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After Action Review mit Simulationssystemen

Die Ausbildung, Einsatzvorbereitung und das Üben von Truppen im nationalen und internationalen militärischen Umfeld setzen aufgrund der geforderten Erreichung von gemeinsamen Leistungsstandards verstärkt eine objektive Messbarkeit, Auswertbarkeit, Vergleichbarkeit und damit verbunden einen stetigen Lernprozess zur Verbesserung voraus. Bis zur Einführung von Simulationssystemen basierten Evaluierungen, Überprüfungen, Vergleiche und Bewertungen des geforderten Ausbildungsstandes und Leis­tungsvermögens von Soldaten zumeist auf subjektiven Wahrnehmungen, Checklisten und persönlichen Eindrücken der Überprüfenden. Heute kann eine auf elektronischen Daten und vergleichbaren Fakten aufgebaute Darstellung sowie Auswertung und somit eine objektivere Klassifizierung des Ausbildungserfolges durchgeführt werden.

Simulationssysteme - Darstellung des Gefechtes

Ausbildungsabläufe können durch visuelle und auditive Aufzeichnungen, gemessene Daten durch statistische Darstellungsformen und maschinell verarbeitete Vergleiche als Bewertungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden. Die immer umfangreichere Simulationsmöglichkeit stellt dabei ein wesentliches Ausbildungsunterstützungselement vor allem zur Visualisierung in vielen Bereichen, dar. Ein bedeutendes Ausbildungsunterstützungssystem liefert in der Echtzeitsimulation (Live-Simulation; siehe Grafik S. 362) die Duellsimulation. Damit werden sowohl Gefechtsabläufe als auch das Einzelverhalten von Übungsteilnehmern aufgezeichnet und als auswertbares Datenmaterial zur Verfügung gestellt.

Allerdings ist festzuhalten, dass eine intensive Anwendung von Simulationsmitteln bei der Ausbildung, bei Übungen und in der Einsatzvorbereitung immer als eine vertiefende und ergänzende Methode zur Verbesserung der Ausbildung zu sehen ist - die praktische Anwendung kann sie damit jedoch nicht ersetzen. Als wesentlicher Unterschied zur Ausbildung ohne Simulations-Ausbildungsunterstützungsmittel ergibt sich eine deutlich höhere Effizienz der Ausbildungs- und Übungsnachbereitungen. Die lange Zeit angewandte Form der "Übungsnachbesprechung", wo lediglich persönliche Wahrnehmungen vermittelt wurden, findet durch die Datengenerierung mittels Simulatoren und deren mögliche visuelle Ausgestaltung und Darstellung eine objektivere Form des Feedbacks an die Teilnehmer.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist nicht nur die Möglichkeit der Erfassung von Daten und Abläufen, sondern vor allem die qualifizierte und strukturierte Rückmeldung an die Teilnehmer. Das alleinige Feststellen und Sammeln von Daten und Fakten ohne Feedback wäre ein unökonomischer Prozess.

Lessons Learned-Prozess

Der Lessons Learned-Prozess wird dabei als ein systematisches Erfassen, Auswerten und Umsetzen von Kenntnissen und Erfahrungen mit dem Ziel einer resultierenden Qualitätssteigerung definiert. Die Absicht dieser Form eines Lessons Learned-Prozesses ist es, sowohl Erfolgsfaktoren als auch Fehler von Übungsteilnehmern sichtbar zu machen, zu analysieren, vorhandenes Potenzial aufzuzeigen, Stärken weiter auszubauen und eventuelle Schwächen auszumerzen. Die Duellsimulation ist daher ein Verfahren zur strukturierten Auswertung eines Ereignisses, um festzustellen,

  • was geschehen ist,
  • warum etwas geschehen ist und
  • wie etwas von den Teilnehmern oder auch von dem für die

Ausbildung und Übung Verantwortlichen verbessert werden kann (siehe Grafik S. 366).

After Action Review (AAR)

Unter After Action Review wird innerhalb des Lessons Learned-Prozesses die professionelle Diskussion über Ereignisse bei der Ausbildung und bei Übungen verstanden. Das After Action Review ermöglicht den Teilnehmern unter Anleitung selbst herauszufinden, was geschehen ist, warum etwas geschehen ist und wie bestehende Stärken erhalten und Schwächen behoben werden können, basierend auf gleichen Grundlagen und Interessen. Das AAR soll dem verantwortlichen Kommandanten, seinem Stab und auch den Ausbildungsteilnehmern den größtmöglichen Kenntnisgewinn aus deren Übungstätigkeit und der Bewältigung ihrer Aufgaben ermöglichen. Je nach Qualität der Vorbereitung und Durchführung wird zwischen der informellen und formellen Form des AAR unterschieden.

