Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Mobiler Richtfunk im Wandel

Sind Richtverbindungen Relikte vergangener Zeiten, oder gewinnt der Richtfunk an Bedeutung? Für zukünftige Datenübertragungssysteme sind sichere Übertragungswege entscheidend - besonders, wenn es um ein mobiles Führungsnetz geht. Der Richtfunk stellt nach wie vor die wichtigste Komponente des Heeresfernmeldesystems dar.

Der mobile Richtfunk war und ist die wichtigste Komponente des IFMIN-(Integrierte Fernmeldeinfrastruktur-)Systems. Durch die ständige Erweiterung des IFMIN-Systems und der Einbindung anderer Netze (z. B. eines Routernetzes) sowie weiterer Datenendgeräte wird auch vom Heeresfernmeldesystem (HFMSys) gesprochen. Vor der Einführung von IFMIN wurde der mobile Richtfunk als System "Falke" bezeichnet und galt als eigenes System.

Bis Mitte der 70er Jahre standen mit den mobilen Richtverbindungstrupps (RV-Trupps) VFF-3-0, VFF-4-0, dem Multiplextrupp VVF-6-0 und dem ortsfesten Richtverbindungsnetz (RV-Netz) dem Bedarfsträger 30 Kanäle zur Verfügung. Die Endgeräte waren in erster Linie Feldfernsprecher und Faxgeräte. Da es in diesem Netz keinen Selbstwählverkehr gab, mussten hinsichtlich der Flexibilität starke Einschränkungen in Kauf genommen werden. Erst die Beschaffung von Knotenvermittlungen Anfang der 90er Jahre ermöglichte die Eingliederung des ursprünglich selbstständigen RV-Netzes in die integrierte Fernmeldeinfrastruktur.

Die Einsatzkriterien der RV-Trupps hinsichtlich der Funkwellenausbreitung blieben dabei unverändert, der taktische Einsatz und die örtlichen Gegebenheiten mussten jedoch den neuen Anforderungen angepasst werden. Diese Aufgabe obliegt der Einsatzplanung: Sie führt die Grundplanung des Netzes und der Aufbauplätze durch und regelt Anpassungen sowie Umstrukturierungen bei Lageänderungen des Einsatzkonzeptes.

Das Hauptkriterium für die Planung von Richtverbindungen bleibt das Funkfeld zwischen zwei RV-Stellen. Jener Bereich, wo der größte und somit energiereichste Teil der elektromagnetischen Energie übertragen wird. Die so genannte erste Fresnel-Zone (siehe auch TRUPPENDIENST-Taschenbuch, Band 17, Elektronische Kampfführung I, S. 209f.) ist somit die Grundlage für Berechnungen und Darstellungen. Beim Richtfunktrupp VFF-3-0 ist hiezu eine quasi-optische Sicht - d. h. keinerlei Hindernisse dürfen ins Funkfeld ragen - unbedingt erforderlich. Auf weiten Strecken im flacheren Gelände kann sogar die Erdkrümmung eine Richtverbindung unmöglich machen.

Beim Richtverbindungstrupp VFF-4-0 spielen Hindernisse bis zu einer bestimmten Größe und die damit verbundene Dämpfung keine ausschlaggebende Rolle. Bei diesem Trupp sind allerdings noch bestimmte zusätzliche Gegebenheiten, wie Sendeleistung und zusätzliche Dämpfungen zu berücksichtigen. Somit bleibt in den meisten Fällen eine Berechnung bzw. Planung von RV-Strecken unerlässlich, sofern nicht bereits erprobte und somit funktionierende Strecken betrieben werden. Die Berechnung von RV-Strecken erfolgt mittlerweile auch über Simulationsanlagen.

Derzeit gibt es folgende Möglichkeiten zur Planung und Berechnung der Dämpfung des RV-Funkfeldes:

- Planung und Berechnung der Dämpfung von Hand aus durch Zeichnen eines Geländeschnittes und Berechnen mit Hilfe von Tabellen und Formeln; - Planung am "FASAN/GIS" (Funksimulationsanlage/Geografisches Informationssystem - Schnittstelle zu zivilen Daten, wie z. B. Bodenbewuchs). Eine Berechnung der Gesamtdämpfung ist dabei aber nicht möglich, FASAN/GIS wird auch nur zu Ausbildungszwecken an der Fernmeldetruppenschule verwendet; - Planung über KESS (Kommunikations-, Erfassungs- und Störsimulation). Das ist ein Frequenzzuteilungstool für das gesamte Österreichische Bundesheer). Berechnung der Gesamtdämpfung nach Eingabe verschiedener Daten (z. B. aus dem GIS) möglich; - Planung unter Einbeziehung der RV-Datei des Heeresfernmelderegiments (HFMR).

