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Psychologie: Blackout und Massenpsychologie

Neben den technischen und infrastrukturellen Auswirkungen treten bei einem Blackout (Stromausfall) vor allem in Ballungszentren sicherheitsrelevante psychologische Phänomene auf, die größere Bevölkerungsteile über einen längeren Zeitraum betreffen. Ein Blackout beeinträchtigt wesentlich den Arbeits- und Privatbereich. Beeinträchtigungen beziehen sich auf Kommunikation (Internet, Handy), Heizung, Ernährung etc. Damit sind Grundbedürfnisse des Menschen betroffen. Die Maslow’sche Bedürfnispyramide besagt, dass gewisse Grundbedürfnisse (Nahrung, Wärme, Schutz) befriedigt sein müssen, bevor sich weitere Bedürfnisse (Zugehörigkeit, Wertschätzung, Bildung) entfalten können.

Erste Verhaltensweisen im Blackout zielen daher darauf ab, die lebenswichtigen Grundbedürfnisse wieder herzustellen, was soweit führen kann, dass kriminelle Handlungen gesetzt werden.

In solchen Situationen wurde wiederholt das psychologische Phänomen der Deindividuation beobachtet. Durch den Druck der Gruppe wird bei Personen, die sich üblicherweise korrekt verhalten, auch abweichendes Verhalten beobachtbar. Der Einzelne vollzieht in der Gruppe Handlungen, die er alleine nicht ausüben würde wie gewalttätige Ausschreitungen zum Beispiel bei Hooligans.

Deindividuation wird dadurch erleichtert, dass man in der Anonymität der Masse abtauchen kann. Die Identifikation wird durch Vermummung erschwert.

Weiters begünstigt die Verantwortungsdiffusion (Abschieben der Verantwortung auf andere Personen; Anm.) in der Gruppe das Entstehen von abweichendem Verhalten. Je mehr Menschen an einer Handlung beteiligt sind, desto weniger empfindet jeder einzelner Verantwortung für die gesetzten Handlungen. Das kann dazu beitragen, dass die Schwelle für kriminelle Handlungen niedriger wird.

Eine wesentliche Rolle spielt die Gruppengröße. Je größer die Gruppe ist, die bereit ist abweichende Handlungen zu setzen, umso heftiger können kriminelle Handlungen ausfallen. So haben Analysen von Überfällen des Ku-Klux-Klan gezeigt, dass die Ermordung der Opfer umso brutaler verübt wurde, je größer die Gruppe der Ku-Klux-Klan-Täter war.

Kommt es zu Krawallen, über die in den Medien berichtet wird, so kann diese Berichterstattung dazu beitragen, dass weitere Ausschreitungen stattfinden. Menschen orientieren sich in ungewöhnlichen Situationen daran, wie sich andere Menschen verhalten und neigen zur Nachahmung. Dieses medial verbreitete Verhalten kann als Modell oder Rechtfertigung dienen, ebenso zu handeln.

In positiver Hinsicht war dies mehrfach während des sogenannten Arabischen Frühlings zu beobachten, wo große Bevölkerungsteile erst als sie die Bilder im Internet oder über den Sender Al Jazeera gesehen hatten, den Mut fassten, sich den Protestierenden anzuschließen.

Wie rasch diese Ansteckung funktioniert, zeigt ein Beispiel aus den USA von 1998. Damals meldete eine Lehrerin in einer Schule in Tennessee den Geruch von Benzin in einem Klassenzimmer und gab bald darauf an, Kopfschmerzen und Übelkeit zu verspüren. Als Ihre Klasse evakuiert wurde, berichteten kurz darauf Schüler aus anderen Klassen ähnliche Übelkeitssymptome. Daraufhin wurde die ganze Schule evakuiert und geschlossen. Die Behörden schalteten sich ein. Untersuchungen ergaben jedoch keinerlei Benzingebrechen oder tatsächliche körperliche Symptome bei den Schülern. Die wagen "Symptome" der Lehrerin, der auftretende Stress, die Übertragung auf die anderen Schüler, haben zu einer kritischen Masse an Schülern geführt, die auch alle anderen daran glauben ließen - bis zu einer Art rein psychischen Massenerkrankung, ohne tatsächliche Ursachen. Wie viel ansteckender ist daher eine wirkliche Katastrophe?

Im Katastrophenfall sind Menschen verunsichert und sie versuchen wieder Sicherheit zu finden. Experten können Orientierung geben, wenn sie als solche erkannt werden. Dazu können Uniformen z. B. für Mitarbeiter des Roten Kreuzes oder auch Soldaten beitragen.

Je unsicherer eine Situation ist, umso mehr tendieren Menschen dazu sich an anderen zu orientieren und deren Verhalten nachzuahmen. Daher kommt es z. B. in einer Massenpanik auch zur Nachahmung von unsinnigem Fluchtverhalten.

Hilfreich ist es, wenn für extreme Situationen bereits erlernte Verhaltensmuster (Drill) vorhanden sind. So haben die vergangenen Katastrophen in Japan (Erdbeben, Tsunami, AKW-Gau) kaum Massenpaniken ausgelöst, da Japaner gewöhnt sind, mit Erdbeben umzugehen und Erfahrungswissen haben.

Nicht jeder Stromausfall hat negative Konsequenzen. So hatte ein mehrstündiger Stromausfall 1965 in New York u. a. die positive Folge, dass neun Monate später die Geburtenraten im Bellevue Hospital um 145 Prozent und im Mount-Sinai Hospital sogar um 250 Prozent anstiegen.

Dr. Christoph Kabas

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