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IFOR - SFOR - EUFOR

Österreichische Soldaten im Friedenseinsatz im ehemaligen Jugoslawien

Multinationale militärische Kontingente arbeiten in dieser Krisenregion Europas intensiv für den Frieden - und das schon seit knapp zehn Jahren. Anfangs sorgten sie in den NATO-geführten Einsätzen IFOR bzw. SFOR für Schutz und Hilfe, nun sind sie im Rahmen von EUFOR unter der Führung der EU tätig. Auch Tausende Soldaten des Österreichischen Bundesheeres haben sich bereits an diesen Einsätzen beteiligt.

Brennende Häuser, ethnisch motivierte Morde, Schießereien, Hassparolen und Vertreibungen - vor knapp zehn Jahren beobachteten die Vereinten Nationen mit großer Sorge die Entwicklung im Bereich des ehemaligen Jugoslawien und erwogen eine umfassende Friedensoperation in diesem Gebiet. Allerdings war bereits vor dem Sommer 1995 der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Boutros Boutros-Ghali, der Meinung, dass ein solcher Einsatz deren Kapazitäten bei weitem überfordern würde - vor allem aufgrund des Umfanges und der Komplexität eines solchen Unterfangens. Boutros-Ghali regte daher an, die bisherige nur wenig erfolgreiche United Nations Protection Force (UNPROFOR) durch eine multinationale Task Force zu ersetzen. Diese sollte zwar ebenfalls vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisiert sein, aber - anders als UNPROFOR - unter dem Kommando einer regionalen Organisation stehen.

Auf dieser völkerrechtlichen Grundlage beschloss die NATO am 29. September 1995 die Vorbereitung eines umfassenden Friedenseinsatzes auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Sie stellte allerdings mehrere Bedingungen für die geplante Operation, darunter - eine Friedensvereinbarung aller Konfliktparteien, - eine klare Gebietsabgrenzung und - den Rückzug aller militärischen Kräfte in ihre jeweiligen Stammgebiete.

Neben den NATO-Mitgliedstaaten wurden auch interessierte Staaten der NATO-Partnerschaft für den Frieden eingeladen, militärische Kontingente zu stellen. Kaum jemand ahnte damals, dass diese Friedensoperation bald 60 000 Personen umfassen würde. Im Rahmen dieser Kräfte sollten auch zahlreiche österreichische Soldaten an der Friedenssicherung in einem Gebiet mitarbeiten, das immerhin vierzig Jahre gemeinsame Geschichte mit der ehemaligen Donaumonarchie verbindet.

"Dayton" und die UN-Resolutionen

Die völkerrechtlichen Voraussetzungen für einen Einsatz (Mission) in Bosnien-Herzegowina hatten die Sicherheitsratsresolutionen der Vereinten Nationen geschaffen, vor allem aber das so genannte "Allgemeine Rahmenabkommen für den Frieden". Dieses wurde am 14. Dezember 1995 in Paris unterzeichnet, nachdem es zuvor am US-Luftwaffenstützpunkt Dayton (USA) ausverhandelt und paraphiert worden war. Dieses Friedensabkommen ging als Dayton-Abkommen oder kurz "Dayton" in die Geschichte ein. "Dayton" brachte tatsächlich die Einstellung der Feindseligkeiten und teilte Bosnien-Herzegowina entlang der so genannten "Inter-Entity Boundary Line" in die Muslimisch-Kroatische Föderation und die Serbische Republik.

Die NATO erhielt auf der Basis der Resolution 1031 (aus 1995) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen das Mandat, die militärischen Aspekte des Friedensabkommens umzusetzen. Schon am 16. Dezember begann der größte militärische Einsatz in der Geschichte der NATO. Die Genehmigung des Operationsplanes 10405 "JOINT ENDEAVOUR" durch den NATO-Rat war der Startschuss für den Einsatz von 60 000 Soldaten aus NATO- und Nicht-NATO-Staaten, - darunter auch Russland.

