Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Die beweglich geführte Verteidigung von mechanisierten Truppen (I)

Die Einsatzart Verteidigung wurde im Bereich der mechanisierten Truppen bisher eher stiefmütterlich behandelt. Der folgende Beitrag ist demnach ein Gedankenanstoß, sich auch innerhalb der mechanisierten Truppe vermehrt mit dieser Einsatzart auseinander zu setzen.

Der Inhalt dieses Beitrages soll jedoch nicht verwechselt werden mit dem operativen Verfahren "Bewegliche Verteidigung", wie es in der Dienstvorschrift "Truppenführung" angeführt ist, vielmehr sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, auch in der Einsatzart Verteidigung die Stärken der mechanisierten Truppe, wie Beweglichkeit, Feuerkraft und Panzerschutz, auf Bataillons- und Kompanieebene auszuspielen.

Problemstellung

Die mechanisierte Truppe war im Konzept der Raumverteidigung vor allem für den Angriff (Gegenangriff) oder den Verzögerungskampf vorgesehen. Für die Verteidigung war in erster Linie die Jäger- und Sperrtruppe zuständig.

Aus diesem Grund sind wesentliche Parameter sowie Angaben über die Größen von Gefechtsstreifen, Stel­lungs­räumen und Ähnliches für die Einsatzart Verteidigung im Bereich der mechanisierten Truppe nicht ausreichend vorhanden. Aufgrund dieser Tatsache wurde die Verteidigung von mechanisierten Kräften zu sehr von den Grundsätzen infanteristischer Kampftruppen beeinflusst, wenn auch die Vorschriften auf Zugsebene den Stellungsraum für den mechanisierten Zug vorsehen (bei Pan­zergrenadieren nur für die Schützenpanzer) und somit dieser Füh­rungsebene die Möglichkeit bieten, in ihrem Rahmen begrenzt die Beweglichkeit der Kampffahrzeuge zu nutzen.

Es ist in Zukunft jedoch nicht auszuschließen, dass - vor allem im Zuge fortschreitender Internationalisierung - auch mechanisierte Kräfte des Bundesheeres, z. B. im Rahmen der Peters­berg-Aufgaben, zur Verteidigung oder Abwehr eingesetzt werden. In solchen Szenarien kann nicht immer davon ausgegangen werden, dass die Verteidigung sich ausschließlich auf starkes Infanteriegelände abstützen kann. Somit ist es an der Zeit, dass sich auch die mechanisierte Truppe mit dem Thema Verteidigung auseinander zu setzen beginnt, da sich die Verteidigung mechanisierter Kampftruppen aufgrund des Panzerschutzes, der Beweglichkeit und der verbesserten Führungsfähig­keit von jener infanteristischer Kampftruppen unterscheiden muss. Dies ist bereits in der Tatsache begründet, dass mechanisierte Kampftruppen in einem anderen Gelände kämpfen als infanteristische Kräfte. Vor allem im Panzergelände ist nicht bis ins letzte Detail beurteilbar, wo, in welcher Stärke und mit welchem Schwergewicht der Feind angreift. Im Infanteriegelände hingegen, wo es meist nur eine oder maximal zwei leistungsfähige Bewegungslinien gibt, ist eine solche Beurteilung eher möglich.

Sogar dann, wenn man von der Breite des Gefechtsstreifens einer Jägerkompanie ausgeht, kann im Panzergelände nicht wirklich beurteilt werden, wo genau der Feind in diesem Gefechtsstreifen angreifen wird. Somit muss das zur Verteidigung eingesetzte Bataillon oder die zur Verteidigung eingesetzte Kompanie die Einsatzführung in einer Art und Weise so vorbereiten, dass auf die verschiedenen Feindmöglichkeiten optimal reagiert werden kann (siehe Abbildung 1, unten).

Die Wirkung moderner Waffensysteme muss verstärkt in diese Überlegungen einbezogen werden. Hier sei nur die moderne panzerbrechende oder zielsuchende Artilleriemunition erwähnt. Gepanzerte Fahrzeuge bieten heute nicht mehr denselben Schutz vor Artilleriefeuer wie früher. Für die Fortführung der Verteidigung ist es nicht zielführend, wenn zwar die abgesessene Infanterie in ausgebauten Schutzdeckungen das Vorbereitungsfeuer der Artillerie überlebt, ein Großteil der Kampffahrzeuge jedoch durch Bomb­let-Munition oder zielsuchende Munition vernichtet wird. Es müssen zusätzlich leistungsfähige Aufklärungssysteme und die Notwendigkeit, sich durch größere Beweglichkeit dieser Aufklärung zu entziehen, berücksichtigt werden.

