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BPC "Mistral"

Das neue Mehrzweckschiff der französischen Marine

Bei der Übung "EXENAU07" im Februar 2007 präsentierte Frankreich sein neuestes Mehrzweckschiff. Die BPC "Mistral" kann als Führungsschiff u. a. die Basis für ein Kommando auf operativer Ebene (FHQ) bereitstellen, das potenziell auch für die EU verfügbar ist. Sie ist aber auch als Hubschrauberträger, Verlegungsschiff und Lazarettschiff einsetzbar.

Die BPC "Mistral" und ihr baugleiches Schwesterschiff, die BPC "Tonnerre", sind bei einer Besatzung von nur 160 Personen als Mehrzweckschiffe ausgelegt. BPC steht für Bâtiment de Projection et de Commandement (Verlegungs- und Führungsschiff). Die Schiffe verfügen über die mehr als dreifache Transportkapazität der bisher in der französischen Marine verwendeten Schiffe. Die Notwendigkeit für den Bau solcher Schiffe ergab sich u. a. aufgrund der zahlreichen "leichten" Einsätze in Krisenherden in Afrika (vor allem in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts), die eine rasche Verlegungsfähigkeit über See und die Möglichkeit einer Kommandoführung bei amphibischen Operationen von See her erforderten. Die BPC "Mistral" (Baubeginn Juli 2002) wurde im Juni 2006 der französischen Marine übergeben. Ihr erster Einsatz erfolgte ab Mitte Juli 2006 bei der Evakuierungsmission im Libanon und damit noch vor ihrer offiziellen Indienststellung im Dezember 2006. Die BPC "Tonnerre" wurde im März 2007 ausgeliefert.

Grundsätzliche Aufgaben und Fähigkeiten

Die vier Hauptaufgaben der BPC "Mistral" (Kennzeichnung L9013) und ihres Schwesterschiffes sind - bei maximaler Fokussierung auf eine Aufgabe - entweder der Einsatz - als Hubschrauberträger, - als Verlegungsschiff für amphibische Landungsoperationen, - als Führungsschiff oder - als Lazarettschiff.

Gleichzeitig kann unter Maximalauslastung nur der Einsatz als Führungs- und Lazarettschiff erfolgen, denn diese Verwendungen schränken die Ladekapazitäten als Verlegungsschiff und als Hubschrauberträger ein oder binden dazu notwendige Räumlichkeiten. Humanitäre Einsätze wie Evakuierungsmissionen oder Frachttransporte sind als Nebenaufgaben möglich.

Beim Bau der Schiffe wurde teilweise auf die Einhaltung von Handelsschiff-Standards geachtet. Der "zivile" Teil (Bug) mit den Unterkünften wurde von Chantiers de l’Atlantique (Cherbourg) gefertigt, der "militärische" Teil (Heck) mit den Gefechtsstand- und Kommando-Einrichtungen sowie den Hubschrauberhangars von der Direction des Chantiers Navals (Brest). Bei der Ausstattung für die Funktion als Verlegungsschiff einer Joint Task Force wurde auf die Kompatibilität mit amphibischen Kräften anderer NATO-Staaten geachtet.

Technische Daten

Länge 199 m, Breite am Flugdeck 32 m, Höhe über Wasser:57 m, Tiefgang: rund 6 m. Verdrängung 16 500 t leer, 21 500 t bei Maximalbeladung. Geschwindigkeit 19 Knoten. Antrieb durch Elektrogeneratoren mit zwei horizontal um 360º schwenkbaren Antriebspropellern. Aktionsradius bei 18 Knoten rund 11 000 Seemeilen, bei 15 Knoten rund 20 000 Seemeilen. Eigenbewaffnung zwei Zwillingsstartvorrichtungen für Fliegerabwehrlenkwaffen kurzer Reichweite, zwei 30-mm-Kanonen und vier 12,7-mm-Maschinengewehre.