AUCON/IFOR - wie es dazu kam

Die Mitgliedstaaten der NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfF bzw. PfP - Partnership for Peace), darunter auch Österreich, wurden kurz danach ebenfalls aufgefordert, sich an dieser Implementation Force (IFOR) unter der Schirmherrschaft der NATO zu beteiligen. IFOR sollte vor allem die militärischen Aspekte des Anhanges 1 A des Dayton-Abkommens umsetzen. Dabei ging es primär um - die Herbeiführung der Einstellung der Feindseligkeiten zwischen den Konfliktparteien und die Aufrechterhaltung dieses Zustandes, - die Sicherstellung des Abzuges aller fremden Streitkräfte aus Bosnien-Herzegowina, - die Trennung der Streitkräfte der bosnisch-kroatischen Allianz und der bosnisch-serbischen Entität sowie um - die Schaffung eines sicheren Umfeldes und die Unterstützung der in Bosnien-Herzegowina tätigen internationalen (Hilfs-)Organisationen.

Die Entscheidungsabläufe in Österreich

Der Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten hatte bereits in der Ministerratssitzung vom 7. November 1995 dargelegt, dass Österreich unter den gegebenen Umständen den geplanten Friedenseinsatz in zweierlei Hinsicht unterstützen könnte:

- die NATO wäre sehr interessiert, mit Österreich Transitvereinbarungen zu treffen, und - Österreich könnte sich, wie jeder andere PfF-Partner, an der vorgesehenen IFOR-Operation mit Truppen beteiligen.

Der Ministerrat beschloss daraufhin die Aufnahme von Gesprächen über die Teilnahme an dieser Friedensoperation.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1995 lud der Generalsekretär der NATO Österreich konkret ein bzw. forderte Österreich auf, Kräfte für IFOR zu stellen. Am 12. Dezember 1995 beschloss der Ministerrat die Bereitstellung einer Transporteinheit. Gemäß Ministerratsbeschluss sollte diese Einheit bis zu 300 Mann umfassen, aus drei Transportzügen bestehen und mit 75 schweren Lastkraftwagen ausgerüstet sein. Als Einsatzdauer wurde ein Jahr festgelegt.

Der NATO wurde mitgeteilt (notifiziert), dass die Transporteinheit den zuständigen IFOR-Kommanden auf Zusammenarbeit angewiesen würde, aber eine Teilnahme dieser Einheit an "gewaltsamen Maßnahmen zur Friedensdurchsetzung" (also an Kampfeinsätzen) nicht möglich wäre. Am 15. Dezember 1995 stimmte der Hauptausschuss des Nationalrates der beabsichtigten Truppenentsendung zu. Noch am selben Tag erfolgte die Ministerweisung 147/95. Auf nationaler Ebene gab es damit grünes Licht für den Einsatz des Österreichischen Bundesheeres in Bosnien-Herzegowina. Dann ging es Zug um Zug:

- Am 16. Dezember 1995 erfolgte die Benachrichtigung des NATO-Generalsekretärs über Österreichs Beteiligung an IFOR.

- Ende Jänner 1996 wurde das Vorkommando unter dem Namen AUSLOG/IFOR (Austrian Logistics/Implementation Force) in den Einsatzraum entsandt.

- Am 10. Februar 1996 folgte der Großteil des vorgesehenen Truppenkontingentes.

AUSLOG/IFOR setzte sich damals aus rund 300 Mann zusammen, der Kommandant war Oberstleutnant Günther Kienberger. Neben Österreich stellten weitere 35 Nationen - darunter sämtliche NATO-Länder - Kontingente für IFOR.

