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General Erwin Fussenegger (1908 bis 1986)

Der erste Generaltruppeninspektor des Österreichischen Bundesheeres der Zweiten Republik

Erwin Julius Fussenegger wurde am 5. Mai 1908 in Györ als zweites Kind einer k.u.k. Offiziersfamilie geboren. Wenige Tage danach verstarb seine Mutter im Alter von nur 25 Jahren. Nach der Wiederverheiratung des Vaters 1910 erlebte Erwin in den Jahren bis 1919 das typische Schicksal von k.u.k. "Tornisterkindern" mit häufigen Ortswechseln und Aufenthalten in Ungarn, der Slowakei, in Galizien, Tirol und in Vorarlberg. Erwin Fussenegger maturierte im Jahre 1926 an der Bundesrealschule in Dornbirn und rückte nach einem Semester an der Universität Innsbruck (bereits mit dem festen Vorsatz nach dem Vorbild des Vaters Offizier zu werden) am 7. März 1927 zur Brigadeartillerieabteilung 6 in Tirol ein.

Nach der Auswahl wurde der Offiziersanwärter Erwin Fussenegger am 24. September 1927 an die Offiziersakademie des Bundesheeres nach Enns versetzt und beendete die Ausbildung, die auch ein Jahr an der Infanterie-Fachschule in Wien beinhaltete, mit der Ausmusterung zum Leutnant in Enns am 15. August 1931.

In den innenpolitisch bewegten Folgejahren diente Leutnant Fussenegger in den Alpenjägerregimentern Nr. 12 und 8 in Tirol und Oberösterreich. In die unglückseligen Entwicklungen des Jahres 1934 wurde er persönlich nicht einbezogen, die Erfahrungen dieser Zeit jedoch schufen die Grundlage für eine klare Distanz Erwin Fusseneggers zu parteipolitischer Einbeziehung eines Offiziers. Der militärisch außerordentlich begabte Leutnant Fussenegger wurde kurz nach seiner Ernennung zum Oberleutnant am 20. September 1935 als Taktiklehrer an die Militärakademie in Wiener Neustadt versetzt. Am 12. Oktober 1936 rückte er zum Generalstabskurs nach Wien beim "Kommando für Höhere Offizierskurse" ein. Unter seinen Kurskameraden befanden sich zahlreiche Offiziere, die im Bundesheer der Zweiten Republik eine wesentliche Rolle spielen sollten, darunter August Rüling, Paul Lube, Leo Waldmüller und Werner Vogl.

Die Ereignisse des März 1938, mit dem Ende der Ersten Republik Österreich, führten am 13. März 1938 zur Übernahme von Oberleutnant Fussenegger in die Deutsche Wehrmacht. Mit 1. Juli 1938 hatte er, mit 38 früheren Teilnehmern des im März abgebrochenen österreichischen Generalstabskurses, die Ausbildung nunmehr an der Kriegsakademie in Berlin fortzusetzen.

Mit 1. Februar 1939 wurde er zum Hauptmann befördert und kam nach bestandener Abschlussprüfung von der Kriegsakademie in die Garnison Heidelberg. Den Polenfeldzug und eine folgende Sicherungsphase gegenüber Frankreich erlebte Hauptmann i. G. Fussenegger in der 2. Gebirgsdivision. Im April 1940 verlegte er im Verband der aus dem erweiterten XXI. Armeekorps aufgestellten Gruppe XXI nach Norwegen, wo er bis 1943 an der Eismeer-Front eingesetzt war.

Als Oberstleutnant i. G. wurde Fussenegger 1943 in der Funktion des Vertreters des 1a - vergleichbar einem heutigen G3 - zur 9. Armee versetzt, die bei der Heeresgruppe Mitte in Russland im Juli südlich Orel an jenen Kämpfen maßgeblich beteiligt war, welche als "Schlacht um Kursk" in der Kriegsgeschichte ihren Platz fanden. 1944 kam Oberstleutnant i. G. Fussenegger zur 7. Armee, die sich am 21. August 1944 nur mehr mit Teilen aus dem Kessel von Falaise (Frankreich) retten konnte. Als Oberquartiermeister der angeschlagenen 7. Armee erlebte Oberstleutnant i. G. Fussenegger die Rückzugskämpfe an die deutsche Grenze, die Ardennenoffensive und die Abschlusskämpfe 1945.

Das Kriegsende erlebte Fussenegger im Raum Marienbad und in kurzzeitiger amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Er entging einer sowjetischen Gefangenschaft und erreichte vorwiegend im Fußmarsch seine österreichische Heimat. Gerade diese Zeit als Oberquartiermeister einer Armee hatte Fusseneggers Verständnis für die materiellen Erfordernisse der Truppe und die Grenzen der jeweils damit verbundenen Kampfkraft und Einsatzfähigkeit geprägt, was ihn neben seinem schon frühzeitig vorhandenen Interesse für organisatorische Belange und seinem taktischen Wissen und Können schließlich als Generaltruppeninspektor von 1956 bis Ende 1970 besonders auszeichnete.

