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Das Jagdkommando im 21. Jahrhundert

Das Österreichische Bundesheer (ÖBH) verfügt mit dem Jagdkommando über einen Spezialeinsatzkräfteverband, der einen Vergleich mit ähnlichen Formationen weltweit nicht zu scheuen braucht. Die Angehörigen des Verbandes sind in der Lage, in einer Vielzahl von unterschiedlichen Bedrohungsszenarien zu agieren - eine Besonderheit, die im ÖBH seinesgleichen sucht. Dieses Jahr feiert das Jagdkommando sein 50-jähriges Bestehen. Das Jagdkommando ist die Antwort des ÖBH auf die asymmetrischen Konflikte des beginnenden 21. Jahrhunderts. Im Folgenden wird daher anhand von unterschiedlichen Szenarios dargestellt, weshalb heutzutage gerade Spezialeinsatzkräften (SEK) wie dem Jagdkommando eine derart hohe Bedeutung in der Konfliktlösung zukommt. SEK-Aufgaben sind oft vielfältig und komplex, und eine nähere Betrachtung zeigt, weshalb deren Rolle derart wichtig ist.

In den aktuellen weltweiten Konflikten werden von allen inter- bzw. multinationalen Streitkräften in zunehmender Anzahl Spezialeinsatzkräfte zum Einsatz gebracht. Gerade die derzeitigen Konflikte im Irak und in Afghanistan haben dabei die Einsätze von solchen Kräften immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Doch abgesehen von diesen erfolgreichen und medienwirksamen Operationen, findet die Arbeit von Spezialeinsatzkräften oft im Verborgenen statt. Gerade dort wird jedoch ein hoher Wirkungsgrad erreicht. Ein Umstand, der in der Öffentlichkeit oft kaum bekannt wird.

Den Spezialeinsatzkräften (Special Operations Forces - SOF) sind vor allem die Einsatzarten

  • Spezialaufklärung (Special Reconnaissance and Surveillance - SR),
  • Kommandounternehmen(Direct Action - DA),
  • unkonventionelle Kampfführung (Unconventional Warfare - UW)
  • und
  • Militärische Unterstützung(Military Assistance - MA)

zugeordnet.

Diese Einsatzarten gewinnen im Kampf gegen irreguläre Gegner (z. B. Terroristen) in den asymmetrischen Konflikten des 21. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung.

Warum Spezialeinsatzkräfte?

Spezialeinsatzkräfte brauchen zur Erfüllung ihrer Aufträge in den ihnen zugeordneten Einsatzarten, eine hervorragende Ausbildung, großes Können und eine entsprechende Flexibilität, um gerade einen irregulären Gegner angemessen bekämpfen zu können. Die besonders ausgeprägten Verbringungsfähigkeiten, d. h. die Beweglichkeit zu Land (im Fußmarsch oder mittels Spezialeinsatzfahrzeugen), zu Wasser (unter oder über Wasser bzw. mit Booten) und in der Luft (Verbringung mit Helikoptern oder Flugzeugen bzw. mit Fallschirmabsprung und Gleiteinsatz), ermöglichen eine unerkannte Annäherung und ein überraschendes Zuschlagen. Spezialeinsatzkräfte sind es auch, die aufgrund ihrer Einsatzführung mit Auswirkungen im operativen und strategischen Bereich über besondere ISTAR-(Intelligence, Surveillance, Target Acquisition and Reconnaissance-)Fähigkeiten verfügen. Dadurch sind sie in der Lage, bei Bedarf in einem ausgewählten Raum ein umfassendes und detailliertes Lagebild erstellen zu können. Auf dem modernen Gefechtsfeld kommt im 21. Jahrhundert zu den drei Faktoren der operativen Einsatzführung (Kraft, Raum, Zeit) vor allem der Faktor Information hinzu. Zeitkritische Information muss "in time" (d. h. rechtzeitig) den Entscheidungsträgern zugänglich sein bzw. muss von diesen ohne Verzug weitergegeben werden können.

Der Vorteil von Spezialeinsatzkräften ist, dass diese

  • "leicht" (ohne extremen Aufwand heranführbar),
  • "rasch" (in kurzer Zeit im gewünschten Raum verfügbar),
  • "speziell gegliedert" (die tatsächliche Einsatzgliederung wird auftragsabhängig eingenommen) und
  • "speziell ausgerüstet" (auf das zu erreichende Ziel abgestimmt ausgestattet)

im Ziel wirksam werden können.

