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Kampf im verbauten Gebiet

Der NATO Fighting In Build Up Areas Instructors Course

In den letzten Jahren rückte der Ortskampf international vermehrt ins Rampenlicht. Bereits 2003 fand der internationale NATO Fighting In Build Up Areas (FIBUA) Instructors Course am Land Warfare Training Center in Warminster, Großbritannien statt. Von der österreichischen Delegation war ein Unteroffizier unter anderem als Platoon Sergeant eingeteilt.

Am FIBUA-Kurs nahmen 45 Soldaten aus zehn Nationen teil, darunter auch Soldaten aus Trinidad und To­bago. Die hauptsächlich vertretene Waffengattung war die Infanterie. Doch auch andere Waffengattungen wären wünschenswert gewesen, da das Zusammenwirken der Waffengattungen, also der Kampf der verbundenen Waffen, geübt wurde. Der Anteil an Offizieren betrug etwa 30 Prozent - vom Leutnant bis zum Major. Bei den Kompanieübungen wurden die Offiziere als Kompaniekommandanten eingeteilt.

Die Vorbereitung

Die Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Kurs war, dass man entweder Offizier oder Unteroffizier sein musste. Englischkenntnisse wurden als gegeben angenommen, da keine Eng­lisch­überprüfung stattgefunden hatte.

Ausreichendes Informationsmaterial war schon vorab an alle Kursteil­nehmer verschickt worden. Es enthielt den Dienstplan, die Grundlagen über den britischen Ortskampf, die Ge­fechtstechniken und unter anderem auch Ortskampfbeispiele aus dem Zweiten Weltkrieg sowie von aktuellen Konflikten (Tschetschenien, Afghanistan etc.). Das Durcharbeiten der Unterlagen hatte den Vorteil, dass man mit dem angeeigneten Basiswissen über die Gefechtstechniken der Briten vertraut wurde, die teilweise stark von den österreichischen abweichen.

Der Kurs

Der Kurs dauerte zwei Wochen und bestand aus

  • dem Erlernen bzw. Festigen der Gefechtstechniken im Ortskampf auf Gruppen- bis Zugsebene,
  • der Zusammenarbeit mit Pionieren, Kampfpanzern und Artillerie und
  • dem Planen, Leiten und Durchführen von Battle Exercises auf Gruppen-, Zugs- und Kompanieebene.

Bei den Übungen handelt es sich um keine Peace Keeping Operations, sondern um den Angriff auf eine Ortschaft im Kampfeinsatz, also ohne Rücksicht auf die vorhandene Infrastruktur.

Die Ausbilder waren Sergeants. Offiziere unterschiedlicher Waffengattungen begleiteten die Ausbildung und beantworteten fachspezifische Fragen über den jeweiligen Einsatz. Die Kursteilnehmer waren anfangs als Schützen, stellvertretende Gruppenkom­mandanten und als Gruppenkom­mandanten eingeteilt. Ab dem Zeitpunkt der Zusammenführung der Gruppen zu einem Zug und mit Beginn der Kompanieübungen fungierten die Kursteilnehmer nur noch als Kommandanten, vom stellvertretenden Grup­penkommandanten über den Pla­toon Sergeant (siehe Info-Kasten rechts) bis hin zum Kom­panie­kommandanten.

Die erste Woche

Der erste Tag begann mit organisatorischen Tätigkeiten, wie dem Ausfassen der Ausrüstung. Die ausländischen Kursteilnehmer konnten den kompletten Kampfanzug der britischen Armee in Empfang nehmen. Dieser ist ein sehr durchdachtes und komfortables System. Der einzige Ausrüstungsgegenstand, den die Österreicher von der eigenen Ausrüstung behiehlten, war der Kampf­helm, schon alleine wegen des besseren Tragekomforts. Darüber hinaus wurde für die gesamte Kurszeit das Si­mu­lationssystem Infanterie der britischen Armee verwendet, die Ergebnisse (Treffer) jedoch nicht ausgewertet.

Es erfolgte die Einteilung in Gruppen, die Nationalitäten wurden vermischt. Dadurch war auch die öster­reichische Delegation getrennt, die Kameradschaft jedoch gefördert. Vor allem bestand ab nun die Möglichkeit, die Unterschiede in den Gefechtstechniken anderer Länder intensiv kennen zu lernen. Teilweise wurden diese Unterschiede während der Ausbildung besprochen und neue Varianten ausgearbeitet bzw. auch ausprobiert. Danach begann das Üben der Gefechtstech­niken auf Gruppenebene:

  • Assaulting a building (ein Gebäude stürmen);
  • Section Room Clearance Drills (drillmäßiges Üben des Kampfes im Haus im Gruppenrahmen);
  • Engineer Introduction-Booby trap awareness (Umgang und Auswirkungen von Sprengfallen);
  • Defended houses (Verteidigung von Gebäuden).

