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Aus der Truppe: Der Assistenzeinsatz - Pro und Kontra

Seit dem 4. September 1990 leistet das Österreichische Bundesheer As­sis­tenz­einsatz (AssE) für die Organe der öffentlichen Sicherheit und der Zollwache bei der Überwachung der Staatsgrenze. Er ist eine ständige Einrichtung, da er bis dato von der Bundesregierung immer verlängert wurde. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union wird sich vorerst keine Änderung ergeben. Erst wenn unsere Nachbarstaaten die Auflagen des "Schengener Abkommens" erfüllt haben, kann man daran denken, den Assistenzeinsatz zu beenden.

Kontra - Ausbildungsdefizite

Für die Verbände des Österreichischen Bundesheeres bedeutet der Einsatz eine Belastung, vor allem durch die Verminderung der Ausbil­dungszeit. Mit der Vorbereitungsphase, der Nachbereitung und den Dienstfreistellungen im Anschluss an jeden AssE fehlen mindestens zehn Wochen Ausbildungszeit. Da der Einsatz meist mitten in die "Waf­fen­gat­tungs­spezifische Basisausbil­dung" fällt, muss man noch weitere ein bis zwei Wochen einrechnen, bis jenes Ausbildungsniveau, welches vor dem AssE herrschte, wieder erreicht wird.

Wie die meisten kleinen Verbände des Bundesheeres, ist das Flieger­ab­wehr­regiment 1 einmal jährlich im AssE. In der Regel werden ein Assistenzkom­mando, zwei Kom­paniekommanden und sieben bis acht Züge gestellt. Das bedeutet, dass das gesamte Personal (Rekruten und Kader) des Regimentes für einen Einsatz herangezogen werden muss. Es stellt sich dabei heraus, dass das Ka­der­per­sonal wegen des oftmaligen Einsatzes und den vielen Einschränkungen und Verschlechterungen, ins­be­son­dere in finanzieller Hinsicht, weniger Interesse als früher zeigt. Auch bei den Rekruten wird das Aufbringen der notwendigen Stärken im­mer problematischer. Einer­seits gibt es noch immer viele Interventionen von Persönlichkeiten und Vereinen, die auf alle mögliche Arten Rekruten vom As­sistenzdienst befreit sehen wollen. An­derer­seits ist der Gesundheitszustand der Rekruten so schlecht, dass viele Soldaten zur Grenz­­überwachung nicht herangezogen werden dürfen. Besonders häufig kommt es vor, dass Rekruten durch Einnahme von Suchtgift, zu­min­dest vorübergehend, dienstunfähig sind.

Die Ausbildung muss auf ein Minimum beschränkt werden, und von den Rekruten wird verlangt, innerhalb kürzester Zeit die Ausbildungsinhalte aufzunehmen. Es wird auf die Funk­tio­nalität und nicht auf das Verstehen Wert gelegt. Der Ausbil­dungs­verlust wirkt sich besonders auf jene Funktionen aus, welche für eine Mobilmachung benötigt werden.

Sicherlich gäbe es Möglichkeiten, den Ausbildungsverlust zu minimieren, zum Beispiel die Wehrdienstzeit zu verlängern oder mehr Überstunden finanziell abgelten zu können. Die Idee, die Ausbildung während des Assistenzeinsatzes weiter durchzuführen, musste wegen der hohen Belastung von Rekruten und Kader im Grenz­überwachungsdienst als undurchführbar beurteilt werden.

All diese Maßnahmen erscheinen der­zeit nicht realisierbar. Die Ausbildung von Rekruten scheint seitens der Verantwortlichen im Bundesmi­nis­terium für Landesverteidigung und auch im Generalstab derzeit keinen hohen Stel­lenwert zu haben. Da aber der As­sistenzeinsatz eine hohe politische Bedeutung hat, wird dieses Manko einfach in Kauf genommen. Für einen Truppenkommandanten gibt es aber weiterhin den Befehl, Rekruten entsprechend den Dienstvorschriften auszubilden und die entsprechenden Ausbildungsziele zu erreichen. Daraus aber den Schluss zu ziehen, man könne nach Beendigung des Assistenzeinsatzes die Wehrdienstzeit verringern, ist meines Erachtens falsch, außer man kommt zum Ergebnis, dass die militärische Landesverteidigung obsolet sei.

Pro Assistenzeinsatz

Die Kommandanten aller Ebenen sind gezwungen, ihre Kenntnisse in der Menschenführung und der Pädagogik praxisnahe anzuwenden. Be­sonders in der Ebene der Einheit und darunter, wo die Kommandanten engs­ten Kontakt zu den Rekruten haben, werden diese Kenntnisse immer wieder gefordert. Jeder Fehler oder jede Nachlässigkeit wird sofort erkannt und beeinträchtigt die Effizienz des Einsatzes. Der As­sistenzeinsatz bietet daher eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Kommandanten zu beurteilen und zu überprüfen, ob sie das in vielen Kursen Gelernte auch in der Praxis umsetzen können.

Da die Schlepperorganisationen sofort auf bestimmte Arten des Einsatzes reagieren, werden vor allem die Kommandanten gezwungen, die Lage laufend zu beurteilen und den Einsatz so zu gestalten, dass ein Höchstmaß an Effektivität erreicht wird. Das militärische Führungsverfahren muss daher auf allen Ebenen beherrscht und angewendet werden.

Eine große Herausforderung bedeutet der Assistenzeinsatz auch für den Stab. Die Arbeit entspricht nahezu einem Einsatz - und das über einen Zeitraum von sieben Wochen. Der Dienstbetrieb rund um die Uhr erfordert einen Schichtdienst, wobei jede Schicht voll handlungsfähig sein muss und das "Wesentliche des Stabsdienstes" beherrschen muss. Der Stab hat sich an die jeweilige Lage anzupassen und muss in der Lage sein, ein vollständiges Lagebild des jeweiligen Ver­ant­wortungsbereiches zu geben.

Da sich die Assistenzkommanden aus verschiedenen Truppenteilen, Waffengattungen und Landsmannschaften zusammensetzen, muss innerhalb kürzester Zeit ein homogener und effektiver Verband gebildet werden. Durch die hohe Belastung und das Leben auf kleinem Raum über einen längeren Zeitraum hinaus vertiefen sich die Beziehungen der Soldaten in den Teileinheiten. Die alte soldatische Tugend der "Kameradschaftspflege" wird hochgehalten.

Oberst Wolfgang Hrubesch

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