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Vom Kongo bis in den Tschad

Die ORF-Dokumentation der weltweiten Einsätze des Österreichischen Bundesheeres von 1960 bis 2010

Das Österreichische Bundesheer leistet seit 50 Jahren Auslandseinsätze. Dass die österreichische Bevölkerung laufend Informationen über diese Einsätze "direkt ins Wohnzimmer" bekam und bekommt, ist u. a. ein Verdienst des ORF. Auch der Dokumentarfilm anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der Auslandseinsätze ist ein Teil dieser Informationen.

Am 11. Dezember 1960 war es soweit. Erstmals seit Bestehen des Österreichischen Bundesheeres der Zweiten Republik flogen Angehörige dieses Heeres mit amerikanischen Militärmaschinen in einen Auslandseinsatz, und zwar in die ehemalige Kolonie Belgisch-Kongo. Dort tobte ein politischer Machtkampf zwischen der Zentralregierung und der abtrünnigen Provinz Katanga. Die Vereinten Nationen, denen Österreich seit Dezember 1955 angehört, hatten an die seit fünf Jahren freie Republik Österreich das Ersuchen gestellt, eine Sanitätseinheit des erst fünf Jahre alten Bundesheeres zur Unterstützung der UNO-Truppen aber auch zur Hilfeleistung für die vom Kriegsgeschehen gezeichnete Zivilbevölkerung zu entsenden. Das war für die Regierung in Wien eine schwierige Entscheidung. Denn erstens sahen die gesetzlichen Bestimmungen keinen Einsatz des neutralen Österreichs außerhalb seiner Grenzen vor und zweitens war das damalige Bundesheer für so weit entfernte Einsätze weder vorbereitet, noch in der Lage sie durchzuführen. Die Politik hatte jedoch anders entschieden. Der damalige Außenminister Kreisky plädierte aufgrund außenpolitischer Interessen sehr stark für eine Entsendung österreichischer Soldaten nach Afrika, die Heeresspitze, repräsentiert durch den Generaltruppeninspektor, General der Infanterie Erwin Fussenegger, war dagegen. Kreisky setzte sich durch und seit diesem Zeitpunkt stehen österreichische Soldaten weltweit im Einsatz.

Die Probleme mit der Öffentlichkeit

Die sicherheitspolitische Lage war damals nicht einfach. Aufgrund der historischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte und nicht zuletzt aufgrund des Neutralitätsgesetzes wollte man nie wieder in kriegerische Konflikte hineingezogen werden, noch sollten österreichische Soldaten wieder jenseits der österreichischen Grenzen zum Einsatz kommen. Und auch in der Öffentlichkeit manifestierte sich der politische Wille, nicht indirekt in Konflikte hineingezogen zu werden, schon gar nicht mit eigenen Soldaten. So waren dann auch "Tricks" notwendig, um rot-weiß-rote Soldaten in das Krisengebiet Kongo zu entsenden. Die Österreicher wurden von ihren Truppenkörpern karenziert, gewissermaßen als Zivilisten wieder angestellt und dann in den Kongo geschickt.

Als die Sache öffentlich wurde und die Medien ausführlich darüber berichteten, "drehte" sich gewissermaßen die politische Debatte. Die ersten Bilder von unseren Soldaten auf dem Weg nach Afrika verstärkten das Bewusstsein um unsere militärische Leistungsfähigkeit. Und das war auch schon damals wichtig. Allein vom Zeitraum November 1960 bis Jahresende sind im ORF-Archiv 517 Beiträge (aus Info-Sendungen) über den Konflikt im Kongo und insbesondere über den Einsatz der Blauhelme in der Krisenregion ausgewiesen.

Das ORF-Archiv als Schatztruhe für Historiker

Leider fehlen von den vielen Schwarz-Weiß-Filmberichten aus der damaligen Zeit einige wesentliche Beiträge. Der Grund liegt darin, dass die Kameramänner ihre Arbeit unter technisch schwierigsten Bedingungen verrichten mussten, und dass damals noch von jedem Beitrag zwei Rollen - nämlich Film und Ton - separat gelagert werden mussten. Im Laufe der Zeit gingen daher von dem einen oder anderen Ereignis die Ton- oder die Filmrolle verloren. Dies ist sehr bedauerlich, aber angesichts der Fülle des Materials ist es möglich, diese Lücken zu schließen.

Berichterstattung aus den Einsatzgebieten

Von der ersten Stunde an - also vom Herbst 1960 bis zum heutigen Tag - konnte der österreichische Fernsehkonsument die meisten Informationen über den Einsatz österreichischer Soldaten - unserer Soldaten - über die Sender des ORF erhalten.