Ausstattung

Als Hubschrauberträger verfügt die BPC "Mistral" über ein 5 200 m² großes Flugdeck mit sechs Hubschrauberlandeplätzen. Im schiffseigenen Hubschrauberhangar mit weiteren 1 800 m² (erreichbar über zwei Hebebühnen) können insgesamt 16 Transporthubschrauber NH90 oder Kampfhubschrauber "Tigre" mitgeführt werden. Die Instandsetzungsfähigkeit der BPC "Mistral" und ihrer Hubschrauber ist auf eine Einsatzdauer von einem Jahr ausgelegt.

Für amphibische Landungsoperationen ist das Trockendock für vier Landungsboote (Chalands de Transport de Matériel - CTM) oder zwei Luftkissenfahrzeuge (Landing Crafts Air Cushion - LCAC) ausgelegt. Im darüber befindlichen Fahrzeugdeck können bis zu 60 Gefechtsfahrzeuge oder maximal 13 schwere Kampfpanzer ("Leclerc") mitgeführt werden. Die BPC "Mistral" kann somit bereits die Truppe mitführen, die als "Early Entry Capacity" in einem Einsatzraum wirksam werden soll - einschließlich ihrer dazu notwendigen Ausrüstung -, verteilt auf zwei Ebenen mit 2 650 m².

Als Führungsschiff verfügt die BPC "Mistral" über einen Gefechtsstandbereich von 850 m², der auf modularer Basis bis zu 150 Arbeitsplätze einschließlich aller Einrichtungen für ein teilstreitkräfteübergreifendes Kommando bietet. Drei Gefechtsstandsarten können dabei durch Umstellung von mobilen Trennwänden eingerichtet werden: - ein nationales Force Headquarters (FHQ) oder ein HQ einer Combined Joint Task Force (CJTF), - ein HQ eines Maritime Component Command oder - ein HQ einer amphibischen Landungsoperation (Commandment for an Amphibious Task Force & Commandment for a Landing Force - CATF & CLF; die ATF bilden Spezialeinsatzkräfte der Marine und der Heeresflieger sowie Marineinfanteristen der Landstreitkräfte, die LF mit Masse Infanteristen der Landstreitkräfte).

Egal wofür der Gefechtsstand vorbereitet wird, er arbeitet vom Schiff aus und ist in Bezug auf die Geräteausstattung und die Übertragungseinrichtungen autonom. Die einzige Verbindung zu den Marine-/Schiffseinrichtungen ist die räumliche Nähe zum Lagezentrum und zum Communication Center der BPC "Mistral" zwecks gegenseitiger Unterstützung in Notfällen. Alles ist stolperfrei verkabelt, es gibt unzählige Ansteckbuchsen und Stromauslässe. Trennwände, Tische, Sessel und sonstige Büromöbel verbleiben ständig an Bord; das Kommando, welches den Stab des Gefechtsstandes stellt, muss aber seine eigene IT-Ausstattung (PC, Drucker, Bildschirme etc.) mitbringen. Dient die BPC "Mistral" nicht als Führungsschiff, bleibt dieser Schiffsbereich ungenutzt.

Die Unterkunft der aufgenommenen Truppe (bis zu 450 Personen) besteht aus komfortablen Ein-, Zwei- und Vierbettkabinen, verteilt über mehrere Decks, sowie aus sieben räumlich zusammengefassten, wohnlich ausgestatteten Zugsquartieren.

Innerhalb dieser Zugsquartiere verfügen die Zugskommandanten über Einbettkabinen, die Unteroffiziere über Zweibettkabinen und die Mannschaften über Vier- oder Sechsbettkabinen. Jede Kabine ist mit einer eigenen Dusche und einem davon getrennten WC, mit genügend Spindraum sowie mit einer versperrbaren Waffenkiste ausgestattet. Jedes Zugsquartier hat darüber hinaus einen kleinen Besprechungs- bzw. Aufenthaltsraum mit Fernsehgerät.

Im Gegensatz zu vielen anderen Schiffen verfügt die BPC "Mistral" über breite, flache Stiegenaufgänge, auf denen sich die Soldaten mit ihrer gesamten Ausrüstung problemlos bewegen können. Der weiteren Erleichterung dienen zwei große Transportaufzüge (für Personen- und Materialtransport), die alle zehn Stockwerke der BPC "Mistral" verbinden. Industriewaschmaschinen, ein großer Fitnessraum sowie mehrere Aufenthalts- und Speiseräume vervollständigen den "Alltagsbereich".

