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Das Multinationale Experiment 4

Ein neues Konzept für eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf politische Krisen und Naturkatastrophen soll helfen, die Zukunft aktiv zu gestalten. Dieses Konzept wurde heuer erstmals in einer virtuellen, aber überaus realistischen Krisensimulation erprobt - mit eindeutigem Erfolg.

Das Multinationale Experiment 4 (MNE 4) war das bislang größte und wichtigste länderübergreifende Vorhaben der Transformation sicherheitsrelevanter Fähigkeiten. 900 Teilnehmer aus acht Nationen und der NATO, darunter 90 Deutsche, erprobten - weltweit vernetzt - vom 27. Februar bis zum 17. März ein neues Konzept für eine verbesserte Reaktionsfähigkeit auf politische Krisen und Naturkatastrophen. Das Zentrum für Transformation der Bundeswehr war daran in Potsdam, Gelsdorf und Ottobrunn sowie in Suffolk/Virginia maßgeblich beteiligt. Die Auswertung ist noch nicht vollständig abgeschlossen, erste Ergebnisse über einen neuen Ansatz zu Effekt-basierten Operationen, womit die Streitkräfte Herausforderungen der Zukunft bewältigen sollen, liegen jedoch bereits vor.

Im Irak sowie in Afghanistan stehen z. B. US-amerikanische Truppen im Einsatz - und vor komplexen Problemen, die sie alleine nicht bewältigen können. Grund genug für das US Joint Forces Command, sich Gedanken zu machen, worauf es ankommt, wenn man eine Region stabilisieren will. Unter der Führung der Vereinigten Staaten testen deshalb Australien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Schweden und die NATO in einer virtuellen Umgebung neue Konzepte experimentell. Mit MNE 4 sollte eine Antwort auf die Frage gefunden werden, mit welchen Mitteln - diplomatischer, militärischer, politischer und wirtschaftlicher Art - die internationale Gemeinschaft in Zukunft den unterschiedlichsten Sicherheitsrisiken begegnen kann.

Die oben genannten acht Nationen und die NATO haben - nach zweijähriger intensiver Vorbereitung - in ihren High-Tech-Labors, vernetzt über die ganze Welt, mit MNE 4 neue Wege beschritten. Dabei wurde das Konzept Effects-Based Approach to Multinational Operations (oder kurz Effekt-basierte Operationen - EBO) zusammen mit einigen anderen unterstützenden Konzepten untersucht.

Neu in den EBO ist die Integration aller Elemente staatlichen Handelns auf operativer Ebene. Damit sollte untersucht werden, wie sich nicht-militärische Beiträge und Einflüsse auf die Planung und Durchführung einer Stabilisierungsoperation auswirken. Demzufolge nahmen an MNE 4 nicht nur Streitkräfte, sondern auch zivile Vertreter anderer Ressorts der beteiligten Nationen sowie einzelne internationale Hilfsorganisationen teil. Im Experiment wurden in einem - überwiegend auf Realdaten basierenden - Afghanistanszenario auch Lagen simuliert, die durch das Militär alleine nicht mehr gelöst werden können, etwa humanitäre Katastrophen.

Deutschland hatte unter Führung des Zentrums für Transformation der Bundeswehr (ZTransfBW) für MNE 4 in zwei Teilbereichen der EBO die inhaltliche Verantwortung übernommen, und zwar in den Bereichen - Knowledge Base Development (KBD) und - Information Operations (InfoOps).