Bis zum Ende des Jahres 2009 gab es insgesamt 75 Auslandsmissionen, an denen mehr als 75 000 österreichische Soldaten teilgenommen haben. Aber auch 1 700 Polizisten kamen zum Einsatz und rund 800 Zivilpersonen. Seit 1960 mussten die Österreicher 48 Soldaten beklagen, die nicht mehr lebend in ihre Heimat zurückgekommen sind. Noch deutlich in Erinnerung ist wohl der schreckliche Tod des UNTSO-Militärbeobachters Major Hans Peter Lang, der während der israelischen Invasion im Libanon (25. Juli 2006) gefallen ist. Der Steirer fand zusammen mit drei Kameraden in seiner Stellung nach einem gezielten israelischen Angriff den Tod, und das war wohl der tragischste Fall der im Auslandseinsatz ums Leben gekommenen Österreicher.

Der ORF verfügt über dramatisches und ausführliches Bildmaterial von so gut wie allen weltweiten Einsätzen der letzten 50 Jahre.

Hervorragende Zusammenarbeit zwischen ORF und HBF

Viele Jahre nach 1960 begann die jetzige Heeresbild- und Filmstelle (HBF) ebenso, allerdings meist für den internen Gebrauch, mit der Herstellung von Reportagen aus den Krisengebieten. Die Filmberichte der uniformierten Kameramänner, Ton- und Lichtmeister usw. waren und sind von so hervorragender Qualität, dass der ORF in vielen Fällen das gedrehte Material in seinen eigenen Programmen verwenden konnte. Die Kooperation mit dieser Institution des Bundesheeres ist nicht genug zu loben. Bereits im Frühjahr 1990 verfasste der ORF eine Dokumentation im Hauptabendprogramm unter dem Titel "Im Dienste des Friedens - 30 Jahre Blue Berets". Zum großen Bundesheerjubiläum 2005 produzierte die Dokumentationsabteilung des ORF eine eigene DVD "Im Einsatz für den Frieden - 50 Jahre Österreichisches Bundesheer". Auch darauf werden die wichtigsten Einsätze unserer Soldaten ausführlich gezeigt. Mit Stolz konnten die Mitarbeiter dabei auf das seltene Filmdokument des ORF verweisen, das die ersten "Blauen Barette" bei der Parade von 1965 über die Ringstraße marschierend zeigt.

Der nun verfügbare Dokumentarfilm "Vom Kongo bis in den Tschad" umfasst alle wichtigen Einsätze von 1960 bis 2010. Dabei kommen nicht nur die politisch für Auslandseinsätze verantwortlichen Minister Darabos und Spindelegger zu Wort, sondern auch Soldaten aller Dienstgrade, deren Berichte und Erfahrungen mit der Kamera festgehalten wurden. Diese 45-minütige Dokumentation ist auch ein Beweis dafür, welche Leistungen österreichische Soldaten in den letzten 50 Jahren weltweit erbracht haben. Der Dokumentarfilm wird im Juni im ORF-Hauptabendprogramm gezeigt, ist aber auch (ab 16. Juni 2010) in der Jubiläums-Ausstellung "50 Jahre Dienst am Frieden" im Heeresgeschichtlichen Museum zu sehen.


Autor: Chefredakteur Prof. Walter Seledec, Jahrgang 1945, Absolvierung der Lehrerbildungsanstalt 1010 Wien, Matura, Einjährig-Freiwilligen- und danach Reserve- bzw. Milizoffizierslaufbahn, ab 1965 Studium der Zeitungswissenschaft und Politologie an der Universität Wien sowie Einsatz als Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Zeitungswissenschaft an der Universität Wien; ab 1970 Redakteur am Institut für militärstrategische Grundlagenforschung der Landesverteidigungsakademie; 1973 Eintritt in das Pressebüro des Österreichischen Bundestheaterverbandes, 1974 Übernahme der Leitung des Pressebüros des Theaters der Jugend/Wien; 1975 Presseoffizier des österreichischen UN-Bataillons in Damaskus; ab 1976 Pressesprecher des Freiheitlichen Parlamentsklubs und der Wiener Freiheitlichen Partei, ab 1979 Redakteur des ORF, 1991 Eintritt in das Schwarze Kreuz (ehrenamtliche Funktion) und in diesem Zusammenhang 1996 Teilnahme an der Einweihung eines Denkmals für die Opfer der Schlacht von Stalingrad (Komitee Zilk - Lichal - Hirnschall); 1997 Gründer des Sozialprojektes Wien-Wolgograd (Schüler- und Studentenaustausch, Unterstützung für Krankenhäuser) mit Unterstützung durch die Gemeinde Wien; 2001 Beförderung zum Brigadier des Österreichischen Bundesheeres (Miliz); seit 2002 Vorsitzender der parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekomission.


