkeiten, die über jene eines reinen "Schießstandes", wie sie an anderen Ausbildungsstätten - z. B. im Mittelmeerraum - angeboten werden, deutlich hinausgehen.

Übungsgebiet

Der Truppenübungsplatz in Ustka an der polnischen Ostseeküste war - neben ähnlichen Anlagen an der bulgarischen Schwarzmeerküste - bereits zu Zeiten des Warschauer Paktes einer der ausgedehntesten Fliegerabwehrschießplätze. Aufgrund seiner Größe von rund 17 Kilometern Länge und einer Breite von etwa 5 Kilometern sowie seiner Lage an der Ostseeküste wurde Ustka auch für das Schießen mit Fliegerabwehrlenkwaffen mit großer Einsatzschussweite (SA-2, SA-3, SA-6, SA-8), aber auch mit den leichten Fliegerabwehrlenkwaffen (SA-7, SA-14, SA-16) genutzt. Heute steht dieser Schießplatz sowohl NATO-Mitgliedsländern als auch anderen Staaten - gegen Bezahlung - für Schießtrainingsvorhaben zur Verfügung.

Verlegung

Der Transport des Gros der Fahrzeuge nach Ustka erfolgte mit drei Sonderzügen der Österreichischen Bundesbahn von Hörsching, Langenlebarn und Zeltweg aus. Ein Teil des Vorkommandos flog mit einem Transportflugzeug Short SC-7 "Skyvan" nach Polen, der überwiegende Teil des Vorkommandos verlegte dagegen mit Kraftfahrzeugen nach Ustka. Außerdem verlegte das Sicherungselement mit zwei österreichischen Transportflugzeugen C-130 "Hercules" nach Polen. Das Hauptkontingent wurde in drei weiteren Lufttransporten mit der "Hercules" verlegt.

Der Einsatz des Sicherungselementes

Das Sicherungselement verfügte über 44 Soldaten und gliederte sich in 8 leichte Fliegerabwehrlenkwaffentrupps, die mit 4 LKW (6 x 6) 710FM "Pinzgauer" ausgerüstet waren.

Das Sicherungselement verlegte inklusive seiner Fahrzeuge mit 2 "Hercules" auf den Flugplatz in Siemirowice, Polen. Dort wurden die lFAL-Trupps im autonomen Einsatz, d. h. ohne Zielzuweisungsradar "Flamingo", zum Schutz der Anlandung des Hauptkontingentes eingesetzt. Nachdem das Hauptkontingent in Bussen nach Ustka abgefahren war, verlegten die Soldaten des Sicherungselementes mit zwei bewaffneten Transporthubschraubern Mil Mi-8 der polnischen Streitkräfte auf den Truppenübungsplatz Ustka. Nach der Anlandung am TÜPl wurde dort sofort der Objektschutz für die nun folgende Bahnentladung aufgenommen.

Damit konnte ein für zukünftige internationale Einsätze äußerst realistisches Szenario, wie es auch in den EU-Helsinki Goals gefordert wird, geübt werden.

Zieldarstellung und Trefferauswertung

Die Zieldarstellung erfolgte durch die schwedische Firma Saab Nyge Aero und durch die österreichischen Luftstreitkräfte. Als Schleppziele standen für die leichte Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" wie schon vor zwei Jahren Schleppzielkörper SK-6 zur Verfügung.

Zieldarstellung mit Schleppzielkörper

Der Schleppzielkörper wird von einem "Learjet" an einem 6 000 Meter langen Stahlseil durch die Luft geschleppt. Um ihn für den Lenkwaffentrupp sichtbar zu machen, verfügt der SK-6 über Rauchentwickler. Damit der an sich kalte Schleppzielkörper für den Infrarotzielsuchkopf der "Mistral" überhaupt als Ziel erkennbar ist, werden IR-Fackeln (Flares) gezündet, die für den Lenkwaffenzielsuchkopf ein Flugzeugtriebwerk simulieren.

Mittels einer Zündverzögerung an der Lenkwaffe sollte sichergestellt werden, dass der Gefechtskopf hinter dem Schleppziel detonierte und dieses somit unversehrt bleibt. Dieser gute und budgetschonende Vorsatz wurde bei diesem Gefechtsschießen allerdings durch einige Direkttreffer zunichte gemacht.

Zieldarstellung mit Schleppsack

Für die 20-mm- und 35-mm-Feuereinheiten wurden Schleppsäcke als Ziele verwendet. Die Schleppsäcke wurden entweder von einem "Learjet" zur Simulation schneller Luftziele oder von einer PC-6 zur Darstellung langsamer Luftziele gezogen. Dabei erfolgte der gleichzeitige Einsatz von zwei "Learjet" mit jeweils zwei Schleppzielen, womit ein realistisches Bedrohungsszenario gegeben war. Auch die PC-6 bewährten sich in diesem Übungsszenario, indem durch sie sehr tief fliegende, im Vergleich zu den Schleppzielen des "Learjet" langsame Ziele, die in einem Bedrohungsszenario Hubschraubern oder Drohnen entsprechen, dargestellt wurden.

