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Joint Tactical Targeting

Targeting ist ein Verfahren der Zielbearbeitung, das dem Kommandanten den Einsatz seiner Mittel nachvollziehbar aufbereitet. Die Entscheidungen werden nach dem Top-down-Prinzip umgesetzt. Beim Joint Tactical Targeting agieren verschiedene Führungsfunktionen, Zellen und Zentralen innerhalb eines Gefechtsstandes miteinander, um bestimmte vordefinierte Ziele effektorientiert zu bekämpfen. Dieser Beitrag gibt Erkenntnisse aus dem Tactical Targeting Course der britischen Streitkräfte wieder.

Die britischen Streitkräfte betreiben Targeting, abgeleitet aus den Einsätzen im Irak und Afghanistan, mittlerweile seit mehreren Jahren und betrachten diesen Prozess als integralen Bestandteil ihrer Führungskultur. In Einsätzen der britischen Streitkräfte stellt Targeting sicher, dass definierte Ziele (z. B. ein gegnerischer Gefechtsstand, Brücken, Gebäude, einzelne Aufständische usw.) mit der militärischen Notwendigkeit bekämpft und/oder beeinflusst werden, unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben und Einschränkungen. Zur Umsetzung von Targeting innerhalb der jeweiligen Führungsebene haben die britischen Streitkräfte Spezialisten, die sogenannten Qualified Targeteer in ihrer Führungsstruktur integriert. Die Ausbildung zum Qualified Targeteer innerhalb der Landstreitkräfte findet an der Royal School of Artillery (RSA) in Larkhill statt. Ein Offizier und ein Unteroffizier des Österreichischen Bundesheeres absolvierten im Frühjahr 2010 diese fünfwöchige Ausbildung. Im folgenden Beitrag wird dargestellt, wie Targeting innerhalb der britischen Streitkräfte gesehen wird und welche Grundlagen nötig sind, um Targeting betreiben zu können.

Zweck von Targeting

Targeting befähigt die jeweilige Führungsebene, ISTAR (Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaissance)-Systeme zur Erkennung und Identifizierung von Zielen und zum Einsatz geeigneter Wirkungsmittel (Art der eingesetzten Munition, Waffe, Zünderauswahl etc.) zur Erreichung eines vorgesehenen Effektes sowie die Auswirkungen auf das Ziel selbst und bezogen auf seinen "Endzustand" (z. B. Vernichtung) festzustellen. Ein Effekt ist eine durch eine bestimmte Ursache hervorgerufene Wirkung in einer vorher definierten Qualität (z. B. Beschädigung des Zieles, Zerstörung des Zieles).

Targeting wird innerhalb der britischen Streitkräfte als Mechanismus gesehen, der den Einsatz von ISTAR-Systemen und streitkräftegemeinsamer taktischer Feuerunterstützung (Joint Fires) mit Influence Activities (alle beabsichtigten kinetischen oder nicht-kinetischen Aktivitäten, die Ziele im eigenen Sinne zu beeinflussen) koordiniert. Mit Targeting sollen Effekte erreicht werden. Die generelle Absicht zum Erzielen von Effekten wird durch Targeting-Forderungen (Action Verbs - z. B. zerstören, zerschlagen) vorgegeben (siehe Info Box).

Bei Einsätzen, die auch die Bekämpfung von Aufständischen (Counter Insurgency - COIN) beinhalten (z. B. Operation "HERRICK" der britischen Streitkräfte in Afghanistan), sind Entscheidungsbeeinflussungen anderer Akteure (Influence Activities - IA) für das effektorientierte Targeting wichtig. Diese stehen im Einklang zur strategischen Vorgehensweise (Comprehensive Approach) der politischen Führung und haben den Zweck, einen definierten "Endzustand" (Desired End-State) zu erreichen.

