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Die Partnerschaft für den Frieden und das Österreichische Bundesheer (II)

Verteidigungsplanung und Transformation

Transformation hat als Schlagwort Einzug in viele westliche Streitkräfte gehalten. Die Verteidigungs- und Streitkräfteplanung ist ein wesentlicher Mechanismus, der es ermöglichen soll, ständig an die neuen Herausforderungen angepasste militärische Kräfte wirkungsvoll einzusetzen. In der Artikelreihe über die Partnerschaft für den Frieden muss dieser Aspekt, der weitreichende Folgen für das Österreichische Bundesheer hat, entsprechend berücksichtigt werden.

Der deutsche General Harald Kujat, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, hat Transformation folgendermaßen definiert: "Transformation ist ein Anpassungsprozess der militärischen Fähigkeiten an die neuen Bedrohungen und Sicherheitsherausforderungen sowohl in technischer als auch in geistiger Hinsicht." Während der Zeit des Kalten Krieges war die Verteidigungsplanung der NATO primär darauf ausgerichtet, die nötigen Kapazitäten aufrechtzuerhalten, um eine sowjetische Aggression abwehren zu können. Seither ist das Sicherheitsumfeld in Europa und seiner Umgebung wesentlich komplexer geworden - die Bedrohungen sind weniger offensichtlich, erscheinen weiter entfernt, wirken jedoch umso heftiger in den Euro-Atlantischen Raum. Heute sind die wahrscheinlichsten Bedrohungen nicht die militärische Aggression eines Staates gegen einen anderen, sondern reichen eher vom Terrorismus über die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen bis hin zu regionalen Konflikten, wie jene am Balkan. Die NATO, die über Jahrzehnte auf die Paktkonfrontation eingestellt war, hat in den neunziger Jahren damit begonnen, die Streitkräfte ihrer Mitgliedsstaaten auf die neuen Bedrohungsformen auszurichten.

Die Kräfte der NATO-Staaten sollten in die Lage versetzt werden, nicht nur klassische Artikel-5-Operationen (Verteidigung des Bündnisgebietes) durchzuführen, sondern sie sollten zusätzlich in Krisen auch jenseits der Grenzen des Verantwortungsbereiches der NATO zum Einsatz kommen.

Zukünftige Einsätze werden sich demnach massiv von jenen unterscheiden, für die während des Kalten Krieges geplant worden war: Sie werden unter Umständen weit weg von Europa stattfinden, ihre Dauer kann sich über Jahre erstrecken, eine Vielzahl an Nationen wird sich beteiligen, die durchzuführenden Aufgaben werden Fähigkeiten verlangen, die über das klassische Krieg-Führen hinausgehen. Diese Herausforderungen werden nicht mehr ausschließlich von Bündnismitgliedern bewältigt werden, sondern eine gemeinsame Aufgabe für NATO und ihre Partner darstellen. Für die erfolgreiche Bewältigung dieser Einsätze ist die Fähigkeit zur Zusammenarbeit eine Grundvoraussetzung. Folglich muss auch sichergestellt werden, dass alle beteiligten Truppen zu denen der NATO-Staaten kompatibel sind.

Daher musste die Verteidigungsplanung auch an die neuen Szenarien angepasst werden. Ein wesentlicher Schritt wurde durch die Defence Capabilities Initiative (DCI) gesetzt. Dabei sollten, vor allem folgende Fähigkeiten der Allianz geschaffen und erweitert werden:

- Mobilität und Einsatzfähigkeit: Verlegung und Einsatz von Truppen - auch außerhalb des NATO-Bündnisgebietes; - Ausführung eines Einsatzes auch außerhalb des NATO-Bündnisgebietes, Durchhaltevermögen über einen längeren Zeitraum, inklusive der Fähigkeit zur Rotation; - effektive Einsatzführung gegen Gegner im gesamten militärischen Spektrum; - Zusammenarbeitsfähigkeit, besonders bei der Kommunikation, um Kräften aus verschiedenen Nationen das Zusammenwirken zu ermöglichen.