Informelle Form des AAR

Diese Form des AAR soll vor allem dann Anwendung finden, wenn sich die Größe des nachzubesprechenden Übungselementes auf Ebene Zug oder darunter bewegt und/oder die verfügbaren Ressourcen wie Schiedsrichter etc., einschließlich der erforderlichen Zeit für eine entsprechende Vorbereitung und Durchführung, nicht zur Verfügung stehen.

Außerdem werden dabei weniger Hilfs- oder Präsentationsmittel verwendet; die Nachbereitung wird unmittelbar im Anschluss nach der Übung oder dem Ausbildungsabschnitt durchgeführt. Dies findet zumeist am jeweiligen Übungsort statt. Diese Art des AAR dient als unmittelbares Feedback für Soldaten, Kommandanten und Organisationselemente, wobei die gewonnenen Erkenntnisse bei einer anschließenden Weiterführung der Übung sofort einfließen und umgesetzt werden können. Die informelle Form des AAR hat einen direkten Ausfluss auf die gesamte Mannschaft, da in der Nachbesprechung jeder eingebunden wird, um seine Erfolge, Leistungen und Schwächen zu analysieren und daraus zu lernen.

Im Zusammenhang mit dieser "kurzen" Form des AAR muss auch der Begriff des "Hot Wash Up" aus dem militärischen Lessons Learned-Prozess erwähnt werden. Dieser hat den Zweck, schnell und ungefiltert ein Feedback an die Übungsteilnehmer zu geben, wenn weder die Zeit noch die personellen Ressourcen vorhanden sind, um unter langer und intensiver Vorbereitung eine detaillierte und fokussierte Diskussion zu führen. Wichtig ist dabei vor allem die rasche Darstellung dessen,

  • was geschehen ist,
  • warum es geschehen ist und
  • wie etwas zu verbessern ist.

Formelle Form des AAR

Ist die informelle Form des AAR das unmittelbare, kurze Feedback an die Übungsteilnehmer, so stellt die formelle Form einen weitaus detaillierteren und analytischen Rückblick auf ein Ausbildungs- oder Übungsereignis dar. Der Aufbau eines formellen AAR verlangt für die fachgerechte Sicherstellung des gewünschten Ergebnisses einen größeren Aufwand an Zeit und Ressourcen. Für dieses Verfahren sind die Simulationssysteme im Österreichischen Bundesheer und deren Auswerteergebnisse ein gutes Darstellungsmittel.

Das formelle AAR gliedert sich in vier Phasen:

  • Planung;
  • Vorbereitung;
  • Durchführung;
  • Folgeprozess.

Zur Gewährleistung einer entsprechenden und erfolgreichen Auswertung innerhalb des AAR und um Missverständnisse und Verzögerungen in der Durchführung durch laufende Abklärungen von Details zu vermeiden, ist in allen vier Phasen die Einbindung des Leitungsdienstes, der eingeteilten Schiedsrichter sowie der Betreiber der Simulationssysteme erforderlich. Die Berücksichtigung der Möglichkeiten der verfügbaren Technik im Zusammenspiel mit einer abgestimmten Leitungs- und Schiedsrichterorganisation führen schlussendlich zum entsprechenden Erfolg in der Auswertung, Analyse und Präsentation der Ausbildungsergebnisse.

Planung
In der Phase der Planung ist die klare Definition des Übungszieles und somit der benötigten Inhalte für die Auswertung das Kernkriterium. Denn die uneingeschränkte Produktion von Daten und Messwerten führt zu einem unüberschaubaren Informationsüberschuss, der zum Scheitern eines strukturierten AAR führt. Es muss von Beginn an geklärt werden, wer oder was zu beurteilen ist und wer somit am AAR teilzunehmen hat. Dies bedingt die Festlegung des Ortes und die Zeit der Nachbereitung sowie die verantwortliche Leitung der Beurteilung. Grundsätzlich hat die Bewertung und Darstellung von Ereignissen einer Übung durch den zuständigen Kommandanten und die Beurteilung von Organisationselemente überschreitenden Übungsgliederungen durch den jeweiligen Übungsleiter zu erfolgen. Dieser definiert im Vorfeld die zu erreichenden Standards und Ziele und ist für die Rückmeldung an die ihm unterstellten und übenden Führungsebenen verantwortlich.