Seit Juli 2009 haben sich unter dem damaligen Kommandanten der ISAF, U.S.-General Stanley A. McChrystal, die Richtlinien für die Bekämpfung von Aufständischen in Afghanistan entscheidend verändert - durch eine genaue Abstimmung des Mitteleinsatzes und dessen Wirkung im Ziel. "Winning minds and hearts of people" gilt nun als Richtlinie für jegliches militärisches Handeln und verlangt eine noch stärkere Berücksichtigung von Influence Activities (z. B. durch Psychological Operations - PSYOPS) sowie seine Umsetzung im Targeting.

Rechtliche Grundlagen

Die Einsätze der britischen Streitkräfte richten sich stets nach den gültigen Rechtsnormen, dem politischen Willen und nach politischen Einschränkungen aus. Targeting richtet sich daher nach internationalen Rechtsnormen (z. B. Internationale Menschenrechtskonvention), nationalen Rechtsnormen (z. B. English Criminal Law), politischen Vorgaben und militärischen Vorgaben. Für die eingesetzten Streitkräfte wird das gesamte Spektrum dieser rechtlichen Grundlagen durch die Rules of Engagement (ROE), die Targeting Directives (TD) und die Kommandantenrichtlinien ausgedrückt.

Targeting Directives sind als Ergänzung zu den Rules of Engagement zu verstehen und liefern dem Qualified Targeteer alle Grundlagen für die notwendigen Beurteilungen bezogen auf den Einsatz von Indirect Fire Weapons. Eine Indirect Fire Weapon kann sowohl gelenkte als auch ungelenkte Munition sein, die durch land-, luft- oder seegestützte Waffenplattformen ausgelöst wird. Bevor ein definiertes Ziel durch Indirect Fire Weapons bekämpft werden darf, müssen bestimmte Fragen beantwortet sein.

Diese Vorgaben beeinflussen den Einsatz der verfügbaren Ressourcen durch den jeweiligen Kommandanten entscheidend, um einen bestimmten Effekt zu erzielen.

Die Regelungen für den Einsatz von Indirect Fire Weapons bei militärischen Einsätzen sind in vier Kategorien gegliedert:

  • Pre-Planned Targeting;
  • Accelerated Targeting;
  • Combat Engagement;
  • Self-Defence.

Pre-Planned Targeting ist gegen jene Ziele (Targets) gerichtet, die noch während des Führungsverfahrens beurteilt, identifiziert und aufgeklärt werden. Es ermöglicht den optimalen Mitteleinsatz zur Sicherstellung der erforderlichen Effekte unter Vermeidung von Kollateralschäden.

Accelerated Targeting (beschleunigtes Targeting) ist gegen Ziele, die zwar während des Führungsverfahrens beurteilt und identifiziert aber (noch) nicht aufgeklärt werden konnten (auch als Emerging Targets bezeichnet).

Combat Engagement ist die unmittelbare oder offensive Feuerunterstützung. Wenn die Bekämpfung von Zielen nicht im Rahmen von Pre-Planned- oder Accelerated-Prozessen geregelt wird, dann können diese (Bekämpfungs-) Aufgaben an die nachfolgende Führungsebene delegiert werden. Combat Engagement richtet sich meist gegen Ziele auf dem Gefechtsfeld, die die Kampftruppe bedrohen. Voraussetzung für den Einsatz der Feuerunterstützung ist allerdings die entsprechende Freigabe durch den (taktischen) Kommandanten. Ungeachtet dessen, muss durch eigene Kräfte

  • die Beobachtung des Zielraumes sichergestellt,
  • das Ziel positiv identifiziert (positive identified - PID) und
  • die Umfeldbedingungen im Zielraum berücksichtigt worden sein,
um zivile Strukturen zu schonen.

Self-Defence ist der Einsatz von letalen Mitteln zur Selbstverteidigung und ist in den (nationalen) Notwehr- und Nothilfe-Paragraphen geregelt. Unter bestimmten Umständen ist somit auch der Einsatz von Indirect Fire Weapons erlaubt, wenn der taktisch führende Kommandant zur Abwendung von erwarteten lebensbedrohlichen Situationen dies als letztes mögliches Mittel beurteilt.