Die Operation gegen Jugoslawien 1999 hat gewissen Mängel der NATO und hier vor allem bei den europäischen Bündnispartnern aufgezeigt. Die Abhängigkeit von den USA, vornehmlich bei der Aufklärung oder bei Luftangriffen wurde offensichtlich. Der derzeit laufende Einsatz der NATO-Truppen in Afghanistan zeigt deutlich, dass strategische Lufttransportmittel notwendig sind und dass in einem Binnenland mit nur geringer Unterstützung im Einsatzraum (Host Nation Support) und schwacher Infrastruktur agiert werden können muss. Bereits nach dem Kosovo-Konflikt wurden 58 Fehlstände - so genannte "Shortfalls" - durch die Allianz definiert.

Verteidigungsplanung

Das strategische Konzept der NATO bildet die Grundlage für die militärischen Planungen. Die NATO hat für die Streitkräfteplanung, eine der sechs unterschiedlichen Disziplinen der Verteidigungsplanung (Defence Planning), einen Prozess ins Leben gerufen, der auf bestmögliche Weise die militärischen Anforderungen definieren soll und die für deren erfolgreiche Bewältigung erforderlichen Kräfte bereitstellen kann.

Die Verteidigungsplanung umfasst folgende Disziplinen:

- C2-Planning (Command and Communication - Führung); - Armaments-Planning (Rüstung); - Nuclear and Civil Defence-Planning (Nuklearbereich und Zivilschutz); - Resources-Planning (Resourcen); - Logistics-Planning (Logisitik); - Force-Planning (Streitkräfte).

Neben der Streitkräfteplanung sind für die Partnernationen besonders die Logistik und die Führung relevant. In allen Disziplinen findet ein Informationsaustausch mit den Partnernationen statt, ausgenommen ist nur die Nukleartechnik.

Streitkräfteplanung

Bei der Streitkräfteplanung (Force Planning) liegt derzeit das Schwergewicht auf der Transformation und in der Implementierung der NATO Response Force (NRF). Dabei kommen folgende Prinzipien zur Anwendung:

- politische Solidarität unter den Mitgliedstaaten; - Zusammenarbeit unter den Staaten; - Aufgabenverteilung und - Rollenaufteilung sowie - gemeinsame Anstrengungen, ausgewogene Streitkräfte zur Unterstützung der Strategie der Allianz aufzustellen.

Bei der Stärke und dem Umfang ihrer Streitkräfte verbleiben die Nationen voll souverän, die Anforderungen aufgrund der kollektiven Verteidigung sind jedoch zu berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten - mit Ausnahme von Frankreich - folgen daher den Verfahren der Streitkräfteplanung. Diese berücksichtigen politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten, die notwendige gleichmäßige Lastenverteilung, die Anforderungen der militärischen Kommanden und bereits vorhandene militärische Fähigkeiten und Möglichkeiten des jeweiligen Landes.

Ausgehend vom strategischen Konzept der Allianz, erteilen die Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten die Richtlinie für die Streitkräfteplanung. Dabei wird für Szenarien der kollektiven Verteidigung, wie auch für "Non-Article-5-Operations" (also nicht als Folge eines Angriffs auf ein Allianzmitglied), geplant. Diese Richtlinie wird durch die Force Planner in der NATO-Kommandostruktur bei der Erstellung der Streitkräfteziele umgesetzt, und diese sollten auch bei den nationalen Planungen berücksichtigt werden. Der Planungshorizont für die Streitkräfte ist ab heuer auf zehn Jahre ausgelegt und wird normalerweise alle vier Jahre aktualisiert. Die Nationen müssen über die nationalen Planungen und deren Umsetzung (Defence Review) an das NATO-Hauptquartier berichten. In Gesprächen mit den Nationen werden besonders potentiell unterschiedliche Planungen der Allianz und der nationalen Umsetzung behandelt.

Aus allen Beiträgen der Nationen wird ein Gesamtbericht zur Lage der Streitkräfte in der Allianz dem Verteidigungsplanungskomitee übermittelt und den Verteidigungsministern zur Kenntnis gebracht.

