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Das Österreichische Bundesheer in Bosnien und Herzegowina

Vom Konflikt im ehemaligen Jugoslawien bis zur Mission EUFOR "Althea"

Das Österreichische Bundesheer beteiligt sich seit 1996 an den internationalen Operationen zur Beendigung des jugoslawischen Zerfallskrieges mit einem Truppenkontingent in Bosnien und Herzegowina. Nach der Implementierung und Stabilisierung der Vereinbarungen des Dayton-Abkommens unter NATO-Kommando (Stichworte: IFOR und SFOR) sorgt nun die Europäische Union mit EUFOR "Althea" unter österreichischem Kommando für Sicherheit.

Nach der Gründung der ersten serbischen autonomen Regionen in Bosnien am 27. Juni 1991 verschärften sich die Spannungen zwischen den Volksgruppen bis zur Ausrufung der Serbischen Republik in Bosnien im Jänner 1992. Die Unabhängigkeitserklärung der Republik Bosnien und Herzegowina am 5. April 1992 bedeutete eine markante Zäsur im Konflikt um die Macht im zerfallenden Staat. Dies ließ allerdings nicht auf den sicher langfristig vorgeplanten Beginn der Operationen der serbischen Kräfte am 7. April 1992 schließen. Diese hatten in den Monaten zuvor erhebliche personelle und materielle Unterstützung durch die ehemalige Jugoslawische Volksarmee (JVA) erhalten. Innerhalb weniger Wochen brachten sie mehr als die Hälfte des Territoriums der von den Vereinten Nationen anerkannten Republik unter ihre Kontrolle.

Nachdem die Serben durch Kampfhandlungen in Kroatien ab April 1991 weite Teile der serbischen Siedlungsräume im Gebiet um Knin, in der Lika und in der Krajina sowie in Westslawonien (Pakrac-Gebirge) unter serbische Kontrolle gebracht hatten, stand 1992 die Sicherung der Versorgungslinien im Vordergrund der Operationen der Jugoslawischen Volksarmee. Diese Versorgungslinien gingen unter der Bezeichnung "Nordkorridor" bzw. "Ostkorridor" in die Kriegsgeschichte ein. Während der Ostkorridor zur Gänze durch serbisches Gebiet verläuft, führt der Nordkorridor über längere Strecken durch bosniakisches bzw. kroatisches Siedlungsgebiet. Zwischen Prijedor und Knin quert er alle vier dinarischen Gebirgsketten und ist damit leicht sperrbar. Dies sowie die Tatsache, dass die einzige Ausweichroute über kroatisches Staatsgebiet verlief, sollte sich mit Fortdauer der Kämpfe als schwerer operativer Nachteil für die JVA erweisen.

Der Beginn der serbischen Operationen brachte zunächst die Aktivierung der beiden Krajina-Korps in Banja Luka und Drvar sowie der operativen Gruppe Knin. Nach dem Aufmarsch aus Serbien wurden Korpskommanden in Bijeljina, Pale, Nevesinje und Bileca stationiert. Das Armeekommando wurde in einer weitläufigen Bunkeranlage bei Han Pijesak eingerichtet. Ziel der Operationen waren zunächst die Vorstöße nach Zentralbosnien über das Bosna-Tal, von Banja Luka durch das Vrbas-Tal und von Bosanski Grahovo durch das Livansko Polje. Diese Vorstöße konnten von kroatischen Kräften vor Jajce sechs Monate verzögert und schließlich bei Livno, Bugojno und Maglaj zum Stillstand gebracht werden. Im April 1993 brachen in Zentralbosnien heftige Kämpfe zwischen Kroaten und bosnischen Muslimen aus. In dieser Schwächephase gelang im Juli 1993 den serbischen Kräften die fast vollständige Einkesselung von Sarajewo, die bis zum Kriegsende im September 1995 andauerte. Lediglich der Raum nördlich Bihac konnte von Kräften des V. Bosnischen Korps während der gesamten Kriegsdauer gehalten werden. Der kroatische Einflussbereich schrumpfte auf einen Streifen im dalmatinischen Hinterland zwischen der Neretva und dem Raum Livno.