Für eine mögliche Bekämpfung von Zielen durch indirektes Feuer muss der jeweilige Kommandant rechtzeitig qualifizierte Feuerunterstützungsorgane (z. B. Forward Air Controller, Steilfeuerbeobachter) vorsehen. Wenn diese im Bedarfsfall bei einer unvorhergesehenen Situation nicht zur Verfügung stehen, trägt der jeweilige Waffenplattform-Kommandant (z. B. Batteriekommandant etc.) der räumlich verantwortlich ist, die (rechtliche) Verantwortung für den Waffeneinsatz. Ist dieser dazu nicht in der Lage, liegt die letztendliche Entscheidung für einen Einsatz beim taktisch führenden Kommandanten vor Ort.

Eine Entscheidung zur Bekämpfung von Zielen im Rahmen von Pre-Planned Targeting und Accelerated Targeting erfordert immer die Klärung durch ein Targeting Board (siehe Grafik oben).

Das Delegieren von Verantwortung (Delegation of Authority), wird durch die Targeting Directives geregelt. Dadurch wird vorgegeben, ob und unter welchen Umständen Kommandanten der unterschiedlichen Führungsebenen die Autorität zur Freigabe der Bekämpfung von Zielen durch Indirect Fire Weapons besitzen. Kommandanten, die diese Feuer-Freigabe-Autorität (Weapons Release Authority) haben, werden in der Entscheidungsfindung durch einen eigenen Stab (Qualified Targeting Staff) unterstützt.

Die Aufgaben der Qualified Targeteers sind u. a.

  • so genannte Targeting Meetings für die Targeting Group vorzubereiten,
  • die notwendigen Analysen (z. B. Beurteilung möglicher Kollateralschäden) durchzuführen sowie
  • die getroffenen Entscheidungen zu dokumentieren und zu publizieren.

Beurteilung möglicher Kollateralschäden

Die Beurteilung möglicher Kollateralschäden durch die Qualified Targeteers ist fixer Bestandteil des Target Clearance Process und dient als Entscheidungsgrundlage, ob ein bestimmtes Ziel - aufgrund des gültigen Rechts und der delegierten Autorität - bekämpft werden darf.

Das Vereinigte Königreich unterscheidet vier verschiedene Stufen (Tier 1 bis 4) zur Risikoanalyse von unvermeidbaren Kollateralschäden.

Tier 1:

Innerhalb eines bestimmten Radius (in Grafik grün dargestellt) um das Ziel dürfen sich keine zivilen Strukturen (z. B. Wohnsiedlungen) befinden und auch keine zivilen Personen erwartet werden.

Tier 2:

Innerhalb eines individuellen und reduzierten Radius (je nach Waffenwirkung, in Grafik gelb dargestellt) um das Ziel dürfen sich keine zivilen Strukturen befinden und auch keine zivilen Personen erwartet werden. Die Risikoanalyse erfolgt mit computergestützten Berechnungen, die die Wirkung der unterschiedlichen Waffenplattformen und deren Munitionseffekte simulieren.

Tier 3:

Innerhalb eines individuellen und reduzierten Radius (je nach Waffenwirkung, in Grafik orange dargestellt) um das Ziel befinden sich (vereinzelte) zivile Strukturen. Die Risikoanalyse erfolgt ähnlich wie bei Tier 2.

Tier 4:

Reserviert für Bekämpfungen im urbanen Umfeld und bei hohen möglichen Kollateralschäden (in Grafik rot dargestellt). Die Risikoanalyse erfolgt wie bei Tier 2 bis 3 auf Basis umfangreicher Computersimulationen.