Für die Partnernationen wird die Streitkräfteplanung im Rahmen des PARP (Planning and Review Process) wahrgenommen. Dieser ist eng an die Verfahren der NATO-Streitkräfteplanung angelehnt. Von den derzeit 20 Partnernationen nehmen nur Russland, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan nicht an diesem Programm teil. Der PARP beruht auf den Grundlagen der Freiwilligkeit - die Partner nehmen nur jene Ziele an, die sie selbst auswählen, während im Rahmen der NATO-Streitkräfteplanung die Nationen Streitkräfteziele grundsätzlich annehmen und umsetzen müssen. Das Hauptziel des PARP liegt darin, Interoperabilität der für die NATO-geführten Einsätze zur Verfügung gestellten Partnerkräfte mit jenen der Allianz zu erreichen. Dies reicht von entsprechenden Englischkenntnissen über Verwendung gleicher Meldeformate, Karten oder Symbole bis hin zur Möglichkeit, den gleichen Treibstoff zu tanken oder gemeinsam am Boden, im Luftraum oder auf See zu operieren. Mit Weiterentwicklung der Partnerschaft für den Frieden und zunehmender Dauer der gemeinsamen Einsätze von NATO- und Partnertruppen im Rahmen von "Non-Article-5-Operations" werden die Streitkräfteziele vor allem für die potenteren Partnernationen zunehmend anspruchsvoller und ermöglichen die Zusammenarbeit auch in höherer Qualität.

Der Prozess selbst ist ähnlich jenem der Allianz gestaltet - mit einer entscheidenden Ausnahme: Partnernationen haben keinerlei Pflicht, Streitkräfteziele anzunehmen und umzusetzen - sie entscheiden souverän. Für Partnernationen bietet der PARP aber ein sehr brauchbares Instrument zu Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten. Die Streitkräfteziele für Partner (Partnership Goals), die durch die NATO in Abstimmung mit den Partnernationen erarbeitet und letztendlich gemeinsam vereinbart werden, beschreiben spezifische Fähigkeiten. Diese sind von der NATO für das Erreichen der Interoperabilität definiert und ermöglichen den Zugang zu den zur Implementierung nötigen Dokumenten - etwa Standardisierungsübereinkommen (Standardization Agreements - STANAGs), Doktrinen oder Vorschriften.

Österreich nimmt seit Mai 1996 am PARP teil und hat beim letzten Zyklus 45 Partnerschaftsziele angenommen. Dies ist nötig, um erfolgreich internationale Operationen zu führen. Diese Ziele kommen auch allgemein in der Weiterentwicklung des Bundesheeres zum Tragen. Dadurch wird auch wesentlich der Aufbau der österreichischen Rahmenbrigade für internationale Einsätze mitbestimmt.

Transformation

Transformation ist zum Schlagwort für die Umgestaltung von Streitkräften geworden. Transformation ist auch ein Schlüsselbegriff für die Entwicklung der NATO, praktisch ein Mittel zur Weiterentwicklung der Streitkräfte geworden. Es geht um die Umwandlung von Bestehendem in etwas Neues. Transformation ist eine Reaktion auf die Situation am Anfang des 21. Jahrhunderts, in der sich Streitkräfte auf rasch ändernde Bedingungen einstellen müssen und von ihnen gefordert wird, entsprechend zu reagieren. Heute ist es nicht mehr möglich, schrittweise Reformen zu beginnen und abzuschließen. Es besteht viel mehr die Notwendigkeit, laufend einen Anpassungsprozess zu betreiben, der sich an den neuen Herausforderungen orientiert. Der Transformationsprozess schließt deshalb nicht ab, sondern wird ständig fortgesetzt und lässt neue Erkenntnisse in die Streitkräfte einfließen. Nicht Organisationsformen oder Waffensysteme sollen vordergründig weiterentwickelt werden, der Fokus richtet sich darauf, die Streitkräfte fähiger und wirksamer werden zu lassen. Transformation zielt dabei nicht primär auf neue, bessere Waffen- oder Computersysteme ab - sie muss vor allem im Kopf vollzogen werden.

Die Initiative zur Transformation der Allianz geht vom Gipfel von Prag aus. Dort wurde die globale Rolle der NATO verdeutlicht und mit der grundlegenden Umgestaltung der NATO begonnen.

Auf dem NATO-Gipfel von Prag 2002 wurde ein dreiteiliger Ansatz zur Stärkung der Kapazitäten der NATO eingeleitet:

- das Prague Capabilities Commitment (PCC - Prager Verpflichtung zu Verteidigungsfähigkeiten); - die Straffung der NATO Command Structure (NATO-Kommandostruktur); - die Schaffung der NATO Response Force (NATO-Reaktionskräfte).