Die Verwendung von Spezialeinsatzkräften ermöglicht es Streitkräften, den eigenen Handlungsspielraum zu vergrößern bzw. die Reaktionszeit eigener Maßnahmen (z. B. für den Einsatz eigener operationeller Reserven oder zur Schwergewichtsbildung in modernen, oft unklaren Konfliktszenarios) zu verkürzen. Auch wird v. a.

diesen Kräften die besondere Fähigkeit zugeschrieben, sich in einem "feindlich" gesinnten Umfeld (Hostile Environment) rasch und unerkannt bewegen zu können. Spezialeinsatzkräfte sind daher ein Mittel der oberen und obersten militärischen Führung mit dem Zweck, zu jeder Zeit ein eigenes Mittel zur Reaktion bzw. zur Erhaltung des Handlungsspielraumes zur Verfügung zu haben.

Um die besonderen Fähigkeiten von Spezialeinsatzkräften ausnützen zu können, ist es wichtig, sie nicht in konventionellen Einsätzen (z. B. als spezialisierte Infanterie) zu vergeuden, sondern gezielt bei Bedarf und ihrer Eigenart/Fähigkeit entsprechend einzusetzen. Sie müssen hervorragend trainiert, über einen hohen Grad an Einsatzbereitschaft verfügen und besonders gut ausgestattet sein, um ihre Überlegenheit zu jedem Zeitpunkt ausspielen zu können. Sie sind zudem in unübersichtlichen Lagen und bei starker Bindung der eigenen konventionellen Kräfte (z. B. durch Sicherungsoperationen) oft das einzige Mittel der Reaktionsfähigkeit von Streitkräften in einem Konflikt. Spezialeinsatzkräfte sind daher ein "Instrument" mit hohem Wirkungsgrad und hoher Erfolgswahrscheinlichkeit. Sie bieten dort Lösungen an, wo andere an ihre Grenzen gelangt sind.

Spezialaufklärung und Überwachung

Szenario 1: Erkundung und Lagebilderstellung

Vor der Verbringung umfangreicher, konventioneller Truppenverbände ist es notwendig, deren mögliche Einsatzräume zeitlich vorgestaffelt entsprechend aufzuklären und zu erkunden. Dabei soll rasch ein aktuelles Lagebild der Situation im Einsatzraum erstellt werden. Diese Erkundung eines Raumes (Environmental Reconnaissance) bzw. eine räumliche Beurteilung nach ausgewählten Faktoren (Area Assessment) umfassen ein weites Spektrum, das von der Befahrbarkeit von Wegen bis hin zur Feststellung der Situation der Zivilbevölkerung reichen kann. Im ungünstigsten Fall ist der aufzuklärende Raum zusätzlich vom Gegner besetzt bzw. unter dessen Kontrolle, womit das primäre Ziel der SEK die Lokalisierung dieser Kräfte ist. Im Umfang der eingesetzten Kräfte klein gehalten, jedoch aufgrund der Ausstattung hoch mobil, gelingt es Spezialeinsatzkräften meist in kurzer Zeit, ein Lagebild in einem ausgedehnten Raum zu erstellen. Die spezielle technische Ausrüstung und Durchhaltefähigkeit machen sie hier konventionellen Aufklärungskräften gegenüber überlegen.

Die gewonnenen Informationen machen es möglich, die nachfolgenden konventionellen Kräfte gezielt einzusetzen. Bei einem derartigen Aufklärungsauftrag kommen meist motorisierte Elemente zum Einsatz. Die jeweiligen Gliederungen sind flexibel gehalten, bleiben jedoch meist klein; d. h. zwei bis fünf bewaffnete geländegängige Fahrzeuge mit Team (sechs bis acht Mann) bis Task-Unit (fünfzehn bis zwanzig Mann) als Besatzung. Der unerkannte Einsatz ermöglicht bei Bedarf auch die Dokumentation von gewaltsamen Maßnahmen irregulärer Kräfte gegenüber der lokalen Bevölkerung (z. B.­­ Dokumentation/Beweissicherung von Kriegsverbrechen), da diese sich in ihrer Tätigkeit nicht beobachtet fühlen. Spezialeinsatzkräfte können temporär oder permanent getrennt voneinander in einem festgelegten Raum (Special Operations Area - SOA) agieren. Derartige Aufträge können ebenfalls die gezielte Erkundung eines bestimmten Raumes oder Objektes beinhalten (Sensitive Site Exploitation - SSE). Diese Erkundungen können verschiedene Ursachen, wie die Suche nach Massenvernichtungswaffen oder sensitivem Material, haben und können bei Bedarf unter Feindbedrohung durchgeführt werden.