Von IFOR zu SFOR

Im Herbst 1996 stellte der NATO-Rat eine Veränderung der Natur der NATO-Operation fest, waren doch die "Dayton"-Ziele bereits erreicht. Trotzdem blieb noch vieles zu tun. Ein neuer Konsolidierungsplan führte zur Aufstellung einer NATO-Stabilisierungstruppe. Diese sollte mit dem Auslaufen des IFOR-Mandates durch ein neues UN-Mandat aktiviert werden.

Mit dem 20. Dezember 1996 wandelte sich die Implementation Force (IFOR) de facto zur Stabilization Force (SFOR). Ihr Ziel war die Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes zur fortgesetzten Konsolidierung des Friedens, der in der Folge die Anwesenheit der NATO-geführten Streitkräfte in Bosnien-Herzegowina entbehrlich machen sollte.

Die österreichische Beteiligung

Alle österreichischen Soldaten im Einsatzraum waren ausschließlich Freiwillige, die eine spezielle medizinische und psychische Tauglichkeitsuntersuchung bestanden sowie eine intensive, realistische Einsatzvorbereitung erhalten hatten. Ihre Einsatzdauer in Bosnien-Herzegowina betrug grundsätzlich sechs Monate.

Die österreichischen Kräfte waren anfangs im Camp BELUGA in Visoko gemeinsam mit Belgiern, Griechen und Luxemburgern als Korps-Transportreserve in Bataillonsstärke stationiert. Der Name BELUGA spiegelt die Zusammensetzung des Kontingentes wider, er steht für BElgium, LUxembourg, Greece und Austria.

Niedergebrannte Häuser, gesprengte Kirchen, verwilderte Felder, Minen, Massengräber, Flüchtlinge und Hoffnungslosigkeit: im Einsatzraum eingetroffen, sahen die österreichischen Soldaten die Folgen des Bürgerkriegs aus nächster Nähe. Fragen nach dem Warum dieses mörderischen Konfliktes und nach den Ursachen für den Hass der Volksgruppen aufeinander drängten sich auf. Gibt es überhaupt reale Chancen für einen dauerhaften Frieden? Und wie sinnvoll ist dabei die internationale Truppenpräsenz? Die Flüchtlingszahl (Stand 1995/96, Quelle Fischer-Weltalmanach 1997) war alarmierend: 1,3 Millionen Menschen, verteilt auf den Balkan und die westeuropäischen Staaten. Auf Tuchfühlung hintereinander stehend, hätte das eine Menschenschlange von Sarajewo bis Wien ergeben!

Als größte Bedrohung für die Österreicher stellte sich bald die Minengefahr heraus. Schätzungen des United Nations Mine Action Centers gingen von rund einer Million im Land verbliebener Minen aus. Durch Minenunfälle waren bis Ende 1997 bereits 70 Soldaten der internationalen Friedensstreitkräfte getötet oder verwundet worden. Es spricht für die Qualität der einsatzvorbereitenden Ausbildung des Bundesheeres, dass kein österreichischer Soldat Minenopfer wurde.

Am 1. April 1997 folgte Griechenland Belgien als Lead Nation. Am 18. Juni 1998 erfolgte die Verabschiedung der belgischen und der luxemburgischen Kräfte sowie deren Ablösung durch die Bulgaren. Zwei Tage später wurde das Camp von BELUGA auf HELBA (HELlenic, Bulgaria, Austria) umbenannt.

AUSLOG/IFOR, das österreichische Transportkontingent, verfügte, wie bereits erwähnt, in der Anfangsphase über rund 300 Mann. Im Laufe der Jahre wurde jedoch, um Kapazitäten für andere Missionen freizubekommen, wie bei allen anderen Kontingenten der truppenstellenden Staaten auch beim österreichischen Kontingent die Personalstärke vermindert. Im Zuge der Reduzierung des Gesamtkontingentes, das mit Sicherheitsratsresolution 1088 (1996) in Stabilisation Force (SFOR) umbenannt und Rechtsnachfolger der IFOR wurde, schrumpfte das österreichische Kontingent auf etwa 230 und in der Folge auf ca. 180 Mann. Der Hauptgrund für die erste Reduktion von Personal und Fahrzeugen war der deutliche Rückgang von Transportaufträgen, hatten diese doch nur in der Aufbauphase der Friedenstruppe höchste Priorität gehabt.