Bei amphibischen Landungsoperationen mit kurzer Verweildauer an Bord kann der verfügbare Platz für zusätzliche 250 Mann erweitert werden, die dann jedoch auf behelfsmäßigen Liegen (u. a. in den breiten Schiffskorridoren) untergebracht werden.

Bei der Verwendung als Lazarettschiff steht auf etwa 750 m² ein Role-3-Hospital mit einer Kapazität von insgesamt 69 Betten (davon sieben Intensivbetten) zur Verfügung. Dazu kommen zwei Operationssäle und entsprechende Geräte für "Telemedizin": Damit sind mit jedem Militärkrankenhaus in Frankreich Videoverbindungen möglich, um bei chirurgischen Spezialeingriffen von dort entsprechende Anleitungen zu bekommen. Ein Zahnbehandlungsraum, mehrere Labors, ein Röntgenraum und eine Station zur Behandlung von Verbrennungen sind ebenfalls vorhanden.

Sollte die Liegekapazität des Hospitals ausgeschöpft sein, können Patienten auf bestimmte, im Nahbereich gelegene und mit eigener Sauerstoffzufuhr versehene Truppenunterkünfte ausgelagert werden.

Über eine breite Schleuse am Ende des Lazaretttraktes ist eine zusätzliche Erweiterungsmöglichkeit des Hospitals auf ein im Hubschrauberhangar errichtbares Feldlazarett gegeben. Damit kann die Gesamtkapazität auf über 100 Betten gesteigert werden.

"EXENAU07"

Hauptziele der Übung "EXENAU07", an der auch die BPC "Mistral" teilnahm, waren - die jährliche Beübung des Personals des Etat-major Interarmées de Force et d’Entraînement (EMIA-FE), des teilstreitkräfteübergreifenden Führungs- und Ausbildungsstabes in Creil (etwa 60 km nördlich von Paris), in seiner Rolle als mögliches FHQ (27 Personen des EMIA-FE bilden dabei das Schlüsselpersonal eines multinationalen FHQ, dazu stoßen 30 Personen anderer französischer Dienststellen sowie 42 von anderen EU-Nationen, die Sollstärke von 176 ist aber erst mit 77 weiteren Personen erreicht), - die Überprüfung des französischen Konzeptes der Niveau Opératif Embarqué (NOE), der schiffsgestützten operativen Führung, sowie - die Überprüfung der Truppentauglichkeit der BPC "Mistral" als Führungsschiff.

Das EMIA-FE als potenzieller Hauptnutzer der BPC "Mistral" als Führungsschiff war übrigens von Beginn an in die Gestaltung des Schiffes eingebunden.

Ein Nebenziel der Übung war die Erprobung der gemeinsamen Simulations-Software "Alliance" der französischen Luft- und Seestreitkräfte. (Bisher verfügten die französischen Streitkräfte nur über die teilstreitkräftespezifischen operativen Simulationen "Wagram" - Land, "Stradivarius" - Luft und "Orque" - See.) Insgesamt übten im FHQ und im Directing Staff (DISTAFF) 335 Personen, aufgrund der Übungsziele ausschließlich Franzosen. Quasi als multinationaler Ansatz stellten das deutsche FHQ aus Ulm und das italienische FHQ aus Rom je ein fünfköpfiges Team als Response-Cell im Lower Contingent.