Bemühungen zur Eindämmung des Konfliktes

Auf Vermittlung der Europäischen Gemeinschaft kam es am 8. Juli 1991 zum Abschluss des Brioni-Abkommens, das einen Waffenstillstand in Slowenien und letztlich durch den Entschluss des jugoslawischen Staatspräsidiums den Abzug der Bundesarmee aus Slowenien am 18. Juli zur Folge hatte.

Die Anerkennung der Republiken Slowenien und Kroatien durch die Europäische Gemeinschaft und durch zwanzig weitere Staaten am 15. Jänner 1992 brachte jedoch nur vorübergehend eine Entspannung, da sich der nächste Konflikt - jener in Bosnien - bereits wenige Wochen später abzuzeichnen begann.

Der weitgehend unglücklich verlaufene Einsatz von ECMM-Beobachtern (European Community Monitoring Mission) ist einer der tragisch gescheiterten Versuche, mit "Good Offices" (Politik des "guten Zuredens", des "guten Willens"; Anm.) den Konflikt zu entschärfen und so zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln.

Das politische und militärische Eingreifen der UNO erreichte erst in der letzten Phase des Krieges in Kroatien bzw. am ersten Höhepunkt des Krieges in Bosnien und Herzegowina (BiH) ein Ausmaß, das eine versuchte Eindämmung erkennen ließ.

Am 8. Oktober 1991 wurde der ehemalige U.S.-Außenminister Cyrus Vance von UN-Generalsekretär Boutros Boutros Ghali als persönlicher Beauftragter nach Kroatien entsandt. Der im Jänner 1993 vorgelegte Vance-Owen-Plan (Lord Owen war seit Ende August 1992 EU-Vermittler), der eine Aufteilung Bosnien und Herzegowinas nach (allerdings neuentstandenen) ethnischen Grundlagen vorsah, wurde letztlich genauso wie der Vance-Stoltenberg-Plan vom Juli 1993, der eine Konföderation von drei Republiken für Bosnien und Herzegowina anstrebte, von allen drei Kriegsparteien aus unterschiedlichen Motiven abgelehnt.

Die Resolution 743 des Sicherheitsrates vom 21. Februar 1992 führte zur Aufstellung der United Nations Protection Force (UNPROFOR), die im Wesentlichen in den Randregionen der bisherigen serbischen Eroberungszonen in Kroatien in der Stärke von vorerst 21 000 Mann die militärische Kontrolle übernehmen hätte sollen. Die Mission wurde im Juni 1992 auch auf das Gebiet von Bosnien und Herzegowina erweitert und die Gesamtstärke auf über 38 000 Angehörige angehoben.

Die Hauptaufgaben sollten sein:

  • die Sicherung der Operation "Provide Promise" (Luftversorgung von Sarajewo über den Flugplatz vom 3. Juli 1992 bis 9. Jänner 1996; diese Luftversorgung war die am längsten dauernde Luftbrücke seit Berlin 1948/49);
  • die Einrichtung von Schutzzonen in sechs Städten (Srebrenica, Zepa, Gorazde, Tuzla, Bihac, Sarajewo) als Sicherheitszonen für die bosnisch-muslimische Bevölkerung (UN-Resolution 824 vom 6. Mai 1993);
  • die Unterbindung aller militärischen Flüge ("Deny Flight") über Bosnien und Herzegowina, die allerdings von NATO-Luftwaffenverbänden wahrgenommen wurde.

Entgegen den ursprünglichen Absichten wurden die UNPROFOR-Verbände jedoch immer mehr in die Auseinandersetzungen hineingezogen bzw. direktes Angriffsziel meist serbischer Einheiten und hatten phasenweise hohe Verluste (167 Tote und zahlreiche Verwundete bis März 1995) zu beklagen.