Im September 1999 besprachen österreichische und deutsche Planer die Eingliederung des AUSLOG-Transportzuges (AUSLOG - Austrian Logistics) in die GECON-Logistikeinheit (GECON - German Contingent) in Rajlovac, einem Vorort von Sarajewo. Ein Konzept hiefür lag bereits im November vor. Im Dezember begann der Lagerabbau, und ein Erkundungskommando bereitete gleichzeitig den Umzug zum neuen Stationierungsort vor.

Mitte Februar 2000 wurde die Kontingentsstärke auf nur noch 54 Mann reduziert, der bisherige Stationierungsort Visoko aufgegeben und das neue Lager in Rajlovac bezogen.

Rajlovac, ca. fünf Kilometer außerhalb von Sarajewo, der neue Stationierungsort des nun verkleinerten AUSLOG/SFOR, war der Hauptstützpunkt der Kräfte der deutschen Bundeswehr in Bosnien-Herzegowina. Der verbleibende österreichische Transportzug, ausgestattet mit Kipplastkraftwagen, wurde in einen Transportverband der Bundeswehr integriert bzw. hatte mit diesem zusammenzuarbeiten und sollte bis auf weiteres vor Ort bleiben. Im Hauptquartier der SFOR in Sarajewo arbeitete auch weiterhin österreichisches Stabspersonal. Wie im Ministerratsbeschluss vom 6. Juni 2000 vorgesehen, endete die österreichische Beteiligung am Einsatz in Bosnien-Herzegowina mit März 2001, denn Österreich beabsichtigte, sich statt dessen mit rund 2 000 Soldaten an der EU-Kriseneingreiftruppe zu beteiligen. Darüber hinaus waren Kräfte für ein verstärktes Engagement im Kosovo erforderlich. Von Jänner 2001 bis Mai 2004 wurden deshalb nur noch Offiziere dem Stab von SFOR im Camp BUTMIR in Sarajewo zur Verfügung gestellt.

Die Europäische Union beurteilte die Situation vor dem Hintergrund der beabsichtigten Übernahme der NATO-Mission in Bosnien-Herzegowina mit Jahresende 2004 neu. Das führte Ende Juni 2004 zur Entsendung eines weiteren österreichischen Kontingentes in den Einsatzraum, vorderhand noch unter SFOR-Kommando.

Mit 27. Juni 2004 wurde gemäß Ministerratsbeschluss und nach Zustimmung des Nationalrates AUCON 1/SFOR entsandt. AUCON 1/SFOR war die militärische Kurzbezeichnung des österreichischen kompaniestarken Infanteriekontingentes. Es umfasste insgesamt 135 Personen und bestand aus einer Infanteriekompanie mit ergänzenden Führungs-, Sondereinsatz-, Informationsgewinnungs- und Versorgungselementen. Der Stationierungsort war Camp BUTMIR, der Kommandant Oberstleutnant Klaus Eisenbach. Als Einsatzende wurde vorerst der 31. Dezember 2004 festgesetzt.

Diese speziell für ihre Aufgabe trainierten Kräfte versahen in den nächsten sechs Monaten ihren Dienst im Rahmen einer Multinational Specialized Unit (MSU) in Bosnien-Herzegowina. Im Einsatzraum war das Kontingent Teil eines italienisch geführten Bataillons. Zu den Hauptaufgaben zählte vor allem die Unterstützung der SFOR-Truppen sowie der zivilen Behörden bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Zum Tätigkeitsbereich zählten unter anderem - Patrouillen (mit den Mannschaftstransportpanzern "Pandur"), - Informationsgewinnung, - Einsätze bei Demonstrationen und Unruhen zur Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung im engen Zusammenwirken mit bosnisch-herzegowinischen Polizeikräften, - die Unterstützung der Rückkehr von Flüchtlingen und die Mitwirkung bei der Durchsetzung des Rechts.