"Wir haben hier einen inhaltlichen Schwerpunkt gesetzt", erklärt Brigadegeneral Eberhard Drews, Kommandeur des Zentrums für Transformation der Bundeswehr, und fügt hinzu: "Auf diesen Gebieten sind wir international Marktführer - und wollen es auch bleiben." Mit rund 90 Teilnehmern stellte Deutschland nach den USA das zweitgrößte Experiment-Team. Darunter befanden sich Soldaten aus allen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen sowie Repräsentanten des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz. "Der deutsche Beitrag zu MNE 4 ist beachtlich. Aber er stellt eine gezielte Investition in die Zukunft dar. Die hier betrachteten Konzepte sind geeignet, militärisches Planen und Führen auf operativer Ebene in der Zukunft auf ein neues Fundament zu stellen", glaubt Oberstleutnant i. G. Christian Rüther, der zuständige Referent im Bundesverteidigungsministerium und nennt den Grund für das deutsche Engagement: "Wir haben jetzt die Chance, Konzepte mitzugestalten, lange bevor sie den Nationen als fertige Pakete zur Entscheidung vorgelegt werden." Nur wer hier früh mitmache, sei auch rechtzeitig urteilsfähig, wenn Entscheidungen anstehen. Die NATO setze sich als Teilnehmer an MNE 4 mit EBO als grundlegendem Konzept auseinander, so Rüther. "MNE 4 bietet ein adäquates Forum, die eigene nationale Position im Dialog mit unseren wichtigsten Verbündeten zu entwickeln. Somit leistet dieses Vorhaben auch einen wichtigen Beitrag zur Interoperabilität unserer Streitkräfte. Deshalb stehen Kosten und Nutzen auch in einem vernünftigen Verhältnis. Im Ergebnis trägt MNE 4 ganz erheblich zur Transformation von Streitkräften bei - national wie multinational." Der Mehrwert des in diesem Experiment untersuchten EBO-Ansatzes liegt in der Entwicklung eines ganzheitlichen Konzeptes, das im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung eines internationalen Engagements über kurzfristige Maßnahmen hinausgeht und in das neben militärischen auch diplomatische und entwicklungspolitische Entscheidungskomponenten und Einflussfaktoren einfließen. "Wir müssen lernen, in einem Räderwerk zu denken: Wird auch nur an einem Rädchen gedreht, so bewegen sich auch immer andere und beeinflussen so das Ganze", erläutert Wolfgang Schneiderhan, Generalinspekteur der Bundeswehr, das Prinzip von EBO mit einfachen Worten. Für ihn ist MNE 4 "das wichtigste multinationale Vorhaben der Transformation sicherheitsrelevanter Fähigkeiten". Schneiderhan unterstreicht: "Wenn sich unsere Annahmen bestätigen, wird MNE 4 Führungsprozesse und -verfahren für Aufgaben der Krisen- und Konfliktbewältigung revolutionieren." Virtuell, aber realistisch Die Herausforderungen für die Teilnehmer an MNE 4 waren fiktiv. Doch die Bedingungen bauten auf der tatsächlichen Situation im Land am Hindukusch auf: Februar 2006. Afghanistan ist nach Jahren innerer Unruhen zerrissen. So genannte Warlords dominieren noch immer weite Teile des Landes. Vor dem Hintergrund fortwährender Übergriffe Aufständischer steht die Regierung - von den Vereinten Nationen unterstützt - auf tönernen Füßen. Dürre und eine unterentwickelte Landwirtschaft führen zu Defiziten in der Nahrungsversorgung. Die Bevölkerung ist in traditionellen Stammesverbänden verwurzelt. Spannungen innerhalb dieser Gruppen werden durch Flüchtlingsströme intensiviert.

Soweit das Grundszenario. In diesem wurden die Experimentteilnehmer mit verschiedenen Ereignissen konfrontiert: So versuchen die sich neu formierenden Taliban und die Terrororganisation Hezb-e-Islami Gulbuddin (HIG) einen islamischen Staat zu etablieren. Die Rebellen überrennen unter anderem die Provinzhauptstadt Farah. Das gleiche Schicksal ereilt die Stadt Deh Rawod in Uruzgan. In Farah wird die wichtigste Versorgungsstraße, die "Ringroad A-1" attackiert. Verschiedene Rebellengruppen finden aufgrund der durchlässigen Grenzen sichere Rückzugsmöglichkeiten. Und die Warlords wollen in dem stark verminten Land mit Waffengewalt ihre Machtbereiche weiter ausdehnen.

