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Das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem (I)

Hardware - Betriebssoftware - Schulungssysteme

Mit einer beeindruckenden Demonstration seiner Leistungsfähigkeit wurde im März 2006 in Baden das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem für das Artilleriebataillon (EAFLS/BAON) zur Verwendung durch die Truppe freigegeben. Das Projekt, an dessen Realisierung die Firma ESL Advanced Information Technology GmbH maßgeblichen Anteil hatte, ist ein Meilenstein in der Geschichte der Artillerie. Mit dem Bataillonssystem verfügt die Artillerie über eines der weltweit leistungsfähigsten Feuerleitsysteme, das einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung ihrer Kampfkraft leistet.

Die Anforderungen an ein modernes Feuerleitsystem bestehen in der Verbesserung der Feuerkoordination, der Rationalisierung des Munitionseinsatzes, der Erhöhung der Präzision und der Schnelligkeit des Feuers, der Nutzung von Navigationssystemen sowie in der Automation der Informationsübertragung.

Vorläufer Batteriesystem

Bereits das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem für die Artilleriebatterie (EAFLS/BATT, siehe dazu auch den Beitrag im TRUPPENDIENST, Heft 1/2001, Seite 32 ff.) war bereits ein Quantensprung in Bezug auf Zeitersparnis und Treffgenauigkeit im artilleristischen Feuerkampf. Neben der Zeitersparnis bei der Kommandoermittlung bestach das EAFLS/BATT durch die Genauigkeit bei der Ermittlung der Schießelemente sowie die rasche und sichere Datenübertragung.

Diese Eigenschaften wurden beim EAFLS/BAON noch weiter verbessert und zusätzlich gab es viele Neuerungen wie z. B. die Einbindung der Navigations-, Orientierungs- und Richtanlage (NORA), die Anwendung des Stellungsraumverfahrens und die alternative Meldungsführung.

Entwicklung des EAFLS/BAON

Aufbauend auf das Batteriesystem EAFLS/BATT erging im Jahr 2000 der Auftrag an die Firma ESL zur Entwicklung des EAFLS/BAON. Das erste Entwicklungsjahr, in dem die Spezifikationen erstellt wurden, endete mit einem Design-Review, woraufhin die Freigabe zur Realisierung durch die verantwortlichen Stellen des BMLV erfolgte. Die erste Version des EAFLS/BAON wurde termingerecht und ohne jegliche Kostenüberschreitung innerhalb von drei Jahren nach der Auftragserteilung fertig gestellt. Daran anschließend folgte die Erprobungsphase. (Unter Design-Review ist eine dokumentierte, umfassende und systematische Untersuchung des Designs zu verstehen. Ziel ist es, dessen Fähigkeiten zu beurteilen, die Qualitätsforderungen zu erfüllen, potenzielle Probleme zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln.) Eine Vorgabe für die Realisierung des Bataillonssystems war die weitgehende Weiterverwendung der vorhandenen Hardware-Komponenten. Dieser Forderung konnte beinahe zur Gänze entsprochen werden, lediglich das Bedien- und Anzeigegerät in der Panzerhaubitze (Gun Control Unit - GCU) musste für die Einbindung der Navigations-, Orientierungs- und Richtanlage (NORA) in das EAFLS modifiziert werden.

Mit dem Bataillonssystem EAFLS/BAON ist die Artillerie in der Lage, in der Maximalkonfiguration mehr als 70 EAFLS-Komponenten im Datenverbund zu führen. Bei der Auslegung des Systems wurde auf die Betriebssicherheit besonderer Wert gelegt. Dadurch verkraftet das System den Ausfall einzelner Stationen ohne Datenverluste oder Funktionsstörungen. Mit dem modernen Feuerleitsystem können mehrere Ziele gleichzeitig bekämpft werden. Rasche Zielzuweisungen und Feuerleitentscheidungen sind mit dem Bataillonssystem EAFLS/BAON Realität geworden. Das Bataillonssystem erreicht Reaktionszeiten von maximal vier (!) Minuten für ein Bataillonsfeuer, gemessen von der Eingabe des Feuerauftrages in das System bis zum Abfeuern der Geschütze - ein Wert, der den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht! Noch beeindruckender erscheinen diese vier Minuten, wenn man berücksichtigt, dass diese Zeit auch den Marschweg der Geschütze aus der Bereitschaftsstellung in eine Feuerstellung beinhaltet. Selbst die maximal sieben Minuten Reaktionszeit, die sich im Ausbildungsbetrieb durch verschiedene Sicherheitsmaßnahmen ergeben, sind im internationalen Vergleich noch immer ein Spitzenwert.

Software-Wartung

Der Software-Wartungsvertrag für das EAFLS/BAON, mit dem ESL im Jahr 2005 beauftragt wurde, sichert die Verwendbarkeit des Systems für die gesamte Systemlebensdauer, indem regelmäßig Anpassungen an neue Gegebenheiten, wie zum Beispiel die Einführung neuer Zündertypen, wahrgenommen werden. Jährliche Software-Updates und Problembereinigungen steigern zusätzlich die Effizienz des Systems.