Die Trefferauswertung

Die Trefferauswertung erfolgte über das moderne und leistungsfähige Doppeltrefferauswertesystem, das die räumliche Ablage der Geschoße der Fliegerabwehrkanonen und der Lenkflugkörper zum Schleppziel auf Dezimeter genau angeben kann. Damit ist eine Auswertung des Schießens, bei der selbst jede einzelne Granate berücksichtigt werden kann, in Echtzeit möglich!

Weapon Control Status

Die Feuerregelung (Weapon Control Status - WCS) gilt als besondere Anordnung für die Kampfführung. Sie regelt das befohlene Verhalten der Fliegerabwehrtruppe beim Auftauchen von Luftfahrzeugen.

Weapons hold (Feuerverbot): Das Schießen auf Luftfahrzeuge ist nicht erlaubt, außer zur Selbstverteidigung oder auf gesonderten Befehl.

Weapons tight (bedingte Feuererlaubnis): Erlaubnis zum Schießen, wenn das Luftfahrzeug eindeutig als Feind erkannt bzw. identifiziert wurde.

Weapons free (Feuererlaubnis): Erlaubnis zum Schießen, wenn das Luftfahrzeug nicht eindeutig als eigenes erkannt bzw. identifiziert wurde.

Das Gefechtsschießen

Insgesamt standen für dieses Gefechtsschießen 36 Lenkflugkörper "Mistral" sowie 2 400 Schuss 35-mm-Munition und 1 600 Schuss 20-mm-Munition zur Verfügung. Durch das einsetzende Schlechtwetter wurde der geplante Verlauf des Gefechtsschießens beeinträchtigt. Infolge technischer Probleme an der "Mistral" verschärfte sich die Situation zusätzlich: Vermutlich aufgrund eines Fehlers an den Batterie- und Kühleinrichtungen der leichten Fliegerabwehrlenkwaffen waren einige Lenkflugkörper nicht zu starten. Dadurch verzögerte sich das Gefechtsschießen um eineinhalb Tage. Am Nachmittag des letzten Schießtages kam es dann aber zu einem Showdown in Hollywood-Manier: Beim allerletzten Zielanflug konnte die 36. und letzte "Mistral", die wegen der technischen Probleme bereits drei Fehlversuche hinter sich hatte, abgefeuert werden und erzielte einen Direkttreffer auf das Schleppziel SK-6.

Auch die 20-mm- und 35-mm-Feuereinheiten erzielten sehr gute Treffergebnisse: So beeindruckte eine 35-mm-Feuereinheit, die mit einer Salve von 39 Schuss 37 Treffer erzielte! Insgesamt lag die Trefferquote bei den Kanonen bei über 80 Prozent, bei der "Mistral" erreichte sie über 90 Prozent. Natürlich wurden bei diesem Gefechtsschießen nicht nur Standardsituationen, sondern unterschiedlichste Gefechtssituationen auch unter schwierigen Bedingungen geübt.

Premieren

Eine Novität bei dieser Übung stellte das Nachtschießen mit der leichten Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" in Verbindung mit dem Wärmebildgerät dar. Die Zielzuweisung erfolgte durch das Zielzuweisungsradar "Flamingo" über den Zieldatenempfänger des leichten Fliegerabwehrtrupps. Der Richtunteroffizier erfasste die Wärmequelle (Flare) des SK-6 mit dem Wärmebildgerät und konnte trotz der schlechten Bildqualität, die vermutlich von der abnehmenden Abstrahlung der Flares herrührte, auf nahe Entfernung einen Treffer erzielen.

Eine weitere Premiere in Ustka war das erstmalige Schießen mit der leichten Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" vom LKW (6 x 6) 712 lFAL "Pinzgauer" aus. Ein direkt auf die Feuerstellung des Fliegerabwehrtrupps anfliegendes Ziel wurde vom Fliegerabwehrtrupp mit dem auf dem Kraftfahrzeug mittels Transporthalterung aufgebauten Waffensystem erfolgreich bekämpft. Schäden am Fahrzeug traten dabei nicht auf.

Ebenso erwähnenswert ist die Tatsache, dass bei dieser Übung erstmals zwei weibliche Richtschützen teilnahmen.

Zusammenfassung

Beim Fliegerabwehrgefechtsschießen "FIFTY YEARS 2005" in Ustka hat die Fliegerabwehrtruppe bewiesen, dass sie nicht nur einsatzbereit und jederzeit zur Verlegung ins Ausland in der Lage ist, sondern dass auch ihr Kaderpersonal seine Aufgaben in den jahrelang ausgebildeten Funktionen erfolgreich bewältigt. Die Fliegerabwehrtruppe ist damit in der Lage, den Schutz der eigenen Kräfte vor einem Luftfeind im In- und Ausland zu gewährleisten.

___________________________________ ___________________________________ Autoren: Major Johannes Walzl, Jahrgang 1969. Einrückungstermin Oktober 1987; 1992 Ausmusterung zum Fliegerabwehrbataillon 11 nach Langenlebarn. 1995 bis 2001 Lehroffizier und seit 2001 Referent in der Grundlagenabteilung an der Fliegerabwehrschule in Langenlebarn.

Major Andreas Ledermann, Jahrgang 1969. Einrückungstermin Jänner 1987; Reifeprüfung am Bundesrealgymnasium für Berufstätige 1995. Seit 2001 als S1, S2 und S5 an der Fliegerabwehrschule in Langenlebarn.

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