In den wirtschaftlich schwierigen Nachkriegsjahren arbeitete Erwin Fussenegger in der Privatwirtschaft, wo er bis zum 31. Dezember 1955 bei den "Tiroler Röhren- und Metallwerken" die Leitung des Personalreferates inne hatte. In dieser Zeit aber ließ Erwin Fussenegger die Verbindung zu manchen seiner früheren Kameraden nicht abreißen. Diese bemühten sich nach den einleitenden Maßnahmen zum Aufbau eines Österreichischen Bundesheeres im Herbst 1955 um einen Wiedereintritt Fusseneggers in das neue Bundesheer.

Mit Jänner 1956 trat Fussenegger wieder in den Dienst des Bundesheeres und wurde in der Funktion des Chefs des Stabes, neben dem damals höchstrangigsten Offizier, General Dr. Emil Liebitzky, zunächst dem Bundeskanzleramt (im Amt für Landesverteidigung) dienstzugeteilt. General Dr. Liebitzky war über diese Maßnahme keineswegs erfreut, und für Oberst Fussenegger ergab sich in der Folge ein erhebliches und belastendes Spannungsverhältnis zu diesem Spitzenrepräsentanten der "alten" Generation.

Nachdem Staatssekretär Ferdinand Graf (ÖVP) auch die SPÖ nicht von der Einsetzung Fusseneggers informiert hatte, entwickelte sich auch hier eine distanzierte Haltung zur Politik, um deren Überwindung sich der Generaltruppeninspektor Fussenegger in den kommenden Jahren unter Betonung seiner parteipolitischen Unabhängigkeit jedoch nachhaltig bemühte.

Mit 26. Juli 1956 wurde Erwin Fussenegger (für viele überraschend) mit der Leitung der Sektion II der Zentralstelle und des Generaltruppeninspektorates betraut und mit 31. August 1956 zum Oberst des höheren militärischen Dienstes (dhmD) befördert. In dieser Doppelfunktion unter dem Bundesminister für Landesverteidigung Ferdinand Graf als Sektionsleiter - die Sektion II umfasste damals die Ausbildungs-, Organisations-, Grenzschutz- und Luftabteilung sowie zehn Waffeninspektoren - und Generaltruppeninspektor begann Oberst dhmD Fussenegger den Aufbau des Österreichischen Bundesheeres. Grundlagen waren die gesetzlichen Vorgaben und das Bewusstsein um die sich aus der erklärten immerwährenden Neutralität ergebenden militärischen Konsequenzen.

Neben den unerlässlichen organisatorischen Maßnahmen legte der Generaltruppeninspektor in den Folgejahren besonderes Gewicht auf seine persönliche Inspizierungstätigkeit bei der Truppe, die nachhaltige Verbesserung des Ausbildungsstandes aller Ebenen und Funktionen, die Hebung des taktischen Könnens und der Führungsfähigkeit der Offiziere sowie die Förderung operativkonzeptioneller Überlegungen. Er konnte sich dabei auf seine aus schmerzlicher Erfahrung entstandene tiefe Einsicht in das Wesen und die Voraussetzungen militärischer Funktionalität abstützen und bewies dies durch sicheren Blick auf das Wesentliche bei seinen Besprechungen, Stellungnahmen und vor allem bei vielen Truppenbesuchen.

Nicht immer fielen die Ergebnisse zur Zufriedenheit des Generaltruppeninspektors aus und sein seit dem Dienstantritt als Generaltruppeninspektor geführtes Tagebuch gibt Zeugnis von manch hartem Urteil. Fussenegger scheute sich nie, seiner Meinung einen knappen, aber durchschlagenden Ausdruck zu verleihen und gewann durch diese manchmal schroff und unpersönlich erscheinende Art nicht nur Freunde, sondern vor allem nachhaltige Anerkennung.

Von Anbeginn seiner Tätigkeit bemühte sich der neue Generaltruppeninspektor um die budgetäre Besserstellung der Landesverteidigung, um das Verständnis der Politik für die als notwendig erachteten Luftstreitkräfte und die für das Heer erforderliche Ausrüstung.

Kaum waren am 15. Oktober 1956 die ersten Grundwehrdiener des neuen Bundesheeres eingerückt, erforderte ab dem 24. Oktober 1956 die schwere Krise in Ungarn den ersten Einsatz des Bundesheeres an einer Grenze. Im Verlauf des 5. Novembers 1956 erkannte Fussenegger erstmals die aufgrund der Sektionsgliederung und Kompetenzverteilung im Zusammenspiel mit dem Bundesminister und den anderen Sektionen unvermeidlichen Probleme in der Spitzengliederung und Truppenführung, hatte doch General Dr. Liebitzky für den 6. November 1956 die Einrichtung eines "Kommandostabes" unter seiner Leitung angeordnet.