Eine Special Observation Squad des (österreichischen) Kommandos Spezialeinsatzkräfte stand der MSU ebenfalls zur Verfügung. Diese sollte eng mit einer (italienischen) so genannten "Manoeuvre Unit" zusammenarbeiten. Neben den österreichischen Soldaten und italienischen Carabinieri gehörten dem Verband auch slowenische und ungarische Teileinheiten an.

Ab Anfang 2004 wurden bei SFOR so genannte "Liasion Observation Teams" (LOT) als Elemente der so genannten "Abschreckungspräsenz" eingerichtet. Diese Teams ermöglichten trotz mehrerer Reduktionen der Truppenstärke und der Verdünnung der Kräfte ein verbessertes Lagebild sowie eine höhere Flexibilität und Reaktionsfähigkeit der SFOR. Ein LOT sind acht bis zehn Soldaten, geführt von einem Offizier und untergebracht in einem angemieteten, zivilen Haus in einer Ortschaft. Von diesem Haus aus halten sie intensiven Kontakt mit den Behörden und der Bevölkerung, vor allem zur Gewinnung eines authentischen, aktuellen Lagebildes. Vorläufer der LOT kamen bereits bei der European Union Monitoring Mission zum Einsatz - dort allerdings als unbewaffnete Beobachter -, sowie in Mazedonien als "Field Liaison Teams" der NATO und später der EU.

Von SFOR zu EUFOR

Auf dem NATO-Gipfel von Istanbul im Frühsommer 2004 wurde die Beendigung der NATO-geführten SFOR mit Jahresende und der Übergang zur EU-geführten EUFOR-Mission vorbereitet. Eine Übernahme einer NATO-Mission am Balkan in die europäische Verantwortung war - wenngleich in sehr viel kleinerem Maßstab - bereits im Frühling 2003 in Mazedonien mit der europäischen Operation "CONCORDIA" erfolgt, und zwar erfolgreich. Diese Übernahme war ein weiteres Zeichen der Normalisierung in der Gesamtregion, aber auch eine direkte Folge der Fortschritte der EU bei der Entwicklung ihrer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Mit dem 1. Dezember 2004 endete die überaus erfolgreiche NATO-Operation in Bosnien-Herzegowina. Die Operation hatte 1996 mit 60 000 Soldaten begonnen. Zum Ende von SFOR befanden sich nur noch 7 000 Soldaten im Einsatzraum. 80 Prozent dieser SFOR-Truppen verblieben weiter dort, nun jedoch als EUFOR-Truppen unter dem Oberbefehl der Europäischen Union.

Das österreichische SFOR-Kontingent kann ebenfalls auf eine positive Bilanz zurückblicken. Insgesamt nahmen an der Mission 2 100 Soldaten des Bundesheeres in elf Kontingentsrotationen teil. Im Laufe der Jahre wurden 6 800 000 Kilometer im Einsatzraum gefahren und dabei 461 900 Tonnen Güter aller Art transportiert. Im Rahmen der Multinational Specialized Unit und als LOT haben sich die österreichischen Soldaten einen hervorragenden Ruf erworben und eindrucksvoll bewiesen, dass sie den Elitesoldaten anderer europäischer Länder durchaus ebenbürtig sind.

Der EU-Militärstab übernimmt das Kommando

Die Europäische Union arbeitete seit Frühling 2004 mit Hochdruck an der Vorbereitung der bislang größten Militäroperation der Staatengemeinschaft, größer und komplexer als alle früheren EU-Missionen. Mit der Übernahme des SFOR-Einsatzes durch die EU sollte neben einer Stärkung der strategisch-operativen Fähigkeit der EU auch eine Entlastung der NATO für andere Vorhaben erfolgen. Die NATO-geführten SFOR-Truppen waren mit Juni 2004 von etwa 12 000 Soldaten auf 7 000 reduziert und die bisherigen drei Brigaden in die so genannten "Multinational Task Forces" umgewandelt worden.