In der Adria führten NATO-Marineeinheiten die Operation "Sharp Guard" zur Überwachung des seit September 1991 gültigen Embargos der EU gegen Jugoslawien durch.

Die Lage im Frühjahr 1995

Nach fast vier Jahren oft nur phasenweise unterbrochener Kampfhandlungen zeigte sich, dass das Territorium von Serbien und Montenegro von den Kriegshandlungen nicht direkt betroffen war.

Hingegen hatte die Ausdehnung des serbischen Machtgebietes im bosnischen Raum nun fast das Maximum erreicht. Aufgrund der bisherigen internationalen Reaktionen war zu diesem Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit am größten, dass die bosnisch-serbische Führung ihre bereits erreichten Ziele hätte halten können.

Die letzten zum Teil erfolgreichen Versuche bosnisch-serbischer Verbände im Frühjahr und Sommer 1995, die operative Initiative zurückzugewinnen, waren einzelne Angriffe gegen die von den Truppen der Vereinten Nationen garantierten Schutzzonen (Gorazde, Tuzla, Srebrenica, Zepa). Das von bosnisch-serbischen Truppen nach der Eroberung von Srebrenica am 13. Juli 1995 verübte Massaker an bosnisch-muslimischen Gefangenen (mehrere Tausend wurden ermordet) führte letztlich im August zum massiven Eingreifen der NATO mit Luftstreitkräften und einzelnen Heeresverbänden.

Nachdem die Operation "Blitz" im Frühjahr 1995 zur Vertreibung der Serben aus Westslawonien geführt hatte, fiel die Entscheidung in diesem Krieg in Westbosnien. Für die Operation "Sturm" wurden Anfang August 1995 korpsstarke Kräfte im Raum Gospic, zwei Brigaden im Raum Karlovac und im Raum Sisak sowie ein Regiment im Raum Livno bereitgestellt. Diese kroatischen Verbände stießen am 4. August 1995 rasch nach Westbosnien vor und konnten die durch Nachschubprobleme stark geschwächten serbischen Korps isolieren und in Teilen schlagen. Bereits am 6. August kam es zur Vereinigung mit dem V. Bosnischen Korps im Raum Bihac, das seinerseits Mitte September auf Sanski Most und Bosanski Petrovac (B. P.) vorrückte. Zur Vorbereitung der Operation "Sturm" wurden bereits am 30. Juli mehrere Stöße in die Tiefe des Gegners auf Bosanski Grahovo (B. G.) und Drvar geführt. Zwischen Karlovac und Sisak wurden sechs Landwehrregimenter eingesetzt, um ein Ausweichen serbischer Kräfte nach Kroatien zu verhindern. Im Großen und Ganzen war die Operation am 8. August 1995 abgeschlossen. Kleinere kroatisch-bosniakische Vorstöße sowie Luftangriffe von NATO-Verbänden führten schließlich Ende September zum Waffenstillstand. Eine wesentliche Folge der Operation war die Vertreibung von etwa 200 000 Serben aus der Lika nach Nordbosnien.

Bilanz des Krieges:

Während die Verluste während der Kämpfe in Slowenien sehr gering geblieben waren und nur wenige Zivilisten starben, kann dem Krieg in Kroatien und speziell in Bosnien phasenweise der Charakter eines Vernichtungskrieges nicht abgesprochen werden.

Zahllose Morde an Zivilisten und gefangenen Kombattanten wurden oft erst nach dem Ende der Kampfhandlungen verübt. Die Verluste an Menschenleben sind schwer zu quantifizieren, werden jedoch auf mindestens 180 000 Tote zwischen 1991 und 1995 zu beziffern sein. Andere Schätzungen, die auch die Verluste im Kosovo mit einbeziehen, sprechen unter Einrechnung der bis heute dauernd Vermissten von mehr als 250 000 Toten.

