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Militär und Recht. Neues aus der Gesetzgebung

Der Beobachtungszeitraum war im rechtlich-legistischen Bereich von zwei markanten Schwerpunktmaterien gekennzeichnet, die sowohl ihrer inhaltlichen Bedeutung nach als auch hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Bearbeitungsdichte alle übrigen Arbeitsfelder bei Weitem überragten. Dies betraf einerseits die juristischen Bearbeitungen zur Thematik "allfällige Änderung des Wehrsystems", andererseits die Schaffung der wehrrechtlichen Begleitnormen zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Nach jahrelangen Diskussionen auf politischer Ebene wurde im Spätsommer 2012 die Durchführung einer (formalrechtlich unverbindlichen) Volksbefragung nach Art. 49b B-VG, betreffend die Abschaffung oder Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht (und des damit verknüpften Zivildienstes) bzw. die Einführung eines Freiwilligenheeres, konkret ins Auge gefasst. Nach Abschluss der rechtlich vorgesehenen Formalschritte - Beschlussfassung des Nationalrates auf Antrag der Bundesregierung und nach Vorberatung im Hauptausschuss - ordnete der Bundespräsident im November 2012 mit Entschließung BGBl. II Nr. 377/2012 diese Volksbefragung mit zwei alternativen Lösungsvorschlägen an; als Tag dieser Befragung wurde der 20. Jänner 2013 bestimmt. Die Volksbefragung ergab bei einer Teilnahme von über 50 Prozent aller Stimmberechtigten eine breite Mehrheit (knapp 60 Prozent aller gültigen "Stimmen") für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes. Einer anschließenden Anfechtung des Ergebnisses der Volksbefragung nach Art. 141 Abs. 3 B-VG durch eine Privatperson wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Juni 2013, W III 2/2013, nicht stattgegeben. Sämtliche vom Anfechtungswerber vorgebrachten Vorwürfe wurden vom Höchstgericht nämlich als nicht stichhaltig erachtet.

Im Hinblick auf die auf politischer Ebene festgelegte Respektierung des Ergebnisses der Volksbefragung beschloss der Ministerrat am 22. Jänner 2013 u. a. die Einsetzung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe, die noch vor dem Sommer 2013 ein Konzept für eine Reform des Wehrdienstes auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht erarbeiten sollte. In weiterer Folge wurden in dieser Arbeitsgruppe mit ressortinterner und -externer Beteiligung umfassende Überlegungen und Bearbeitungen durchgeführt und als Ergebnis Ende Juni 2013 ein politisch akkordierter Bericht zur Reform des Wehrdienstes vorgelegt, den der Ministerrat am 2. Juli 2013 zustimmend zur Kenntnis nahm. Dieser Bericht enthält zahlreiche Verbesserungs- und Reformmaßnahmen sowohl hinsichtlich des Grundwehrdienstes und der militärischen Dienstleistungen von Frauen als auch der Miliz. Ein Großteil der angesprochenen Maßnahmen kann auf der Basis der geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen durch verwaltungsinterne Veranlassungen (also Erlässe, Befehle, Dienstvorschriften o. Ä) umgesetzt werden; für einzelne Maßnahmen sind demgegenüber vorgelagerte legislative Vorkehrungen erforderlich. Unmittelbar im Anschluss an den genannten Ministerratsbeschluss konnten einige dieser Anregungen noch im Sommer 2013 im Rahmen des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes-BMLVS, BGBl. I Nr. 181/2013, einer konkreten legislativen Umsetzung zugeführt werden; diese Gesetzesänderungen (im Wehrgesetz 2001 bzw. im Heeresgebührengesetz 2001) traten mit 1. Oktober 2013 in Kraft. Im Einzelnen betrifft dies die Einführung einer "Kompetenzbilanz" zur Bestätigung abgeschlossener Ausbildungsgänge im Rahmen eines Präsenz- oder Ausbildungsdienstes sowie die Schaffung ausdrücklicher gesetzlicher Grundlagen für die Tätigkeit von Informationsoffizieren und für die unentgeltliche Beistellung von Freizeiteinrichtungen in militärischen Liegenschaften (Sport, IKT etc.) sowie einer attraktiven Stellungsbekleidung. Die legislative Realisierung weiterer Anregungen ist aufgrund der Beendigung der XXIV. Gesetzgebungsperiode (GP) im September 2013 jedenfalls erst in der nächsten Legislaturperiode möglich. Dies soll sowohl weitere Änderungen im Wehrrecht (Wehrgesetz 2001, Allgemeine Dienstvorschriften für das Bundesheer) als auch in anderen militärrelevanten Rechtsgebieten (Schulrecht, Sozialrecht, Führerscheingesetz) betreffen.

Im Frühjahr 2012 wurden auf verfassungs- und einfachgesetzlicher Ebene mit der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51) die Rechtsgrundlagen für die Einführung einer (echten) Verwaltungsgerichtsbarkeit ab 1. Jänner 2014 geschaffen. Dabei sind im Wesentlichen die Abschaffung sämtlicher verwaltungsinterner Berufungsinstanzen sowie deren Ersetzung durch insgesamt elf (echte) Verwaltungsgerichte vorgesehen. Für den Ressortbereich bedeutet dies, dass künftig (auch) gegen sämtliche Bescheide von Militärbehörden ausnahmslos Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden kann; die bisherigen Berufungsmöglichkeiten an übergeordnete ressortinterne Verwaltungsbehörden entfallen ersatzlos. In diesem Zusammenhang war von vornherein absehbar, dass - wie in nahezu allen Verwaltungsmaterien des Bundes und der Länder - auch im gesamten Wehrrecht umfangreiche legislative Begleitmaßnahmen zur Anpassung an diese völlige Neugestaltung des gesamten Rechtsschutzes in der öffentlichen Verwaltung erforderlich werden. Auf der Basis einer politischen Grundsatzentscheidung, betreffend den rechtlichen Rahmenumfang der diesbezüglichen Gesetzesänderungen, wurden die konkreten Vorarbeiten im Sommer 2012 aufgenommen. Sie führten zur Erstellung eines ersten Normentwurfes, der im November 2012 einem breiten ressortinternen Stellungnahmeverfahren zugeleitet werden konnte. Dieser Entwurf wurde auf der Grundlage der eingelangten Änderungs- und Ergänzungsvorschläge überarbeitet und nach politischer Freigabe Ende Jänner 2013 der allgemeinen Begutachtung zugeführt. Nach Einarbeitung weiterer Modifikationen wurde der als umfassende "Sammelnovelle" gestaltete Gesetzentwurf von der Bundesregierung am 5. März 2013 als Regierungsvorlage beschlossen und der parlamentarischen Behandlung und Beschlussfassung zugeleitet. Im Rahmen dieser Behandlung wurden diverse Abänderungen vorgenommen. Dabei wurden neben einigen Formalanpassungen insbesondere die erwähnten Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Vorschlägen zur Wehrdienstreform aufgenommen. Der in Rede stehende Gesetzentwurf wurde unter dem Titel "Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz - Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (VwGAnpG‑BMLVS)" im Juni bzw. Juli 2013 im National- bzw. Bundesrat jeweils einstimmig angenommen und im Bundesgesetzblatt unter der BGBl. I Nr. 181/2013 kundgemacht. Die jeweiligen Gesetzesänderungen werden zeitgleich mit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit am 1. Jänner 2014 in Kraft treten.

Die erwähnte Umsetzung aller notwendigen Anpassungen an die künftige Verwaltungsgerichtsbarkeit in allen (neun) dem Wehrrecht im engeren Sinn zuzurechnenden Gesetzen, stellt sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht den Schwerpunkt der in Rede stehenden Sammelnovelle dar. Dabei wurden zur optimalen Wahrnehmung der militärischen Interessen im ressort­externen Rechtsschutzbereich in allen Normen ein jederzeitiges Eintrittsrecht der Zentralstelle des Verteidigungsressorts in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie deren eigenständiges Recht zur Revision gegen Erkenntnisse dieses Gerichtes an den Verwaltungsgerichtshof verankert. Damit soll insbesondere dem ressortspezifischen Umstand Rechnung getragen werden, dass bei etlichen erstinstanzlichen Militärbehörden, insbesondere etwa den Stellungskommissionen oder den Einheitskommandanten und Disziplinarvorgesetzten, keinerlei juristische Kapazitäten zur zweckentsprechenden Führung von Rechtsschutzverfahren als "belangte Behörde" vorhanden sind. Überdies wurde hinsichtlich mehrerer wehrrechtlicher Bescheide die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im Interesse einer Verfahrungsbeschleunigung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Davon sind im Wesentlichen jene Bescheide betroffen, gegen die nach der bisherigen Rechtslage überhaupt kein ordentliches Rechtsmittel zulässig oder bei denen die aufschiebende Wirkung einer Berufung schon bisher ausgeschlossen war. Als praktisch bedeutsamste Fälle sind diesbezüglich die Stellungsbeschlüsse sowie die Einberufungsbefehle anzuführen. Weitreichende inhaltliche Adaptierungen waren hinsichtlich des Kommandantenverfahrens im militärischen Disziplinarrecht unabdingbar, um auch in Zukunft den Grundgedanken eines raschen, einfachen und damit (wenigstens einigermaßen) praxis- und truppengerechten militärischen Disziplinarsystems auch unter den modifizierten Rechtsschutzbestimmungen nicht völlig zu verlieren. Hiezu werden künftig als Disziplinarbehörde die "Disziplinarkommandanten" tätig werden, die das Verfahren als Einheitskommandanten oder als Disziplinarvorgesetzte durchzuführen haben. Den Einheitskommandanten wird dabei - mit erweiterten Zulässigkeitsvoraussetzungen und Strafbefugnissen - in Zukunft ausnahmslos die Durchführung von Disziplinarverfahren im abgekürzten Verfahren mit der Erlassung von Disziplinarverfügungen obliegen. Sind die Voraussetzungen für dieses Verfahren nicht gegeben oder erhebt der Beschuldigte Einspruch gegen eine solche Verfügung, so hat der Disziplinarvorgesetzte im ordentlichen Verfahren mit Disziplinarerkenntnis zu entscheiden, gegen das der volle Rechtsschutz (Bundesverwaltungsgericht bzw. Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) offensteht. Außerhalb der erwähnten Anpassungen an die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurden neben vielfältigen legistischen Verbesserungen sowie der erwähnten Umsetzungen einzelner Änderungen zur Reform des Wehrdienstes zahlreiche, teilweise bereits seit Jahren angestrebte materielle Änderungen im gesamten Wehrrecht vorgenommen. Dies betrifft etwa diverse Verbesserungen für bestimmte Soldaten im Ausbildungsdienst, mehrere Maßnahmen im Disziplinarrecht zur Verfahrensbeschleunigung im Kommissionsverfahren sowie im Sperrgebietsgesetz den verwaltungsvereinfachenden Wegfall des zwingenden Erfordernisses einer bescheidmäßigen Zustimmung zum Betreten bzw. Abbilden eines militärischen Sperrgebietes.

In der Dienstrechts-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 120, ist als wichtigste ressortrelevante Modifizierung eine am 1. Jänner 2013 wirksam gewordene Flexibilisierung der Verpflichtungszeiträume für einen Wehrdienst als Militärperson auf Zeit enthalten. Konnte der (abgesehen für Spitzensportler) gesetzlich normierte Höchstverpflichtungszeitraum von insgesamt neun Jahren bis zu dieser Änderung ausschließlich in drei jeweils dreijährigen "Verpflichtungspaketen" absolviert werden, so ist nunmehr nach einer dreijährigen Erstverpflichtung eine mehrfache, mindestens jedoch einjährige Weiterverpflichtung bis zum genannten Höchstausmaß möglich. Diese Gesetzesänderung trägt einem langjährigen, auf umfangreichen praktischen Erfahrungen beruhenden Änderungswunsch des Verteidigungsressorts weitestgehend Rechnung und hat durch die damit erzielte erhebliche zeitliche Gestaltungsfreiheit einen wichtigen Teilaspekt für die Rekrutierung dieser militärisch wichtigen Personengruppe entscheidend verbessert. Darüber hinaus ist im öffentlichen Dienstrecht nunmehr auch eine spezifische Sonderregelung für die Wahrnehmung der Funktion des Generaldirektors des Militärstabes der EU normiert. Diese Bestimmung wurde erforderlich, da diese internationale Spitzenposition derzeit für mehrere Jahre von einem österreichischen Berufsoffizier bekleidet wird.

Neben den aufgezeigten wehrrechtsbezogenen Legislativmaßnahmen wurden im Beobachtungszeitraum auch diverse andere Gesetze mit nicht unbeträchtlicher Bedeutung für den Ressortbereich verabschiedet. Dies betrifft insbesondere Änderungen im Luftfahrtgesetz sowie im Zivildienstgesetz. Danach obliegt nunmehr die Erteilung luftfahrtrechtlicher Genehmigungen zum Ein-, Aus- und Überflug ausländischer Militärluftfahrzeuge dem Verteidigungsminister nach Anhörung des Außenministers. Die Umsetzung dieses langjährigen Ressortwunsches lässt erhebliche praktische Vollziehungsvereinfachungen und -beschleunigungen erwarten, da diese Ressortzuständigkeiten nun mit der inhaltlich gleichartigen Regelung nach dem Truppenaufenthaltsgesetz korrespondieren und zeit- und verwaltungsaufwändige Befassungen weiterer Dienststellen entfallen. Im Zivildienstgesetz wurde die bereits 2011 begonnene Übertragung von Aufgaben der Vollziehung einzelner Zivildienstagenden an den Ressortbereich mit der Zuweisung der konkreten Wahrnehmung weiterer besoldungsrechtlicher Angelegenheiten der Zivildienstleistenden (Hereinbringung bestimmter Übergenüsse, Gewährung eines Härteausgleiches) an das Heerespersonalamt fortgesetzt. Diese mit der Nutzung von Synergieeffekten begründeten Maßnahmen stellen sich in gleicher Weise wie die bereits geltenden derartigen Übertragungen aus grundrechtlichen Überlegungen verfassungsrechtlich nicht unproblematisch dar.

Im Hinblick auf die kürzlich beendete XXIV. GP und die Ende September 2013 durchgeführten Neuwahlen zum Nationalrat bleibt abzuwarten, welche inhaltlichen Schwerpunkte die künftige Bundesregierung im Bereich der militärischen Landesverteidigung setzen wird und welche konkreten Legislativmaßnahmen zur Umsetzung allenfalls angestrebter Reformprojekte erforderlich werden.

(wird fortgesetzt)


Autor: Mag. Dr. iur. Karl Satzinger, Jahrgang 1960. Grundwehrdienst sowie EF-Ausbildung. Reserveoffizier der Waffengattung "Infanterie" in diversen Offiziersfunktionen (Kommandanten- und Stabsfunktionen) in der Einsatzorganisation des Bundesheeres. 1979 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, 1983 Promotion zum Doktor der Rechte. Einjährige Tätigkeit als Rechtspraktikant und anschließende Verwendung als rechtskundiger Sachbearbeiter in einem Finanzamt. 1985 Wechsel in die Zentralstelle des Bundesministeriums für Landesverteidigung. 1986 Verwendung in den für die Wehrrechtslegislative zuständigen Abteilungen. 1991 Leitung der Legislativabteilung C, 2002 Leitung der Gruppe Rechtswesen und Legislativer Dienst. Mit Ernennung zum Abteilungsleiter - Verwendung im Leitungsstab (nunmehr Generalrat) der Zentralstelle. 1998 Überstellung in den Intendanzdienst der Miliz. Als Gruppenleiter wiederholt Waffenübungen bei verschiedenen Kommanden der oberen Führung. Seit Juni 2013 Brigadier des Intendanzdienstes.

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