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"Roland I" Gefechtsschießen der (österreichischen) Fliegerabwehrtruppe in Polen

Es war das größte Luftzielschießen seit dem Bestehen des Österreichischen Bundesheeres: Unter der Leitung des Kommandanten der Fliegerabwehrschule führte die Fliegerabwehrtruppe in der Zeit vom 15. bis 26. September 2003 das Gefechtsschießen "Roland I" in Ustka/Polen durch. Dieses Schießvorhaben sollte die Einsatzmöglichkeiten der Fliegerabwehrtruppe im Rahmen von Auslandseinsätzen bestätigen.

Bei diesem bisher größten Luftzielschießen der Fliegerabwehrtruppe wurden folgende, im Österreichischen Bundesheer eingeführten Fliegerabwehrwaffensysteme eingesetzt:

- Die 20-mm-Fliegerabwehrkanone 65/68, - die 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanone mit dem Feuerleitgerät 98 und - die leichte Fliegerabwehrlenkwaffe "Mistral" mit dem Zielzuweisungsradargerät (ZZR) "Flamingo".

Das Fliegerabwehrregiment 3 stellte das taktisch führende Kommando sowie die schießende Truppe.

Der Truppenübungsplatz

Der Truppenübungsplatz Ustka ist an der mittleren Ostseeküste, ca. 120 Kilometer nordwestlich von Danzig, gelegen. Der 1936 geschaffene Fliegerabwehrschießplatz hat eine Längenausbreitung von 17 Kilometern, eine Tiefe von bis zu fünf Kilometern und erstreckt sich entlang der Küste. Er wird seit einigen Jahren von der polnischen Armee für internationale Ausbildungs- und Schießvorhaben anderen Armeen gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt.

Der großzügig angelegte Platz bietet in Europa die einzige Möglichkeit, ein Scharfschießen gleichzeitig mit Fliegerabwehrkanonen und Fliegerabwehrlenkwaffen, bei einem beweglichen Einsatz der Feuereinheiten, durchzuführen. Ein derartiges Schießen ist auf österreichischen Truppenübungsplätzen nicht möglich, da die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für ein Luftzielschießen aufgrund der flächenmäßigen Einschränkungen der Übungsplätze nicht eingehalten werden können.

Ziel und Zweck

Die Ziele des Gefechtsschießens waren:

- (als allgemeines Ausbildungsziel) die Verlegung des Personals und der Waffensysteme mittels Kraftfahrzeugen, Luftfahrzeugen und Eisenbahntransport; - Bekämpfung von schnellen Luftzielen mit einer Geschwindigkeit bis zu 150 m/s; - Bekämpfung von gleichzeitig auftretenden Mehrfachzielen; - Bedrohungsanalyse mit Hilfe der Daten eingesetzter Sensoren; - Feuerleitung durch die Batteriekommandanten; - häufige Bewegungsphasen mit überschlagendem Einsatz der Feuereinheiten; - Koordination von Feuer und Bewegung; - der erstmalige Einsatz der 20-mm-Fliegerabwehrkanone 65/68 gegen schnelle Luftziele; - Erhöhung der Führungsfähigkeit des Kaderpersonals.

Zweck des Gefechtsschießens war es, die Notwendigkeit des Einsatzes von Fliegerabwehrkräften zur Bekämpfung von Luftzielen in einer möglichen internationalen Krisenreaktionsoperation nachzuweisen. Außerdem wurden durch dieses Ausbildungsvorhaben wesentliche Erfahrungen für einen Einsatz der Fliegerabwehrtruppe im Ausland gewonnen.

Übungsteilnehmer

Das Kontingent der Fliegerabwehrtruppe umfasste 243 Übungsteilnehmer und gliederte sich in die Schießübungsleitung, ein taktisch führendes Regimentskommando und das schießende Fliegerabwehrregiment. Die Schießübungsleitung koordinierte die Zieldarstellung und gewährleistete die innere - und in Zusammenarbeit mit den polnischen Sicherheitsoffizieren - die äußere Sicherheit. Das taktisch führende Fliegerabwehrregiment 3 wurde durch Feuereinheiten der Land- und Luftstreitkräfte sowie der Fliegerabwehrschule verstärkt.

Gliederung desFliegerabwehrregimentes:

- Eine verminderte Stabsbatterie.

- Eine Batterie mit drei 35-mm-Fliegerabwehrzügen und einem 20-mm-Fliegerabwehrzug.

- Eine leichte Fliegerabwehrlenkwaffenbatterie (lFAL-Batterie) bestehend aus einem lFAL-Zug zu vier lFAL-Trupps.

