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Joint Fire Support. Taktische Feuerunterstützung

Der Schutz der Soldaten in einem Einsatz wird auf vielfältige Weise wahrgenommen. Die taktische Feuerunterstützung ist eine davon. In einem internationalen Umfeld sind dazu besondere Fähigkeiten notwendig. Der Aufbau eines Kompetenzzentrums im Österreichischen Bundesheer wäre notwendig.

Die Handlung und die Orte sind frei erfunden. Das Beispiel ist jedoch an eine reale Gefechtssituation der Deutschen Bundeswehr im Oktober 2010 im nördlichen Afghanistan angelehnt.

Irgendwo in Afrika

0845 Uhr morgens

Die 1. Kompanie (AUT) der EU-Battlegroup (EUBG) der United Nations Mission in Mali (UNMIM) befindet sich einen Kilometer westlich der Ortschaft Kiboua. Auftrag: Gesprächsaufklärung. Der Spitzenzug der Patrouille geht abgesessen vor. Der Kompaniekommandant trifft sich mit den Dorfältesten. Die Rundumsicherung steht. Plötzlich geraten die österreichischen Soldaten von der nahegelegenen Anhöhe unter Beschuss. Ein Soldat geht zu Boden und bleibt verletzt im Feindfeuer liegen. Die Patrouille bezieht Deckung. Aufgrund der exponierten Lage des Verwundeten scheitern die ersten Versuche ihn zu bergen. Sobald die Soldaten versuchen zu ihm zu gelangen, wird sofort das Feuer eröffnet; Kugeln schlagen um sie herum ein, zischen über ihre Köpfe.

Mit zur Patrouille gehört ein qualifizierter österreichischer Steilfeuerbeobachtungstrupp. Dieser bildet - gemeinsam mit einem niederländischen Forward Air Controller (FAC) und seiner Tactical Air Control Party - temporär ein Joint Fire Support Team (JFST). Ein TACP ist ein truppstarkes Verbindungselement und besteht in der Regel aus Fernmeldern, einem Fahrer und Beobachtern, die international zur Laserzielmarkierung qualifiziert sind. Der Kompaniekommandant befiehlt die taktische Feuerunterstützung und beantragt gleichzeitig die Bergung des Verwundeten durch eine Aviation Task Force (AVTF).

Das JFST fordert daraufhin eine "Danger-Close-Mission" für "Immediate SMOKE" ("Blenden für 5 Minuten") beim Joint Fire Support Coordination Team (JFSCT) der EUBG an. Wegen der zu geringen Reichweite der eigenen Granatwerfer wird die Rohrartillerie eingesetzt. Kurz darauf pfeifen die 155-mm-Granaten der Panzerhaubitze 2000 der niederländischen Artillerie heran und stoßen die Nebelkörper über dem Ziel aus. Das Feuer liegt gut, den Aufständischen ist die Sicht genommen. Im Schutz der Nebelwand kann der Verwundete durch seinen Kameraden geborgen werden.

Als sich der Nebel lichtet, eröffnet der Feind neuerlich das Feuer. Nun schlagen auch 81-mm-Granaten ein. Mittlerweile kreist zur Zielortung die Drohne RQ-11 "Raven" - ein Unmanned Aerial System (UAS) - über dem Gebiet und klärt die feindliche Granatwerferstellung auf. In unmittelbarer Nähe der Feuerstellung befindet sich ein Dorf mit Zivilisten, vornehmlich Frauen und Kinder. Kein Ziel für die Artillerie!

Die Joint Fire Support Coordination Group (JFSCG) im Brigadehauptquartier des Regional Command hat bereits die Verfügbarkeit von Mitteln zur Feuerunterstützung aus der Luft geprüft und genehmigt den Einsatz von zwei Kampfhubschraubern vom Typ AH-64D "Apache". Das JFST weist den Hubschrauberpiloten in direkter Absprache die Ziele zu. Auf einem kleinen Laptop flimmert der Live-Videostream der Drohne, die Einschläge der 30-mm-Bordkanone sind gut zu sehen.

1000 Uhr morgens

Die Patrouille liegt nicht mehr unter Feuer. Der verletzte Kamerad wurde zur medizinischen Versorgung ausgeflogen. Er wird überleben. Die Patrouille führt den Auftrag fort.

Irgendwo in Wien

In einem Gebäude des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport um 1100 Uhr

Die zukünftige Ausrichtung der österreichischen Streitkräfte wird einem ebenso hochrangigen wie fachkundigen Publikum vorgetragen. Der Vortragende erläutert aus dem Strategiepapier: "Kennzeichnendes Strategieelement des Österreichischen Bundesheeres ist die Schaffung größtmöglicher Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gegenüber den Herausforderungen der Zukunft durch die intensive Kooperation im nationalen und multinationalen Verbund." und weiters "als Grundbefähigung ist das Zusammenwirken verschiedener Fähigkeitskategorien, wie Früherkennung, Aufklärung, Führung, Schutz, Wirkung und Mobilität sicherzustellen."