Dazu kommt eine Herausforderung anderer Art: Nicht enden wollende Schneefälle bedrohen die in das Land zurückkehrenden Flüchtlinge. In den Lagern fehlt es bereits an Nahrung und Material. Die Versorgung mit Medikamenten ist unzureichend. Wegen der problematischen Sicherheitslage können Hilfsorganisationen nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten. Diese brauchen jedoch verstärkten Schutz, um eine Ausweitung der humanitären Notsituation verhindern zu können.

Dem Schnee folgt ein Hochwasser, das die Region verheert. Die Koalitionstruppen und die in der Region befindlichen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (GOs und NGOs) müssen zusammenarbeiten, sonst bricht die humanitäre Hilfe völlig zusammen. Keine der beteiligten Organisationen kann die Krise allein bewältigen.

Das Szenario basierte im Wesentlichen auf Realdaten und wurde nur an wenigen Stellen aus experimentellen Gründen durch fiktive Daten ergänzt. Vor diesem scheinbar realen Hintergrund mussten die Experiment-Teilnehmer die zu untersuchenden Konzepte anwenden und auf ihre Brauchbarkeit hin untersuchen. Nur in einem so realitätsnahen Szenario konnten die Konzepte unter möglichst realistischen Bedingungen überprüft werden. Der Aufwand, ein vergleichbar komplexes Szenario in einer rein fiktiven Welt zu entwickeln, wäre unverhältnismäßig hoch gewesen - und damit kaum realisierbar.

Effects-Based Operations

Hochkomplexe Netzwerke, dynamisch-flexible Wechselbeziehungen und ein rasanter, häufig intransparenter Wandel zeigen: Die Welt von heute ist kompliziert. Stabilisierungsoperationen (z. B. Friedenseinsätze) der Zukunft müssen einem solchen Umfeld Rechnung tragen und weit über das traditionelle Verständnis militärischer Einsätze sowie über den herkömmlichen geographischen Begriff des Kriegsschauplatzes hinausgehen. Ein Ansatz dazu, der neben multinationalen Partnern auch staatliche und nichtstaatliche Organisationen aus dem nichtmilitärischen Bereich integriert, heißt Effects-Based Operations (EBO).

Dass die Welt kompliziert und komplex ist, ist jedoch nicht neu. Das war sie schon immer. Nur wurde dieser Umstand in der Vergangenheit oft nicht seiner Bedeutung entsprechend berücksichtigt oder sogar gezielt ausgeblendet. So tauchte im militärischen Planungsprozess die Komponente Bevölkerung (des Einsatzgebietes) als eher unbedeutender Nebenfaktor oft nur unter Sonstiges auf. Eine derartige Betrachtungsweise kann sich das Militär heute nicht mehr leisten.

Um den beschriebenen Herausforderungen gerecht zu werden, muss sich die militärische Planung außerhalb der hergebrachten Strukturen an einem integrativen Ansatz orientieren: Neben multinationalen Partnern sind auch andere staatliche und nichtstaatliche Organisationen aus dem nichtmilitärischen Bereich zwingend mit einzubeziehen. Gegenwärtigen und zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen kann man nur in solch einem "Interagency"-Gesamtansatz wirksam begegnen. Effects-Based Operations führen alle Akteure zusammen, - streitkräftegemeinsam (joint), - multinational (combined) und - im Verbund mit staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen (interagency).

