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"ARTEMIS" - die EU-Mission im Kongo

Europa hat mit dieser ersten von der EU autark geführten Operation gezeigt, dass es fähig ist, weltweit friedenserzwingende Operationen erfolgreich durchzuführen. Auch Österreich leistete dazu einen Beitrag.

"ARTEMIS" wurde am 30. Mai 2003 ins Leben gerufen, und zwar durch die Resolution 1484 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das Mandat für diese Operation beruhte auf dem Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen und autorisierte eine multinationale Schutztruppe, alle erforderlichen Maßnahmen (einschließlich Zwangsmaßnahmen) zur Durchsetzung zu ergreifen. Das Mandat definierte klar die Einsatzdauer, den Einsatzraum sowie die Aufgabenstellung und bildete somit eine wertvolle Grundlage für die erfolgreiche Auftragserfüllung.

Die Ausgangssituation

Dem Einsatz waren schwere Kämpfe in der Provinz Ituri zwischen den ethnischen Gruppen der Hema und der Lendu vorausgegangen. Ähnliche Massaker zwischen Hema und Lendu hatte es schon früher gegeben. Um diese zu unterbinden, war in diesem Bereich zuvor die ugandische 1. Infanteriedivision stationiert gewesen. Doch nach deren Abzug war gleichsam ein militärisches Vakuum entstanden - die Hauptursache für die neuerlichen Kämpfe. Neben Massenhinrichtungen sowie der Plünderung eines Spitals und von Lagerbeständen internationaler Hilfsorganisationen führten diese Kämpfe zu einer dramatischen Verschlechterung der humanitären Lage und zu ca. 500 000 (landesintern) Vertriebenen.

Frankreich entschied sich am 28. Mai 2003, nach Ersuchen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, die erste derartige Operation der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) zu führen und die Masse der geplanten 1 500 Mann zu stellen. Insgesamt beteiligten sich sieben europäische Staaten (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Irland, Österreich, Polen und Schweden) sowie Brasilien, Kanada und Südafrika an dieser Mission.

Österreich stellte einen Stabsoffizier im Operativen Kommando (Operations Headquarters - OHQ, Paris) sowie je einen Stabsoffizier in den Taktischen Kommanden Bunia und Entebbe.

Der Auftrag

Der Auftrag dieses EU-geführten Einsatzes in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) lautete wörtlich: "... to rapidly deploy an interim emergency multinational force (EUFOR) to Bunia in accordance with UNSCR 1484 in order to establish the local conditions for effective deployment of the reinforced UN presence by 15 august 2003". Dieser Auftrag verlangte zuerst einmal:

- die sofortige Verlegung von Vorkommanden; - die vorgestaffelte Verlegung von Spezialeinsatzkräften zur Aufklärung und Erkundung; - die Sicherstellung einer nahe gelegenen Einsatzbasis als Umschlagplatz vom strategischen zum taktischen Lufttransport (Entebbe); - die Sicherung des Flughafens Bunia als einzigen leistungsfähigen Port of Debarkation (POD, wörtl. Ausschiffungshafen, hier sinngemäß Eintrittsmöglichkeit in den Einsatzraum); - die Sicherstellung einer Einsatzbasis im Einsatzraum; - die Koordination der Einsatzführung mit der ebenfalls vor Ort agierenden MONUC (Mission de l’Organisation des Nations Unies en République démocratique du Congo); - die Stabilisierung und Verbesserung der Sicherheitslage in und unmittelbar um Bunia.

Die Umsetzung

Nach einer extrem kurzen Vorbereitungszeit kam es am 5. Juni zur ersten Anlandung und zum Einsatz der Special Forces Task Group. Fünf Tage später erfolgte die Anlandung der ersten EUFOR-Teile. Dabei wurden in der ersten Phase entscheidende Geländeteile der Stadt Bunia, vom Flughafen aus beginnend, unter eigene Kontrolle gebracht.

In der zweiten Phase nahmen dann die Friedenstruppen durch Sicherung der möglichen Annäherungslinien, der Verhängung eines Waffenverbotes sowie durch permanente und unregelmäßige Patrouillen rund um die Uhr den örtlichen Milizen den Handlungsspielraum. Die Milizen wurden dabei in mehreren Feuergefechten mit Friedenstruppen von deren Entschlossenheit und militärischer Überlegenheit überzeugt. Sie stellten schließlich ihre Kampfhandlungen innerhalb der Stadt ein und zogen sich an die Peripherie zurück.

