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Psychologie: Welches Menschenbild hat das Bundesheer?

Bei der Verkleinerung von Organisationseinheiten gibt es eine Vielzahl von Faktoren - unter anderem jenen des Menschenbildes -, die das Gelingen solcher Vorhaben wesentlich und nachhaltig beeinflussen. Das Bild des Menschen im Arbeitsprozess - sowohl aus der Sicht der Führungskräfte als auch das Selbstbild des einzelnen Mitarbeiters - steht im engen Bezug zur Arbeitsmotivation, zur Leistungsbereitschaft und zur Produktivität.

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde das Menschenbild vom (von der) so genannten "Economic (wo)man" geprägt, das Vernunft und Nutzenmaximierung als wichtigste Motive des Menschen definiert. Bei diesem Bild ist der Arbeiter nur durch monetäre Anreize motivierbar, verantwortungsscheu und handelt zweckrational. Aus dieser Sicht ist deutlich abzuleiten, dass der Arbeiter letztlich nur durch Geld, gesicherte Arbeit, passende Arbeitsbedingungen, Lob, Beförderung etc. motivierbar ist. Neuere Metaanalysen haben sogar gezeigt, dass reizvolle Tätigkeiten durch Belohnungen und Verhaltenszwänge an Attraktivität verlieren. Der naheliegende Umkehrschluss, zukünftig auf Belohnungen zu verzichten, um damit die Motivation nicht zu beeinträchtigen, wäre aber genauso falsch und außerdem zu einseitig. Es ist stets auch darauf Rücksicht zu nehmen, ob diese Feedbackmöglichkeiten der Kontrolle oder der Information dienen und ob die Gratifikationen gerecht verteilt werden, insbesondere wie transparent, nachvollziehbar und in welchem Ausmaß.

Wer glaubt, dass dieses Menschenbild veraltet und längst überholt sei, liegt falsch, denn die Entwicklungen zahlreicher komplexer Entlohnungssysteme zeigen das Gegenteil.

Aus der sozialpsychologischen Sicht des Menschen entstand das Menschenbild des "Social man", das von den sozialen Motiven des Arbeiters in der Organisation geprägt war. Der arbeitende Mensch wird nicht mehr rein materiell von Be- und Entlohnungen geleitet, sondern von sozialen Motiven wie Zugehörigkeitsgefühl, Integration und Identität. Die Arbeitsmotivation beziehen die Menschen aus der zwischenmenschlichen Kommunikation und der Teilnahme an Entscheidungen. Für das Führungspersonal bedeutet dieses Menschenbild, dass sie weniger als Manager fungieren, sondern vielmehr in der Rolle eines Sprachrohres zur übergeordneten Leitstelle. Dazu gehören neben einer personenzentrierten Haltung auch das Ziel der sozialen Integration und der Entwicklung des Zugehörigkeitsgefühles der Untergebenen.

Die Selbstverwirklichung als oberstes Ziel der bekannten Bedürfnispyramide des Psychologen Abraham H. Maslow prägt stark das Menschenbild des so genannten "Self-actualizing-man", welches wieder etwas weg von der Gruppe und hin zum Individuum mit seiner Vielfalt an Bedürfnissen und Fähigkeiten geht. Sinn in der Tätigkeit finden und autonome Entscheidungen treffen zu können sowie sich mit dem Arbeitsziel identifizieren etc. führen zu einer erhöhten Arbeitsmotivation. Zu den Aufgaben der Führungskräfte zählen das Anregen, Unterstützen und Fördern. Sie sollen herausfinden, welche Aufgaben für den einzelnen Arbeitnehmer herausfordernd und befriedigend sind und fungieren dadurch als Mediator zwischen den Zielen des Unternehmens und des Arbeiters. Wird damit eine hohe Zielbindung (Commitment) erreicht, hat dies einen entsprechend großen Einfluss auf die Leistung. In diese Bestrebungen der Bedürfniserfüllung fallen psychologische Arbeitsplatzmaßnahmen wie Job-rotation, Job-enlargement und Job-enrichment, wobei aber die ersten beiden Maßnahmen eher der Arbeits- als der Verantwortungserweiterung dienen.

Die Vielfalt des Menschen macht es aber fast unmöglich, ein spezielles Menschenbild herauszunehmen, da in diesem Fall das Bild dem Menschen nicht gerecht würde. Daher versucht das Bild des "Complex man", das den Forschern zufolge am ehesten der Realität entspricht, die wesentlichen Aspekte der vorherigen Menschenbilder zu integrieren und den Fokus auf die persönlichen und die zwischenmenschlichen Bedürfnisse zu legen. Genau diese Sichtweise stellt aber ganz besondere Anforderungen an die Führungskräfte, denn hier gibt es keine generellen Strategien der Mitarbeitermotivation, sondern es ist je nach Individuum und Situation eine Analyse zu erstellen, um die Notwendigkeiten zu erkennen. Diese Betrachtung zeigt auch die enorme Herausforderung auf, vor der Führungskräfte stehen.

Betrachtet man nun den militärischen Alltag und das erlebte und gelebte Menschenbild, so stehen wir zumeist abseits von Selbstverwirklichung, von Autonomie, von situationsangepasster Führung, von Mitbestimmung, von Bedeutungszuschreibungen der erbrachten Leistungen, von gezielten Rückmeldungen aus Aufgabenerfüllungen etc. Die Aspekte eines Menschenbildes müssen allerdings auch unterschiedlichen Kontextbedingungen angepasst werden können, denn unter Einsatzbedingungen sind andere Faktoren vordergründig als im alltäglichen Verwaltungsbetrieb. Aber wird diese Differenzierung gelebt und bemerkt?

Es liegt an jedem/jeder einzelnen Mitarbeiter(in) und an jeder einzelnen Führungskraft, sein bzw. ihr Menschenbild abzugleichen sowie zu hinterfragen und die Rückschlüsse auf die Arbeits- und Mitarbeitermotivation zu ziehen!

Autor: Oberst dhmfD Mag. Christian Langer

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