Die Bekämpfung von Tier 1- und Tier 2-Zielen ist somit nur erlaubt, wenn keine zivilen Opfer zu erwarten sind. Diese Entscheidung kann auch an die Kampftruppe delegiert sein. Die Bekämpfung von Tier 3-Zielen entscheidet die obere Führungsebene, von Tier 4-Zielen (ausschließlich) die strategische Ebene.

Targeting-Management

Targeting kann nur dann praktiziert werden, wenn neben der Festlegung von rechtlichen Grundlagen Strukturen geschaffen werden, die
  • alle Führungsebenen einbeziehen,
  • den Informationsaustausch zwischen diesen zulässt und
  • die Integration der Qualified Targeteers als Spezialisten zur Umsetzung von Targeting in die jeweiligen Stäbe vorsieht.

Targeting-Entscheidungsebenen

Die britischen Streitkräfte verfügen über vier Joint Targeting-Entscheidungsebenen:
  • das Verteidigungsministerium in Whitehall, London, für die militärstrategischen Ziele,
  • das ständige Streitkräfteführungskommando in Northwood für operatives Targeting and Information Operations (TIO),
  • das (Expeditional) Joint Force Headquaters (JFHQ) im Einsatzraum für die Durchführung und das Targeting auf taktischer Ebene sowie
  • die im Einsatz befindlichen Brigaden oder Battle Goups für das Targeting auf der untersten Entscheidungsebene innerhalb der britischen Landstreitkräfte.

Targeting Cell, Group und Board

Die Targeting Cell ist eine Zelle, die organisatorisch auf allen Targeting-Entscheidungsebenen existiert. Die Qualified Targeteers gehören zu dieser Zelle.

Eine Targeting Group ist keine organisatorisch permanent gebildete Zelle, sondern tritt dann zusammen, wenn eine entsprechende Targeting-Entscheidung fällig ist. Die Qualified Targeteers bereiten die Treffen (Targeting Meetings) für die Targeting Group vor. Das Targeting Board dient dabei als "Plattform" für die Targeting Meetings. Die Zusammensetzung der Mitglieder der Targeting Group ist abhängig von der Art der zu treffenden Entscheidung und der jeweiligen Targeting-Entscheidungsebene. Mitglieder der Targeting Group auf Brigadeebene unter der Leitung des eingeteilten Kommandanten können u. a. sein: der Rechtsberater (Legal Adviser), der politische Berater (Political Adviser), der CIMIC-Offizier, der G2, G3, G5, der ISTAR-Verbindungsoffizier, der Technische Offizier, der Information Operations Offizier, der EloKa-Offizier, der Feuerunterstützungsoffizier usw.

Die Entscheidungsfindung für einen Effekt auf ein bestimmtes Ziel wird im Target Authorisation Record dokumentiert. Entscheidungsträger sind Mitglieder des Targeting Board. Die rechtlichen Grundlagen und die Beurteilung möglicher Kollateralschäden sind dabei wesentliche Kriterien für die Freigabe/Nichtfreigabe (Yes/No) von Indirect Fire Weapons!

Land Targeting Cycle

Der Land Targeting Cycle ist ein Verfahren der britischen Landstreitkräfte zur Koordination unterschiedlicher Mittel und Kräfte, um messbare und festgelegte Effekte gegen jene Ziele zu erlangen, die den Prioritäten und der Absicht des taktisch führenden Kommandanten zur Auftragserfüllung entsprechen.

Targeting innerhalb der Landstreitkräfte unterliegt einem logischen, flexiblen und fortlaufendem Wechselspiel zwischen Führung und Durchführung und unterscheidet vier Schritte ("Funktionen" - functions):

  • Decide (entscheiden)
  • Detect & Track (erfassen & verfolgen)
  • Deliver (Einsatz der Mittel und Kräfte zum Erzielen der Effekte) und
  • Assess (beurteilen und bewerten).

Diese vier Schritte werden auch als D3A bezeichnet. D3A wird immer angewendet, wenn eigene Mittel zur Erzielung von Effekten eingesetzt werden müssen.