Szenario 2: Aufklärung über große Entfernung und lange Dauer

Vor dem Einsatz von konventionellen Streitkräften ist es erforderlich, ein exaktes Lagebild über die Dislozierung des Gegners zu erhalten. Dieser Informationsbedarf gilt im besonderen Maß für Luftstreitkräfte und die Festlegung ihrer Angriffsziele. Spezialeinsatzkräfte sind in der Lage, eine derartige Aufklärung über große Entfernung und lange Dauer (Longe Range Reconnaissance; über mehrere Tage bis Wochen) durchführen zu können. Dabei ist es vor allem erforderlich, sich möglichst unerkannt, unter Anwendung von unterschiedlichen Verbringungsarten (zu Lande, zu Wasser und in der Luft), einem Ziel anzunähern. Ein Beispiel für dieses Szenario wäre ein Fallschirmabsprung aus großer Höhe mit anschließendem Gleiteinsatz (unter Verwendung eines steuerbaren Flächenfallschirms) und einer unerkannten Landung im Zielgebiet (High Altitude, High Opening - HAHO). Eine derart unerkannte Verbringung macht eine lange Aufenthaltsdauer und verdeckte Zielbeobachtung möglich.Um einen Aufklärungseinsatz über lange Dauer durchführen zu können, sind Spezialeinsatzkräfte in ihrer Bewaffnung meist leicht ausgestattet (d. h. Waffen mit geringem Gewicht, aber möglichst hoher Wirkung und Präzision, wie Sturmgewehre mit Reflexvisieren, Lasermarkierern und Granatwerfern, leichte Maschinengewehre oder Präzisions- oder Scharfschützengewehre) und verfügen nur über eingeschränkte Offensivfähigkeiten. Das Schwergewicht eines solchen Einsatzes liegt in jedem Fall in der unerkannten und zeitverzuglosen Informationsbeschaffung. Eine direkte Konfrontation mit dem Gegner wird dabei vermieden. Kommt es trotzdem dazu, wird versucht, sich vom Feind zu lösen und den Anschluss zu den eigenen Kräften herzustellen. Diese Aufklärungseinsätze können entweder stationär oder beweglich erfolgen. Bei einem stationären Einsatz ist man hinsichtlich der Bewegung eingeschränkt, während man in einem beweglichen Einsatz (unter Ausnützung motorisierter Verbringungsmittel) viel Raum in kurzer Zeit aufklären kann. Je kleiner das Element (unter zehn Mann) desto geringer ist das Risiko des Erkannt-Werdens. Gerade bei großen Entfernungen, herausfordernden Umfeldbedingungen (z. B. Einsatz in Wüsten oder im Dschungel) und langer Einsatzdauer muss oft eine Vielzahl an Versorgungsgütern mitgenommen werden, was die eingesetzten Kräfte in Umfang und Ausstattung (z. B. Verstärkung durch zusätzliche Versorgungsfahrzeuge) automatisch vergrößert bzw. im Hinblick auf die Durchhaltedauer einschränkt.

Szenario 3: Aufklärung durch Beobachtung und Überwachung eines Zieles

Gelingt eine unerkannte Verbringung und Annäherung - "Insertion" bzw. "Infiltration" genannt -, so ist es Spezialeinsatzkräften möglich, vorher festgelegte Ziele über eine lange Dauer durch Beobachtung und Überwachung aufzuklären (Target Acquisition - TA). Die dabei gewonnenen Ergebnisse bilden die Grundlage von Folgeeinsätzen von Luft- und Landstreitkräften. Immer mehr ist es das Ziel internationaler Streitkräfte, einen Konflikt möglichst rasch, schon am Ausgangspunkt einer Intervention, durch die Anwendung eines oder mehrerer "Enthauptungsschläge" zu gewinnen. Vor oder am Beginn einer militärischen Operation sollen dabei jene Ziele erreicht werden, die ein Weiterkämpfen für den konventionellen Gegner oder den irregulären Feind unmöglich machen. Ziel der internationalen Streitkräfte kann es hier z. B. sein, die Führungsstruktur eines Gegners in einem oder mehreren gezielten Schlägen zu zerstören. Derartige Operationen (Stichwort "Effect-based Operations") können bzw. sollen strategische Auswirkungen haben und führen im Optimalfall zum Zusammenbrechen des gegnerischen Widerstandes innerhalb kurzer Zeit. Aufgrund der strategischen Auswirkungen kann es sein, dass derartige Operationen bereits lange vor einem offiziellen militärischen Eingreifen (d. h. vor einem Einmarsch) erfolgen können. Auch kann ein derartiger Einsatz präventiv erfolgen.