Heerestruppenschule, Institut Artillerie, zur gleichen Zeit

Der Lehrgangskommandant überreicht den Absolventen des Feuerunterstützungslehrganges 1 (FeuULG1) die Abschlussdekrete. Das anspruchsvolle Kursziel, die Qualifikation, die zur Mitarbeit in einem (multinationalen) Feuerunterstützungs- und Koordinierungselement in einer europäischen Battlegroup befähigt, wurde nach drei intensiven Wochen von allen Kursteilnehmern (Offizieren und Unteroffizieren) erreicht.

So kooperativ wie möglich - so autark wie notwendig

Die österreichische umfassende Sicherheitsvorsorge sieht zur Fähigkeitsausprägung die Kooperation im multinationalen Kontext bis zum Niveau der Rollen- und Aufgabenverteilung ("role and task sharing") vor. Die nationale Entscheidungshoheit ist eingeschränkt, nationale Fähigkeiten werden zugunsten multinationaler Kooperation aufgegeben. Der Fähigkeitserhalt im ausgewählten Profil erfolgt im Wege multinationaler Kooperation.

Es kann zukünftig nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass österreichische Streitkräfte sich an Einsätzen zur Trennung von Konfliktparteien (Seperation of Parties by Force - SOP) mittlerer Intensität beteiligen. Solche Missionen haben ein internationales Mandat. Österreich beteiligt sich grundsätzlich nur an Einsätzen mit einem UN-Mandat. Die unterschiedlichen Einschränkungen der teilnehmenden Kontingente sind in den Rules of Engagement festgelegt. Das erschwert die Erfüllung von etwaigen komplexen Gefechtsaufgaben in multinationalen Allianzen, insbesondere wenn es zur Anwendung militärischer Gewalt in Übereinstimmung mit dem (jeweiligen) nationalen Recht kommt. Jene Führungsebene, die den Kampf der verbundenen Waffen und Kräfte zu führen vermag, entspricht meist nur mehr der Kampfkraft der einzelnen nationalen Formation. Es ist daher zwingend erforderlich, den Schutz der eigenen Soldaten, oder wenigstens den Anforderungs- und Entscheidungsprozess zur taktischen Feuerunterstützung, autark durchführen zu können.

Um der Kampftruppe rund um die Uhr Schutz mit Mitteln des Joint Fire Support zu ermöglichen, ist es einerseits notwendig, unterschiedliche Wirkmittel simultan einzusetzen und andererseits die qualifizierte Feueranforderungen und deren Koordination und Leitung sicherzustellen.

Gemäß österreichischem Streitkräfteprofil 2012 Profilvariante "F 2" wird die weitreichende Feuerunterstützung im multinationalen Verbund abgedeckt. Daraus darf allerdings nicht zwingend gefolgert werden, dass auch die qualifizierten Joint Fire Support Elemente (wie z. B. Beobachter, Forward Air Controller sowie Entscheidungs- und Koordinierungselemente) ebenfalls durch andere Nationen bereitgestellt werden. Es liegt daher im nationalen Interesse Österreichs, sich diese Fähigkeitsqualifikationen selbst anzueignen. Die nötige Ausbildung hierzu wird in den Feuerunterstützungslehrgängen und der Beobachterausbildung am Institut Artillerie der Heerestruppenschule angeboten.

Neuerdings befinden sich auch österreichische Soldaten in der Ausbildung zum Forward Air Controller (FAC). In Zukunft wird das ÖBH somit auch über qualifiziertes Personal zur Sicherstellung der Terminal Attack Control (TAC) verfügen. TAC ist die Befugnis, das Flugverhalten von angreifenden Luftmitteln zu kontrollieren und ihnen eine Feuerfreigabe zu erteilen. Auch Artilleriebeobachter könnten zur Unterstützung von FAC herangezogen werden (Terminal Guidance Operations - TGO, das umfasst Maßnahmen, um Luftmittel bei der Zielaufklärung zu unterstützen).

Close Combat Support (CCA) hingegen ist ein Behelfsverfahren zum Einsatz von Kampfhubschraubern zur direkten Feuerunterstützung aus der Luft von im Kontakt mit dem Gegner stehenden eigenen Bodenkräften. An der Ausbildung und Qualifikation im ÖBH wird derzeit gearbeitet.

Im Sinne eines breiten militärischen Instrumentenkastens für ein zukünftiges Streitkräfteprofil ist es daher erstrebenswert, wenn bestimmte österreichische Steilfeuerbeobachter, Aufklärer und Mitglieder von spezialisierten Kräften die Fähigkeiten sowohl für CAS als auch für CCA besäßen. Artilleriebeobachter und FAC, gemeinsam eingesetzt, wären als "Joint Fire Support Team - JFST" befähigt, den gesamten Bedarf an Feuerunterstützung vom Boden und aus der Luft zu exekutieren!

Innovatives Kompetenzzentrum für JFS im ÖBH

Im Regelfall erfolgt die Qualifizierung von FAC durch spezielle FAC-Schulen im Ausland (z. B. Frankreich, Niederlande, Vereinigtes Königreich) und die Zertifizierung durch die zuständige nationale Behörde. Da die Ausbildung und der Erhalt der Qualifikationen sehr aufwändig sind, könnte Österreich selbstständig eine kostengünstige Zusatzausbildung zum Training der Feuerunterstützung aus der Luft entwickeln und anbieten. Dies würde einer Optimierung der Zusammenarbeitsfähigkeit im multinationalen Einsatz dienen und die Reputation unseres Heeres im Ausland stärken.

Hier wäre auch die leichte Bewaffnung der österreichischen Luftfahrzeuge von Vorteil. Mit kaum einem anderen Hubschrauber lässt sich so unkompliziert, preiswert und sicher Feuerunterstützung aus der Luft (FeuUadLu) im scharfen Schuss trainieren, wie mit den österreichischen OH-58 "Kiowa" (mit 7,62-mm-Minigun). Die Pilatus-PC7/OE (mit 12,7-mm-üsMG und 70-mm-Übungsraketen) hingegen sind mit ihrer Doppelbewaffnung ausgezeichnet für die Grundausbildung und den Erhalt der Qualifizierungen von FACs geeignet (siehe auch "ADRI- ATIC STRIKE 2013" von Hptm Mag.(FH) Dusl in der Fachpublikation AQUILA, September 2013). Das Simulationssystem Virtual Battle Space 2 (VBS-2) ermöglicht mit einem Zusatzmodul überdies die Ausbildung von Feuerleitoffizieren und Steilfeuerbeobachtern.

In Ergänzung zu den vom Institut Artillerie angebotenen Feuerunterstützungslehrgängen und der Fachexpertise der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule (FlFlATS), wäre das ÖBH befähigt, ein innovatives Kompetenzzentrum (z. B. International Training Centre for Joint Fire Support Procedures) zu entwickeln und Synergien zu erzielen.

Auf einen Blick

Das ÖBH hat in den letzten Jahrzehnten in zahlreichen internationalen Missionen erstklassige Arbeit geleistet und oft gefährliche Situationen gemeistert. Mit Ausnahme der UN-Mission im Tschad im Jahr 2009, wo österreichische Spezialeinsatzkräfte mit der französischen Luftwaffe kooperierten, verfügt das ÖBH über wenig eigene Einsatzerfahrung in der Anwendung von Joint Fire Support. Zur Anpassung des taktischen Fähigkeitsprofils sind das ÖBH im Allgemeinen und die österreichische Artillerie im Besonderen von der Kooperation mit anderen, befreundeten Partnern abhängig.

Zur Schärfung des zukünftigen Profiles der österreichischen Streitkräfte und zur Gewährleistung der Flexibilität sind die bereits vorhandenen Fähigkeiten für die taktische Feuerunterstützung weiterzuentwickeln,um unseren Soldaten in multinationalen Einsätzen professionelle Force Protection bieten zu können.

Irgendwo in Afrika - am nächsten Tag

Die 1. Kompanie (AUT) der EU-Battlegroup (EUBG) befindet sich wieder auf Patrouille. Die Soldaten sind nach den gestrigen Vorfällen angespannt. Sie werden aber auch von der Gewissheit geleitet, dass sie sich im Kampf aufeinander verlassen können und - wann immer nötig - dementsprechende Feuerunterstützung verfügbar ist.


Autor: Vizeleutnant Michael Wirth, Jahrgang 1958, 1978 eingerückt zum Landwehrstammregiment (LWSR) 37 in Wr. Neustadt mit anschließender Milizverwendung. Wiedereingerückt 1983, Verwendung als Artilleriebeobachter, Zugskommandant und Feuerleit-UO beim LWSR 37, Artillerieregiment 3, Brigadeartilleriebataillon 3, Korpsartilleriebataillon 31. 1989 Teilnehmer am 9. Stabsunteroffizierskurs in Enns, Ehrenring der Heeresunteroffiziersschule in Gold. 1991/92 Ausbildung an der Zentralen Instruktorenschule in Herisau, Schweiz. 1993 Ausbildung zum Heereshochalpinisten. 1999 Lehrunteroffizier für Artilleriebeob- achtungsdienst an der Artillerieschule in Baden. Seit 2002 Verwendung als Spezialist für teilstreitkräfteübergreifende Feuerunterstützung sowie Teilnahme an zahlreichen nationalen und internationalen Übungen (z.B.: EE09, VIKING11, CE13). Seit 2008 Hauptlehrunteroffizier für taktische Feuerleitung (Joint Fire Support) im Institut Artillerie der Heerestruppenschule. 2010 Joint Tactical Targeting Course an der Royal School of Artillery (RSA) in Larkhill, Großbritannien. 2013 Absolvierung des Tactical English Course.

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