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Militärpolitik

Neue Herausforderungen nach dem EU-Vorsitz

Mit 1. Juli hat Finnland den Ratsvorsitz im Rahmen der Europäischen Union von Österreich übernommen. Es ist nun mit höherer Genauigkeit möglich, eine erste Bewertung der österreichischen Vorsitzführung im Bereich der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) vorzunehmen. Die ausgezeichnete Organisation, vor allem dort, wo das Österreichische Bundesheer allein- oder mitverantwortlich war, wurde in allen Kommentaren über den österreichischen Vorsitz besonders hervorgehoben. Das sagt zwar nur wenig über die inhaltliche Vorsitzführung aus, doch war auch diese Leistung an sich schon ein positives Signal für Europa.

Der inhaltliche Schlusspunkt unter der Vorsitzführung wurde mit dem ESVP-Bericht gesetzt, der durch den Europäischen Rat Mitte Juni angenommen worden ist. Die strategischen Zielsetzungen der österreichischen Vorsitzführung zur ESVP finden in diesem Bericht einen deutlichen Niederschlag.

Seit Beginn der Vorbereitungen im Jahr 2004 war es unsere Absicht, die Aspekte des zivil-militärischen Zusammenwirkens, der Rolle militärischer Fähigkeiten in der internationalen Katastrophenhilfe und das Heranführen der Staaten des westlichen Balkans an die ESVP deutlich in den Vordergrund zu stellen. Diese Ziele wurden konsequent verfolgt, und es ist gelungen, sie in einer Weise in den Blickpunkt der ESVP zu rücken, dass sie kaum noch von dort wegzudenken sind. Genau das ist die Chance, die mit der Steuerungsrolle des Vorsitzes verbunden ist, und diese Chance wurde wahrgenommen.

Bei der Ausübung des Vorsitzes durch die Bundesregierung insgesamt haben sich das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) und das Österreichische Bundesheer einen hohen Stellenwert erarbeitet. In diesem Zusammenhang soll auch die konsequente, offene und wirkungsvolle Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten erwähnt werden, ohne die sinnvolle Ergebnisse in der ESVP nicht erzielt werden können.

Auch nach dem Ende der österreichischen Vorsitzführung sollte versucht werden, den Mehrwert, den wir durch die intensive Auseinandersetzung mit der ESVP in den vergangenen Jahren und Monaten erzielen konnten, zu festigen und gezielt einzusetzen. Wir haben in allen Dienststellen, welche direkt mit inhaltlichen Fragen der Vorsitzführung befasst waren, einen Höchststand an Wissen und an europäischer Vernetzung erreicht. Gleichzeitig konnten wir auch in der ressortinternen Information über die ESVP ein deutlich höheres Niveau erreichen, als vor dem Vorsitz.

Dieser Mehrwert sollte durch zwei Gruppen von Maßnahmen gesichert werden: Erstens durch fortgesetzte Informationsarbeit und zweitens durch das Aufnehmen bestimmter Themen, zu denen sich Österreich auch in Zukunft aktiv einbringen sollte. In einem Themenfeld tun wir das schon, nämlich im Bereich der ESVP-Information für Länder des westlichen Balkans. Mit der internationalen Anerkennung von Montenegro kommt auch ein neuer Gesprächspartner hinzu.

Im Feld der zivil-militärischen Koordination wird es in den kommenden Monaten wesentlich sein, die innerstaatlichen Abläufe besser zu definieren. Österreich braucht klare gesamtstaatliche Entscheidungsabläufe für das internationale Krisenmanagement, um so dem stets zunehmenden Tempo internationaler Prozesse gewachsen zu sein. Diese innerstaatlichen Abläufe müssen umfassend gestaltet sein. Damit eng verbunden ist die - wiederum gesamtstaatliche - Auseinandersetzung mit dem Begriff SSR (Security Sector Reform). Dabei wird es nicht nur um den westlichen Balkan, sondern zunehmend auch um Afrika gehen.

Die Rolle militärischer Kräfte bei der internationalen Katastrophenhilfe wird im Lichte der Entwicklungen der internationalen Organisationen und wesentlich im Rahmen der EU zu beurteilen sein. Auch hier ist ein gesamtstaatlicher Ansatz gefordert.

Das internationale Engagement des Bundesheeres wird komplexer. Lang andauernde Einsätze mittlerer Schwierigkeit werden teilweise einer wachsenden Zahl kleinerer, kürzerer, aber militärisch komplexer und wenig vorhersehbarer Einsätze Platz machen. Im Sinne des oben Gesagten wird es dabei besonders auf klare innerstaatliche Entscheidungslinien auf der Grundlage einer ausreichend tragfähigen Definition österreichischer Interessen ankommen.

Die Diskussion über die ESVP wird weitergehen. Europäische Sicherheit steht als Begriff nicht alleine, sondern kann nur vor dem Hintergrund der gemeinsamen Außenpolitik und letztlich des politischen Integrationsprozesses der EU gesehen werden. Österreich und besonders auch das BMLV sollten sich bereit machen, für die bevorstehende sicherheitspolitische Diskussion in Europa aktive Beiträge vorzubereiten und einzubringen. Das wäre eine effiziente Verwertung der Erfahrungen aus etwa zwei Jahren intensiver EU-Arbeit.

Autor: Brigadier Wolfgang Wosolsobe

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