Die wichtigsten Grundsätze wurden von jedem Teilnehmer eingehalten: Bewegung nur unter Sicherung und Gefahrenquellen müssen gesichert werden. Was sich als sehr positiv herausstellte war, dass jede Gruppe den sogenannten Assault Pack (siehe Info-Kasten auf Seite 141) mit sich führt, der als wichtigsten Gegenstand das Hooligan Tool beinhaltet.

Ebenfalls positiv war, dass Türen als Zutrittsstellen(punkte), so genannte entry points, vermieden wurden. Wenn sich im Gebäude Feind befindet, wäre es schlecht, sich durch die Türe Zutritt zu verschaffen. Sollte ein high entry (Zutrittspunkt des Hauses, welcher sich mindestens im ersten Stock befindet) nicht möglich sein, weil die Fenster verrammelt sind, so wird eine Mousehole Charge (Öffnung durch eine vorbereitete Sprengladung) verwendet. Die Wirkung einer solchen Mousehole Charge wurde den Kursteilnehmern bei einem scharfen Sprengdurchgang eindrucksvoll demonstriert - der Zugang war geöffnet.

Als äußerst gutes Verbindungs- und Kommunikationsmittel erwiesen sich vier verschiedenfarbige Flaggen, die am entry point befestigt bzw. bei der Vorwärtsbewegung aus dem Fenster gehängt wurden.

Die Farben der Flaggen haben folgende Bedeutung:

  • rot = Haus noch nicht feindfrei;
  • grün = feindfrei;
  • gelb = Verwundeter im Gebäude (zusätzlich werden die Verwundeten mit Leuchtstäben markiert);
  • blau = Booby trapped (Spreng­fallen).

Während der Nacht werden statt den Flaggen Leuchtstäbe verwendet.

Je zwei Kursteilnehmer hatten einen Gruppenangriff auf ein Objekt zu planen und zu leiten. Nach dem Säubern eines Stockwerks wurde daraufhin abgebrochen, weil eine Gruppe immer nur ein Stockwerk als Aufgabe zu bewältigen hatte und dann die nächste Gruppe nachgezogen wurde. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass bei jedem Durchgang pro Gruppe ein Sicherheitsgehilfe eingeteilt war. Dieser achtete darauf, dass die Sicher­heitsbestimmungen für Munition und Kampfmittel eingehalten wurden. Zudem musste er sich vergewissern, dass geschlossene bzw. verrammelte Fenster oder Türen nur mit dem Hooligan Tool aufgemacht werden. Er greift also auch ein, wenn eine Situation nicht mehr realistisch geübt wird.

Beispiel Gruppen- und Zugsansatz
In der ersten Woche erfolgten auch zahlreiche Unterrichte, beispielsweise über den Einsatz der Artillerie oder die Zusammenarbeit mit Pionieren. Der Einsatz der Kampfpanzer im Ortskampf inklusive der Zuweisung von Zielen für Kampfpanzer wurde anschließend auch geübt. Die Unterrichte waren interessant gestaltet und durch zahlreiche Kurzfilme aufgelockert - nach der Theorie folgte stets die Praxis.

Ein Höhepunkt dieser Woche waren mit Sicherheit der Confidence Course und die Molotov Cocktail Range. Unter Confidence Course versteht man eine wirklich gut angelegte Hindernisbahn, die dem Kursteilnehmer einiges abverlangte. Mit Molotov Cocktail Range verbindet man das Mixen eines solchen und das anschließende Bewerfen eines Kampf­fahrzeuges. Abgeschlossen wurde die Woche mit der Erkundung der Zugsansätze, die in der darauffolgenden Woche praxisnahe geübt werden sollten. Erkunden hieß nicht nur den Ansatz zu planen, sondern auch, wie das Verbarrikadieren der Häuser und das Errichten von Sperren und Spreng­fallen erfolgen sollte. Zusätzlich wurde die schriftliche Ausarbeitung einer Kompanielage abverlangt.

Zweite Woche

Die zweite Woche begann mit den zuvor erkundeten Zugsansätzen - Running Platoon Level Battle Exer­cises -, wobei sechs Durchgänge an einem Tag zu absolvieren waren. Die Feinddarstellung wurde von den Green Jackets, einer kompaniestarken Übungs­truppe, die nur für den Ortskampf zur Verfügung steht, durchgeführt. Das heißt, die Lehrgruppe Ortskampf konnte jederzeit auf diese Kompanie zurückgreifen, um die Kursteilnehmer als Schützen zu entlasten. Lediglich ein Kommandant und ein Sicherheitsgehilfe für die Feinddarstellung waren durch den Kurs zu stellen.