Neben der Zielaufklärung, Zielbeobachtung und Zielüberwachung ist es oft zusätzlich erforderlich, ein Ziel beim Einsatz von Wirkmitteln wie lasergesteuerten Bomben zu beleuchten. Hier kommen ebenfalls meistens Spezialeinsatzkräfte zum Einsatz. Derartige Einsätze werden häufig aus stationären, gegen Entdeckung getarnten, Beobachtungspositionen (Observation Post - OP; oder Reconnaissance and Surveillance Position - R/S-Position) betrieben. Ist der Zielraum erreicht, gilt es, eine Position in einer sinnvollen bzw. den eigenen Beobachtungsfähigkeiten entsprechenden Entfernung zu finden, die es erlaubt, ein Ziel über einen langen Zeitraum beobachten und dokumentieren zu können. Beobachtet werden können dabei ein Objekt (z. B. ein Haus) oder ein Raum (z. B. eine Straßenkreuzung) und die Aktivtäten am Objekt oder in einem bestimmten Raum. Es kann auch sein, dass eine spezielle Person, ein Waffensystem oder eine bestimmte Handlung (z. B. eine Übergabe von Waffen oder das Vergraben einer Sprengfalle) beobachtet und dokumentiert werden muss. Die Beleuchtung des Zieles für ein Luftwirkmittel kann bei Bedarf ebenfalls aus dieser Position heraus erfolgen. Beobachtungsposition und Ruheraum des eingesetzten Elementes müssen sich am selben Ort befinden. Je kleiner das eingesetzte Element ist, desto geringer ist die Gefahr des Erkannt-Werdens.

Szenario 4: Aufklärung nach erfolgtem Angriff

Wurden von Streitkräften bereits erste militärische Schläge durchgeführt, z. B. mittels gezielter Luftangriffe, ist es notwendig, einen exakten Überblick über die erreichte Wirkung im Ziel zu haben. Der Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen (Unmanned Aerial Systems - UAS) kann ein Lösungsansatz sein, erweist sich aber oft als nicht ausreichend. Da sich die angegriffenen Ziele weit vor den eigenen Kräften befinden können, kommen hier ebenfalls Spezialeinsatzkräfte zum Zug. Ziel ist hier die Aufklärung nach einem erfolgten Angriff (Poststrike Assessment bzw. Battle Damage Assessment - BDA). Eine wichtige Rolle spielen dabei die Dokumentation des erreichten Ergebnisses und dessen zeitverzuglose Übermittlung (z. B. durch den Einsatz von verschlüsselter Satellitenkommunikationstechnologie oder durch Kurzwellenfunk) an die nächste Führungsebene. Eine derartige Wirkungsaufklärung findet zwar am Beginn einer militärischen Operation statt, kann aber laufend gefordert werden. Die Ausstattung und Ausrüstung sowie der Umfang des eingesetzten Personals hängen hier von unterschiedlichen Faktoren ab wie
  • Entfernung,
  • Dauer des Einsatzes,
  • mögliche Feindbedrohung,
  • Umfeldbedingungen etc.

Es kann notwendig sein, einzelne Teams mit geringen Mannstärken (z. B. vier bis acht Mann), oder aber auch in Form einer bewaffneten Aufklärung motorisierte umfangreiche Kräfte (bis zu zehn Fahrzeuge und dreißig bis vierzig Mann Besatzung) mit einer entsprechenden Kampfkraft einzusetzen.

Kommandounternehmen

Szenario 1: Überfall auf ein Objekt zur Inbesitznahme, Zerstörung oder Beschädigung

Aufklärungsoperationen von Spezialeinsatzkräften, nachrichtendienstliche Informationen sowie aus anderen Bereichen gewonnene Informationen (z. B. durch Human Intelligence" - HUMINT, Signal Intelligence - SIGINT, Imagery Intelligence - IMINT) können einen gezielten Angriff notwendig machen. Dies kann im Wesen ein zeitlich begrenzter Angriff, d. h. ein Überfall (Raid) auf ein bestimmtes Objekt (Designated Target) zur Inbesitznahme (Seize), Zerstörung (Destroy) und Beschädigung (Damage) des Objektes oder einer darin befindlichen Einrichtung sein. Derartige Zielobjekte und Einrichtungen befinden sich meist im vom Gegner kontrollierten Raum. Spezialeinsatzkräfte sind für derartige Angriffe besonders geschult und werden daher häufig zur deren Durchführung herangezogen, wenn das Angriffsziel operative oder strategische Bedeutung aufweist. Jede Durchführung eines Angriffes sollte jedoch ausnahmslos nur nach entsprechender Aufklärung erfolgen.