Planung und Berechnung per Hand

Die Planung einer Richtverbindung durch Zeichnen eines Geländeschnittes auf Millimeterpapier mag zwar unzeitgemäß erscheinen, doch bringt sie ausgezeichnete Ergebnisse. Die zeichnerische Übertragung des Geländes als Geländeschnitt aus der Karte auf das Papier bietet einen exzellenten Eindruck der Geländeverhältnisse. Es liegt nicht nur ein fertiges Ergebnis vor, auch die Details anhand der Kartenzeichen vermitteln ein umfassendes Bild des Geländes.

Anschließend wird die erste Fresnel-Zone eingezeichnet, die als Grundlage für das Funktionieren jeder Richtverbindung dient. Es entsteht ein "Gefühl" für die Voraussetzungen, welche für eine einwandfreie Verbindung erforderlich sind. Die abschließende Berechnung der Dämpfung anhand von Formeln oder Tabellen zeigt schließlich, ob die Verbindung voraussichtlich funktionieren wird oder nicht. Die zulässigen Gesamtdämpfungswerte für die Richtverbindung dürfen dabei nicht überschritten werden. Diese Berechnung kann bis dato von keinem im Bundesheer verwendetem Simulationssystem durchgeführt werden.

Planung am FASAN/GIS

Ein schnelles und aussagekräftiges Ergebnis liefert der FASAN/GIS, wie die Simulationsanlage an der Fernmeldetruppenschule genannt wird. Nach Eingabe der RV-Stellen werden der Geländeschnitt ermittelt und die erste Fresnel-Zone eingezeichnet. Wird diese von keinem Hindernis im Gelände berührt - Bewuchs und Bebauung können berücksichtigt werden, wenn dementsprechende Daten, z. B. aus dem GIS, vorhanden sind - gilt die Verbindung als möglich. Ideal ist die Suche nach möglichen RV-Aufbauplätzen am FASAN/GIS. Wenn keine direkte Verbindung möglich ist, benötigt man z. B. eine Relaisstelle (= eine Zwischenstelle einer Richtverbindung). Dann werden die möglichen Aufbauplätze als Fläche errechnet und dargestellt. Verbindungen mit Hindernissen, wie beim RV-Trupp VFF-4-0 möglich, können jedoch nicht berücksichtigt oder berechnet werden. Eine direkte Ermittlung der Gesamtdämpfung ist ebenfalls nicht möglich.

Planung über KESS

Das Simulationssystem KESS befindet sich derzeit noch in einer Erprobungsphase. Ähnlich der Funksimulationsanlage FASAN/GIS ist jedoch die Darstellung und der Ausdruck der Richtverbindung in plastischer Reliefdarstellung möglich. Weiters wird die Empfangsleistung (Pegel auf der Empfangsseite) berechnet. Bewuchs und Bebauung können nach Eingabe dieser Daten ebenso berücksichtigt werden.

Planung mittels RV-Datei

Eine praxisorientierte Planung ermöglicht die vom HFMR verwaltete RV-Datei. Diese beinhaltet bereits erkundete und erprobte Aufbauplätze und Richtverbindungen. Darin werden alle relevanten Daten, wie Erreichbarkeit und Besitzverhältnisse des Aufbauplatzes sowie Details zum Aufbau, zur Stromversorgung, Unterbringung und zur Verpflegung verwaltet. Ebenso werden alle bereits erprobten und funktionierenden Verbindungen vom jeweiligen Aufbauplatz zu anderen Gegenstellen aufgelistet. Eine Berechnung der Richtverbindung kann daher meist entfallen. Ohne ständige Aktualisierung der Aufbauplätze, was nur durch Beüben bzw. Erkunden erfolgen kann, ist die RV-Datei allerdings kein zuverlässiges Planungsmittel.

Zuverlässigkeit

Entscheidend für den taktischen und technischen Erfolg der Richtverbindung bleibt letztendlich immer die richtige Wahl des Aufbauplatzes. Dabei spielen die elektronische Aufklärung und die Luftaufklärung eine wichtige Rolle.