Des Weiteren ist die Auswahl und die gemeinsame Einweisung des Leitungs- und Schiedsrichterteams zusammen mit der Simulationsorganisation von wesentlicher Bedeutung. Ein unkoordiniertes Nebeneinander der einzelnen Elemente führt unweigerlich zu divergierenden Darstellungen von Ereignissen einer Übung. Übungsbeobachter, Schiedsrichter und Auswerteteams sind Berater der Kommandanten und für die Zur-Verfügung-Stellung der entsprechenden Daten und Informationen verantwortlich. Sie sind jedoch nicht die "Lehrmeister" der Armee.

Diese Koordinierungsarbeit findet ihren Niederschlag in einem Evaluierungs- und AAR-Plan. Dieser soll zwar grundsätzlich flexibel gehalten sein, um nicht die Übung an der Auswertung auszurichten, aber trotzdem prozessorientiert erstellt werden und entsprechende Zeiträume zur Durchführung beinhalten. Darin sind vor allem die zu beurteilenden Personen oder Organisationselemente, das zu erreichende Ausbildungs-/Übungsziel, die Schiedsrichter-/Evaluierungsorganisation und auch der Evaluierungs-/Auswerteablauf zu definieren (siehe Tabelle S. 365 unten).

Vorbereitung
Eine einmalig durchgeführte Nachbereitung am Ende einer Ausbildung oder Übung ohne eine Möglichkeit, das Erfahrene auch anwenden zu können, ist nur von minimalem Nutzen. In der Phase der Vorbereitung werden die einzelnen Übungsinhalte und die damit verbundenen Einlagenkataloge definiert sowie Befehle dazu erstellt. Dabei ist auf die fachliche Expertise, die Umsetzungsmöglichkeiten und auf technische Einschränkungen der Simulationsmittel (z. B. Reichweite der Datenfunkübertragung, mögliche Anzahl der Ausstattungen, lasertechnische Einschränkungen/Abschirmung, Wirkmitteldarstellung für Artillerie etc.) Rücksicht zu nehmen. Im daraus resultierenden Befehlsbeitrag sind für die Beobachter, Schiedsrichter und Auswerteteams die Schlüsselereignisse, wie das Beziehen eines Verfügungsraumes, das Überschreiten der Ablauflinie, das Nehmen des Angriffszieles für die Beobachtung sowie die Nachbereitung festzulegen. Durch diese klaren Vorgaben und den laufenden Informationsaustausch zwischen den angeführten Elementen ergibt sich schlussendlich ein gemeinsames und aufschlussreiches Lagebild. Die verantwortlichen Kommandanten der mit dem AAR betrauten Elemente erkunden und legen in Abstimmung mit der verantwortlichen Übungsleitung einen entsprechenden Ort für das AAR fest.

Durchführung
In der Durchführungsphase werden die vorgegebenen Schlüsselereignisse und Geschehnisse beobachtet, durch die Simulationssysteme aufgezeichnet und zu einem Lagebild zusammengeführt. Neben der Überprüfung der Erfüllung der Ziele, Standards und vordefinierten Absichten muss im Wesentlichen dargestellt werden,
  • was geschehen ist und
  • warum etwas geschehen ist.

Die gewonnenen Erkenntnisse sind dann den Übungsteilnehmern zu präsentieren. Beobachter, Schiedsrichter und Auswerteteams haben in ihren Beiträgen Feststellungen zu dokumentieren, ohne dabei Wertungen oder Beurteilungen abzugeben. Diese liegen in der Verantwortung der zuständigen Kommandanten!

Folgeprozess
Im Folgeprozess wird der Nutzen aus den gewonnen Erfahrungen durch die übende Truppe gezogen. Es kommt darauf an, die aufgezeigten Schwächen und Fehler zu erkennen, Wiederholungen dieser zu vermeiden und die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu steigern. Die optimale Nutzung eines AAR ist durch die unmittelbare Wiederholung eines Übungsdurchganges gegeben. Damit leitet sich ab, dass mehrere AARs, jeweils nach den einzelnen Übungsphasen, weitaus effizienter sind als ein zusammenfassendes AAR am Übungsende.

Eine wesentliche Steigerung der Effizienz der Ausbildung kann nur durch eine laufende externe und interne Beobachtung, eine Analyse und Auswertung, eine Präsentation der Ergebnisse und ein Feedback an die übende Truppe sowie durch die Möglichkeit der unverzüglichen praktischen Anwendung der erworbenen Erfahrung erreicht werden.