Der EBO-Prozess geht von einem politisch definierten Endzustand aus, der erreicht werden soll. Es wird also vom Ende her gedacht und nicht bloß "drauf los gewurstelt". Die Kluft zum Ist-Zustand wird dadurch überwunden, dass erreichbare Zwischenzustände, die so genannten Effects (Effekte), formuliert und mit einem klaren Zeithorizont versehen werden. Effects-Based Operations konzentrieren sich auf eine Kombination militärischer und nichtmilitärischer Handlungen, die auf eine Verhaltensänderung von Konfliktparteien im operativen Umfeld zielt. Der erwartete Gewinn dieses Ansatzes liegt darin, dass ausschließlich in Systemzusammenhängen gedacht wird. Alle Aktivitäten - staatlicher und nichtstaatlicher Organe - sind von vornherein integriert und eng aufeinander abgestimmt. Unerlässlich für alle Effects-Based Operations ist eine Art Einsatz-Controlling, bei der Erfolgskriterien für die Stabilisierungsoperation festgelegt werden.

Effects-Based Operations (EBO) enthalten die vier Kernprozesse - Knowledge Base Development (KBD), die Wissensdatenbasis für ein ganzheitliches und dynamisches Gesamtsystemverständnis, - Effects-Based Planning (EBP), die Planung der Operation, - Effects-Based Execution (EBE), die Ausführung und Überwachung der Planung und - Effects-Based Assessment (EBA), die Bewertung der Zielerreichung.

Knowledge Base Development

Knowledge Base Development ist ein Prozess mit dem Ziel, ein ganzheitliches und dynamisches Bild von den Gegebenheiten eines Einsatzgebietes zu entwickeln. In der Sicherheitspolitik haben wir es im 21. Jahrhundert durchwegs mit komplexen Szenarien zu tun - egal ob in Afghanistan, im Sudan oder bei der Tsunami-Katastrophe. Die weltweite Auseinandersetzung mit den sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute erfordert die Fähigkeit des Eindringens in kulturell, sprachlich und religiös weitgehend homogene Gesellschaftskreise, die für Außenstehende oft kaum fassbar sind.

Aufgrund der Vielfalt der Einflussfaktoren und durch die Vernetztheit von Zusammenhängen, Abhängigkeiten sowie der Dynamik ihrer Veränderungen ist eine Komplexität erreicht, die das normale Wissen und Systemverständnis weit übersteigt. Man steht Systemen gegenüber, deren Strukturen intransparent und nicht mehr einfach zu erschließen sind. Das Knowledge Base Development und der darin integrierte systemische Ansatz (Systemic Approach) sind vielversprechende Lösungsansätze, um dieser Komplexität angemessen zu begegnen. Das Knowledge Base Development wird unter Leitung des Zentrums für Transformation der Bundeswehr (ZTransfBw) entwickelt und durch die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG, Ottobrunn bei München) wissenschaftlich unterstützt. "Durch dieses Kooperationsmodell mit der Industrie kann die Bundeswehr von unserer Fachexpertise im Bereich Concept Development & Experimentation sowie Modellbildung und Simulation profitieren", erklärt Thomas Dittler, der Geschäftsführer der IABG.

Das Einsatzgebiet als System von Systemen

Im EBO-Konzept werden alle Akteure und Handlungen als komplexes System gesehen. Dies bedeutet, Handlungen nicht nur im Rahmen von einfachen Ursache-Wirkung-Zusammenhängen und statischen Ist-Analysen zu bewerten. Berücksichtigt werden vor allem die Eigendynamik des Systems, die vielfältigen Abhängigkeiten untereinander sowie Fernwirkungen. Eine auf diesen Grundlagen entwickelte Knowledge Base ist somit weit mehr als eine klassische Datenbank: Anders als traditionelle Datenbanken greift die Knowledge Base auf virtuelle Verknüpfungen zu den verschiedensten Informations- und Wissensquellen zurück. Weiterhin werden unterschiedliche Daten und Informationen über eine potenzielle Krisenregion etwa in Mindmaps (grafische Darstellungen von Zusammenhängen) so angeordnet und strukturiert, dass sie die Systemzusammenhänge des Problemraumes nutzerverständlich darstellen. Systemanalysten ergänzen diese Informationen durch ihre Interpretation bezogen auf das konkrete Problem, oder zumindest in engem Zusammenhang damit. Darüber hinaus werden Verknüpfungen zur Entwicklung eines Lagebewusstseins hergestellt, sowohl mit klassischen Beiträgen des militärischen Nachrichtenwesens als auch mit dem Expertenwissen ziviler Wissenschaftler und Institutionen.