Der Führungsgrundsatz Handlungsfreiheit und die Forderung nach Initiative sind in allen Einsatzarten anzuwenden. Wer jedoch Kräfte in ein Gelände setzt, ihnen befiehlt, sich dort einzugraben und auf den Feind zu warten, gibt sowohl Handlungsfreiheit als auch Initiative auf. Dies mag bei der Verteidigung von infanteristischen Kampftruppen notwendig sein, die (noch) nicht über die notwendige Beweglichkeit, Feuerkraft und dementsprechendem Panzerschutz verfügen.

Beweglichkeit in der Verteidigung

Im Österreichischen Bundesheer wirkt die Verteidigung eher durch Feuer und Sperren. Jedoch sollte die Beweglichkeit der Kampffahrzeuge so genutzt werden, dass auch das (weitreichende) Flachfeuer in der entsprechenden Stärke und Dichte, je nach Lageentwicklung und Feindverhalten, dorthin gebracht wird, wo es benötigt wird. Dies wird im System der Verteidigung im Bundesheer in Ansätzen mit der Bildung von beweglichen Panzer­abwehrelementen (meist Jagdpanzer) durchgeführt.

Das mechanisierte Bataillon und die mechanisierte Kompanie nutzen in der Verteidigung die Beweglichkeit, um

  • sich zeitweise der feindlichen Aufklärung und Waffenwirkung zu entziehen,
  • immer günstige Wirkungs- und Beob­achtungsmöglichkeiten zu nutzen,
  • aus unterschiedlichen, stets wechselnden Richtungen den Feuerkampf aufzunehmen,
  • günstige Lageentwicklungen durch Schwergewichtsverlagerung oder Gegenstöße auszunutzen sowie
  • vorgestoßene Feindkräfte in der Tiefe abzuriegeln.

Für die mechanisierten Kampftruppen bedeutet beweglich geführte Verteidigung demnach in erster Linie,

  • mit den Kampffahrzeugen feindliches Vorbereitungsfeuer zu unterlaufen,
  • eine Vielzahl von erkundeten und vorbereiteten Stellungen (Stellungsräumen) in der gesamten Tiefe des jeweils zugewiesenen Raumes zu nutzen, um den Angreifer möglichst überraschend auch in der Flanke und im Rücken zu fassen,
  • die Führung von Gegenstößen durch zeitweilig nicht gebundene Kräfte vor allem gegen eingebrochene bzw. durchgestoßene Feindkräfte sowie
  • die Verlagerung des Schwergewichtes durch freie, vom Feind und durch eigene Aufträge nicht gebundene Kräfte in zumindest Zugsstärke.

Vereinfacht bedeutet dies, dass dem Bataillon bzw. der Kompanie genügend Tiefe zu geben ist, und in der gesamten Tiefe des Raumes eine Vielzahl von Stellungen vorbereitet werden müssen. Diese Stellungen sind durch alle Züge bzw. Kompanien (abhängig vom herrschenden Zeitdruck) zu erkunden, so dass - je nach Gefechtsverlauf - jede Stellung durch jeden Zug (bzw. jede Kompanie) bezogen werden kann.

Auch können immer wieder freie, in den Kampfverlauf nicht involvierte Kräfte herausgelöst und an anderer Stelle oder als neue Reserve eingesetzt werden.

Gewisse Voraussetzungen müssen jedoch gegeben sein, um diese Art der Einsatzführung erfolgversprechend durchführen zu können. So muss immer im gesamten Interessenbereich des Bataillons und der Brigade ein annähernd lückenloses Lagebild vorhanden sein, um die - je nach Feindverhalten - richtigen Stellungen zu beziehen, um ungebundene Kräfte zeitgerecht herauszulösen und diese an anderer Stelle wieder einzusetzen. Hier sind besonders die Spähtrupps der taktischen Erdaufklärung, aber auch alle Systeme der aufklärenden Artillerie (Artilleriebeobachtungsradar, Drohnen etc.) und der Luftaufklärung gefordert. Ebenso muss genügend Fliegerabwehrkapazität vorhanden sein, um in deren Schutz die notwendigen Bewegungen von Kampffahrzeugen zu ermöglichen.