Ab 6. Juli agierte die EUFOR voll einsatzbereit im Einsatzraum und hatte die Kontrolle über die Stadt. Mit 12. Juli begann das Einfließen der MONUC-Verstärkung, und in einer weiteren Phase erfolgte, mit 15. August beginnend, kontinuierlich die Ablöse durch die Task Force 2 (MONUC-Verstärkung), die mit 1. September abgeschlossen war.

Die Organisation

Führungsorganisation:

Ursprünglich war nur ein Taktisches Kommando (FHQ) in Bunia geplant. Das Taktische Kommando (Main FHQ) in Entebbe ergab sich erst im Laufe der Mission aufgrund der mangelhaften Infrastruktur in Bunia. In einer Aufgabenteilung diente das Main FHQ in Entebbe schwergewichtsmäßig der Einsatzunterstützung und das nunmehrige Fwd FHQ in Bunia der Einsatzführung.

Einsatzorganisation:

Die Kombination der Special Forces (SF) mit einer konventionellen Kampfgruppe (Battle Group - BG) hat sich hervorragend bewährt und trug wesentlich zur Auftragserfüllung bei.

Der vorgestaffelte Einsatz der Special Forces war für den Erfolg der gesamten Operation entscheidend, und zwar aufgrund - der Einnahme und Sicherung des einzigen Port of Debarkation - des Flughafens Bunia, - der sofortigen und unmittelbaren Demonstration von Stärke und Einsatzwillen der EUFOR gegenüber den örtlichen Warring Factions (der Krieg führenden Milizen und Splittergruppen), - der Aufbereitung des Einsatzraumes durch Aufklärung und Erkundung hinsichtlich der erforderlichen Gliederung und Ausrüstung sowie der Einweisung der nachfolgenden konventionellen Kräfte und - der positiven psychologischen Wirkung auf die nachfolgenden konventionellen Kräfte, waren doch für diese bereits eigene Kräfte im Einsatzraum tätig, die die Bedrohung zumindest etwas verringert hatten.

Im weiteren Verlauf waren Special Forces wie folgt eingesetzt:

- zur Spezialaufklärung (Special Reconnaissance); - bei Kommandounternehmen (Direct Action), vor allem gegen Waffen- und Ausbildungslager; - im Patrouillendienst (Patrolling); - als Einsatzreserve (Quick Reaction Forces - QRF); - für Scharfschützenaufgaben (Sniping).

Logistik

Sowohl bei der Organisation der Einsatzunterstützung als auch der Führungsunterstützung erzwangen die Entfernungen (Paris - Entebbe 6 100 km), die Dislozierung im Einsatzraum sowie die eingeschränkte Infrastruktur vor Ort einen enormen Aufwand an Mitteln und Kräften. Mit rund 50 Flügen wurden mit den angemieteten Transportflugzeugen Antonow An-124 etwa 4 000 Tonnen Gerät in den Einsatzraum gebracht. Diese und andere enorme logistische Aufgaben wurden äußerst erfolgreich bewältigt, sodass die Mission diesbezüglich zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt war.

Die Kommunikation basierte auf der Nutzung französischer Kommunikationssatelliten und des französischen Führungsunterstützungssystem SICA.

Auf einen Blick

Wiewohl das weitere Geschehen im Kongo - vor allem in der Provinz Ituri - den laufenden (MUNOC-)Einsatz beeinflussen wird, kann "ARTEMIS", die erste von der EU autark geführte Operation, bereits als voller Erfolg bewertet werden. Europa hat damit bewiesen, dass es trotz fehlender strategischer Lufttransportkapazität und anderer strategischer Einsatzmittel in der Lage ist, praktisch weltweit Operationen erfolgreich durchzuführen.

MONUC, die verstärkte Mission der Vereinten Nationen, verfügt nun über ein entsprechendes Mandat sowie über genügend militärische Kapazität, um die entscheidenden Geländeteile und damit die Region zu kontrollieren und zu stabilisieren.

Entscheidend wird allerdings sein, mit welchem Engagement die Beteiligten an diese Aufgabe herangehen und wie sich der politische Prozess im Kongo weiterentwickelt. Der erste Schritt in die richtige Richtung ist jedenfalls bereits getan.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Major Kurt Radner, Jahrgang 1961. Seit 16 Jahren in verschiedenen Funktionen beim Jagdkommando tätig; derzeit Leiter der Führungsabteilung des Kommandos Spezialeinsatzkräfte, Mitglied des ECAP Project Group Special Forces- und des NATO/PfP-Combined Joint Task Forces-Expertenpools. Im Zuge von "ARTEMIS" eingesetzt als Stabsoffizier in der Einsatzplanung (J5O), in der Aufklärung (J2O) sowie als Verbindungsoffizier zur Ugandian People Defence Force (LO-UPDF) in Entebbe, Bunia, Kampala und Bombo.

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