Der Verantwortungsbereich von Landstreitkräften für Targeting reicht bis ca. 300 Kilometer in die Tiefe des Gefechtsfeldes, der Planungshorizont beträgt bis zu 72 Stunden.

Decide:

Die Decide Funktion ist der einleitende und gleichzeitig entscheidende Teil des gesamten Targetings und erfordert die Einbindung eines Großteiles des Stabes. Grundlagen für das Targeting bilden die Vorgaben und Richtlinien (Guidelines) des Kommandanten.

Bei der Zielwertanalyse (Target Value Analysis - TVA) werden jene Hochwertziele (Ziele von hohem Wert) für die eigene Einsatzführung (High Value Targets - HVTs) identifiziert, deren Verlust die Auftragserfüllung des Gegners deutlich einschränken würde. Diese Ziele sind meistens im Bereich der taktischen und operationellen Schnittstelle des gegnerischen Systems zu finden (z. B. auf taktischer Ebene - ein Brückenlegepanzer vor einem Gewässer ohne Übergänge in einem bestimmten Radius). Diese Ziele werden in der Hochwertziel-Liste (High Value Target List - HVTL) erfasst. Daraus werden so genannte Prioritätsziele (High Payoff Targets -HPTs) zur Bekämpfung abgeleitet. Angestrebter Effekt ist die Reduktion der gegnerischen Kampfkraft und/oder seiner Handlungsfreiheit, um frühzeitig die taktischen Möglichkeiten des Gegners zu schwächen, bevor diese im Gefecht (close combat) wirksam werden können.

Detect & Track:

Die Detect & Track Funktion inkludiert alle Aktivitäten, um die definierten Ziele zu finden und wenn notwendig zu verfolgen. Ziele werden bis in jenem vorgegebenen Wirkungsraum verfolgt, in dem der geplante Effekt vorgesehen ist, oder der Einsatz von Indirect Fire Weapons durch die verantwortliche Targeting-Entscheidungsebene autorisiert wurde.

Der Einsatz der ISTAR-Systeme erfolgt unter der Verantwortung des G2-Stabes in Abstimmung mit dem Intelligence Collection Plan (Koordination der Aufklärungssysteme, welche Information wann und durch wen gesammelt und geliefert wird).

Deliver:

Die Deliver Funktion ist der "Ausführungsschritt", um vorgesehene Effekte bei ausgewählten und autorisierten Zielen entsprechend der Prioritäten des Kommandanten zu erreichen. Das Waffensystem, die Zeit und der Raum zur Bekämpfung eines Zieles müssen definiert und eine Wirkungsaufklärung im Ziel sichergestellt sein. Der Auslöser (Trigger) zum Einsatz eines Waffensystems kann das Ziel selbst (durch Erscheinen auf dem Gefechtsfeld) oder eine Aktivität des Zieles (z. B. Beziehen einer Feuerstellung), aufgeklärt an einem dafür bestimmten Entscheidungspunkt (Decision Point), sein.

Beim Decision Point muss eine Entscheidung für oder gegen eine Bekämpfung des Zieles getroffen werden.

Assess:

In der Assess Funktion wird überprüft, ob der erwartete Erfolg eingetreten ist, basierend auf den geforderten Effekten. Dabei werden nicht nur die physischen Einwirkungen der eigenen Mittel und Kräfte auf das jeweilige Ziel erfasst. Vielmehr muss eine Bewertung der funktionalen Beeinflussung (Überprüfen, ob der Zieleffekt gleich mit dem geforderten Effekt ist) sowie der Systemauswirkungen durchgeführt werden. Um letale und non-letale Effekte festzustellen, ist eine Wirkungsanalyse (Combat Assessment) notwendig.