Ein Medienprofi am Wort

Der ORF-Redakteur Brigadier Walter Seledec hat seit über zwei Jahrzehnten die ORF-Berichterstattung über die Auslandseinsätze des Österreichischen Bundesheeres nachhaltig mitgeprägt - und damit indirekt auch die öffentliche Meinung darüber. TRUPPENDIENST interviewte den engagierten Medienprofi und Gestalter zahlreicher Berichte und Reportagen über Auslandseinsätze zu diesem Thema:

Herr Brigadier, welche waren Ihrer Meinung nach die wichtigsten Auslandseinsätze des Österreichischen Bundesheeres?

Der Einsatz in Afghanistan, weil dieser eine wichtige Bewährungsprobe im Rahmen eines großen internationalen Militäreinsatzes war, sowie die Verlegung in den Tschad als bahnbrechende humanitäre Aktion.

Ist die Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Einsätze ausreichend?

Mehr als wir vielleicht glauben. Die vielen freiwilligen Meldungen beweisen, dass großes Interesse besteht, und auch politisch gibt es keine nennenswerten Gegenströme.

Ist die Akzeptanz im Österreichischen Bundesheer für diese Einsätze ausreichend?

Die Situation hat sich gebessert. Für die Laufbahn eines österreichischen Soldaten müsste aber ein Auslandseinsatz verpflichtend sein.

Wenn Sie die österreichischen Soldaten im Auslandseinsatz mit denen anderer Nationen vergleichen, wie fällt dieser Vergleich aus?

Einem Vergleich mit anderen Nationen halten unsere Soldaten locker stand. Sie sind hervorragend ausgebildet, verfügen über Fähigkeiten, die nur Österreicher besitzen, und sind logistisch oft besser ausgestattet als in der Heimat.

Wie haben Ihrer Meinung nach die österreichischen Medien bislang über die Auslandseinsätze berichtet? Wird der Einsatz der österreichischen Soldaten im Ausland von den Medien ausreichend gewürdigt?

Die Information und die Berichterstattung in den Medien in Österreich sind korrekt, und ausreichend. Die Medien behandeln meiner Ansicht nach unsere Soldaten dabei fair und - das kann man auch ruhig sagen - immer anerkennend.

Was war Ihrer Meinung nach der Konkretnutzen für den Steuer zahlenden Staatsbürger?

Jeder österreichische Staatsbürger profitiert davon, dass österreichische Soldaten weltweit großes Ansehen besitzen. Man müsste aber auch im Inland die Truppen finanziell so unterstützen, dass der Soldat im eigenen Lande gebührend geschätzt wird.

Was war der Konkretnutzen der Auslandseinsätze für Europa?

Mit solchen Einsätzen werden die Grundlagen für den Aufbau einer europäischen Armee sinnvoll, intelligent und zweckentsprechend geschaffen. Auch wenn wir leider davon noch weit entfernt sind.

Und was war der Konkretnutzen für die Welt?

Die UNO ist umso stärker, je früher sie Krisen und Konflikte weltweit rasch begrenzt und nach Möglichkeit aus der Welt schafft.

Welche Einsätze würden wegfallen, wenn ein Berufsheer kommt oder eine (weitere) Budgetverminderung erfolgt? Was wäre die Folge aus der Sicht eines Medienprofis?

Die Gefahr, dass solche Einsätze wegfallen würden, käme ein Berufsheer, sehe ich nicht. Tragisch wäre allerdings eine weitere Budgetverminderung. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler der Politik, sich von einer verantwortungsvollen Position im Bereich Sicherheit zu verabschieden. Oder ist dieser Zustand schon eingetreten?

Wo sollten Ihrer Meinung nach die Prioritäten bei österreichischen Auslandseinsätzen liegen?

Im Prinzip gilt: Österreich sollte an allen Einsätzen (von humanitären Einsätzen bis zum Peacemaking; Anm.) teilnehmen, die notwendig sind.

Dürfen Auslandseinsätze auf Kosten von Inlandsaufgaben gehen?

Auslandseinsätze werden in Zukunft Priorität vor Inlandsaufgaben haben. Der Dienst im Inland sollte den Milizverbänden vorbehalten sein. Die Sicherheit Österreichs und Europas wird nicht mehr an der Ostgrenze (Neusiedlersee) verteidigt, sondern weltweit.

Was war für Sie das ergreifendste Auslandsereignis?

Der Tod von Major Hans Peter Lang im Libanon aufgrund der israelischen Angriffe und wie man diesen Tod der politischen Realität untergeordnet hat. Die Urheber wurden nie verurteilt.

Wen würden Sie in Zusammenhang mit Auslandseinsätzen gerne "vor den Vorhang holen"?

Die einfachen Rekruten und Soldaten, die fern der Heimat dem Frieden dienen.

Wenn Sie in Bezug auf Auslandseinsätze einen Wunsch frei hätten, wie würde dieser lauten?

Auf in die Europa-Armee!

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