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Rückschritt oder Fortschritt?

"Jetzt sind wir wieder dort angelangt, wo wir vor zehn Jahren standen." "Das sind doch nur Änderungen um des Änderns willen." "Wozu braucht man eigentlich eine Akademisierung in der Berufsoffiziersausbildung?" "In der Substanz blieb doch alles gleich." Als Leiter des Institutes für Offiziersausbildung werde ich sehr oft mit diesen und ähnlichen Aussagen konfrontiert. Die Diskussion über die unterschiedlichen Möglichkeiten der Truppenoffiziersausbildung ist wieder einmal voll entbrannt. Im Vorlauf des Jubiläumsjahres wurde auch deren Einbettung in den Fachhochschulsektor in Frage gestellt und das Auslaufen des fünfjährigen Akkreditierungszeitraumes als Chance für grundlegende Änderungen gesehen. Sehr oft wird dies auch mit dem gegenwärtig laufenden Transformationsprozess des Österreichischen Bundesheeres und den geänderten Anforderungen in Verbindung gebracht. Unterschwellig taucht somit die Frage auf, ob es zehn Jahre lang eigentlich eine Fehlentwicklung gegeben hat.

Um die Diskussion über die Truppenoffiziersausbildung anzureichern, nehme ich als der für die letzten zehn Jahre verantwortliche Studiengangsleiter zur oben angerissenen Problematik Stellung.

Hohe Qualität hat Priorität

Was bedeutet Qualität? Einfach definiert: den Anforderungen entsprechend. Bei der Frage nach der Qualität handelt es sich also nicht so sehr um eine Bewertung ob etwas "besser" oder "schlechter" ist, sondern ob es den Anforderungen der jeweiligen Zeit entspricht.

Umgelegt auf die Truppenoffiziersausbildung ist es daher nicht zweckmäßig, beispielsweise die Ausbildung der siebziger Jahre mit der um die Jahrtausendwende vergleichen und bewerten zu wollen. Ich als später Siebziger bin davon überzeugt, dass wir als Offiziere auf die damaligen Bedrohungen des Kalten Krieges optimal vorbereitet wurden. Dass sich die Anforderungen bis dato deutlich verändert haben, versteht sich von selbst.

Vordergründig erscheint es nicht wesentlich zu sein, auf welcher gesetzliche Grundlage das Bildungssystem basiert. Näher betrachtet, hat man jedoch mit dem Fachhochschul-Studiengesetz eine ausgezeichnete Lösung gefunden, weil dieses in den Zielen und leitenden Grundsätzen den Anforderungen an die Berufsausbildung eines Truppenoffiziers (Berufsfeldorientierung und Hochschulniveau) optimal gerecht wird.

Angesichts des ohnehin sehr stark differenzierten tertiären Bildungssektors in Österreich, stellt sich die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Schaffens von zusätzlichen Möglichkeiten. Der Fachhochschulsektor mit der institutionalisierten Akkreditierung (Sicherstellung, dass das Studienangebot ein erstes Qualitätssicherungsverfahren durchlaufen hat) und der Verpflichtung zu weiteren Maßnahmen der Qualitätssicherung (Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems, Selbstevaluierung, internationale Evaluierung im Rahmen eines Peer Review) trägt der o. a. Forderung nach hoher Qualität bestens Rechnung.

Es bleibt somit die Frage nach der Notwendigkeit der Akademisierung der Truppenoffiziersausbildung. In dieser Frage wäre eine intensive Diskussion notwendig, um eventuell noch vorhandene Zweifler vom Nutzen und der Notwendigkeit einer Ausbildung auf Hochschulniveau zu überzeugen.

Geht man von den unumstrittenerweise komplexer gewordenen Aufgaben des Truppenoffiziers aus, so stellt sich eigentlich auch nicht die Frage nach der Notwendigkeit einer entsprechenden Qualifizierung.

Werteinstellungen bestimmen Systeme

Alle sozialen Systeme unterliegen einem Wandel. Der tertiäre Bildungssektor wird maßgeblich durch den Bologna-Prozess geprägt. Die konkreten Entscheidungen über das jeweils zu erreichende Qualifikationsniveau in Verbindung mit den Studiengängen (Bachelor-, Master- oder Diplomstudiengang) wird durch das Bundesministerium für Landesverteidigung getroffen. In letzter Konsequenz geht es um den Wert der Truppenoffiziere im Österreichischen Bundesheer und um die Festlegung der Zielgruppen für das jeweilige Qualifikationsniveau. So gab es anlässlich des zweiten Akkreditierungszeitraumes die Entscheidung für größtmögliche Bildung für alle Truppenoffiziere (vermutlich mit der Hoffnung auf spätere dienst- und besoldungsmäßige Berücksichtigung). Dem dritten Akkreditierungszeitraum liegen zweifelsohne andere Werteinstellungen zu Grunde, welche hier aber nicht erörtert werden sollen.

Abschließend sei festgestellt, dass Änderungen im System der Truppenoffiziersausbildung durch die Umfeldbedingungen in Verbindung mit der Reaktion verantwortlicher Stellen herbeigeführt wurden. Nimmt man Qualität ernst, so ist Veränderung eine logische Konsequenz und eine Chance für den Fortschritt. Denn "der Fortschritt unserer Gesellschaft wird nicht größer sein als der Fortschritt unseres Bildungswesens." (John F. Kennedy, 1917 - 1963).

Autor: Brigadier Mag. Karl Pichlkastner

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