Die weitgehend vergeblichen Bemühungen des nunmehrigen Generals der Infanterie Fussenegger um Anhebung des Budgets und seine kritischen Feststellungen zur Einsatzbereitschaft hatten nach dem Ministerwechsel auf Dr. Karl Schleinzer (1. Juli 1961) die Reduzierung Fusseneggers auf die Funktion des Generaltruppeninspektors (und damit die Trennung von der militärischen Kernsektion) zur Folge. Nur im Einsatz sollte der Generaltruppeninspektor die Armeeführung übernehmen, hatte aber de jure keinen Einfluss auf die operativen Vorbereitungen und Planungen.

Dennoch bemühte sich General Fussenegger in den folgenden Jahren um die Verbesserung sowohl der Motivation als auch der materiellen und personellen Gegebenheiten im Bundesheer. Trotz zahlreicher Enttäuschungen war er auch gegenüber dem folgenden Bundesminister Dr. Georg Prader in loyaler Weise und ohne Einschaltung der Öffentlichkeit bestrebt, ein kritisches Verständnis für die Anpassung der Organisation an die gegebenen Verhältnisse und die Abstimmung der Aufträge auf die tatsächlichen Möglichkeiten zu wecken. Die notwendige "Rationalisierung" des Bundesheeres im Jahre 1968 bestätigte die Auffassungen Fusseneggers und die Maßnahmen zur Verstärkung der Garnisonen nördlich der Donau im Verlauf der Intervention von Truppen des Warschauer Paktes in der CSSR (ab dem 21. August 1968).

Nach dem Wahlsieg der SPÖ übernahm mit 22. April 1970 der bisherige Brigadier Freihsler die Funktion des Bundesministers und erhielt schon am Folgetag eine Studie Fusseneggers zum Stand des Bundesheeres im Hinblick auf eine Verkürzung der Wehrdienstzeit. Mit dieser Thematik, als Teil einer umfassenden Gesamtreform, hatte sich in der Folge auch eine Reformkommission zu beschäftigen, und für General Fussenegger erschienen die Ergebnisse schon nach kurzer Zeit niederschmetternd und einer Auflösung des Heeres gleichkommend. Als organisationserfahrener Offizier erkannte er keine Möglichkeit, mit dem vorhandenen und erwartbaren Kaderpersonal mehr als zwei Brigaden aufzufüllen und sah sich weit von der Erfüllung der Zielsetzung entfernt, das Bundesheer auf einen Verteidigungsfall auszurichten.

Als Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky 1970 die Einführung der sechsmonatigen Grundwehrdienstzeit mit 1. Jänner 1971 ankündigte und das Bundesheer eine Herabsetzung des Budgets erfahren sollte, ergaben sich Spannungen mit dem Bundeskanzler, der sich zumindest indirekt, aber doch deutlich jede Einmischung der "Spitzenbeamten" in die Politik verbat. Da sich aus Sicht des Generaltruppeninspektors keine Änderung der Gegebenheiten mehr erwarten ließ, beantragte er mit 2. Oktober 1970 seine Versetzung in den Ruhestand und trat am 16. Dezember 1970 nach einer Abschiedsrede, die in aller Deutlichkeit die seit der Aufstellung des Bundesheeres ungelösten und nunmehr aktualisierten Probleme ersichtlich machte, nunmehr 62-jährig in den Ruhestand.

General Fussenegger hatte sich bis zuletzt als parteipolitisch ungebundener Anwalt der Landesverteidigung verstanden und noch in den letzten Wochen seiner Dienstzeit vergeblich versucht, über die Presse im Ausland den geplanten Reformen entgegenzusteuern. General Fussenegger verließ ein Bundesheer im Umbruch mit nur vager Hoffnung einer budgetären Absicherung geplanter Vorhaben. Mit dem Abgang General Fusseneggers ging die bewegte Aufbauphase des Bundesheeres zu Ende, in der keine Übereinstimmung zwischen den Erfordernissen der Wahrung der Neutralität und Verteidigung der Souveränität sowie den organisatorischen Möglichkeiten hergestellt werden konnte.

General in Ruhe Fussenegger begann im Ruhestand das Studium der Urgeschichte, welches er aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht abschließen konnte. Am 4. März 1986 verstarb der erste Generaltruppeninspektor des neuen Bundesheeres und wurde am 14. März 1986 mit militärischen Ehren auf dem Hietzinger Friedhof zu Wien zu Grabe getragen.

General i. R. Horst Pleiner

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