Ein zusätzlicher Mehrwert von Knowledge Base Development liegt in ihrer - über den militärischen Bereich hinausgehenden - interdisziplinären Anwendbarkeit für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Damit kann Knowledge Base Development in Zukunft viel zur Entwicklung von Instrumenten der Krisenprävention beitragen.

"Das Fördern und Begleiten einer friedlichen Entwicklung in einem Einsatzgebiet unter Absicherung durch Stabilisierungskräfte ist immer ein dynamischer Prozess, der durch vielfältige Faktoren Rückschläge erleiden kann. Die Ursachen solcher Rückschläge liegen zumeist nicht im Bereich noch vorhandener militärischer Machtmittel, sondern im Bereich wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit, ethnisch oder religiös begründetem Radikalismus und einer zu diesen Zwecken instrumentalisierten emotionalisierten Öffentlichkeit, um nur einige wenige Beispiele zu nennen", weiß Generalmajor Manfred Engelhardt. Als Kommandeur der 10. Panzerdivision trug er bis vor kurzem die Verantwortung für zwei Stabilisierungsbrigaden. Inzwischen ist er zum Chef des Stabes im Führungsstab der Streitkräfte im deutschen Verteidigungsministerium avanciert. Engelhardt ist überzeugt, dass Knowledge Base Development der Truppe nutzt: "Ein ‚Knowledge Based-Ansatz‘, der von vornherein das Ziel einer integrativen, auch alle nichtmilitärischen ‚agencies‘ umfassenden Gesamtoperation beinhaltet, kann solchen Rückschlägen wesentlich besser vorbeugen und - falls sie dennoch eintreten - wirksamer begegnen. In einer solchen, auch experimentell simulierten Vorgehensweise liegt die Zukunft."

Information Operations - das vierte operative Element

Ein wichtiger Bestandteil des MNE 4 ist das Wirken mit und auf Informationen, so genannte Informationsoperationen (InfoOps). Dazu ein Beispiel: Für die afghanische Bevölkerung sind große Hubschrauber seit der Zeit der sowjetischen Besatzung gleichbedeutend mit Kampfmaschinen, die Tod und Verderben bringen. Die Luftangriffe mit Kampfhubschraubern Mi-24 (HIND) haben sich in das Gedächtnis eingeprägt. Deshalb bereitet die Bundeswehr die Afghanen mit Flugblättern darauf vor, wenn ihre großen CH-53G Transporthubschrauber Hilfsgüter einfliegen. Nur so wird die Hilfe als solche erkannt und kommt an. Andernfalls rennen die Menschen weg oder beschießen sogar die Hubschrauber.

InfoOps sollen alle militärischen Maßnahmen, mit denen Wirkungen auf Informationen und Informationssysteme erzielt werden können, koordinieren. Dies ist eine Querschnittsaufgabe für alle Bereiche der Streitkräfte: Information wird neben Raum, Ort und Zeit zum vierten operativen Element. Dieser Ansatz geht weit über das bisherige militärische Denken hinaus.

Um die hochkomplexen Verhältnisse im Einsatzland als System von Systemen zu verstehen, müssen zielgerichtet Informationen gesammelt, weitergegeben und aufbereitet werden. In diesem Zusammenhang gilt es, Informationssysteme zu nutzen und zu schützen. InfoOps sollen dazu beitragen, die informativen Effekte militärischer Handlungen abzustimmen und zielgerichtet bei der Planung, Führung und Auswertung von Operationen zu berücksichtigen. Die Beiträge der Streitkräfte sind über InfoOps mit einer gesamtstaatlichen Informationsstrategie in Einklang zu bringen.