Zu Jahresbeginn 1997 war (nach Statistiken der UNO in Genf) das Schicksal von rund 25 000 Personen (davon 20 000 allein aus dem Raum Bosnien und Herzegowina) ungeklärt. Das Rote Kreuz verfügt über rund 16 000 Personensuchmeldungen von Vermissten.

Die Anzahl der oft systematisch verübten Vergewaltigungen soll sich auf mindestens mehrere tausend bis maximal 70 000 Fälle belaufen.

Der Begriff Ethnische Säuberung trat als Unwort des Jahres 1992 in den Sprachgebrauch Europas ein.

Die Anzahl der Flüchtlinge und Vertriebenen im Gefolge der Kämpfe zwischen 1991 und 1995 betrug im August 1994 allein fast 3,8 Millionen im ehemaligen Jugoslawien. Etwa eine Million Menschen waren in verschiedene europäische Staaten geflüchtet.

Die Einrichtung von brutal geführten Gefangenenlagern - regelrechten Konzentrationslagern - wurde im Sommer 1992 weltweit bekannt.

Die beginnende Ahndung einzelner Kriegsverbrechen durch das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zeigt nur die Spitze des Eisberges von zahllosen, nahezu unvorstellbaren Vorfällen auf.

Eingreifen der NATO

Von 12. April 1993 bis Anfang März 1995 waren von den Luftstreitkräften der NATO bereits mehr als 52 000 Einsätze geflogen worden. Die Luftoperationen von NATO-Luftstreitkräften zum Schutz von UNPROFOR seit dem Frühjahr 1993 sowie die Überwachung des Flugverbotes für die Kriegsparteien über Bosnien ("Deny Flight") können als teilweise erfolgreich bezeichnet werden; ebenso die Einrichtung einer Luftbrücke nach Sarajewo seit Sommer 1992 zur Versorgung der Zivilbevölkerung. Schließlich brachte die Operation "Deliberate Force" zur Ausschaltung der bosnisch-serbischen Kommando- und Führungsstruktur (Command, Control, Communications - C3) und von Munitionsdepots, Brücken und einzelnen Luftabwehrstellungen ab 30. August 1995 die militärische Entscheidung.

Über die U.S.-Vermittlung (Vermittler Richard Holbrooke) und wohl auch aufgrund eines massiv ausgeübten wirtschaftlichen und militärischen Druckes kam es am 21. November 1995 zur Paraphierung des Abkommens von Dayton (Ohio, USA). Der feierliche Friedensschluss in Paris folgte am 14. Dezember 1995.

Auch die Operation "Joint Endeavour", die Organisation der Verlegung der IFOR (International Peace Implementation Force) nach Bosnien ab Jahresende 1995 kann letztlich - im Gegensatz zu den vorangegangenen Operationen - als erfolgreich bezeichnet werden. Die Ablösung der IFOR durch die SFOR (Stabilisation Force) ab 20. Dezember 1996 ging mit der Halbierung der ehemaligen IFOR-Stärke von 60 000 auf 31 000 Mann einher. Die SFOR-Mission wurde bis zum Auslaufen des Mandats für den NATO-Einsatz unter Beteiligung zahlreicher Staaten, die das Partnership for Peace-Abkommen (PfP) unterzeichnet hatten, fortgesetzt.

Die Mission EUFOR "Althea"

Am 4. Dezember 2004 übernahm die EU während einer feierlichen militärischen Zeremonie die bisher von der NATO geführten Kräfte in Bosnien und Herzegowina. Völkerrechtlich ist der Einsatz durch die Sicherheitsratsresolution 1575 (2004) der Vereinten Nationen legitimiert, die militärischen Aspekte des Friedensabkommens umzusetzen. Wie die SFOR arbeitet auch die EUFOR unter Kapitel VII (Friedensdurchsetzung) der UN-Charta.