- Eine verminderte gepanzerte lFAL-Batterie mit einem Zug zu drei lFAL-Trupps.

Das Kontingent verfügte dabei über folgendes Gerät:

- 8 Stück 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanonen 85, - 4 Stück Feuerleitgeräte 98, - 4 Stück Zielzuweisungsradar "Flamingo", - 4 Stück 20-mm-Fliegerabwehrkanonen 65/68 auf Pinzgauer 712 "Fliegerabwehr", - 9 Stück leichte Fliegerabwehrlenkwaffen "Mistral" sowie - 95 Kraftfahrzeuge und - 5 Gepanzerte Kampf- und Gefechtsfahrzeuge (GKGF).

Die Verlegung

Das Kontingent verlegte in der Zeit vom 15. bis 18. September 2003 mittels Kraftfahrzeugen, Eisenbahn und Luftfahrzeugen nach Ustka. Für das Verladen auf Eisenbahn und Entladen des ZZR "Flamingo" wurde ein Autokran benötigt, da der Radar-Shelter des ZZR vom und auf das Trägerfahrzeug gehoben werden musste. Der Lufttransport des gesamten Personals sollte mit einer österreichischen C-130 "Hercules" erfolgen, ein Teil des Kontingentes musste aufgrund technischer Probleme mit einer gecharterten zivilen Linienmaschine transportiert werden. Die Rückverlegung nach Hörsching wurde geschlossen mit einer zivilen Linienmaschine vom polnischen Militärflugplatz Slupsk aus durchgeführt.

Übungsszenario

Der Auftrag: Der Auftrag des eingesetzten Fliegerabwehrregimentes war der Schutz des Verfügungsraumes einer mechanisierten Kampfgruppe. Als Folgeauftrag hatte das Fliegerabwehrregiment ein Heraustreten der mechanisierten Kampfgruppe aus dem Verfügungsraum zu schützen.

Die Zieldarstellung: Die Zieldarstellung von schnellfliegenden Schleppzielen erfolgte durch die Firma "Saab Nyge Aero". Zum Schleppen der Ziele wurden zwei "Learjets" 35A eingesetzt. Beide Maschinen waren mit einem Global Positioning System (GPS) ausgestattet. Zur Aufnahme der Schleppziele standen pro "Learjet" 35A jeweils eine Innenwinde und eine Außenwinde zur Verfügung.

Die "Learjets" starteten und landeten in Slupsk. Die geringe Entfernung zum Übungsgebiet in Ustka (nur etwa 20 km) verhalf der Übungsleitung, die Verfügbarkeit der Ziele für die Fliegerabwehr in allen Phasen entsprechend flexibel und der taktischen Lage angepasst zu halten. Mit dem "Learjet" 35A sind Zielgeschwindigkeiten von 100 m/s bis 150 m/s möglich. Die Mindestflughöhe der Ziele betrug aus Sicherheitsgründen 200 Meter über Grund.

Die Schleppziele: Die vorgesehenen Ziele wurden vor dem Start an den "Learjets" angebracht und anschließend im vorgesehenen Luftraum ausgefahren. Für die Waffensysteme 20-mm-Fliegerabwehrkanone 65/68 und 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanone 85 wurden radar- und laserreflektierende Schleppsäcke der Firma CAE-Inversion verwendet.

Beim Schießen mit Fliegerabwehrkanonen beträgt die Mindestseillänge 1 500 Meter und die maximale Seillänge 3 000 Meter. Ein "Learjet" 35A kann gleichzeitig zwei Schleppsäcke setzen. Für das Waffensystem lFAL "Mistral" wurde der Schleppzielflugkörper SK-6 der Firma "Dornier" verwendet.

Beim Schießen mit Lenkwaffen beträgt die Seillänge 6 000 Meter. Ein "Learjet" 35A kann jeweils einen SK-6 einsetzen.

"Smoke", "Flares" und GPS: Die Ziele wurden mit Rauchpatronen (Smoke) und Leuchtpatronen (Flares) bestückt. Der "Smoke" dient der optischen Erkennung des Zieles, die "Flares" stellen die Wärmequelle für den Infrarotsuchkopf des Lenkflugkörpers "Mistral" dar und sind die Voraussetzung für das Aufschalten des Suchkopfes auf das Ziel. Die Oberfläche der SK-6 wurde mit laserreflektierendem Material versehen, um die Funktion des Laserannäherungszünders des Lenkflugkörpers sicherzustellen.