Ebenso stand bei jedem Einsatz ein mittlerer Kampfpanzer "Challenger" zur Verfügung, um den Einsatz eines solchen und die Zielzuweisung im verbauten Gebiet üben zu können. Kein einziger Durchgang wurde von den Ausbildern unterbrochen, selbst wenn er komplett schief gelaufen war. Erst am Ende jedes Durchganges gab es eine Nachbesprechung, wobei zuerst der Leitende der Übung mit dem Zug und dem Zugskommandanten besprach, was man verbessern könnte, und dann die anderen Übenden informierte.

Der zweite Tag war der TEWT-(Tac­tical Exercises Without Troops-)Day. Er beinhaltete zwei Planspiele mit dem Thema Angriff und Verteidigung einer Ortschaft im Kompanierahmen. Da­nach begann die Er­kun­dungsphase für vier Kompanieangriffe, die an zwei weiteren Tagen geübt werden sollten. Für diese zwei Tage stand wieder die Feindarstellungskompanie zu Verfügung. Es waren immer genug Munition und ausreichend Kampfmittel vorhanden. Jeder Soldat der Kompanie hatte alle sechs vollen Magazine für das Sturmgewehr, und das für alle vier Durchgänge. Man versuchte, den Kurs so realistisch wie möglich zu gestalten.

Dazu ein Beispiel: Wenn eine Nebelhandgranate nicht funktionierte oder der Nebel nicht richtig lag, wurden weitere Granaten geworfen, und zwar so lange, bis die Wirkung erreicht wurde, die für eine Bewegung unentbehrlich war. Selbst Knallmunition für eine Panzerkanone war reichlich vorhanden.

Die Kompanieangriffe liefen alle taktisch und zeitlich ziemlich reibungslos ab, auch wenn ein britischer Kom­paniekommandant anders führt als ein österreichischer. Er ist nämlich le­diglich das Bindeglied zwischen den beiden Zugskommandanten, die vorne sind und zum Beispiel die Feuerunterstützung selbstständig untereinander regeln, ohne Rücksprachen mit ihm. Die Position des Kompaniekom­man­danten im Ortskampf wurde heftig diskutiert, denn nach der Meinung der österreichischen Offiziere ist dieser bei den Briten zu weit hinten, wodurch ein Einwirken auf die Züge nicht mehr möglich ist.

Wer sich etwas mit Ortskampf beschäftigt hat weiß, dass im Kampf die Verbindung über Funk nur mehr eingeschränkt nutzbar ist. Als beim letzten Durchgang dann ein österreichischer Offizier die Kompanie nach den österreichischen Grund­­sätzen der Gefechtstechnik und Taktik führte, war seitens der Briten ein kurzes Aha-Erlebnis zu erkennen. Danach beharrten die Ausbilder jedoch auf der Durchführung nach den britischen Einsatzgrundsätzen.

Bei den Übungen wurden fast alle Situationen durchgespielt, die bei einem Angriff auf eine Ortschaft entstehen können. Das waren unter anderem:

  • Zivilisten sind involviert;
  • es gibt Verwundete;
  • der Zug ist aufgrund massiver Ausfälle nicht mehr angriffsfähig;
  • Feind, der sich ergibt etc.

Besonders der Verwundetenabtransport wurde bis zum Ende durchgespielt. Bei einer Übung wurde auch der Mu­nitionsnachschub für eine Kompanie durch einen Zug der Reserve durchgeführt. Die Munition musste auf demselben Weg nach vorne geschafft werden wie beim Angriff zuvor, das heißt mitten durch die Häuser.

Übungsende und Verabschiedung

Nach dem Übungsende wurde die Ortskampfanlage wie­der hergestellt. Eine genaue Waffenvisite der Ausbildungsoffiziere beendete den gelungenen Ausbildungsgang.

Am Abreisetag erfolgten die offizielle Verabschiedung und Dekretver­teilung durch den Kurskom­man­danten. Dieser betonte, dass die Ortskampfanlage jeder ausländischen Armee zu Verfügung stehen würde, sogar Waffen, Munition und Kampfmittel können ebenso jederzeit zu Verfügung gestellt werden, das erforderliche Ausbildungspersonal.


Autor: Oberstabswachtmeister Peter Sim­brunner, Jahrgang 1972. Eingerückt im April 1991 in der Stabskompanie des Panzerstabsbataillons 9. Maschinengewehrschütze, danach Verwendungen als Truppkommandant und Zugtruppkommandant. In der Panzeraufklärungskom­panie der 9. Panzergrenadierbrigade Verwendung als Aufklärungsgruppenkommandant. Seit 1998 Zugskommandant der mechanisierten Truppe. Ab 1999 Verwendung als Lehrunteroffizier/Aufklärung an der Panzertruppenschule. 2001 Teilnehmer am Platoon Sergeants Battle Course in Wales, England. 2003 Teilnehmer am NATO FIBUA Instructors Course in Warminster, England. Seit August 2004 in der Grundlagenabteilung der Panzertruppenschule.

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