Mit der Übernahme der Bosnien-Mission stellt die EU in der Krisenregion - neben der zivilen Wiederaufbauhilfe und der Polizeimission der EU (European Police Mission - EUPM) seit dem Winterbeginn 2004 nun auch die militärische Komponente. Eine Überleitung in die "neue" Mission war mit keinen großen personellen Hindernissen verbunden, da mehr als 80 Prozent der Soldaten der SFOR bereits aus den Mitgliedstaaten der EU kamen. Das Hauptquartier von EUFOR ist das gleiche wie das der NATO-Mission, das Camp Butmir nahe dem Gelände des Flughafens von Sarajewo.

Als Einsatzraum selbst ist nunmehr ausschließlich Bosnien und Herzegowina festgelegt. Kroatien wird nur mehr für den Transit von Truppen und Versorgungsgütern nach Bosnien und Herzegowina genützt. Politisch bedeutsam ist aber der Aspekt, dass mit der Übernahme von SFOR durch die EU das europäische Gesamtpaket in Bosnien abgeschlossen wurde.

EUFOR "Althea" wurde auf der Basis des Berlin-Plus-Abkommens gestaltet: Um die Errichtung von Doppelstrukturen zu verhindern, greift die EU auf Mittel und Fähigkeiten der NATO zurück. Der Oberbefehlshaber der Gesamtoperation (Operational Command - OPCOM) ist, wie bei Berlin-Plus-Operationen üblich, der stellvertretende NATO-Oberkommandierende (Deputy Supreme Allied Commander Europe - D-SACEUR).

Die NATO spielt auch weiterhin eine gewichtige Rolle in Bosnien und Herzegowina, zumal auch dieses Land die Perspektive für eine spätere Mitgliedschaft im Nordatlantischen Bündnis erhalten soll. Militärische und zivile Expertenteams der NATO waren eingesetzt, um der örtlichen Regierung bei der Reform ihres Verteidigungssektors zu helfen und die Mitgliedschaft des Landes beim Programm Partnership for Peace vorzubereiten. Die ca. 150 Mann starke NATO-Truppe befindet sich auf dem gleichen Gelände und in den gleichen Gebäuden wie das Hauptquartier von EUFOR.

Die Aufgabe von EUFOR "Althea" ist es, ein sicheres und gesichertes Umfeld zu schaffen, in dem Bosnien und Herzegowina seine Bemühungen hin zu dem langfristigen Ziel einer EU-Mitgliedschaft verwirklichen kann. Diese Perspektive des EU-Beitrittes ist zum wichtigsten Motor für die Reformen in Südosteuropa geworden.

Derzeitiger Auftrag von EUFOR

Die Aufgabe von EUFOR "Althea" ist es, gemäß dem Dayton-Abkommen, zur Schaffung eines sicheren und gesicherten Umfeldes (SASE) beizutragen, das erforderlich ist, damit die Kernaufgaben im Rahmen des "Mission Implementation Plan" des Amtes des Hohen Repräsentanten (Office of the High Representative - OHR) sowie des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses erfüllt werden können.

Dies folgt aus dem Mandat von EUFOR "Althea", das auf den Gemeinsamen Aktionen des Rates vom 12. Juli 2004 sowie vom 8. November 2007 beruht.

EUFOR "Althea" agiert weiterhin in Übereinstimmung mit Kapitel VII der UN-Charta, zuletzt bildet die Resolution 1895 des UN-Sicherheitsrates vom 18. November 2009 die Grundlage. Diese jüngste UN-Resolution ermächtigt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Staaten, die in Zusammenarbeit mit ihr tätig werden, für weitere zwölf Monate mit der Operation fortzufahren.