Zusätzlich wurden die Ziele mit GPS ausgestattet; für die Auswertung des "Mistral"-Schusses war ein Indikator im SK-6 integriert. ("Flares" dienen prinzipiell dem Schutz von Fluggeräten vor den Suchköpfen von Raketen - sie sollen die Raketen von den Zielen weglenken. Beim Scharfschießen der Fliegerabwehrkräfte jedoch sind die "Flares" das Ziel.) Die Zielflüge: Das Gefechtsschießen war in Phasen gegliedert, die eine Zuordnung der Zielflüge zur taktischen Lage der Fliegerabwehrkräfte verlangten. Die nachstehenden Abbildungen zeigen die taktische Lage der Fliegerabwehr und die zugehörige zeichnerische Darstellung der Flugwege sowie eine tabellarische Erfassung aller wesentlichen Angaben der Flugvorbereitung und Zielflüge.

Aufgrund der tadellos funktionierenden Abläufe zwischen der Schießübungsleitung und den Piloten und Technikern der Firma "Saab Nyge Aero" konnten alle Zielflüge wie geplant durchgeführt werden.

Die Sicherheit

Die äußere Sicherheit wurde durch das Personal des Truppenübungsplatzes Ustka in Zusammenarbeit mit der österreichischen Übungsleitung gewährleistet. Für die innere Sicherheit war die Schießübungsleitung der Fliegerabwehrschule verantwortlich. Das Schießen wurde - obwohl es im Ausland stattfand - unter Einhaltung der Bestimmungen der Dienstvorschrift für das Bundesheer "Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen mit allen Waffen" durchgeführt.

Die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen des Truppenübungsplatzes Ustka brachte keine Einschränkungen bei der Durchführung des Scharfschießens. Die Soldaten der Schießübungsleitung arbeiteten eng mit den Sicherheitsorganen des Truppenübungsplatzes Ustka zusammen. Somit war eine ständige Verbindung zwischen dem Sicherheitsoffizier der Fliegerabwehrschule und dem Sicherheitsoffizier des Truppenübungsplatzes gegeben. Der Leitende und der Sicherheitsoffizier wurden von der Fliegerabwehrschule, der Flugsicherungsoffizier vom Kommando Luftstreitkräfte gestellt. Die Sicherheitsgehilfen an den Fliegerabwehrwaffen und Feuerleitgeräten waren Soldaten der schießenden Truppe.

Die Fernmeldesicherheitsleitungen von den Feuerstellungen liefen bei den Sicherheitsoffizieren zusammen und wurden mittels Funk überlagert. Dem Leitenden, dem Sicherheitsoffizier und dem Flugsicherungsoffizier standen in der Schießübungsleitung ein GPS-Monitor zur Verfügung, auf dem die Feuerbereiche der Fliegerabwehrwaffen, der Flugweg der Flugzeuge und die Position der SK-6-Ziele angezeigt wurden. Somit war es für die Sicherheitsoffiziere und den Flugsicherungsoffizier jederzeit möglich, die Feuerfreigabe an die Fliegerabwehrwaffen zu erteilen oder auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren.

Durch den Einsatz des GPS in den Schleppmaschinen und Schleppzielen sowie in der Schießübungsleitung konnten höchste Sicherheitsstandards für alle am Gefechtsschießen Beteiligten gewährleistet werden.

Die Auswertung

Für die Auswertung des Gefechtsschießens wurde das Doppelzieltrefferauswertesystem (DTAS), das auch für die Bewertung der Luftzielschießen in Österreich eingesetzt wird, verwendet. DTAS ist ein zweidimensionales, akustisches Trefferauswertesystem zur Registrierung von Geschossdurchgängen in der Zielebene. Die vom Miss Distance Indicator (MDI - Trefferablageanzeige) über Funk gesendeten Registrierungen werden unmittelbar nach dem Feuerstoß von der Bodenstation berechnet, aufgelistet und in einem Trefferbild präsentiert. DTAS kann auch Trefferdaten von zwei Zielen gleichzeitig empfangen und davon die Trefferbilder aufzeigen.

Um auch beim Schießen mit der "Mistral" eine Trefferauswertung zu erhalten, wurde das Schleppziel SK-6 mit einem MDI versehen. Die MDIs sind universell für alle Zielflüge (Überflüge sowie Vorbeiflüge) einsetzbar. Die Aktivierung der MDIs erfolgt über Funk. Die Wartung und Vorbereitung der MDIs für den Einsatz wurden durch einen Radarmechanikerunteroffizier der Fliegerabwehrschule sowohl am Truppenübungsplatz Ustka als auch am Flugplatz in Slupsk durchgeführt.

Phasen des Gefechtsschießens: Zuerst wurden der Verfügungsraum einer mechanisierten Kampfgruppe und in Folge, im überschlagenden Einsatz, das Heraustreten einer mechanisierten Kampfgruppe aus einem Verfügungsraum gegen Luftangriffe geschützt.

Am 20. September wurden die einzelnen Phasen nur von den Fliegerabwehrkräften inklusive aller möglichen Sicherheitsmeldungen geübt. Am 21. und 22. September erfolgte das Üben dieser Phasen mit Zieldarstellungen. Danach konnte das Scharfschießen vom 23. bis 25. September wie geplant und ohne Komplikationen durchgeführt werden.

Die eingesetzten Fliegerabwehrkräfte hatten während aller Phasen bei 29 Zielflügen in Summe 45 Ziele zu bekämpfen. Durch den gleichzeitigen Einsatz zweier "Learjets" war in einigen Phasen des Gefechtes auch die Bekämpfung von bis zu drei Zielen gleichzeitig gefordert. Dies verlangte von den Batteriekommandanten eine Feuerleitung innerhalb der Einheit unter Einbeziehung aller Informationen über die Luftlage, die aus dem Radarbild der Feuerleitgeräte und den Zieldatenempfängern zu gewinnen waren.

Durch die 20-mm-Feuereinheit wurden Luftziele (Schleppziele) mit Geschwindigkeiten bis 120 m/s erfolgreich bekämpft. Auch der Feuerkampf gegen schwebende Hubschrauber (Klappscheiben) konnte mit Erfolg geführt werden. Die "Mistral" wurde in einer Phase mit zwei Zielen gleichzeitig beübt. Die Zielzuweisung erfolgte über das Zielzuweisungsradar "Flamingo" an zwei lFAL-Trupps. Dadurch war es möglich, die Lenkflugkörper bereits bei Zielentfernungen zwischen 4 000 und 5 000 Metern abzufeuern.

Die realistische Zieldarstellung und die geforderten Stellungswechsel der Feuereinheiten stellten hohe Anforderungen an alle Beteiligten.

Die Schießergebnisse: Der Vergleich mit den Schießergebnissen von bereits durchgeführten Schießvorhaben mit der "Mistral", dem Fliegerabwehrsystem 35-mm-ZFlAK 85 auf schnelle Ziele sowie die Ergebnisse der 20-mm-FlAK 65/68 und die Berücksichtigung von Erfahrungswerten anderer Armeen, die mit denselben Waffensystemen schießen, haben gezeigt, dass die österreichische Fliegerabwehrtruppe ausgezeichnete Schießleistungen erbringt.

Zusammenfassungund Ausblick

Die positive Bewertung des Gefechtsschießens in Polen hat bewiesen, dass die Fliegerabwehrtruppe des Österreichischen Bundesheeres auch für Auslandseinsätze geeignet ist. Der Hauptauftrag Schutz kann erfüllt werden. Dieser Schutz wird nicht nur für Kräfte auf dem Gefechtsfeld, sondern auch für Objekte und/oder Personal unter Beachtung neuer Szenarien (z. B. Bekämpfung des Terrorismus) in gemeinsamen Einsätzen mit anderen Waffengattungen und Streitkräften gewährleistet. Damit die Fliegerabwehrtruppe ihre Leistungsfähigkeit weiter erbringen kann, sind letztendlich Übungen im scharfen Schuss notwendig. Dieses Schießen war die Basis für zukünftige Rahmenbedingungen. Der Erfolg dieser Ausbildung rechtfertigt somit in mehrfacher Hinsicht den Aufwand und die Kosten.

___________________________________ ___________________________________ Autoren:

Oberstleutnant der Miliz Ingenieur Wilhelm Gartler, Jahrgang 1952. Einjährig Freiwilliger 1971/72. Seit 1988 an der Fliegerabwehrschule in Langenlebarn. Derzeit Abteilungsleiter der Schieß- und Simulatorabteilung. Mobbeorderung beim Fliegerabwehrregiment 3 in Salzburg als S3 und stellvertretender Regimentskommandant.

Hauptmann Johannes Walzl, Jahrgang 1969. Einrückungstermin X/87, 1992 Ausmusterung als Leutnant zum Fliegerabwehrbataillon 11; 1995 bis 2001 Lehroffizier an der Fliegerabwehrschule, seit 2001 Referent in der Grundlagenabteilung.

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