Military Decision Making and Planning Process Die taktische Beurteilung der Lage (Tactical Estimate und Combat Estimate) bildet die Basis des Beurteilungsverfahrens (Military Decision Making and Planning Process - MDMP) auf taktischer Ebene. Targeting optimiert dabei die Nutzung und Verknüpfung von ISTAR-Systemen mit kinetischen- und nicht-kinetischen-Wirkungsmitteln, um die geforderten Effekte gegen Prioritätsziele im gesamten Verantwortungsbereich zu erreichen.

Combat Estimate

Der Combat Estimate Prozess ist ein verkürztes Kommandantenverfahren für die Brigade- und die Bataillonsebene. Zweck ist es, einen funktionierenden Gefechtsplan unter Zeitdruck zu erarbeiten. Sieben Fragen dienen dabei zur Orientierung. Voraussetzung ist ein genaues Lagebild und eine klare Auftragserfassung.

Intelligence Preparation of Battlefield

Ohne eine "Intelligence Preparation of Battlefield" (IPB) ist Targeting bei den britischen Streitkräften nicht denkbar. IPB ist ein Verfahren mit dem Zweck, unterschiedliche und kritische Faktoren anschaulich darzustellen, sowie Gefechtsentwicklungen zu beurteilen, um die Entscheidungsfindung des Kommandanten zu unterstützen. IPB ist also eine Art grafische Beurteilung des Geländes und des Gegners und wird in drei Beurteilungsschritten durchgeführt:

Battlespace Area Evaluation

Die Frage "Wie beeinflusst das Gelände die Handlungsoptionen des Gegners (und der Eigenen)?" steht im Mittelpunkt der Battlespace Area Evaluation (BAE). Hier wird eine detaillierte Aufbereitung des Geländes, der Witterungseinflüsse und der zivilen Strukturen, sowie der Bewegungslinien, der Beobachtungsmöglichkeiten (Sichtbarkeitsprofil) und der Hindernisse (Gewässer mit aktuellem Wasserstand, Stärke und Abstand von Bäumen, Gräben etc.) durchgeführt. Gelände- und witterungsbedingte Einflüsse auf die Mobilität von Gefechtsformationen werden als - Go-Terrain (offenes Gelände, kaum Einschränkungen/Hindernisse), - Restricted-Terrain (nur mit reduzierter Geschwindigkeit und/oder kanalisiert passierbar) und - Severely Restricted-Terrain (unpassierbares und/oder urbanes Gelände, das nicht umgangen werden kann) mit unterschiedlichen Farben und Schraffierungen gekennzeichnet.

Threat Evaluation

Die Threat Evaluation ist eine schablonenhafte Darstellung der Doktrin, der Hochwertziele (z. B. Kommandanten, Schlüsselpositionen) und der Schwächen des Gegners.

Threat Integration

Die Threat Integration ist die Beurteilung der Möglichkeiten durch das "Zusammenführen" der Schritte 1 und 2. Wie kann der Gegner seine Ziele im eigenen Verantwortungsbereich erreichen? Was ist die vermutliche Absicht des Gegners?

Das Ergebnis der Intelligence Preparation of Battlefield ist die Decision Support Overlay (DSO).

Die Effects Guidance Matrix (EGM) ist der "ergänzende Textteil" zur grafischen DSO und stellt in Tabellenform

  • Zielprioritäten,
  • Zielauswahlkriterien,
  • beabsichtigte Effekte,
  • geeignete Aufklärungs- und Wirkungsmittel und
  • Erfolgskriterien dar.

Diese EGM kann durchaus als "Exekutivplan" verwendet werden, der - einmal autorisiert - eine rasche Bekämpfung der aufgelisteten Ziele, ohne weitere Konsultation des Kommandanten, ermöglicht. Dabei stellt die Implementierung der beabsichtigten Effekte in diese Matrix die Absicht des Kommandanten in den Mittelpunkt der Umsetzung.

Wechselwirkung zwischen Targeting Cycle, ISTAR Cycle und Intelligence Cycle

Erfolgreiches Targeting stützt sich auf funktionierende ISTAR- und Intelligence-Prozessabläufe, um die geplanten Effekte
  • zum richtigen Zeitpunkt,
  • am richtigen Ort und
  • mit den dazu vorgesehenen Mitteln zu gewährleisten.