Einfluss auf bestehende Vorschriften

Der dargestellte Lernprozess kann nicht allein auf die Ausbildungs- und Übungsteilnehmer bezogen werden. Die gewonnenen Erfahrungen und Feststellungen haben auch einen entsprechenden Einfluss auf die Grundlagenarbeit. Sowohl bei der Überprüfung als auch der Überarbeitung von Normen, Anhalten und Vorschriften müssen diese Erkenntnisse ihren Niederschlag finden. Durch die mögliche Überprüfung, Darstellung und Auswertung von Abläufen mit Simulationssystemen, vor allem im Bereich der Live-Simulation, werden wesentliche Rückschlüsse gewonnen. Zu diesem Zweck müssen die gewonnen Daten und Aufzeichnungen nach Übungen analysiert, ausgewertet und für die verantwortlichen Bereiche greifbar gemacht werden. Dieser Zugriff erfolgt in der Regel durch eine entsprechende Speicherung der Übungsdaten durch die Auswerteorganisation auf Datenträger (DVD) und der anschließenden Übergabe an die Übungsleitung nach dem Übungsende. Eine Weiterleitung der Ergebnisse an andere Bedarfsträger (Übungsteilnehmer) ist durch das übungsverantwortliche Kommando sicherzustellen.

Internationale Standardisierung

Im internationalen Ausbildungsverbund wurde dieser unabdingbare Prozess des Lernens durch Erfahrung in instrumentalisierten Übungen erkannt. Die "Interoperability User Community", ein Zusammenschluss von Nationen in der Anwendung von Live-Simulation, trifft zweimal im Jahr zur Erarbeitung von gemeinsamen Entwicklungen in der Live-Simulation zusammen. Ursprünglich wurde die Diskussion mit Schwergewicht im Zusammenhang mit der technischen Entwicklung geführt. Nun verlagert sich diese zusehends in den Bereich der gemeinsamen Prozesse und standardisierten Abläufe. Der Austausch von Erfahrungen im Umgang mit einer effizienten Auf- und Nachbereitung der gewonnenen Daten und Fakten in AARs steht dabei im Mittelpunkt. Nur durch das gemeinsame Verständnis aller Nationen kann der Lernprozess bei multinationalen Übungen für jeden Teilnehmer gewährleistet werden.

Auf einen Blick

Im Zusammenhang mit den immer geringer werdenden Ressourcen und den damit immer mehr eingeschränkten Möglichkeiten des wiederholten Übens kommt der Verbesserung der Lernabläufe große Bedeutung zu. Die Lessons Identified- und Lessons Learned-Prozesse müssen daher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt werden. Simulationssysteme haben dabei einen nicht mehr wegzudenkenden Stellenwert. Durch sie werden sowohl die realistische Darstellung von Übungsvorgängen als auch die qualitative Auswertbarkeit der Übungen ermöglicht. Das objektive Feedback im After Action Review an den Teilnehmer einer Ausbildung, Übung oder Einsatzvorbereitung und die daraus resultierende Möglichkeit, das Erlernte unmittelbar danach sowie später anwenden zu können, stellen das Schwergewicht dieses Prozesses dar. Dies erfordert ein Umdenken und ein erneutes Beurteilen im Hinblick auf

  • die Anlage von Übungen,
  • den effizienten Einsatz von Ausbildungsunterstützungsmitteln und vor allem
  • ein zeitliches Erfassen zur Sicherstellung der angeführten Prozesse.

Autor: Oberst Michael Müller, MBA MSD, Jahrgang 1960, Theresianische Militärakademie Jahrgang "Col di Lana", Verwendung als Zugs- und Kompaniekommandant beim Landwehrstammregiment 12, verschiedene Stabsfunktionen in kleinen und großen Verbänden (Landwehrstammregiment 12, Stabsregiment 1, 1. Jägerbrigade, SEK), Kommandant Panzerabwehrbataillon 1, Lehrgänge universitären Charakters: 2007 "Sicherheitsmanagement" (MSD) und 2009 "Bildungsmanagement" (MBA); Auslandsverwendungen: 1996/97 bei IFOR/SFOR, 2002/03 bei KFOR, 2005/06 Militärvertretung Brüssel während der österreichischen EU-Präsidentschaft. Derzeit Kommandant für Duellsimulation und Übungsauswertung in der Grundlagenabteilung der Heerestruppenschule.

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