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Militärpolitik: NATO und EU im Jahre 2012

In der EU und der NATO schlägt sich die Finanzkrise - für den militärischen Bereich - in der Verringerung der Verteidigungsbudgets nieder. Das Streben nach wirksamerem Einsatz der verfügbaren Finanzmittel ist in beiden Organisationen ein Leitmotiv der weiteren Entwicklung.

Die NATO sieht sich v. a. der Herausforderung gegenüber, die Sicherheitslage in Afghanistan im Rahmen von ISAF so zu beeinflussen, dass ab 2014 die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Sicherheitskräfte abgeschlossen werden kann. Der NATO-Gipfel von Chicago wird sich mit dieser Frage, aber auch damit beschäftigen, wie sich die NATO insgesamt über 2014 hinaus weiter entwickeln soll. Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA, die geostrategische Ausrichtung der USA zwischen Atlantik und Pazifik und der weitere Verlauf der Wirtschafts- und Finanzkrise werden die Weiterentwicklung der NATO wesentlich mitbestimmen.

Die NATO wird dabei durch den Erfolg der militärischen Aktion zu Gunsten der Oppositionskräfte in Libyen (Operation "Unified Protector") gestärkt. Es ist gelungen, unter sehr komplexen und militärisch ungünstigen Umfeldbedingungen die Luftkriegsführung gegen die Kräfte des Gaddafi-Regimes mit geringen Kollateralschäden erfolgreich abzuschließen. Damit hat die NATO auch in der arabischen Welt an Vertrauen gewonnen sowie bei zivilen humanitären Akteuren. Der Einsatz zeigte aber auch, dass es immer schwieriger wird, in der NATO über den politischen Konsens hinaus auch tatsächlich eine Bereitschaft der Mitgliedstaaten zu gemeinsamer Aktion zu bewirken. Der Gruppe der an der erweiterten "no fly zone" beteiligten Staaten gehörten nicht alle NATO-Staaten an, dafür aber Partner (NATO-PfP) und Staaten aus der arabischen Welt. Dieser und der weitere Umstand, dass die Operation in Teilbereichen nicht über die gesamte Dauer ohne U.S.-Unterstützung ausgekommen wäre, zeigen künftige Herausforderungen für die NATO auf.

Der scheidende U.S.-Verteidigungsminister Robert Gates hat im Juni 2011 in Brüssel eine viel beachtete Rede gehalten, die die Staaten Europas dazu aufforderte, deutlich mehr als bisher selbst für ihre eigene Verteidigung zu sorgen. Die Botschaft richtete sich an die europäischen NATO-Mitglieder, nicht an die EU. 21 von 28 NATO-Staaten sind allerdings auch EU-Mitglieder und jede Forderung von der Seite der NATO hat Auswirkungen auf die militärische Dimension der EU, die überwiegend durch europäische NATO-Staaten bereitgestellt wird.

Was die EU letztlich militärisch mit Bezug auf Libyen unternommen hat, war ein Konsens der sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügte. Das Ergebnis ist neben dem Zögern einzelner Mitgliedstaaten auch darauf zurückzuführen, dass die internen Planungsabläufe des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) noch nicht ausreichend entwickelt sind - jedenfalls nicht in dem Ausmaß, was die wirksame und frühzeitige Einbeziehung der militärischen Dimension betrifft.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise stellt zurzeit den inneren Zusammenhalt der EU in Frage. Damit ist nicht ein Auseinanderbrechen der EU gemeint, das manche herbei zu schreiben bemüht sind. Gemeint ist ein Abnehmen des politischen Willens zur Vertiefung der Union. Diese Gefahr ist derzeit real gegeben und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) würde wahrscheinlich ein Opfer einer solchen Stagnation. Die Krise kann aber auch dazu führen, dass eine Gruppe von Staaten, etwa die Staaten der Euro-Gruppe, sich zu einem noch engeren Zusammenschluss bereit finden. Diese Variante der Entwicklung hätte ebenfalls weit reichende Auswirkungen auf die GSVP. Auf dieser strategischen Ebene liegen jedenfalls die Herausforderungen für 2012.

Das heurige Jahr wird auch zeigen, wie haltbar die Kompromisse waren, die am 1. Dezember 2011 in Ratsschlussfolgerungen gegossen werden konnten. Der wohl am intensivsten diskutierte Ansatz war, aufbauend auf den Lehren aus Libyen, die EU mit einer militärischen Führungsstruktur zu versehen, die sie unabhängig von nationalen Hauptquartieren bzw. der NATO befähigen sollte, zumindest eine Operation im unteren Intensitätsspektrum zu führen. Herausgekommen ist der Aufruf, sich um eine effizientere Nutzung des Vorhandenen zu bemühen, allerdings unter Neugestaltung der Managementabläufe und eines wesentlich verbesserten "Comprehensive Approach". Die Strategien der EU im Bereich des Horns von Afrika, der Sahelzone und im Süd-Sudan enthalten alle eine militärische Dimension, die besser eingebunden werden muss. Auch das sind praktische Herausforderungen für 2012. Die umfassendere Frage wird allerdings bleiben, wie sich die EU als internationaler Akteur insgesamt aufstellen will und welche Rolle dem Militär dabei zukommt.

Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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