Der Rat der EU-Außenminister bestätigte zuletzt am 26. April 2010 erneut die europäische Perspektive für Bosnien und Herzegowina. Die Operation "Althea" ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil des umfassenden Ansatzes, den die EU in Bosnien und Herzegowina unternimmt, um weitere Fortschritte auf dem Weg zur Integration dieses Staates in die EU zu erzielen. Daher werden die Bemühungen des Landes zur Erhaltung eines sicheren und gesicherten Umfelds unterstützt und das Exekutivmandat der Operation im Einklang mit der Resolution 1895 des UN-Sicherheitsrates fortgesetzt. Dabei unterstützt der Rat den Hohen Repräsentanten (High Representative - HR) und EU-Sonderbeauftragten (EU-Special Representatives - EUSR) Valentin Inzko (Österreich). So forderte der Rat alle Parteien in Bosnien und Herzegowina auf, allen vom HR gefassten Beschlüssen Folge zu leisten und nicht danach zu trachten, seine Autorität in Frage zu stellen.

Der Rat beschloss außerdem, den Kapazitätsaufbau und die Ausbildung der bosnischen Streitkräfte zu unterstützen. Die EU-Außenminister betonten in diesem Zusammenhang, dass die Reform des Sicherheitssektors ein wichtiger Bestandteil des allgemeinen Reformprozesses in Bosnien und Herzegowina sei und das militärische Engagement der EU zur Förderung der lokalen Eigenverantwortung und der lokalen Kapazitäten beitragen solle. Sollte es die Lage erfordern, ist die EU bereit, unter einem UN-Mandat weiterhin eine militärische Rolle mit Exekutivbefugnissen zu übernehmen, um diese Bemühungen auch über 2010 hinaus zu unterstützen.

Das Schwergewicht der Arbeit des Kommandos von EUFOR "Althea" liegt daher derzeit in der Planung und Führung der multinationalen "Force" und der Koordinierung der aus 25 Nationen bestehenden Truppe. Eine zusätzliche Herausforderung ist die Implementierung einer neuen Stabsabteilung (Trainings-Division) und mobiler Training Teams für die Ausbildungs- und Trainingsaufgaben für die Sicherheitskräfte (Polizei, Militär etc.) des Landes.

Generalmajor Mag. Bernhard Bair, Kommandant von EUFOR (COMEUFOR):

Generalmajor Bair wurde 1955 in Zams in Tirol geboren. 1973 rückte er zum Bundesheer ein, absolvierte später die Militärakademie und war in verschiedenen Verwendungen im Versorgungsregiment 1 in Zwölfaxing tätig. Nach der Generalstabsausbildung war Bair unter anderem als Stabschef der 4. Panzergrenadierbrigade in Linz/Ebelsberg und im Logistikbereich im Verteidigungsministerium eingesetzt. Seit 2002 leitet er das Kommando Einsatzunterstützung. Auslandserfahrungen sammelte Bair bereits als Kompaniekommandant in Zypern, als Verteidigungsattaché in Kroatien und durch verschiedene Ausbildungslehrgänge, unter anderem in Rom und Genf.

Die Sicherheitssituation im Einsatzraum

Die Sicherheitssituation in Bosnien und Herzegowina ist weitgehend stabil. Es gibt für die Internationale Gemeinschaft und für EUFOR weder eine unmittelbare Bedrohung noch gab es Vorfälle, die das sichere und gesicherte Umfeld beeinträchtigt hätten. Die Bevölkerung ist EUFOR gegenüber zudem überaus positiv eingestellt. Tatsache ist aber, dass die drei Bevölkerungsgruppen nach wie vor nebeneinander und nicht miteinander leben und ihnen eine gemeinsame Zukunftsvision fehlt. Dies hat sich trotz der stattgefundenen institutionellen Reformen, wie Verteidigungs- und Polizeireform, nicht geändert. Im Gegenteil, die Rhetorik ist zunehmend nationalistisch und aggressiv geworden.

Die politischen Misserfolge der letzten Monate, wie

  • der gescheiterte "Butmir-Prozess" (Reformvertrag über die Festigung der gesamtstaatlichen Institutionen; Anm.),
  • die Nichtaufnahme in die sogenannte "White Schengen List" (Visa-Liberalisierung),
  • die Nichterteilung der Einladung zum "NATO Membership Action Plan" (MAP) oder
  • die Serbien zuerkannte EU-Beitrittsperspektive im Dezember 2009,

waren Rückschlage für das Land und haben nicht gerade zu einem besseren politischen Klima beigetragen. In den nächsten Monaten sind angesichts der im Oktober 2010 stattfindenden Gesamtwahlen in Bosnien und Herzegowina keine maßgeblichen Fortschritte zu erwarten.