Anfang Juli 2004 entsandte Brüssel zur Vorbereitung der Operation vor Ort und zur Sicherstellung eines friktionsfreien Überganges von SFOR zu EUFOR ein EU-Planungsteam (EUPT). Dieses umfasste in der Folge Spezialisten aus allen Führungsgrundgebieten und bestand aus insgesamt 18 Offizieren aus mehreren Mitgliedstaaten der EU. (Der erste Angehörige des EUPT und gleichzeitig der erste Soldat von EUFOR im Einsatzraum war übrigens ein Österreicher: Oberst des Intendanzdienstes Dr. Michael Pesendorfer, der als Rechtsberater und gleichzeitig als stellvertretender Kommandant des EUPT unverzüglich seine Arbeit aufnahm. Er verfasste diesen Beitrag für TRUPPENDIENST; Anm. d. Red.) Zwölf Tage später traf der Kommandant des EUPT, direkt aus Brüssel kommend, im Einsatzraum ein. Österreich war im Planungsteam mit insgesamt zwei Offizieren und einem Unteroffizier vertreten und stellte damit knapp ein Fünftel des Personals.

Die Hauptaufgaben des EUPT waren - die Planung des zukünftigen HQ EUFOR in personeller und infrastruktureller Hinsicht, - die Abgrenzung der Aufgaben zwischen der künftigen EUFOR und dem zukünftigen NATO HQ Sarajewo sowie - die Sicherstellung einer vorläufigen "Initial Operational Capability" (der ersten Befähigung, Planungen durchzuführen) für das EUFOR-Hauptquartier ab 1. Oktober 2004.

Das EUPT ging Mitte Oktober 2004 im heranwachsenden Stab von EUFOR auf.

EUFOR "ALTHEA"

Der Einsatz mit dem klingenden Namen "ALTHEA" (griechisch, "die Heilende") ist der dritte militärische EU-Einsatz. Er folgte dem Einsatz in Mazedonien ("CONCORDIA") vom 31. März 2003 bis zum 15. Dezember 2003 und dem Einsatz im Kongo ("ARTEMIS") vom 6. Juni bis zum 1. September 2003.

Die Truppenstärke von EUFOR "ALTHEA" beträgt - wie zuletzt bei SFOR - rund 7 000 Soldaten, aufgeteilt auf drei Task Forces in der Stärke von je 1 800 bis 2 000 Personen einschließlich der Integrated Police Units (IPU) als Nachfolgeorganisationen der MSU und des Hauptquartiers. Insgesamt stellen zur Zeit 33 Staaten Kräfte für die Operation.

Am 2. Dezember 2004 übernahm die EU die bisher von der NATO geführten Kräfte in Bosnien-Herzegowina. Völkerrechtlich ist der Einsatz durch die Sicherheitsratsresolution 1575 (aus 2004) der Vereinten Nationen legitimiert, die EUFOR zum Rechtsnachfolger von SFOR macht. Bei dem Einsatz handelt es sich um eine so genannte "Kapitel VII-Operation" (siehe unten). Die kontinuierliche militärische Präsenz trägt zu einer stabilen und sicheren Entwicklung in Bosnien-Herzegowina bei.

Mit der Übernahme des Einsatzes stellt die EU in der Krisenregion - neben der zivilen Wiederaufbauhilfe und der Polizeimission der EU (EUPM) - ab Winterbeginn 2004 nun auch die militärische Komponente. Die Struktur der Operation hat sich "nicht dramatisch verändert", wie es in den Planungen auch vorgesehen war. Politisch bedeutsam ist aber der Aspekt, dass mit der Übernahme von SFOR durch die EU "das europäische Gesamtpaket in Bosnien-Herzegowina abgeschlossen wird". Neben der zivilen Wiederaufbauhilfe und der EU-Polizeimission (EUPM), die im Januar 2003 die UN-Polizei ablöste, kam nun auch der militärische Teil hinzu.