Das Wesen eines Kommandounternehmens umfasst

  • die entsprechende Aufbereitung des Angriffszieles durch Aufklärung,
  • die auftragsorientierte Gliederung und Ausrüstung des Einsatzelementes und
  • das intensive Vorüben der Einsatzführung,

um so schließlich in der Durchführung die zeitliche und räumliche Überlegenheit der eigenen Kräfte erreichen zu können. Wird dies vernachlässigt, kann es sein, dass die eigenen Kräfte bereits in der Verbringung und Annäherung erkannt und bekämpft werden. Ein erfolgreicher Abschluss der Operation ist dann meist ausgeschlossen.

Ein massiver, jedoch gezielter Einsatz von eigenen Wirkmitteln ermöglicht die Paralysierung und Überwindung des Gegners, um das entsprechende Ziel mit möglichst geringen eigenen Verlusten zu erreichen. Die Verbringung und der Umfang der eingesetzten Kräfte richten sich nach der Zielbeschaffenheit und Feindbedrohung. Ein mögliches Szenario ist

  • eine gleichzeitige Anlandung von Kräften mittels Hubschrauber an einem Objekt,
  • das Nehmen und Sichern von vorher festgelegten Stellungen um das Objekt sowie
  • das Gewinnen und Nehmen des Objektes selbst.

Die eingesetzten Elemente bekommen bereits vor dem Angriff zugewiesene Ziele, und das gesamte Einsatzelement übt den Einsatz vor Angriffsbeginn vor. Weitere (auch konventionelle) Kräfte können noch zusätzlich im Verbund um das Objekt zur Sicherung bzw. zur Unterbindung des Nachführens von Feindkräften eingesetzt werden.

Szenario 2: Überfall auf ein Objekt zur Rückholung und Erbeutung von Gerät

Irreguläre Kräfte sind internationalen Streitkräften in der offenen Konfrontation fast ausnahmslos unterlegen. Sie trachten daher danach, Wirkmittel zum Einsatz zu bringen, die nicht notwendigerweise den direkten Kampf mit konventionellen Streitkräften erfordern. Ziel ist es daher, über ein Wirkmittel zu verfügen, dessen Einsatz enorme Verluste bei den internationalen Streitkräften oder in der mit ihr verbündeten Bevölkerung bewirken kann. Durch die Verwendung von weitreichenden Trägerwaffen (z. B. Boden-Boden-Raketen) und durch den Einsatz von wirkungsvollen Sprengköpfen (z. B. bestückt mit chemischen, biologischen oder atomaren Ladungen) scheint ein derartiger Erfolg möglich zu sein. Auch weitere Waffen, z. B. Fliegerabwehrlenkwaffen oder thermobarische Waffen (Anm.: diese nutzen den in der Luft enthaltenen Sauerstoff zur Verbrennung und erzeugen dadurch eine lang anhaltende Druckwelle), die hohe Verluste bei den eingesetzten Streitkräften verursachen können, bieten sich für einen solchen Einsatz an.

Ziel regulärer Streitkräfte muss es daher sein, die Beschaffung, Verbringung und den Einsatz dieser Waffen durch irreguläre Kräfte bereits im Ansatz zu verhindern. Gelingt es, derartige Waffen zu lokalisieren, können neben dem Einsatz von Luftstreitkräften zur gezielten Zerstörung vor allem auch Spezialeinsatzkräfte verwendet werden. Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn aufgrund der Besonderheit der Waffe (z. B. bei einer schultergestützten Fliegerabwehrlenkwaffe), aber auch aufgrund von geforderter Beweisführung eine Rückholung notwendig ist. Eine große Rolle spielt das bei der Neutralisation von Werkstätten zur Herstellung von Sprengfallen (Improvised Explosive Devices - IED). Aus dem erbeuteten Bomben- und Fertigungsmaterial lassen sich von Experten eine Vielzahl von Ableitungen (z. B. Herkunft des Sprengstoffes, Einsatztechniken der irregulären Kräfte) treffen. Zur Durchführung der oben genannten Ziele können Spezialeinsatzkräfte einen Überfall auf ein bestimmtes Objekt zur Rückholung (Recover) und/oder Erbeutung (Capture) von Gerät durchführen.

Szenario 3: Überfall auf ein Objekt zur Befreiung von Personen

Immer mehr zeigt sich, dass gerade irreguläre Kräfte versuchen, durch besonders grausame Aktionen Aufmerksamkeit und Abschreckung durch Terror zu erreichen. Die Gefangen- oder Geiselnahme von Angehörigen von Nichtregierungsorganisationen (Non Governmental Organizations - NGOs), von Angehörigen internationaler Streitkräfte, von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (Private Military/Security Companies - PMC/PSC) aber auch von unbeteiligten Zivilisten (z. B. Touristen, Firmenangehörigen) wird zunehmend zu einem Erfolg versprechenden terroristischen Vorgehen. Auch schafft die Erpressung von Lösegeld die Möglichkeit, Kapital für die eigenen Widerstands- oder Aufstandsbewegungen zu generieren. Einsätze zur Befreiung von Personen (Hostage Rescue Operations - HRO) sind im obersten Spektrum der Einsatzmöglichkeiten angesiedelt, die Spezialeinsatzkräfte leisten können. Ziel ist hier die unbeschadete Befreiung einer oder mehrerer Personen. Diese Aufgabe stellt an das eingesetzte Personal die höchsten Anforderungen. Der Überfall auf ein bestimmtes Objekt zur Befreiung von Geiseln oder Gefangenen besteht vor allem aus den Phasen
  • Annäherung,
  • Eindringen in das Objekt und
  • nachfolgende Befreiung.

Die Annäherung und das Eindringen in das Zielobjekt müssen völlig unerkannt erfolgen. Jedes vorzeitige Erkennen der Angriffskräfte durch den Gegner führt oft dazu, dass die Geiselnehmer entweder die Geisel an einen anderen Ort bringen oder im schlimmsten Fall sogar töten. Ein Verbringen der Geisel ist entweder aufgrund der lückenlosen Absicherung des Objektes durch den Einsatz von konventionellen Streitkräften zur Unterstützung der Spezialeinsatzkräfte sowie durch die Überwachung mit Luftaufklärungsmitteln oder in sonst für die Geiselnehmer ausweglosen Situationen kaum möglich, womit oft nur mehr die Tötung der Geisel als einziger Ausweg bleibt. In diesem Fall ist die gesamte Operation gescheitert, da das Ziel nicht erreicht wurde. Die Schwierigkeit in einer derartigen Lage besteht darin, dass man kaum über einen Handlungsspielraum verfügt. Dies ändert sich erst, wenn durch eine entsprechende Aufklärung der Aufenthaltsort der Geiseln eindeutig bestimmt werden kann. Erst dann kann man entsprechende Planungen zur Befreiung dieser durchführen. Für eine mögliche Befreiung ist es notwendig, ein exaktes Lagebild von der Situation vor Ort zu haben. Dies umfasst vor allem eine detaillierte Übersicht über die Position der feindlichen Kräfte, um diese bei Angriffsbeginn ausschalten zu können.

Szenario 4: Überfall auf ein Objekt zur Gefangennahme und Neutralisierung von Personen

Beim Überfall auf ein bestimmtes Objekt zur Gefangennahme (Capture) und Neutralisierung/Tötung (Kill) von bestimmten Personen gelten grundsätzlich dieselben Parameter, wie sie in Szenario 3 beschrieben sind. Zusätzlich kann es jedoch sein, dass die gefangen gehaltene Person aufgrund ihrer Bedeutung in einem besonders gesicherten Umfeld eingebettet ist, was die Situation für die Angreifer/Befreier noch herausfordernder macht. Eine erfolgreiche Gefangennahme von Gegnern dient vor allem zur Befragung dieser. Dadurch können Informationen eingeholt werden, die unter Umständen einen positiven Einfluss auf die weitere Operationsführung der konventionellen Streitkräfte haben können. Führungsstruktur und Logistiknetzwerke der irregulären Kräfte können so offen gelegt und zerschlagen werden.

Man geht in aktuellen Konflikten vermehrt dazu über, gezielt Personen mit terroristischem Hintergrund zu neutralisieren. Aufgrund der Gefährdung der eigenen Kräfte bei einer derartigen Operation direkt am Einsatzort (z. B. durch einen Gegner der überraschend und unter Ausnützung des zivilen Umfeldes aus dem Hinterhalt zuschlägt), bekommen Angriffe mit Drohnensystemen eine immer größere Bedeutung. Hinzu kommt, dass Angriffe oft auch in Regionen durchgeführt werden, wo ein Einsatz von Personal auf dem Boden aufgrund politischer Einschränkungen (z. B. der klaren Vorgabe, unbeteiligte Zivilisten nicht zu Schaden kommen zu lassen) nicht möglich ist. Hier kommen Drohnensysteme vom Typ MALE (Medium Altitude, Long Endurance) zum Einsatz. Diese Systeme sind mit hochauflösenden Sensorköpfen und Präzisions-Luft-Boden-Raketen ausgestattet. Die Steuerung erfolgt satellitengestützt und aus großer Entfernung. Die Flughöhe beträgt bis über 10 000 Meter, und die Steuerung über Satellit ergibt den Vorteil einer fast uneingeschränkten Einsatzentfernung (Beyond Line of Sight - BLOS). Der Einsatz derartiger Präzisionssysteme sollte jedoch nicht zu einer Missachtung der Regeln des Kriegsvölkerrechtes führen.

Unkonventionelle Kampfführung und Militärische Unterstützung

Szenario 1: Direkter Kampf gegen irreguläre Kräfte

Irreguläre Kräfte agieren in heutigen Konflikten innerhalb eines Staates, im staatenlosen Raum oder staatenübergreifend. Der staatenlose Raum kann nach einem Zusammenbruch eines bisher bestehenden Staates entstehen. Irreguläre Kräfte versuchen dabei, die nicht vorhandene staatliche Ordnung für sich zu nutzen. Auch kann es sein, dass Staaten nicht imstande sind, die staatliche Kontrolle auszuüben, womit erneut irreguläre Kräfte in der Lage sind, diese Lücke zu füllen bzw. sogar in Teilbereichen die Kontrolle zu übernehmen. Kommt es in einem Staat zur offenen Konfrontation der irregulären Kräfte mit den staatlichen Organen, können zur Unterstützung der irregulären Kräfte in den Nachbarstaaten logistische Basen betrieben und in weiteren Staaten Gelder zur Finanzierung des Kampfes gesammelt werden. Dieser Umstand wird verstärkt bei gleichem kulturellem oder ethnischem Hintergrund der Parteien, da oft gemeinsame Interessen zur Zielerreichung wie zur Schaffung eines gemeinsamen Herrschaftsraumes vorhanden sind. Viele der heutigen Krisenregionen und der darin verwickelten Staaten verfügen über künstliche Grenzen, die vor Jahrhunderten oder Jahrzehnten ohne Rücksicht auf ethnische Trennlinien gezogen worden sind. Irreguläre Kräfte machen sich dies zu Nutze.

Kommt es zu einer Intervention internationaler Streitkräfte in von irregulären Kräften bedrohten oder beherrschten Staaten, so unterliegen sie hier jedoch oft der Beschränkung, nur in jenem Staat wirksam werden zu können, wo es auch tatsächlich zur offenen Konfrontation oder Bedrohung kommt. Weitläufig vernetzte, terroristische Organisationen lassen sich in diesem Fall aber nur schwer neutralisieren. Internationale Streitkräfte sind sich dieses Problems bewusst und setzen hier eigene Kräfte und Mittel ein, die in allen betroffenen Staaten wirksam werden können, mit dem Zweck, irreguläre Kräfte an ihrer Basis bekämpfen zu können. Ein derartiges Vorgehen ist jedoch meist international umstritten, kann zu diplomatischen Verwicklungen führen und wird von vielen (Dritt-)Staaten als Eingriff in ihre Souveränität gesehen.

Szenario 2: Verdeckter Einsatz

Aufgrund der unkonventionellen Ausrichtung von Spezialeinsatzkräften und ihrer Fähigkeit, in verschiedenen Einsatzszenarien flexibel reagieren zu können, eignen sie sich besonders für einen verdeckten Einsatz (in einem nicht offenen und somit klar erkennbaren Auftreten) gegen irreguläre Kräfte. Da ein Wirksam-Werden der offen auftretenden konventionellen Streitkräfte oft bereits im Voraus erkannt wird, versucht man diesem Umstand durch verdeckte Einsätze entgegenzuwirken. Verdeckte Einsätze werden daher in Szenarien durchgeführt, wo ein offenes Agieren nicht zum gewünschten Ziel führt oder den Erfolg der durchgeführten Maßnahme gefährden würde.

Derartige als "Covert Operations" bezeichnete Aktivitäten können offensive Operationen umfassen, aber auch dazu dienen, unerkannt in Logistiknetzwerke oder Führungsstrukturen irregulärer Kräfte einzudringen bzw. deren Rückzugsräume aufzuklären. Oberstes Ziel ist dabei, immer unerkannt zu bleiben. Verdeckte Einsätze können wiederum die Grundlage für offene, d. h. für jeden auf dem Gefechtsfeld (ob Zivilist oder Irregulärer) klar erkennbare Operationen sein. Diese können vom gezielten Einsatz von Luftwirkmitteln bis zum Überfall durch weitere Spezialeinsatzkräfte reichen.

Szenario 3: Unterstützung von Kräften

Die Unterstützung von lokalen Sicherheitskräften im Kampf gegen irreguläre Kräfte gewinnt immer mehr an Bedeutung bzw. stellt in einigen internationalen Operationen bereits die Hauptanstrengung von Streitkräften dar. Beim "Partnering" ist es das Ziel, im Raum vorhandene freundlich gesinnte Sicherheitskräfte im Kampf gegen den irregulären Feind zu unterstützen. Diese Sicherheitskräfte werden ausgebildet und im Einsatz unterstützt. Internationale Streitkräfte bilden hier so genannte Training-Teams (z. B. Military Transition Team - MiTT, Embedded Training Team - ETT, Operational Mentoring and Liaison Team - OMLT), die Partnereinheiten der lokalen Sicherheitskräfte so lange ausbilden und begleiten, bis diese selbst in der Lage sind, die an sie gestellten Forderungen zu erfüllen.

Die durchgeführte Ausbildung kann dabei vielschichtig sein und reicht von der Basis- bis hin zur Führungsausbildung. Sie kann durch Spezialeinsatzkräfte auch in einem feindlich gesinnten Umfeld durchgeführt werden wie in einem Raum, wo die unbeteiligte Zivilbevölkerung Sympathie für die Ziele der Irregulären empfindet und diese sogar unterstützt. Außerdem kann es der Fall sein, dass eine derartige Ausbildung in einem Drittstaat und nicht unmittelbar in dem vom Konflikt betroffenen Staat erfolgt, da sich dort eine geringere Gefährdung der eigenen Ausbildungskräfte (z. B. bei der Ausbildung von Schlüsselpersonal) ergibt und so ein höherer Wirkungsgrad in der Ausbildung erzielt wird. Die zur Ausbildung eingesetzten Kräfte müssen in jedem Fall über ein hohes Maß an "Cultural Awareness" und über Empathiefähigkeit verfügen. Nur so sind sie in der Lage, das Vertrauen der zu trainierenden Sicherheitskräfte zu gewinnen. Das Training und der gemeinsame Einsatz im Kampf sind hier die Basis von Erfolg und Nachhaltigkeit. So kann vermieden werden, dass die trainierten lokalen Sicherheitskräfte ihre Waffen gegen die eingesetzten internationalen Kräfte richten. Ein Umstand, der in aktuellen Konflikten zunehmend zum Problem wird.

Auf einen Blick

Die aktuellen Auseinandersetzungen des 21. Jahrhunderts lassen ein Zunehmen der asymmetrischen Kriegsführung erkennen. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend in absehbarer Zeit noch verstärken wird. Die Art der unkonventionellen bzw. asymmetrischen Kriegsführung ist keine Neuheit in der Kriegsgeschichte. Doch immer wieder hat sich gezeigt, dass konventionelle Streitkräfte nicht in der Lage sind, auf diese Art der Kampfführung angemessen zu reagieren. Schließlich konnten immer erst unkonventionelle Lösungsansätze und speziell darauf vorbereitete Truppen diese Herausforderungen meistern. Spezialeinsatzkräfte sind daher das Mittel erster Wahl, um in derartigen Konflikten bestehen zu können.

Das Jagdkommando hat in wiederholten Einsätzen auf dem Balkan, im Mittleren Osten und in Asien sowie in Nord- und Zentralafrika, aber auch bei einer Vielzahl von multinationalen Übungen gezeigt, dass es mit seiner ihm eigenen Art der Einsatzführung Lösungen anbieten kann, die international anerkannt sind, geschätzt werden und die geforderten Erfolge liefern können. Das Zunehmen von Evakuierungsoperationen zur Rückführung eigener Staatsbürger aus Krisenräumen hat dabei die Rolle von Spezialeinsatzkräften um ein weiteres Einsatzspektrum erhöht. Auch hier hat das Jagdkommando bei wiederholten Einsätzen erfolgreich sein Können unter Beweis gestellt. Es ist daher zu erwarten, dass bei der laufenden Berücksichtigung der Bedürfnisse des Verbandes auch in Zukunft von einer Erfolgsgeschichte ausgegangen werden kann. Getreu seinem Wahlspruch "Nunquam Retro" ("Niemals zurück") blickt das Jagdkommando selbstsicher in die Zukunft und scheut nicht davor zurück, sich in den kommenden Einsätzen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.


Autor: Hauptmann Mag.(FH) Markus Reisner; Jahrgang 1978. 1999 bis 2002 Theresianische Militärakademie, Jahrgang "Sachsen-Coburg"; 2002 ausgemustert als Leutnant in der Waffengattung mechanisierte Aufklärung nach Salzburg, 2003 Absolvierung des 34. Jagdkommando-Grundkurses; seit 2004 Verwendung beim Jagdkommando; Auslandseinsätze in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo, in Afghanistan, im Tschad und in Zentralafrika.

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