Einsatzmittel wie Wurfminensperren aller Art (z. B. Minenwerfer "Scor­pion" oder MARS/MLRS) sind wichtige Bestandteile einer beweglich geführten Verteidigung, um nicht nur das Feuer, sondern auch die Sperren dem jeweiligen Feindverhalten optimal anzupassen. Nicht zu vergessen ist die Zusammenarbeit mit Heeresfliegern und Luftstreitkräften.

Ohne diese Mittel kann das vorgestellte Verfahren auch durchgeführt werden, es ist jedoch unverhältnismäßig mehr Aufwand in der Vorbereitung der Einsatzführung (Abstimmung der Kräfte mit Sperren) notwendig. Trotzdem sollte sich insbesondere die mechanisierte Truppe mit dieser Thematik auseinander setzen, da - wie schon erwähnt wurde - nicht auszuschließen ist, dass mechanisierte Kräfte des Bundesheeres im internationalen Verbund auf die eine oder andere Weise zur Verteidigung eingesetzt werden und auch in diesem Bereich interoperabel sein müssen.

Einsatzgrundsätze und Normen in der beweglich geführten Verteidigung

Für diesen Beitrag und die darauf aufbauende Lage SCHLAUER FUCHS wurden die Begriffe des Verteidigungsraumes, des Stellungsraumes und der Stellung den Vorschriften der deutschen Bundeswehr entnommen. Diese Begriffe lassen sich durchaus mit den in den österreichischen Vorschriften verwendeten Definitionen des Gefechtsstreifens und des Stellungsraumes vergleichen, es wurden jedoch aufgrund der besseren Unterscheidbarkeit der Verfahren die Begriffe aus den Vorschriften der deutschen Bundeswehr gewählt.

Die im Folgenden angeführten Normen gelten als Anhalt und sind naturgemäß von den vorhandenen Geländegegebenheiten abhängig. Somit können die - bereits auf Zugsebene - vorhanden Normen mit geringfügigen Anpassungen durchaus auf dieses Verfahren übertragen werden.

Der Begriff des Verteidigungsraumes entspricht im Grunde dem unseres Gefechtsstreifens, auch wenn er sich in der Größe erheblich von unserem unterscheidet.

Die Definition des VRV in der Bundeswehr ist beachtenswert. Im Unterschied zu Österreich muss in den hier vorgestellten Verfahren der VRV weder durchgehend besetzt noch gehalten werden. Wenn es nicht gelingt, die Feuerüberlegenheit zu erringen bzw. zu erhalten, dann werden vorbereitete Stellungen in der Tiefe bezogen, von wo aus der Feuerkampf erneut aufgenommen wird. Für das Bataillon geht es darum, den zugewiesenen Verteidigungsraum zu halten bzw. den Feind in diesem zu zerschlagen. Ein ähnliches Verfahren gibt es auch in der US Army.

Einer mechanisierten Kompanie wird ein Stellungsraum oder eine Stellung zugewiesen.

Eine Stellung wird der Kompanie zugewiesen, wenn

  • ein bestimmter Geländeteil geringerer Tiefe gehalten werden soll oder
  • das Gelände eine entsprechende Tiefenstaffelung der Kräfte nicht zulässt und die Kompanie überwiegend in eine Richtung kämpfen soll.

Die Ausdehnungen für den Stellungsraum und die Stellung für die Kompanie betragen:

  • Stellungsraum: Breite bis 2 000 m, Tiefe bis 3 000 m;
  • Stellung: Breite bis 1 500 m, Tiefe bis 1 000 m.

(wird fortgesetzt)


Autor: Hauptmann Bernhard Richter, Jahrgang 1969. Nach der Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie Ausmusterung 1997 zum Panzergrenadierbataillon 13; Verwendung als Zugs- und Kompaniekom­mandant. Ab 2002 Lehroffizier Panzergrenadier auf der Panzertruppenschule. Auslandseinsatz 1989 UNFICYP und 2001 als stellvertretender Kompaniekommandant einer gepanzerten Jägerkompanie bei der Task Force DULJE/KFOR.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle