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Key Leader Engagement

In friedensunterstützenden Einsätzen werden Ziele gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung sowie internationalen, staatlichen bzw. nichtstaatlichen Organisationen erreicht. Die Beeinflussung von Zielgruppen durch das Key Leader Engagement (KLE) ist eine Methode, um das Verhalten und die Einstellungen von wichtigen Entscheidungsträgern zu verändern und dadurch die militärische Auftragserfüllung zu unterstützen.

Die Änderung des geostrategischen Umfeldes innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte sowie die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen des modernen Gefechtsfeldes mit verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren stellen für viele Armeen große Herausforderungen dar. Militärische Kräfte werden dabei mit mehreren am Konflikt beteiligten Gruppierungen mit unterschiedlichen und oft wechselnden Interessen konfrontiert.

Neben regulären militärischen Kräften nehmen verstärkt irreguläre Kräfte eine wesentliche Rolle in den aktuellen Szenarien ein. Diese bedienen sich der asymmetrischen Kriegsführung, losgelöst von internationalen rechtlichen Bestimmungen (z. B. Völkerrecht, Genfer Konvention). Zusätzlich sind diese Kräfte in ihrem äußeren Erscheinungsbild schwer bis gar nicht von der lokalen Zivilbevölkerung zu unterscheiden.

Zielsetzung

Die lokale Bevölkerung im Einsatzraum sollte im Mittelpunkt des Handelns von internationalen Kräften stehen, die zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau eines Krisengebietes eingesetzt sind. In einem asymmetrischen Konflikt, ähnlich dem in Afghanistan, konkurrieren Regierung und Aufständische um die Kontrolle über die eigene Bevölkerung. Die Eigeninteressen der unterschiedlichen Gruppierungen, Clans, Warlords usw. stehen im Vordergrund. Ein Schwergewicht des Einsatzes von friedensunterstützenden militärischen Kräften besteht darin, die Bevölkerung jeweils für sich zu gewinnen, um Legitimität zu erlangen und Unterstützung für den eigenen Auftrag zu erhalten. Dem Informationsumfeld zur Herstellung von Sicherheit und Ordnung kommt dabei eine große Bedeutung zu. Die Aktivitäten umfassen offensive und defensive Maßnahmen zur Unterstützung der militärischen Einsatzführung im Einsatzraum. Das Ziel ist dabei, gewünschte Effekte (beeinflussen, überzeugen, gegnerische Aktivitäten verringern, informieren) mit den Willen, dem Verständnis, den Fähigkeiten und dem Verhalten von Individuen, Gruppierungen, Organisationen und (möglichen) Gegnern zu erzielen. Mit Key Leader Engagement (KLE) kann dies erreicht werden.

Was ist KLE?

Das KLE als Teil von Informationsoperationen ist die geplante Interaktion zwischen hochrangigen militärischen Kommandanten und Vertretern der lokalen Bevölkerung bzw. Behörden, Sicherheitskräften und/oder Meinungsbildnern in der Gesellschaft mit dem Ziel, diese Akteure für die eigene Einsatzführung zu gewinnen. Sämtliche anderen Maßnahmen mit dem Aspekt der Kommunikation und Interaktion fallen unter den Begriff "Face-to-Face-Communication" und dienen der Informationsgewinnung zur Feststellung des Stimmungsbildes (Lagebildes) innerhalb der Bevölkerung.

Das KLE ist ein anhaltender Prozess im Aufbau und Halten von Verbindungen zu Schlüsselpersonen (z. B. Bürgermeister, Polizeikommandanten) über einen längeren Zeitraum und in einer bestimmten Intensität, um die Unterstützung der Interessen militärischer Kräfte im Rahmen des Stabilisierungsprozesses zu fördern.

Schlüsselpersonen können sein:

  • Politische Akteure;
  • Vertreter religiöser oder ethnischer Gruppierungen;
  • Kommandanten der lokalen Polizei oder Streitkräfte;
  • Lokale Leiter von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen.

Das KLE erfolgt unabhängig von der jeweiligen Führungsebene und wird im direkten Gespräch zwischen Kommandanten aller Ebenen durchgeführt, wobei international die Kommunikation von unterschiedlichen Ebenen aus erfolgt. Während die US-Streitkräfte das KLE ab der Zugsebene anwenden, werden in anderen Nationen - vor allem innerhalb der NATO - KLE-Aktivitäten als so genannte "Command Groups Activities" betrachtet. Das bedeutet, dass diese Maßnahmen hauptsächlich durch die jeweiligen Kommandanten ab der Ebene Task Force oder Brigade durchgeführt werden.

Während der Operation "Iraqi Freedom" erfolgten KLE-Aktivitäten ab der Ebene des Zugskommandanten aufwärts. Die Kommandanten erhielten dazu vorgestaffelt eine seperate Ausbildung. Die Entscheidung zur tatsächlichen Verbindungsaufnahme mit einem lokalen Akteur würde anhand einer zentral geführten KLE-Matrix koordiniert werden, um auf die jeweiligen Gruppierungen gezielt Einfluss nehmen zu können.

Das Herstellen und Aufrechterhalten einer Beziehung zu Schlüsselpersonen steht im Zentrum des Handelns. Das Ziel des KLE ist es, ein gegenseitiges Verständnis aufzubauen, Missverständnisse zu klären und den jeweiligen Wiederaufbau der Infrastruktur und staatlichen Ordnung voranzutreiben. Letztendlich kann der Aufbau eines stabilen Umfeldes nur durch die ansässige Bevölkerung mit Unterstützung der externen Organisationen (z. B. militärische Kräfte und/oder staatliche/nichtstaatliche Organisationen) erfolgen.

Das KLE ist keine Einsatztechnik der militärischen Aufklärung. Die Gesprächsinhalte werden jedoch zusammengefasst, dokumentiert sowie ausgewertet und liefern einen Beitrag zum Lagebild im Einsatzraum.

KLE-Ablauf

Die Durchführung eines KLEs wird anhand eines Kreislaufes geplant, durchgeführt und nachbereitet. Dieser beinhaltet folgende Schritte:

  • Identifizierung der Schlüssel- person(en);
  • Auswerten von Informationen;
  • Festlegen des gewünschten Effektes;
  • Vorbereitung des Treffens;
  • Durchführung des Treffens;
  • Nachbereitung und Dokumentation;
  • Nachhaltigkeit.

Identifizierung der Schlüsselperson(en)

Im ersten Schritt des KLE muss der Grad des Einflusses und die Bedeutung der Schlüsselperson im jeweiligen sozialen Netzwerk festgestellt werden. Dabei kommt es wesentlich auf die langfristige Wirkungsweise an. Personen, die nur eine eingeschränkte Möglichkeit zur Beeinflussung anderer haben, kommen für ein KLE nicht unmittelbar in Betracht. Ein wesentlicher Schritt zur Ermittlung der Bedeutung ist die Auswertung des jeweiligen Netzwerkes von Schlüsselpersonen mit einer sozialen Netzwerkanalyse. Mit einer weiteren Methode wird ermittelt, wer einen Einfluss auf die zu beurteilende Schlüsselperson/-gruppierung hat.

Auswerten von Informationen

Nach der Identifizierung der Schlüsselperson wird eine detaillierte Auswertung von bereits gewonnen Aufklärungsergebnissen durchgeführt. Diese erfolgt vor allem durch das Führungsgrundgebiet 2 (Aufklärung und militärische Sicherheit). Abhängig vom jeweiligen Akteur, ist die Miteinbeziehung des politischen Beraters (Political Advisor - POLAD), des kulturellen Beraters (Cultural Advisor - CULAD) und des Rechtsberaters (Legal Advisor - LEGAD) von Vorteil, um eine umfassende Beurteilung über mögliche Auswirkungen eines KLEs zu haben. Sofern über eine Schlüsselperson und dessen Umfeld noch kein "Intelligence-Produkt" erstellt werden konnte bzw. verfügbar ist, müssen die notwendigen Informationen gewonnen (z. B. durch Aufklärungskräfte) und ausgewertet werden.

Der jeweilige Gesprächsführer benötigt für das KLE folgende Informationen und Grundlagen:

  • Zugangskapazitäten der Schlüsselperson/-gruppierung, um Entscheidungen im Sinne der eigenen Kräfte herbeiführen bzw. umsetzen zu können;
  • ethnische Zugehörigkeit inklusive sprachlicher Kenntnisse und Stammeshintergründe;
  • politische Zugehörigkeit;
  • Ausbildung;
  • religiöse Zugehörigkeit;
  • Struktur des sozialen Netzwerkes der Schlüsselperson;
  • Bewertung der möglichen Motivation und der Interessen der Schlüsselperson zur Teilnahme am KLE;
  • Stärken und Schwächen der Schlüsselperson im Verhältnis zu seinem sozialen Umfeld in der Gesellschaft;
  • Informationsbedarf;
  • Auswertungen von bereits durchgeführten KLEs mit anderen Personen.

Festlegen des gewünschten Effektes

Nachdem das KLE in der Informationsoperation am "Targeting-Prozess" mitwirkt und auch in einem effektorientierten Einsatz (Effect Based Approach to Operation - EBAO) eine Möglichkeit im Spektrum von nichttödlichen Effekten darstellt, ist dieser Teil im KLE-Kreislauf ein zentraler Punkt.

Er beinhaltet die Ziel- und Effektformulierung, damit ein effizientes KLE überhaupt durchgeführt werden kann. Diese Effekte werden danach in die "Effekt Guidance Matrix"/EGM eingetragen, um sie mit anderen Effekten besser koordinieren zu können. Die Schlüsselperson sollte dabei mit Argumenten überzeugt werden, damit die Zielvorstellung im Sinne militärischer Kräfte umgesetzt wird. Eine Ausübung von Zwang hat zu unterbleiben.

Dabei wird Folgendes beurteilt und festgelegt:

  • Was soll erreicht werden (welche Effekte)?
  • Unterstützende Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen (z. B. Nutzen für die Schlüsselperson ermitteln).
  • Geeigneter Einstieg in das KLE, um die Voraussetzungen für die weitere Gesprächsführung zu finden (Einleitungsphase).
  • Mögliche Angebote an die Schlüsselperson zur Zielerreichung;
  • Wie könnte die Schlüsselperson auf zu besprechende Thematiken hinsichtlich des gewünschten Effektes reagieren?
  • Entwicklung von alternativen Gesprächsinhalten.

Vorbereitung auf das Treffen

Dieser Schritt erfordert die Zusammenarbeit sämtlicher Stabsmitglieder und sollte nicht nur durch den Gesprächsführer geleitet werden. Es geht dabei um die Detailplanung für die Durchführung des KLE und erstreckt sich von der Aussendung der Einladung über das Festlegen der Örtlichkeit, die Koordinierung der Sicherheitsmaßnahmen bis hin zur detaillierten Vorbereitung des Kommandanten (z. B. kulturelle Beratung):

  • Vorbereitung des Teams (Gesprächsführung, Gesprächsinhalte, Dokumentation);
  • Beurteilung des Gesprächsortes und gegebenenfalls vorgestaffelte Aufklärung/Erkundung;
  • interkulturelle Vorbereitung in Verbindung mit dem Sprachmittler (Gesten, Mimik, Begrüßungsworte);
  • persönliche Sicherheitsvorbereitung ("Was gebe ich von mir preis?");
  • Vorbereitung des Marschweges, der Fernmeldeverbindungen, der Versorgung und gegebenenfalls eine Notfallplanung.

Durchführung des Treffens

Die Durchführung des KLE beinhaltet den Marsch zum Gesprächsort, das Treffen selbst und den Rückmarsch. Die Sicherung des Hin- und Rückmarsches erfolgt abhängig von der jeweiligen Bedrohungslage im Einsatzraum. Das Gespräch wird nach den herkömmlichen Phasen der Gesprächsführung (Begrüßung - Einleitung - Hauptteil - Ausstieg - Verabschiedung) durchgeführt. Je nach den kulturellen und traditionellen Eigenheiten kann sich die Begrüßung und Einleitung als eine der wichtigsten Phasen des Gespräches herausstellen.

Es handelt sich dabei um die so genannte "Warm-up-Phase" und sollte in erster Linie das Vertrauen zum Gesprächspartner herstellen. Grundsätzlich wird mit dem Begrüßungsritual und dem Austauschen von freundlichen Floskeln begonnen, und Themen der Gemeinsamkeit (zum Beispiel Familie, Kinder, Wohlbefinden) werden angesprochen. Diese Phase sollte nicht unterschätzt werden.

Die Basis des KLE ist der gegenseitige Respekt. Daher ist es unumgänglich, dass eigene Kräfte auf lokale Gewohnheiten und Bräuche vorbereitet werden. Zusätzlich sind weitere Aspekte zu beachten:

  • Höflichkeit und Zuhören;
  • Blickkontakt zum Gesprächspartner und nicht zum Sprachmittler;
  • Konzentration auf die Schlüsselperson - das Umfeld soll von anderen Kräften beobachtet werden;
  • nur das versprechen, was auch eingehalten werden kann;
  • Unklarheiten ansprechen, jedoch gegenseitige Meinungen akzeptieren;
  • erforderlichenfalls Zusammenfassung am Ende des Gespräches.

Nachbereitung und Dokumentation

Die Ergebnisse des Treffens werden in einem standardisierten KLE-Berichtsformular festgehalten. Dies dient zur Dokumentation der Gesprächsinhalte sowie der Rahmenbedingungen und ist für die Vorbereitung eines weiteren KLEs unerlässlich. Die Informationen über die Schlüsselperson und die Inhalte des Gespräches werden in Datenbanken archiviert.

Nachhaltigkeit

Als letzter Schritt im KLE-Ablauf wird das Ergebnis des Gespräches mit einem bereits vergangenen KLEs verglichen. Die eigenen Kräfte beobachten das Verhalten der Gesprächsperson und beurteilen, inwiefern der gewünschte Effekt eingetreten ist. Dieser kann auch erst sehr spät eintreten, da sich die Führung in anderen Kulturen und Systemen oft anders darstellt als in militärischen Organisationen. Der Erfolg eines KLEs kann zum Beispiel anhand folgender Kriterien gemessen werden:

  • verbesserte Zusammenarbeit der lokalen Behörden untereinander;
  • wirtschaftliche Entwicklung;
  • Teilnahme an lokalen Projekten;
  • Verbesserung der Sicherheitslage;
  • erhöhte Aufklärungsrate von Verbrechen.

Schlussendlich wird die Weiterführung der Beziehung zur jeweiligen Schlüsselperson festgelegt.

Auf einen Blick

Zur Stabilisierung und Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit sind militärische Kräfte auf die Zusammenarbeit mit der ortsansässigen Bevölkerung angewiesen. Lokale Akteure können durch die Einflussnahme mit dem KLE für die eigene Einsatzführung gezielt beeinflusst werden. Dies sollte zur Unterstützung des Wiederaufbaues führen und den Einfluss von irregulären Gruppierungen zurückdrängen. Das KLE dient zum Herstellen von Verbindungen zu lokalen Entscheidungsträgern, die die Interessen der im jeweiligen Verantwortungsbereich eingesetzten Kräfte unterstützen.


Autor: Mjr Mag.(FH) Roland Seidenberger, Jahrgang 1977, 1996 Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung, 1997 bis 2001 Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie, Jahrgang "Fürst von Liechtenstein". 2001 bis 2006 Zugs- und Kompaniekommandant Jagdpanzer "Jaguar", 2006 bis 2010 Lehroffizier und stellvertretender Jahrgangskommandant an der Theresianischen Militärakademie. Seit 2010 Referent und seit 2013 Referatsleiter für taktische Aufklärung in der Grundlagenabteilung der Heerestruppenschule, S2/Planung (Mob-Funktion) in der Stabsabteilung 2 im Kommando der 7. Jägerbrigade. Auslandsverwendungen: 2006 EUFOR und 2009 KFOR als Intelligence Offizier. Ausbildung zum Field HUMINT Team- und Auswerteoffizier Taktische Erdaufklärung.

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