Zu den derzeit intensiv diskutierten, kontroversen oder ungelösten Themen gehört beispielsweise die noch immer ungelöste Frage des ex-jugoslawischen Staatseigentums, dem auch der Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrates bei seinem Treffen vom 25. bis 26. Februar 2010 machtlos gegenüberstand. Die Regierung der Republika Srpska (RS; Bosnien und Herzegowina ist innerstaatlich in zwei Entitäten geteilt - einerseits in die bosniakisch dominierte Föderation Bosnien und Herzegowina und in die serbisch dominierte Republika Srpska; Anm.) lehnt es offiziell ab, das durch das OHR erstellte Staatseigentumsinventar als Basis für weitere Diskussionen heranzuziehen.

Weitere Themen sind

  • die Energiefrage im Brcko Distrikt,
  • die für 2011 avisierte Volkszählung,
  • die Entlassung von rund 2 500 Soldaten der BiH-Streitkräfte und die durch diese bereits durchgeführten und angekündigten Proteste sowie
  • die Referendumsdebatte oder die Verfassungsdiskussion.

Solange keine Fortschritte erzielt werden, kann auch keine Entscheidung zur Schließung des OHR (Office of the High Representative) getroffen werden, was wiederum eine Voraussetzung für die Annäherung Bosnien und Herzegowinas an die EU und die NATO darstellt.

Das schon seit Jahren im Raum stehende und durch den Premierminister der Republika Srpska, Milorad Dodik, nun wiederholt angekündigte Referendum innerhalb der Republika Srpska versetzt sowohl die Politiker als auch die Internationale Gemeinschaft in Aufregung. Der Gegenstand dieses Referendums ist noch nicht fixiert. Mögliche Themen sind die bei den sogenannten "Bonn-Powers" getroffenen Entscheidungen des High Representative und der EU-Special Representatives vom Dezember 2009 über die Verlängerung der Mandate von ausländischen Richtern und Staatsanwälten und/oder die NATO-Mitgliedschaft. Am Ende, so wird befürchtet, könnte aber die Frage gestellt werden, ob sich die Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina abspalten sollte. Die Bosniaken jedenfalls sehen in diesem Gesetz die Grundlage für eine Sezession der Republika Srpska. Mit der Referendumsdebatte sollen einerseits die Wähler für den bevorstehenden Wahlkampf mobilisiert werden, andererseits soll sie wohl der Austestung der Toleranzgrenzen der Internationalen Gemeinschaft dienen. Tatsächlich wird die Abhaltung eines allfälligen Referendums als Angriff auf das Dayton-Abkommen gesehen und könnte unkontrollierte Entwicklungen auslösen. Aus Sicht der Internationalen Gemeinschaft muss dieses Referendum daher verhindert werden. Trotzdem wird derzeit an der Schaffung der rechtlichen und technischen Grundlagen für die künftige Abhaltung von Referenden gearbeitet.