Aufbauplätze an markanten Orten oder Geländeteilen können - je nach Lage - erhebliche Nachteile bringen. Die RV-Antenne auf der Aussichtsplattform des Aussichtsturmes am höchsten Berg der Umgebung wird bei Luftbedrohung keine Betriebssicherheit gewähren. Für Relaisstellen - mindestens zwei RV-Trupps im Bereich der gleichen FM-Stelle - gilt dies noch mehr. Denn nur zuverlässige Richtverbindungen gewährleisten dem Bedarfsträger bzw. dem Teilnehmer im Netz die Kommunikationsmöglichkeiten zur Führung.

Erwartungen an zuverlässige RV-Trupps - Flexible Abdeckung der erforderlichen Verbindungen im Netz; - taktisch und betrieblich optimaler Aufbau durch die Trupps; - rasche Verbindungsaufnahme; - zuverlässige Funktion auch im Bereich von Leistungsgrenzen; - störungsfreier Dauerbetrieb rund um die Uhr; - Reservenbildung bei Gerät und Personal; - hohe fachliche Qualität des Bedienungspersonals.

Um diese Kriterien erfüllen zu können, bedarf es einer intensiven Ausbildung und nicht zuletzt jahrelanger praktischer Erfahrung. Die Funkwellenausbreitung lässt sich leider nur bedingt simulieren bzw. berechnen. Meist werden daher im Zuge von Übungen bereits bekannte und erprobte Verbindungen eingeplant und realisiert. Ein Ausfall einzelner Verbindungen kann erhebliche Probleme im IFMIN-Netz hervorrufen, die mitunter zum Ausfall von Vermittlungen und Endgeräten führen. Im Zuge des Netzmanagements wird daher der Ausfall einzelner Verbindungen bereits während der Planung simuliert, um die Auswirkungen im Netz sichtbar zu machen und somit den erforderlichen Verbindungsbedarf festzustellen. "Teilnehmer nicht verfügbar" hört man dann eine angenehme Frauenstimme sagen. Das ist die Konsequenz - das muss der Teilnehmer (Endverbraucher am Endgerät) im Übungsfall verstehen, damit es im Einsatz nicht passiert.

Einsatzgrundsätze der Richtverbindungen - Berücksichtigung der Abstrahlcharakteristik, wie freie Abstrahlung zur Gegenstelle; - Reflexionen im Gebirge beachten; - maximale Entfernung der Richtfunkstellen voneinander berücksichtigen; - Lage der RV-Aufstellungsplätze darf nicht andere militärische Einrichtungen verraten; - die Antenne darf nicht in Feindrichtung abstrahlen; - Störungen durch Betrieb mehrerer RV-Stellen in unmittelbarer Nähe vermeiden; - Aufklärungsmöglichkeiten durch den Feind beurteilen; - Reserven an RV-Gerät und Personal bilden; - Instandsetzung bzw. Wartung der Geräte ermöglichen.

Die rasche Verbindungsaufnahme und Betriebssicherheit wird weiters von der Anbindung des RV-Trupps an die Knotenvermittlung oder an weitere Einrichtungen durch andere Fernmeldetrupps bestimmt. Dazu dienen die Feldfernkabelleitungen in digitaler Übertragungsqualität, die betriebssicher von Feldfernkabeltrupps verlegt werden. Die Entstörung dieser Verbindungen ist nicht Aufgabe der RV-Trupps.

Eine Koordinierung mit anderen Fernmeldekräften oder Teilen anderer Waffengattungen ist daher bereits in der Planung eine Voraussetzung für das Funktionieren von RV-Verbindungen. Nicht zuletzt liegt es auch im Wissen und der Selbstständigkeit der Truppkommandanten, den Auftrag zu erfüllen. In vielen Fällen ist der Trupp alleine im Gelände und somit außerhalb des Einflussbereiches von Vorgesetzten. Der Trupp, der seinen Aufbauplatz nicht rechtzeitig findet, schließt im schlimmsten Fall ein Kommando aus dem Netz aus. Der Aufgabe, Mittel der Kommunikation zur Führung und Auftragserfüllung zu sein, wird in diesem Fall nicht nachgekommen.

Ausblick

Durch die schweizer Armee wurden dem Bundesheer 80 Gerätesätze der Serie des Richtverbindungstrupps VFF-3-0 als Geschenk übergeben. Die Hälfte davon wird der Truppe bis zur Beschaffung von neuen mobilen Richtverbindungstrupps zugeführt. Ein Betrieb aus dem Fahrzeug heraus ist dabei nicht mehr möglich, da die dafür nötigen Umbauarbeiten und Neuanschaffungen infolge des Zeitbedarfes und der Kosten nicht zu rechtfertigen wären. Die Stromversorgung mit ausschließlich 24 Volt und die Datenübertragung von nur 512 Kilobit/sec Übertragungsgeschwindigkeit sowie der fehlende Antennenmast (Aufbau nur auf Dreibein möglich) schränken zudem die Einsatzmöglichkeiten ein.