Das Hauptquartier von EUFOR ist das gleiche wie das der NATO-Mission, nämlich Camp BUTMIR auf dem Gelände des Flughafens von Sarajewo. Bereits bei SFOR kamen mehr als 80 Prozent der Soldaten aus den Mitgliedstaaten der EU. Die Operation EUFOR "ALTHEA" wurde auf der Basis des "Berlin plus"-Abkommens gestaltet, das die Unterstützung der NATO für EU-geführte Operationen regelt. Denn um Doppelstrukturen zu vermeiden, greift die EU auf Mittel und Fähigkeiten der NATO zurück. Der Oberbefehlshaber der Gesamtoperation ist, wie bei "Berlin plus"-Operationen üblich, der stellvertretende NATO-Oberkommandierende für Europa (Deputy SACEUR).

Die NATO spielt jedenfalls auch weiterhin eine gewichtige Rolle in Bosnien-Herzegowina, zumal auch dieses Land die Perspektive für eine spätere Mitgliedschaft im Nordatlantischen Bündnis erhalten soll. Militärische und zivile Expertenteams der NATO sollen der örtlichen Regierung bei der Reform ihres Verteidigungssektors helfen und die Mitgliedschaft des Landes bei der NATO-Partnerschaft für den Frieden vorbereiten. Die ca. 200 Soldaten starken NATO-Truppen befinden sich auf dem selben Gelände und in den selben Gebäuden wie das Hauptquartier von EUFOR.

Die Aufgabe von EUFOR "ALTHEA" ist es, ein sicheres Umfeld zu schaffen, in dem Bosnien-Herzegowina seine Bemühungen hin zu dem langfristigen Ziel der EU-Mitgliedschaft verwirklichen kann. Die Perspektive des EU-Beitrittes ist zum wichtigsten Motor für die Reformen in Südosteuropa geworden. Diese Region Europas grenzt direkt an Staaten der Europäischen Union. Ihre Stabilisierung ist daher ein zentrales Erfordernis für die Sicherheit der EU und damit die Anstrengung wert.

Aus dem Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen

Artikel 39: Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschließt, welche Maßnahmen aufgrund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. ...

Artikel 41: Der Sicherheitsrat kann beschließen, welche Maßnahmen - unter Ausschluss von Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese Maßnahmen durchzuführen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen.

Artikel 42: Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, dass die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen. ...

Auf einen Blick

In Bosnien-Herzegowina begann die internationale Gemeinschaft nach der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton am 21. November 1995 ihre bislang größte und anspruchvollste Friedensmission. Neben der IFOR bzw. später SFOR und EUFOR, die die Umsetzung der militärischen Vereinbarungen sicherstellten, diente das Büro des Hohen Repräsentanten (Office of the High Representative) als zentrale Koordinationsstelle für den zivilen Wiederaufbau. Die Vereinten Nationen wurden mit der Rückführung der Flüchtlinge, die OSZE mit der Durchführung von Wahlen beauftragt. Mehr als 600 internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (NGO) wirkten vor Ort am Aufbau und an der Konsolidierung des Friedens in und um Bosnien-Herzegowina mit.

Trotz dieser beispiellosen Anstrengungen nach dem Pariser Friedensschluss blieb Bosnien-Herzegowina, infolge des Krieges noch immer (ethnisch bedingt) in drei Teile zerrissen, ein Sorgenkind der Staatengemeinschaft. Alle politischen Ebenen des Landes werden von national orientierten Kräften dominiert, die im Widerspruch zu den Vereinbarungen von Dayton das Zusammenwachsen des ethnisch zerrissenen Staates Bosnien-Herzegowina behindern. Vor allem die Probleme der Rückkehr der Flüchtlinge und der Vertriebenen sowie des Aufbaus der politischen Institutionen der bosniakisch-kroatischen Föderation und der bosnischen Staatsregierung sind weiterhin ungelöst. Dennoch konnte die Region nicht auf Dauer in der Abhängigkeit der internationalen Gemeinschaft belassen bleiben.