Um internationale Verpflichtungen gegenüber der EU und der NATO zu erfüllen, sind grundlegende Änderungen der Verfassung Bosnien und Herzegowinas notwendig. Der "Butmir-Prozess" als EU-U.S.-Initiative, deren Ziel es war eine umfassende Verfassungsreform zu starten, wurde von den bosniakischen, serbischen und kroatischen Parteien abgelehnt. Bei den Bemühungen, die damals vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, konnten in letzter Zeit keine Fortschritte erzielt werden. Wichtig ist aber, dass eine Art "Post-Butmir-Prozess" auf technischer Ebene fortgesetzt wird. Die praktisch von der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina selbst geschriebene Verfassung hat sich nicht nur als überaus kompliziert und teuer (rotierende Präsidentschaft, Regierungen sowohl für die einzelnen Entitäten als auch für den Zentralstaat) erwiesen, sondern sie verstößt auch gegen das durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ergangene Urteil "Sejdic-Finci gegen Bosnien und Herzegowina" vom Dezember 2009. So wurde Bosnien und Herzegowina darin für die Diskriminierung der Minderheitengruppen, die nicht den drei Staatsvölkern angehören, verurteilt. Für die Erlangung von politischen Ämtern müssen nun die gleichen Chancen für Minderheiten in die Verfassung implementiert werden. Im Falle einer Nichtimplementierung des Urteils müsste als radikalste Maßnahme mit einer Aussetzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens gerechnet werden. An der Umsetzung der Implementierung des Urteils wird derzeit gearbeitet.

Trotz der insgesamt schwierigen Situation verzeichnet man in gewissen Bereichen Fortschritte. Gute Beispiele dafür sind

  • die Annahme von notwendigen Gesetzen für die Zuerkennung von Kredithilfen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds,
  • die durch die RS angenommenen Änderungen zum Staatsbürgerschaftsgesetz (die eine Bedingung für die Beendigung der OHR-Aufsicht über den Brcko District darstellen) oder
  • Fortschritte beim "Fahrplan" für die Visa-Liberalisierung.

Während die Staatsbürger Serbiens, Mazedoniens und Montenegros seit 1. Jänner 2010 ohne Visum in die EU reisen können, ist Bosnien und Herzegowina von der Visa-Pflicht noch nicht befreit. Tatsächlich betrifft diese Pflicht primär die bosnischen Muslime, weil der andere Teil der Bevölkerung zusätzlich im Besitz von serbischen oder kroatischen Pässen ist und damit keinen solchen Beschränkungen unterliegt. Die bei der Visa-Liberalisierung unlängst durchgeführten Überprüfungen durch Expertenteams der Europäischen Kommission verliefen positiv. Die von Bosnien und Herzegowina erhoffte Befreiung von der Visa-Pflicht bereits ab Juli 2010 wird sich aber aus derzeitiger Sicht aus technischen Gründen nicht ausgehen und wird frühestens für den Herbst 2010 erwartet.

Perspektiven für EUFOR

Angesichts des jüngsten Beschlusses des EU-Außenministerrates vom 26. April 2010, nicht nur die bestehenden Aufgaben von EUFOR "Althea" unverändert zu belassen, sondern diese durch zusätzliche Ausbildungs- und Trainingsaufgaben zu erweitern, müssen einige technische Anpassungen vorgenommen werden. Die neuen Trainingsaktivitäten und die neuen militärischen Aufgaben werden in das bereits bestehende Aufgabenspektrum eingegliedert. Der Schwerpunkt liegt hier v. a. in der taktischen Ausbildung (Führungs- und Informationssysteme, Medical Evacuation, Waffenausbildung usw.).

Die Erfüllung bestehender Aufgaben ist aufgrund der Truppenabzüge einiger EU-Mitgliedstaaten kritisch. Eine Präsenz von EUFOR bis über die Wahlperiode (Oktober 2010) hinaus ist aus Sicht der meisten EU-Mitgliedstaaten erforderlich und logisch. In diesem Zusammenhang werden u. a. 190 zusätzliche österreichische Soldaten nach Bosnien und Herzegowina entsandt.


Autor: Die historische Entwicklung des Konfliktes in Bosnien und Herzegowina sowie die Entwicklung des internationalen Eingreifens bis zum Einsatz von EUFOR "Althea" sind in verkürzter Form dem TRUPPENDIENST-Taschenbuch "EUFOR-"Althea"/Das Buch zum Einsatz" entnommen. Der Beitrag ab "Derzeitiger Auftrag von EUFOR" wurde durch den Political Advisor/HQ EUFOR "Althea", Mag. Patrycia Ciempka, bearbeitet.

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