Prague Capabilities Commitment

Das PCC konzentriert sich darauf, Kapazitäten zur Abwehr von CBRN (Chemical, Biological, Radiological, Nuclear)-Gefahren zu schaffen, die eine Informationsüberlegenheit garantieren, die Interoperabilität der eingesetzten Kräfte zu verbessern und die schnelle Einsatzfähigkeit der Kräfte sowie deren Durchhaltefähigkeit im Einsatz zu gewährleisten. Im Rahmen des PCC sollten die militärischen Fähigkeiten der NATO-Staaten in den oben angeführten "Key Operational Capability Areas" verbessert werden. Im Jahr 2003 wurden als besonders wichtig definiert:

- der strategische Luft- und Seetransport; - die Luftbetankung, - die Präzisionsmunition; - die CBRN-Abwehr; - die Unterdrückung gegnerischer Fliegerabwehr; - die Führungssysteme für Kräfte im weltweiten Einsatz sowie - die Führungs- und Einsatzunterstützung.

Einige der multinationalen Aktivitäten der PCC wurden auch für eine Partnereinbindung geöffnet. Österreich will an insgesamt fünf dieser multinationalen Aktivitäten teilnehmen.

NATO Command Structure

Verantwortlich auf militärstrategischer Ebene für die Einsatzvorbereitung und Einsatzführung ist das Allied Command Operations (ACO) in Mons, Belgien; verantwortlich für die Transformation der Streitkräfte ist das Allied Command Transformation (ACT) in Norfolk, USA. Die Kommandostruktur war nach dem Ende des Kalten Krieges wiederholt gestrafft worden. Nun wurde sie neuerlich verkleinert und das Allied Command Transformation als treibende Kraft geschaffen, die die Streitkräfte der Allianz umgestaltet. Die neue Kommandostruktur sollte in der Lage sein, mit den operativen und taktischen Kommanden auch verlegbar einsatzbereit zu werden, auch seegestützt.

ACT ist für die Doktrinenentwicklung, Streitkräfteplanung und das Training verantwortlich und soll nicht nur die Streitkräfte der Allianz umgestalten, sondern auch die der Partnerstaaten.

ACT gliedert sich in zwei Organisationszweige:

- Implementation (Implementierung); - Capabilities (Fähigkeiten).

Implementierung umfasst die gemeinsame Ausbildung und das Training (JET - Joint Education and Training) von Einzelpersonen und Stäben, gemeinsame Übungen in Abstimmung mit ACO, Experimente und Analysen (JEEA - Joint Exercises, Experimentation and Assessment). Die Fähigkeiten umfassen:

- strategische Konzepte; - Verfahren und Interoperabilität (SCPI - Strategic Concepts, Policy Requirements Identification); - zukünftige Fähigkeiten, Forschung und Technologie (FCRT - Future Capabilities Research and Technology) sowie - Verteidigungs- und Streitkräfteplanung.

ACT führt keine Kommanden herkömmlicher Art, ihm sind das Joint Warfare Center (JWC) in Stavanger (Norwegen), das Joint Force Training Center (JFTC) in Bydgoszcz (Polen) und das Joint Analysis and Lessons Learned Center (JALLC) in Montesanto (Portugal) nachgeordnet. Zusätzlich besteht eine Koordinierungsautorität zu den Ausbildungseinrichtungen der Allianz, wie zur NATO-Schule Oberammergau oder zum NATO Defence College in Rom. Das JWC soll sich besonders um die Ausbildung der Stäbe und Kommandanten kümmern; hier wiederum speziell der NATO Response Force.

Der Kommandant des Allied Command Transformation ist gleichzeitig der Befehlshaber des US Joint Forces Command (JFCOM), das ebenfalls in Norfolk stationiert ist. Durch diese enge Bindung soll auch eine Verzahnung mit den USA und den dort laufenden militärischen Entwicklungen erreicht werden.