Für die Zukunft ist vor allem die Erhöhung der Übertragungsgeschwindigkeit ein unbedingtes Erfordernis. Ein einheitliches mobiles Richtfunksystem mit mindestens acht Megabit/sec - anzustreben wären 34 Megabit/sec - und Schnittstellen zu Netzen anderer Armeen ist daher dringend notwendig. Der derzeit verwendete Bereich von 7,8 bis 8,1 Gigahertz des Richtverbindungstrupps VFF-3-0 ist gemäß der Vorgabe der Fernmeldebehörde von einer militärischen Nutzung möglichst rasch freizumachen - die Frequenz liegt auch nicht im NATO-Bandbereich.

Die Beschaffung neuer Geräte wurde bereits eingeleitet, ein Zulauf zur Truppe ist voraussichtlich ab 2007 geplant. Da Übertragungsraten von mehr als einem Megabit über Feldfernkabel kaum mehr qualitativ ausreichend und taktisch weit genug übertragbar sind, ist die Einführung von Lichtwellenleitertrupps ebenso zeitgleich erforderlich. Der Feldfernkabeltrupp wird damit in naher Zukunft ersetzt. Das anzuschaffende Richtverbindungssystem kann ohne Trägerfahrzeug eingesetzt werden, womit die Fahrzeuge dann als Transportfahrzeuge verwendet werden könnten.

Ein ebenso neues Antennenmastsystem mit bis zu 25 Meter Höhe (derzeit zwölf Meter) und zusätzlichen Sonderhöhen muss ebenso geprüft werden. Somit steht in den kommenden Jahren die Anpassung an internationale Normen wie zum Beispiel einer EUROCOM (internationale Datenschnittstelle) sowie der Einsatz des neuen Richtverbindungssystems auch für Auslandseinsätze im Vordergrund der Beschaffungen.

Richtverbindungen haben sich an die Bedürfnisse der Datenübertragung angepasst. Waren es anfangs nur geringe Datenmengen und wenige Kanäle, werden es in Zukunft bei bis zu 34 Megabit/sec etwa 132-mal so viele Daten sein. Einfache Bedienung, Beweglichkeit und geringer Personalaufwand sind die Faktoren der Zukunft.

Schlussfolgerungen

Nach Integration des RV-Netzes "Falke" in das System IFMIN und dem weiteren Ausbau zum HFMSys muss den Richtverbindungen eine noch größere Bedeutung zugeschrieben werden als bisher. Ohne diese Verbindungen sind die Einbindungen der mobilen Knotenvermittlungen und von zukünftigen Routernetzwerken nicht möglich. Die in Zukunft geforderten, immer höheren Übertragungsbitraten (Übertragungsgeschwindigkeit) verlangen umfassendere Netzplanungen und es bedarf ausreichender Gegenmaßnahmen, um die dadurch höhere Störanfälligkeit zu kompensieren. Das ortsfeste RV-Netz wurde bereits durch neue Geräte ersetzt. Eine Erneuerung der RV-Geräte im mobilen Netz soll demnächst folgen. Kompaktere und mobilere Simulationsanlagen und Funkplanungstools werden die RV-Streckenplanung flexibler, rascher und unabhängiger machen.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Offiziersstellverteter Herbert Kröll, Jahrgang 1963; Fachschule für Elektronik 1981 an der HTL Klagenfurt; 1982 bis 1985 Unteroffizierslaufbahn beim LWSR 71 in Klagenfurt. Seit 1986 Lehrunteroffizier an der Fernmeldetruppenschule in der Lehrstabsgruppe für drahtgebundene Fernmeldemittel, danach in der Lehrgruppe für digitale Vermittlungs- und Übertragungssysteme. Auslandsverwendung bei AUCON 3 als stellvertretender Gruppenkommandant einer Knotenvermittlung 120 in Suva Reka/Kosovo. Informationsoffizier und zivile Ausbildung zum Kommunikationstrainer; Redakteur des FMTS-Forum. Seit 2003 Hauptlehrunteroffizier für Informations- und Kommunikationstechnologien und für das Simulationssystem KESS in der Lehrabteilung FMTS.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle