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Wehrpsychologie

Sigmund Freud und die Soldaten

Sigmund Freud wurde vor 150 Jahren geboren. Er ist als Begründer der Psychoanalyse und auch als wesentlicher Richtungsgeber der psychologischen Behandlung allgemein anerkannt. Ihm gelang es, die Existenz des Unbewussten und die rein auf Gesprächen beruhende Behandlung von psychischen Erkrankungen so bekannt zu machen, dass es heute wahrscheinlich niemanden mehr gibt, der die Macht der Psyche über die Handlungen des Menschen bzw. deren Einfluss bei der Entstehung von Krankheiten in Frage stellt.

Freud hatte in Wien Medizin studiert und beobachtete auf einer Studienreise in Paris, wie Patienten mit psychischen Störungen mittels Hypnose und Suggestion behandelt wurden. Davon beeindruckt begann er, in Wien diese Methode weiterzuentwickeln, seine Therapiemethode zu systematisieren und damit auf einen wissenschaftlichen Boden zu stellen. Dabei entstanden drei Grundannahmen, die auch für das Militär Bedeutung haben: 1. Menschen sehen sich ständig mit Erlebnisinhalten konfrontiert, die sie bewusst nicht wahrnehmen möchten (die so genannte "Verdrängung"). So verdrängt beispielsweise der Soldat, der Gräueltaten beobachtet, die dabei auftauchenden Gefühle ins Unbewusste und verhindert so die Überlastung seiner Psyche. Das bedeutet aber auch, dass diese Gefühle unbewusst präsent bleiben, da keine gesunde "Verarbeitung" möglich war!

2. Menschen begegnen Lebenssituationen auf eine Art und Weise, die unangenehme Erlebniszustände möglichst gering halten; die dabei erlernten Reaktionsformen werden unbewusst immer wieder angewendet. Dieser Umstand erklärt uns vielleicht, warum beispielsweise junge Menschen nur schwer für den Dienst beim Bundesheer zu motivieren sind, da die radikale Umstellung der eigenen Lebensweise auf jeden Fall auch negative Gefühle (Erlebniszustände) auslöst.

3. Jeder Mensch bildet bestimmte Tendenzen aus, wie er sich selbst und die Welt erlebt, außerdem entwickelt er Muster, mit diesem Erleben umzugehen. Heute würden wir das als angelernte Überlebensstrategie bezeichnen, die sich sehr früh entwickelt und nur schwer wieder veränderbar ist. Hat beispielsweise jemand gelernt, dass nur autoritäres Auftreten zum Erfolg führt, so wird ihm eine andere Art der Mitarbeiterführung nur schwer zugänglich sein.

Behandlung von Kriegsneurosen

1920 entlastete Freud in einem Gutachten zur Behandlung von "Kriegsneurosen" (psychische Erkrankungen, die während des Ersten Weltkrieges massiv auftauchten und die man heute als posttraumatische Belastungsstörung bezeichnen würde), den damals berühmten Arzt Wagner-Jauregg vom Vorwurf der Quälerei, zeigte aber durch seine gleichzeitige Kritik auch neue Wege der Behandlung von psychisch kranken Kriegsheimkehrern auf: Wagner-Jauregg behandelte Kriegsneurotiker im Sinne der klassischen Psychiatrie mittels Elektroschocks, während Freud in seiner modernen Lehre der Psychoanalyse die Entstehung der Kriegsneurose als den Konflikt zwischen dem, den Soldaten innewohnenden Gegenpolen des "Friedens-Ich" und des "Soldaten-Ich" beschrieb. Dieser Konflikt entsteht, da das Gefühl der Lebensgefahr und das Sträuben gegen den Auftrag zu töten unterdrückt werden muss, da es dem Befehl durch den Vorgesetzten zuwiderläuft. Das ganz Wesentliche für die heutige Sichtweise aber ist: Es handelt sich dabei um eine normale Reaktion auf eine kranke Situation, und es bedarf einer Aufarbeitung des Konfliktes zur Behandlung der Folgen.

Ist Freud noch aktuell?

Freuds Erkenntnisse sind daher in diesem Sinne auch noch heute aktuell: Wenn unsere Soldaten in einem Einsatz - egal, ob im Inland oder im Ausland - mit schrecklichen Situationen bzw. Bildern konfrontiert werden oder wenn sie sich in Gefahr begeben müssen, so kann das zu völlig normalen (im Sinne von logischen) Reaktionen führen, die für den Betroffenen allerdings sehr störend sind. Die Betroffenen können heute mit entsprechenden psychotherapeutischen Methoden behandelt und wieder völlig beschwerdefrei gemacht werden.

Ein weiterer Punkt betrifft den Umgang zwischen Medizin (Psychiater) und Psychologie (nicht-medizinische Therapeuten). Freud wollte, dass beide Gruppen im Team zusammenarbeiten, da sie über gänzlich unterschiedliche Sichtweisen verfügen, aber jede Gruppe für sich etwas zur Gesundung der Patienten beitragen kann. Diese Forderung ist heute in den Spitälern des Bundesheeres praktisch umgesetzt. In Wien arbeitet die Psychiatrische Ambulanz sehr eng mit den Klinischen Psychologen des Hauses zusammen. In Graz und Innsbruck ziehen die dort tätigen Klinischen Psychologen immer wieder externe Psychiater hinzu.

Auch wenn heute die meisten Therapeuten und Ärzte die Methoden Freuds nicht mehr selbst anwenden, so ist es doch seine Idee der Psyche und des Unbewussten, die uns heute im Umgang mit den Patienten leitet und bei diesen auch das notwendige Verständnis für eine derartige Behandlung eröffnet.

Autor: Oberrat Mag. Michael Mikas

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