ACT identifiziert die folgenden wesentlichen Herausforderungen für die Streitkräfte der Zukunft:

- Nutzung aller möglichen Technologien zur Bewältigung komplizierter und multidimensionaler Einsätze; - Abstimmung der NATO-Verfahren auf jene anderer Organisationen; - Durchführung von Einsätzen auf der Basis einer entsprechenden rechtlichen Grundlage und Legitimation; - Entwicklung von Doktrinen zur erfolgreichen Bewältigung von Stabilisierungseinsätzen während der Aufbauphase.

Daher müssen die zukünftigen Streitkräfte hochbeweglich sein. Die Teilstreitkräfte müssen übergreifend und multinational organisiert wirken können und rasch verlegbar sein. Sie müssen in einem eventuell sehr großen Raum vernetzt zusammenwirken können, über integrierte Logistik verfügen und dazu befähigt sein, mit Zivilbehörden und nichtstaatlichen Organisationen im gemeinsamen Einsatzraum reibungslos zusammenzuarbeiten.

Das Allied Command Transformation hat drei Kernbereiche als entscheidend für das Militär der Zukunft definiert:

- Fähigkeit durch rasche Entscheidungsfindung die Handlungsfreiheit zu erhalten; - zusammenhängende Wirkung; - gemeinsame Truppenverlegung und Durchhaltefähigkeit.

ACT hat sieben Projektarbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich mit folgenden Feldern auseinander setzen:

- Informationsüberlegenheit (Information Superiority); - vernetzte Fähigkeiten (Network Enabled Capabilities); - Teilstreitkräfte übergreifende Bewegung (Joint Manoeuvre); - wirkungsvolle Kräfte und Mitteleinsatz (Effective Engagement); - verbesserte zivil-militärische Zusammenarbeit (Enhanced CIMIC); - Expeditionseinsätze (Expeditionary Operations); - integrierte Logistik (Integrated Logistics).

Diese Elemente werden im Rahmen von Konzepten zusammengeführt, in Experimenten überprüft und in die Streitkräfte der Nationen gebracht. Durch die Streitkräfteplanung werden dann die nötigen Fähigkeiten implementiert.

Die enge Zusammenarbeit von ACT mit dem JFCOM soll auch ermöglichen, Lehren aus dem weltweiten Kampf gegen den Terror, speziell aus den Afghanistan- und den Irak-Konflikten, zu ziehen und sie versuchsweise auf NATO-Einsatzverfahren anzuwenden. Das JALLC (Joint Analysis and Lessons Learned Center) wertet Erfahrungen von ISAF und dem Balkan-Einsatz aus und wird das NATO Response Force-Training beeinflussen.

Die NATO hat auch Teilbereiche dieser Struktur für Partner geöffnet, Österreich ist derzeit nur im Kommando ACT mit zwei Stabsoffizieren im Partnership Staff Element vertreten, die intensiv mit Fragen der Transformation befasst sind.

NATO Response Force (NRF) - der Motor der Transformation

Die NRF sollte die gemeinsamen, Teilstreitkräfte übergreifenden und multinationalen Fähigkeiten steigern und kurzfristig für Einsätze zur Verfügung stehen.

Drei Jahre später, im Oktober 2004, erreichte die NRF ihre erste operationelle Bereitschaft mit bereits 17 000 Mann und stellte diese im Rahmen der Übung "DESTINED GLORY" in Sardinien (Italien) unter Beweis. Die NRF besteht aus Formationen verschiedener Nationen, die im Rotationsprinzip zugeordnet werden. Während das Allied Command Operations die NRF aufzustellen sowie die Truppen und das Kommando zu zertifizieren hat, ist es die Aufgabe von ACT, die Fähigkeiten weiterzuentwickeln und das Konzept im Rahmen der gemachten Erfahrungen anzupassen.

Durch die NRF werden grundsätzlich zwei Ziele verfolgt:

- hoher Grad an Einsatzbereitschaft der zugeordneten Kräfte; - Transformation der Fähigkeiten der Streitkräfte insgesamt.

Die NRF hat fünf Hauptaufgaben:

- Evakuierung von Nicht-Kombattanten; - Unterstützungsleistungen bei Vorfällen außergewöhnlichen Umfanges (z. B. Nuklearunfällen); - Durchführung von Krisenreaktionseinsätzen, einschließlich Peace-Keeping und Peace-Making (hier kommt das gesamte NRF-Kontingent zum Einsatz); - Unterstützung von Counter-Terrorismus-Einsätzen; - Durchführung von Embargo-Einsätzen.

Die Kräfte, die für den Einsatz im Rahmen der NRF vorgesehen sind, werden einer sechsmonatigen Vorbereitungsphase unterzogen, die mit einer Zertifizierung entsprechend der hohen NRF-Standards endet.

Danach befinden sich die Kräfte für sechs Monate auf Abruf in einer Phase der Einsatzbereitschaft, darauf folgt eine Nachbereitungsphase.

Die der NRF zugeordneten Truppen werden nach jedem Abschnitt durch neue Kräfte ersetzt, welche dieselben Phasen der Vorbereitung, Bereitschaft und Nachbereitung durchlaufen. Somit wird nicht nur ein sehr hoher Ausbildungs- und Bereitschaftsgrad der ausgewählten Teile erreicht, sondern es wird auch der erreichte Level in die nationalen Streitkräfte übertragen. Die Elemente der See- und Luftstreitkräfte sind für zwölf Monate der Bereitschaftsphase der NRF zugeordnet, können jedoch innerhalb dieser Zeit in Verantwortung der truppenstellenden Nationen abgelöst werden.

Die NRF selbst besteht strukturell aus einem Kommandoelement, einer Land-, einer See- und einer Luftkomponente - sie ist somit eine Joint Force und kann ohne Anschlussversorgung bis zu einem Monat lang im Einsatz bleiben.

Die Landkomponente besteht aus einem der Kommanden der High Readiness Forces Land und einer Brigadekampfgruppe. Diese kann als Vorausverband für eine größere nachfolgende Streitmacht oder zur Machtdemonstration eingesetzt werden.

Die Luftkomponente kann bis zu 200 Einsätze pro Tag fliegen, und die Seekomponente wird um einen Flugzeugträger gebildet. Das Kommando rotiert zwischen den High Readiness Force (Maritime) Headquarters Spaniens, Italiens und Großbritanniens.

Die NRF soll ihre volle operationelle Fähigkeit im Jahr 2006 erreichen und dann 21 000 Soldaten umfassen. Die Reaktionszeit soll zwischen fünf und 30 Tagen betragen. Besonders bei der Verlegung der schweren Kräfte verfügt die NRF nur eingeschränkt über Lufttransportmittel.

Bemerkenswert ist, dass die USA, die wohl über die am weitest entwickelten Streitkräfte der Allianz verfügen, bisher in der NRF keine dominante Rolle einnehmen. Dies erhöht den Druck auf die europäischen Bündnispartner, steigert jedoch auch die Einflussnahme der europäischen NATO-Mitgliedstaaten. Eine Einbindung von Partnern in die Ausbildungs- und Übungsvorhaben der NRF wird seitens der NATO überlegt.

Die Streitkräfteplanung und Transformation ist eng verwoben mit den Bestrebungen der Europäischen Union, militärische Fähigkeiten zu entwickeln, da jene Staaten, die in beiden Organisationen vertreten sind, vor dem Hintergrund des "Single Set of Forces" (das bedeutet, dass Streitkräfte nur einmal vorhanden sind, auch wenn sie für verschiedene Organisationen zur Verfügung stehen) eine größtmögliche Harmonisierung der Verfahren und Prozesse von NATO und EU anstreben.

Österreich ist zwar ein Mitglied der EU, hat jedoch im Verhältnis zur NATO den Status eines Partners. Daher ist die Partnerschaft für den Frieden - und somit die darin enthaltenen Programme, wie etwa der Planning and Review Process - jenes Instrument, das es ermöglicht, nicht nur mit den Streitkräften anderer Nationen, sondern auch mit den anderen Mitgliedern der Europäischen Union erfolgreich in einem Einsatz zusammenzuarbeiten.

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NATO (North Atlantic Treaty Organisation)

Entstehungsgeschichte

Als Reaktion auf die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunehmend expansiver und aggressiver werdende Politik der Sowjetunion unterzeichneten im März 1948 fünf westeuropäische Staaten (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und die Niederlande) den Brüsseler Vertrag zur Bildung eines gemeinsamen Verteidigungssystems.

Im Juni 1948 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten die so genannte Vandenberg-Resolution, die es den USA erstmals in ihrer Geschichte bereits in Friedenszeiten ermöglichte, Verträge über militärische Beistandsverpflichtungen abzuschließen.

Es folgten daraufhin Verhandlungen zwischen den Unterzeichnerstaaten des Brüsseler Vertrages, den Vereinigten Staaten und Kanada. Verhandlungsziel war eine große nordatlantische Allianz auf der Grundlage von Sicherheitsgarantien und gegenseitigen Verpflichtungen zwischen Europa und Nordamerika. Zu diesen Verhandlungen wurden auch Dänemark, Island, Italien, Norwegen und Portugal eingeladen.

Die Blockade Berlins (Juni 1948 bis Mai 1949), bei der sowjetische Truppen die Land- und Wasserversorgungswege in die westlichen Sektoren der Stadt abriegelten, beschleunigte zusätzlich die Verhandlungen. Am 4. April 1949 wurde schließlich der Nordatlantik-Vertrag in Washington unterzeichnet. Die Unterzeichnerstaaten waren Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die Vereinigten Staaten. Somit war die NATO gegründet.

Ziele und Prinzipien

Das Nordatlantische Bündnis ist ein Zusammenschluss souveräner Staaten, um sicherheits- und verteidigungspolitische Ziele gemeinsam zu verfolgen. Dies sind insbesondere - die Freiheit und Sicherheit aller Mitgliedstaaten mit politischen und militärischen Mitteln zu gewährleisten sowie - eine gerechte und dauerhafte Friedensordnung im euro-atlantischen Raum zu schaffen und daran mitzuwirken.

Grundlegende Handlungsprinzipien des Bündnisses sind umfassende Konsultation, Zusammenarbeit und Solidarität. Diese Prinzipien entspringen dem Bewusstsein, dass die Ziele nur gemeinsam erreicht werden können.

Im Rahmen der NATO behalten die Mitgliedstaaten ihre volle Souveränität und Unabhängigkeit. Entscheidungen der NATO können daher nur im Konsens aller Mitgliedstaaten erfolgen.

Vertragliche Grundlagen

Der Nordatlantik-Vertrag vom 4. April 1949 (auch Washingtoner Vertrag genannt) bildet die rechtliche sowie die vertragliche Grundlage des Nordatlantischen Bündnisses und basiert auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, der das naturgegebene Recht unabhängiger Staaten auf individuelle und kollektive Verteidigung bekräftigt.

Der Kern des aus insgesamt 14 Artikeln bestehenden Nordatlantik-Vertrages ist die gegenseitige Beistandsverpflichtung (Artikel 5). In diesem Artikel vereinbaren die Vertragsparteien, dass ein bewaffneter Angriff gegen ein oder mehrere Mitgliedsländer in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird. Sie vereinbaren daher, dass sie sich im Falle eines solchen bewaffneten Angriffes gegenseitig - auch unter Anwendung von Waffengewalt - Beistand leisten.

Weiters sind in dem Vertrag auch die Modalitäten für einen Beitritt zur NATO (Artikel 10) sowie für das Ausscheiden aus der NATO (Artikel 13) geregelt.

Geschichtliche Entwicklung der NATO

1949: Unterzeichnung des Nordatlantikvertrages durch Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und den Vereinigten Staaten.

1950: General Dwight Delaney Eisenhower erster oberster alliierter Befehlshaber Europas (SACEUR - Supreme Allied Commander Europe).

1951: SHAPE (Supreme Headquarters Allied Powers Europe), das Alliierte Oberkommando Europas, nimmt in Rocquencourt bei Paris seine Arbeit auf.

1952: Griechenland und die Türkei treten dem Nordatlantikrat bei. Lord Ismay (GBR) erster NATO-Generalsekretär, NATO eröffnet ihr Hauptquartier in Paris.

1955: Die Bundesrepublik Deutschland wird Mitglied der NATO.

1966: Ausstieg Frankreichs aus der integrierten militärischen Struktur der NATO.

1967: Verlegung des NATO-Hauptquartiers nach Brüssel und Verlegung von SHAPE nach Mons (Belgien).

1974: Rückzug der griechischen Streitkräfte aus der integrierten NATO-Kommandostruktur.

1980: Wiedereingliederung der griechischen Streitkräfte in die integrierte Kommandostruktur der NATO.

1982: Spanien wird das 16. Mitglied der NATO.

1991: Gründung des Nordatlantischen Kooperationsrates für den Dialog, die Konsultation und die Zusammenarbeit in politischen und sicherheits politischen Fragen zwischen der NATO und den Staaten Mittel- und Osteuropas.

1994: Gründung der Partnerschaft für den Frieden (PfP).

1995: Erster NATO-Einsatz außerhalb des Bündnisgebietes in Bosnien-Herzegowina.

1997: Auflösung des Nordatlantischen Kooperationsrates, Überleitung in das EAPC - Euro-Atlantic Partnership Council.

1999: Polen, Ungarn und die Tschechische Republik werden NATO-Mitglieder; die NATO beginnt ihren Einsatz im Kosovo.

2001: Erstmaliger NATO-Beschluss über den Eintritt des Bündnisfalles (kollektive Selbstverteidigung) nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

2003: Die NATO übernimmt die Führung von ISAF in Afghanistan.

2004: Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien werden NATO-Mitglieder; das Nordatlantische Bündnis umfasst somit 26 Mitgliedstaaten.

Die politischen und militärischen Strukturen der NATO

Das Hauptquartier der NATO in Brüssel ist das politische Zentrum des Bündnisses und ständiger Sitz des Nordatlantikrates, des wichtigsten Entscheidungsgremiums der NATO. Jedes Mitgliedsland ist im Rat durch einen ständigen Vertreter im Botschafterrang vertreten. Der Nordatlantikrat trifft sich in der Regel einmal pro Woche auf Botschafterebene, halbjährlich auf Ebene der Außen- bzw. Verteidigungsminister sowie etwa alle drei Jahre auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Den Vorsitz bei den Sitzungen des Nordatlantikrates führt der NATO-Generalsekretär.

Neben dem Nordatlantikrat gibt es noch zwei weitere oberste NATO-Entscheidungsgremien, nämlich den Verteidigungsplanungsausschuss (ohne Frankreich) und die Nukleare Planungsgruppe.

Das oberste militärische Gremium der NATO ist der Militärausschuss. Er untersteht dem Nordatlantikrat, dem Verteidigungsplanungsausschuss sowie der Nuklearen Planungsgruppe. Der Militärausschuss ist für die Gesamtleitung der militärischen Aufgaben des Bündnisses verantwortlich und trifft sich einmal pro Woche auf Ebene der ständigen nationalen Militär-Repräsentanten und in der Regel zweimal jährlich auf Ebene der Generalstabsschefs.

Diesen obersten Gremien arbeiten etwa 340 nachgeordnete Gremien (Ausschüsse, Arbeitsgruppen usw.) sowie der Internationale Stab und der Internationale Militärstab zu. In den Gremien können von den einzelnen Mitgliedsländern ihre nationalen Standpunkte eingebracht werden. Im Internationalen Stab, dem zivilen Element des NATO-Hauptquartiers, und im Internationalen Militärstab, dem militärischen Element des NATO-Hauptquartiers, haben die Angehörigen der jeweiligen Stäbe ihre Aufgaben im Rahmen der Stabsarbeit für das NATO-Hauptquartier zu erfüllen.

Bei der im Juni 2003 beschlossenen neuen Kommandostruktur gibt es auf strategischer Ebene zwei Kommanden, nämlich das ACO (Allied Command Operations) in Mons (BEL) und das ACT (Allied Command Transformation) in Norfolk (USA).

Das ACO ist für die strategische Planung und Durchführung aller NATO-Operationen zuständig und hat noch zwei weitere nachgeordnete Kommandoebenen mit drei Kommanden auf operativer Ebene sowie sechs Kommanden auf Component-Ebene (siehe Beilage 1).

Das ACT ist zuständig für die Förderung und Leitung der fortlaufenden Umgestaltung der Streitkräfte und für die Einsatzfähigkeiten der Allianz; die Struktur wird durch die Transformations-Prozesse der NATO bestimmt. Das ACT ist in einer Netzwerkstruktur sowohl in Nordamerika als auch in Europa organisiert.

___________________________________ ___________________________________ Der Beitrag wurde vom Autorenteam der österreichischen Militärvertretung Brüssel verfasst.

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