Das MNE 4 machte deutlich, dass durch die Koordinierung von Einzelmaßnahmen zusätzliche Synergieeffekte erzielt werden können. Damit verringert sich der Aufwand an Kräften und Mitteln. Die koordinierende Funktion der InfoOps soll diese Effekte im Informationsraum gezielt herbeiführen.

"Wir haben ja erst vor kurzem erlebt, welch strategische Dimension die Auseinandersetzung um die Mohammed-Karikaturen genommen hat. Auf Ebene unserer strategischen und operativen Hauptquartiere ist die herausragende Rolle von InfoOps als eines auf die ‚hearts and minds‘ zielenden ‚force multipliers‘ längst unbestritten", erklärt Generalmajor Engelhardt. Für ihn ist klar: "Es geht darum, die Ziele unserer Operationen transparent zu machen als Hilfe zur Selbsthilfe, um die geschundenen Völker zu befähigen, nach einem überschaubaren Zeitraum ihre Geschicke wieder selbst in die Hand nehmen zu können."

Perspektiven

Oberstleutnant i. G. Raoul Gruninger, der deutsche Nationale Experimentdirektor MNE 4, ist stolz darauf, mit welcher Begeisterung alle Beteiligten neues Denken nach vorn gebracht haben. Ihm ist wichtig, dass MNE 4 adäquat ausgewertet wird: "Rund wird das Experiment nur, wenn man aus ihm die richtigen Schlüsse und Lehren zieht und diese an den jeweiligen Stellen in Taten umsetzt." Er betont weiter: "MNE 4 ist ein Beleg dafür, dass Transformation durchaus realen Charakter haben kann, dass sie anfassbar und erlebbar ist, dass sie nicht nur als blanke Theorie im Wolkenkuckucksheim verstaubt, sondern von Menschen gedacht, gewirkt, erkämpft und zu fertigen Konzepten geformt wird." Eine positive Bilanz zieht auch Brigadegeneral Ernst-Otto Berk, der höchste deutsche Repräsentant bei MNE 4. Sein Urteil: Schon jetzt zeichne sich ab, dass das deutsche Teilprojekt Knowledge Base Development (KBD) in der Praxis der Auslandseinsätze eine große Hilfe werden könne: "Die ständige und permanent aktualisierte Verfügbarkeit von Wissen über das Einsatzgebiet über den Kontingentwechsel hinaus, unabhängig vom Wissen einzelner, das ist das, was die Truppe braucht." Deshalb regt Berk an, Knowledge Base Development nicht nur im Experiment, sondern tatsächlich im Einsatz zu erproben. Voll des Lobes ist der General über die deutsche Vorbereitung, denn die beteiligten Stellen aus Bundeswehr und Ministerien hatten ihr Team schon vor der Experimentierphase mehrfach zusammengezogen und in einer so genannten Week Zero eingehend trainiert. "Das hat sich hervorragend bewährt und sollte so auch multinational übernommen werden." "Tolle Arbeit, die sie hier leisten," attestierte Österreichs stellvertretender Verteidigungsattaché in Deutschland, Oberst Herbert Hanzar, als er gemeinsam mit Attachés aus neun weiteren Nationen das deutsche Experimentteam in Potsdam besuchte, "aber es wird sicher noch eine Weile dauern, etwas in den Köpfen zu bewegen". Die Österreicher können mithelfen, dass das schneller geschieht, sind doch auch sie eingeladen, sich am Nachfolgeprojekt MNE 5 zu beteiligen.

___________________________________ __________________________________ Autor: Oberstleutnant der Reserve Leo Mayerhöfer (Deutschland), Jahrgang 1962. Diplom-Journalist

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