Das Schulungssystem CATTS

Auch das beste System kann erst durch ein hervorragend geschultes Personal seine gesamten Stärken ausspielen, deshalb wurde ESL bereits 2003, parallel zur Entwicklung des Bataillonssystems, mit der Realisierung des Computer Aided Test and Training Systems (CATTS) beauftragt. Bereits im darauf folgenden Jahr wurde dieses Projekt abgeschlossen.

Das CATTS kann unter verschiedenen Aspekten eingesetzt werden: - als Prüfsystem, zur Überprüfung und Steuerung des EAFLS; - als Lehrsaalsystem, welches die Ausbildung am Feuerleitsystem unterstützt.

Als Prüfsystem ist das CATTS beim Kommando Führungsunterstützung im Einsatz, die Artillerieschule in Baden nutzt das CATTS als Bestandteil des EAFLS-Trainingssystems (ETS).

Mit dem CATTS können einmal aufgezeichnete Abläufe beliebig oft in das Feuerleitsystem eingespielt und zur Überprüfung gespeichert werden. Anhand dieser Daten können dann Fehler analysiert und nachvollzogen werden.

Zur Unterstützung bei der Ausbildung am EAFLS stehen die Funktionen "Monitoring" (Überwachung) und "Remote Control" (Fernbedienung) zur Verfügung. Der Ausbilder kann die Arbeit an den EAFLS-Geräten von seiner Ausbilderstation aus überwachen. Wenn erforderlich, kann er eingreifen und die Kontrolle über die EAFLS-Geräte übernehmen. Jeder Bildschirminhalt einer EAFLS-Komponente kann zu Präsentationszwecken mit Hilfe eines Videobeamers auf einer Projektionsfläche dargestellt werden.

Das CATTS ermöglicht eine auf mehrere Lehrsäle verteilte Ausbildung. In jedem Lehrsaal gibt es eine Ausbilderstation, die über das Netzwerk (LAN) mit den EAFLS-Geräten verbunden ist. Auf den Ausbilderstationen besteht die Möglichkeit, nicht nur die EAFLS-Komponenten des eigenen Lehrsaales, sondern auch jene eines anderen Lehrsaales anzuzeigen. Über eine zentrale Station ist die Überwachung sämtlicher EAFLS-Geräte aller Lehrsäle möglich.

Für die Evaluierung des Trainingsfortschritts und des Trainingserfolges können alle Tätigkeiten zeitgenau aufgezeichnet und später analysiert werden. Das Setzen von "Bookmarks" ("Lesezeichen" zum rascheren Auffinden bestimmter Stellen) unterstützt diese Funktion und ermöglicht eine effiziente Auswertung.

Ein herausragendes Merkmal des CATTS ist seine Authentizität - es gibt keinen Unterschied zwischen dem Original und der Simulation, was durch ein kluges und wohldurchdachtes Design erreicht wurde.

Trotz der Leistungsfähigkeit verursacht das CATTS nur geringe Betriebskosten, da eine automatische Anpassung an das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem erfolgt. Darüber hinaus zeichnet sich das CATTS durch eine anwenderfreundliche Benutzeroberfläche aus, das macht eine aufwändige Einschulung beinahe überflüssig.

Das Beobachtertrainingssystem BTS

ESL hat sich Ende 2003 im Wettbewerb um die Realisierung eines Beobachtertrainingssystems (BTS) durchgesetzt. Das BTS ermöglicht die Aus- und Weiterbildung des Beobachtungs- und Feuerleitpersonals für schwere Steilfeuerwaffen (M-109A5Ö, 120-mm-schwerer Granatwerfer, 80-mm-mittlerer Granatwerfer).

Die Abnahme des BTS erfolgte im Dezember 2004 und es ist seitdem in folgenden Garnisonen erfolgreich im Einsatz: - Baden (Martinek-Kaserne); - Allentsteig (Liechtenstein-Kaserne); - Saalfelden (Wallner-Kaserne).

Beim BTS kommt die neueste Simulationstechnik zur Anwendung, wobei modernste Technologie (z. B. eine automatische Geländeerstellung durch digitale Höhendaten und Luftbilder) verwendet wird. Das Ergebnis ist eine realistisch wirkende, virtuelle dreidimensionale Welt, in der sich sowohl der Beobachter als auch simulierte Fahrzeuge frei bewegen können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, jederzeit neue Geländedaten einzuspielen und damit ein neues Trainingsgelände zu erstellen.

Das Gelände wird mittels zweier Projektoren als Großbild angezeigt, die ein homogenes Geländebild erzeugen - dank neuester Überblend-Technologie ohne sichtbare Schnittränder. Für die akustische Simulation sorgt ein Dolby Surround-System, das während des Übungsbetriebes die typischen Geräusche in Abhängigkeit von den verschiedenen Standorten (Beobachter, Geschütz, Ziel) erzeugt. Die aus Entfernung und Schallgeschwindigkeit resultierenden Verzögerungen werden dabei korrekt berücksichtigt.

Das BTS wird von einer Person, dem Trainer, bedient. Die auszubildenden Beobachter sitzen in den Bankreihen des Lehrsaales und können die Beobachtungen und Zielfestlegungen - mit freiem Auge, - mit den entsprechend auf die Sitzreihen abgestimmten Ferngläsern sowie - mit einem speziellen Laserentfernungsmesser durchführen.

Die erfassten Ziele können danach bekämpft werden. Die Beobachter können aufgrund der sichtbaren, realitätsnahen Effekte (Treffer, Explosionen etc.) erforderliche Korrekturen vornehmen.

Das System bietet drei Grundfunktionen: - den Design-Modus, in dem die jeweilige Übung erstellt wird; - den Exercise-Modus zur Durchführung der vorbereiteten Übung, wobei alle Ereignisse aufgezeichnet werden; - den Debriefing-Modus, der eine Analyse der durchgeführten Übungen ermöglicht und die Abschlussbesprechung unterstützt.

Mit den drei derzeit installierten BTS stehen dem Bundesheer zeitgemäße Simulationssysteme zur Verfügung, die es gestatten, die Ausbildung der Beobachter für Steilfeuerwaffen bzw. Steilfeuersysteme effizient und realitätsnah zu gestalten.

Das Radiowettersondensystem

Das Radiowettersondensystem (RWSS), für dessen Einführung die Firma ESL ebenfalls verantwortlich zeichnet, liefert der Artillerie jene Wetterdaten, die sie für die zuverlässige Ermittlung von Feuerkommandos braucht. Es wurde bereits ausführlich im TRUPPENDIENST, Heft 5/2004, S. 469 ff. beschrieben.

Bisher konnten die Wetterberichte in den entsprechenden STANAG-Formaten (NATO Standardization Agreements) lediglich ausgedruckt werden. Im Jahr 2005 gelang es ESL, das Radiowettersondensystem mit dem EAFLS zu koppeln. Mit dieser Maßnahme konnte das letzte Glied einer wichtigen Kette, nämlich die unmittelbare Kommunikation zwischen RWSS und dem EAFLS, geschlossen werden. Eine mögliche Fehlerquelle wurde ausgemerzt und damit ein entscheidender Beitrag für die Sicherheit und Genauigkeit beim Steilfeuer geleistet.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit den begleitenden Systemen CATTS, BTS und RWSS ist das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem ein ganzheitliches, hocheffizientes Waffeneinsatzsystem, dessen Bekanntheitsgrad weit über die Staatsgrenzen Österreichs hinausgeht. Europäische, asiatische und arabische Länder haben bereits ihr Interesse an der Beschaffung dieses Gesamtpaketes bekundet.

Eine weitere Herausforderung für die Zukunft stellt sicherlich die Zusammenlegung der Artillerie mit den Aufklärungskräften dar.

Moderne Beobachtungsmittel, wie zum Beispiel Radargeräte, Wärmebildgeräte, Laserentfernungsmesser sowie andere Arten von Navigationssystemen sind dann in das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem zu integrieren.

Die Zukunft des EAFLS liegt aber auch in der laufenden Modernisierung der Geräte, insbesondere des Beobachtergerätes COMPACT (Observer and Commander Device), dessen Hardware nun schon seit mehr als 18 Jahren unverändert ist.

Schnittstellen zu computergestützten Führungsinformationssystemen existieren bereits, und etwaige Weiterentwicklungen zur Zusammenarbeit mit internationalen Datenverbundsystemen sind in einem vertretbaren Zeit- und Kostenrahmen möglich. Damit ist das EAFLS/BAON bestens auf die Erfordernisse der Zukunft vorbereitet, insbesondere was die Interoperabilität mit internationalen Systemen betrifft.

___________________________________ __________________________________ Autorin: DI (FH) Katrin Klose. Ausbildung zur Diplom-Informatikerin (FH). Ab 1990 Software- und Applikationsentwicklung in der Firma ELIN und deren Nachfolgefirma ECS (Electronics & Communications Systems). Nach der Karenz im Jahr 2000 Software- und Applikationsentwicklung bei Kapsch; ab 2002 bei ESL Advanced Information Technology GmbH mit Projektmanagement, Systemanalyse, Softwarespezifikation, Design, Implementierung und Test komplexer militärischer und ziviler Systeme (z. B. Radiowettersondensystem, Prüfsystem/Lehrsaalsystem CATTS, ETC-Kommunikationstest, Schnittstellenmodul für Informationssysteme, Schnittstellenmodul-Artilleriewettertrupp) betraut.

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