Koordinierungsbesprechungen zwischen den Stäben für Targeting, Intelligence und ISTAR stellen die Übereinstimmung von Aufklärung und Wirkung sicher. Darüber hinaus müssen die einzelnen Stabsfunktionen häufig und regelmäßig Kontakt miteinander haben, um die Auswirkungen einzelner Entscheidungen auf den jeweiligen anderen Prozess zu erfassen.

Auf einen Blick

Das Gefechtsbild im 21. Jahrhundert ist durch ein komplexes Konfliktszenario mit verschiedensten Akteuren gekennzeichnet. Ressourcen, regionale Machtansprüche, Technologien, die steigende Kluft zwischen Reich und Arm, aber auch religiös motivierter Fundamentalismus sind Ausgangspunkt und Anlass für die Auseinandersetzungen. Subversive Kriegsführung, hauptsächlich durch irreguläre Kräfte geführt, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Um diesem aktuellen Gefechtsbild angemessen zu begegnen, reichen schlichte - konventionell militärische - Prozessabläufe der Vergangenheit nicht mehr aus. (Joint) Targeting ist dabei die britische Antwort zur Lösung von komplexen politischen und militärischen Problemen.


Autoren: Vizeleutnant Michael Wirth, Jahrgang 1958. 1978 eingerückt beim Landwehrstammregiment 37 in Wiener Neustadt, anschließend Milizverwendung; 1983 wiedereingerückt, bis 1989 Verwendung als Artilleriebeobachter, Zugskommandant und Feuerleitunteroffizier beim Landwehrstammregiment 37, Artillerieregiment 3, Brigadeartilleriebataillon 3 und Korpsartilleriebataillon 3. 1989: Absolvierung des 9. Stabsunteroffizierskurses, Ehrenring der Heeresunteroffiziersschule in Gold, 1991/92: Ausbildung an der Zentralen Instruktorenschule in Herisau/Schweiz, 1993: Heereshochalpinistenausbildung, 1999: Lehrunteroffizier für Artilleriebeobachtungsdienst an der Artillerieschule Baden; 2002 - 2008 Verwendung als Spezialist für Feuerunterstützungsplanung und Targeting sowie Verwendung in Artillerieverbindungskommanden bei zahlreichen nationalen und internationalen Übungen; seit 2008: Hauptlehrunteroffizier für taktische Feuerleitung am Institut Artillerie der Heerestruppenschule; 2010: Joint Tactical Targeting Course an der Royal School of Artillery in Larkhill/UK.

Major Ernst Strohmayr, Jahrgang 1966. 1984 eingerückt zum Landwehrstammregiment 33 in Mautern; Ausbildung zum Unteroffizier, bis 1988 Verwendung in der 4. Ausbildungskompanie/Landwehrstammregiment 33. 1988 - 1991: Absolvierung des BRG für Berufstätige im Schulbataillon der Theresianischen Militärakademie; 1991 - 1994: Absolvierung der Theresianischen Militärakademie, Ausmusterung zur Artillerieschule in Baden; bis 2008 Verwendungen als Kommandant der Geschützstaffel 1. Lehrbatterie, Kommandant der 1. Lehrbatterie, Lehroffizier für Rechendienst und Feuerleitung, Kommandant der Lehrgruppe für Beobachtungsdienst und Anwendervertreter für das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem. 2006 - 2007 Absolvierung des 8. Führungslehrganges 2; Sicherheitsmanagement an der Landesverteidigungsakademie; seit 2008 Referent für Entwicklung in der Grundlagenabteilung der Heerestruppenschule, 2010 Absolvierung des Joint Tactical Targeting Course an der Royal School of Artillery in Larkhill/UK; Auslandseinsatz: 2005 Stabsoffizier im AUSBATT/UNDOF.

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