Zweifellos vereinigt dieses Land, das am stärksten unter den Auseinandersetzungen im zerfallenden Jugoslawien der neunziger Jahre zu leiden hatte, in geradezu exemplarischer Weise sämtliche Probleme der Region - und auch die Licht- und Schattenseiten der Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft. Der damalige Konflikt offenbarte die Konzept- und Hilflosigkeit sowohl der Vereinten Nationen als auch Europas, denn erst der organisierte Massenmord von Srebrenica führte zum Eingreifen der NATO. Das Ergebnis war der Vertrag von Dayton, der zwar die Kampfhandlungen beendete, zugleich aber mit der Aufteilung des Landes in zwei Entitäten die Folgen der Gewaltexzesse festschrieb (die "Dayton-Linie") und der sich heute als Hemmnis für die weitere Normalisierung des Landes erweist. Der militärische Einsatz und der Vertrag von Dayton waren aber, und das sollte man nicht vergessen, notwendig, um die Morde und Vertreibungen zu beenden.

Die EU und die Internationale Gemeinschaft haben aus den Erfahrungen, die sie in und nach dem Krieg machen mussten, Lehren gezogen und Handlungsmodelle entwickelt, bei denen Krisenprävention und Kriseneinsätze einen wesentlich höheren Stellenwert innehaben als je zuvor. Der Einsatz der europäischen Friedenstruppe EUFOR "ALTHEA" ist jedenfalls ein großer Schritt in die richtige Richtung.

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Wozu SFOR, KFOR und EUFOR "ALTHEA"?

SFOR (Stabilization Force): Durchsetzung des Friedensabkommens von Dayton auf der Basis der UN-Resolution 1088 aus 1996.

KFOR (Kosovo International Security Force): Aufrechterhaltung der Sicherheit im Kosovo auf der Basis der UN-Resolution 1244 aus 1999, u. a. durch Überwachungs- und Sicherungsaufgaben.

EUFOR "ALTHEA" (European Force Operation "ALTHEA"): Stabilisierung der militärischen Aspekte des Friedensabkommens von Paris und permanente militärische Präsenz, um eine neuerliche Gefährdung des Friedens zu verhindern.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Oberst dIntD Mag. Dr. jur. Michael Pesendorfer, Jahrgang 1961. Berufsoffiziersausbildung, danach Zugskommandant, Kompaniekommandant und S3 beim Jägerbataillon 26 in Spittal a. d. Drau; Studium der Rechtswissenschaften in Salzburg; Gerichts- und Anwaltspraxis in Klagenfurt; 1996 bis 2001 Leiter der Intendanzabteilung des Militärkommandos Burgenland, 1998 bis 1999 Chief of Finance der European Union Monitor Mission in Sarajewo; 1999 Rechtsberater des Österreichischen Humanitären Kontingentes in Albanien; 2001 bis 2003 im Militärstab der Europäischen Union in Brüssel; ebenfalls 2003 im Hauptquartier der EU-Force in Mazedonien und danach bis Mitte 2004 im Kommando der 7. Jägerbrigade in Klagenfurt und im BMLV. In der Folge Rechtsberater bei AUCON 1/SFOR und danach im European Union Force Planning Team zur Vorbereitung und Sicherstellung der Übernahme der NATO-Operation in Bosnien-Herzegowina durch die EU. Seit Oktober 2004 Chef des Rechtsbüros und Chief Legal Advisor im Hauptquartier der EUFOR in Sarajewo.

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