Während der Übung "EXENAU07" wurde im Rahmen einer zehntägigen Computer Assisted Exercise (CAX) - vier Tage davon auf See - ein nationales FHQ zur Führung einer Force in einem Peace Support Operations-Szenario (First Entry Operation) dargestellt. Als Grundlage zur Gliederung des FHQ dienten die "European Union FHQ Standard Operating Procedures". Die Übung leitete der Kommandant des EMIA-FE; als Force Commander fungierte ein Brigadegeneral der Luftstreitkräfte. Im Hubschrauberhangar der BPC "Mistral" entstanden in fünf SAMGD-Sheltern (Station Aménageable Mobile de Grandes Dimensions; falt- und verlegbare Shelter großen Ausmaßes) die Arbeitsplätze für das Exercise Contingent, das Higher Contingent und das Lower Contingent (Air Component Command, Maritime Component Command, Land Component Command, Special Operation Forces und Multinational Joint Logistics Command). Diese Shelter bieten bei rund 80 m² Fläche zumindest 20 Computer-Arbeitsplätze, sind ABC-sicher und zusammenlegbar. 19 dieser bereits bei der "EUFOR RD Congo" (European Union Forces Republique Democratique du Congo) verwendeten Shelter sind im EMIA-FE vorhanden, mit einem Antonow-Transportflugzeug z. B. sind elf davon gleichzeitig verlegbar.

Die Erfahrungen:

In Bezug auf die drei Hauptziele der Übung zeigte sich: - Die Beübung des eingesetzten Personals zur Darstellung eines FHQ in Maximalstärke war ein Erfolg, sowohl in der Bewältigung der zahlreichen Einlagen als auch in der Führungsfähigkeit und der Verbindungstätigkeit zu den vorgesetzten Dienststellen.

- Es wird bereits davon gesprochen, dass diese Art von Übung ihre Fortsetzung in Form eines multinationalen HQ finden wird.

- Die BPC "Mistral" hat ihre Feuertaufe als Führungsschiff bestanden. Sie wird der geforderten und erwarteten Truppentauglichkeit voll gerecht. Ein Detail am Rande hat jedoch für Verblüffung gesorgt: einige Kaderangehörige wurden bereits beim Betreten des Schiffes seekrank (obwohl es am Kai lag) und konnten sich davon nicht erholen. Dabei dürfte es sich jedoch vor allem um ein psychologisches Problem handeln, wogegen bei realen Verlegungen von Landstreitkräften Vorsorge zu treffen sein wird.

Obwohl bei der "EXENAU07" der Directing Staff und das übende FHQ zusammen an Bord der BPC "Mistral" waren, wurde der gesamte Aufbau der Kommunikation und der Simulations-Software überprüft. Fast alle Verbindungen liefen dabei über Satelliten. Das Ergebnis: Die Entsendung als Führungsschiff ist bereits vor dem Abschluss der Planungsphase möglich - die Fertigstellung des Einsatzplans kann während der Verlegung erfolgen.

Ein seegestütztes HQ als Möglichkeit

Ein seegestütztes HQ profitiert bei längerem Aufenthalt an Bord von sämtlichen Schiffseinrichtungen wie den festen Unterkünften, der Verpflegungszubereitung, den bestehenden Verbindungen, der medizinischen Versorgung und den an Bord befindlichen Hubschraubern. Begleitende Schiffe können auch einen nicht zu unterschätzenden Eigenschutz bieten. Letztendlich wird es aber - vor allem bei einem längeren Einsatz - das Ziel sein, ein FHQ auf festem Boden einzurichten. Durch die Nutzung der an Bord vorhandenen Infrastruktur kann aber - zumindest bei einem kurzen Einsatz oder in der Anfangsphase eines länger dauernden Einsatzes - die zeit- und transportaufwändige Errichtung eines landgestützten FHQ vermieden werden. Solange sich das BPC außerhalb nationalstaatlicher Gewässer aufhält, bedarf es - anders als ein landgestütztes HQ - z. B. auch keinerlei bilateraler Abkommen für notwendige Überflüge.

Die EU verfügt aufgrund des französischen Angebotes mit der BPC "Mistral" nunmehr über ein modernes, hochmobiles Element, das die Führung eines Einsatzes auch von See aus ermöglicht.

___________________________________ ___________________________________ Autoren: Oberst dG Mag. Klaus Jenschik, 14. Generalstabskurs, ist seit November 2006 Leiter der EU-Abteilung der Militärvertretung Brüssel.

Oberst Gerhard Schweiger, Ausmusterungsjahrgang 1979, ist seit August 2005 beigeordneter Verteidigungsattaché in Frankreich und u. a. in einer Zusatzfunktion als Verbindungsoffizier zum EMIA-FE akkreditiert.

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