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Militärpolitik: Die Europäische Armee - ein fernes Ziel?

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Zusammenhang mit den Feiern zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge in einem Interview den Begriff "Europäische Armee" verwendet. Es ging in diesem Interview darum, das starke europäische Engagement des deutschen Ratsvorsitzes zu illustrieren. Dazu gehören auch Visionen, und dort hat auch die Zielsetzung einer Europäischen Armee ihren legitimen Platz.

Die Schaffung einer Europäischen Armee hätte zum Ziel, die Europäische Union mit einem Instrument auszustatten, das direkt nach Ratsbeschluss - ohne Beauftragung von Einzelstaaten mit Führungsaufgaben und ohne Aufrufen zu Truppenbeiträgen - für die Erfüllung von Aufträgen zu Verfügung stünde. Die EU hätte damit entscheidend an Reaktionsfähigkeit gewonnen. Wie ein solches Instrument aufgebaut sein könnte, ist eine zwar politisch und technisch herausfordernde, aber nicht die vorrangige Frage. Dagegen gibt es hier eine Reihe politisch höchst sensibler und miteinander vernetzter Probleme, von denen einige beispielhaft angeführt werden, um die Tragweite des Themas aufzuzeigen und zur Diskussion anzuregen. Die nun folgende Aufstellung erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit noch sind alle Themen zwingend als Vorfragen zu einer "Europäischen Armee" zu betrachten: - Will man überhaupt die EU mit einem Instrument ausstatten, das ihr eine höhere Reaktionsfähigkeit verleihen würde als der NATO?

- Wie groß wäre die Bereitschaft der Einzelstaaten, Beiträge dazu zu leisten, die sich nicht mehr oder nur in begrenztem Umfang im Zugriff dieser Staaten befänden?

- Auf welche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sollen sich die Aufträge eines derartigen Instrumentes neuer Qualität gründen?

- Was würde die Schaffung eines solchen Instrumentes für das sicherheitspolitische Verhältnis zwischen den USA, der NATO und Europa bedeuten?

- Wie würde dies von den kontinentalen Nachbarn der EU aufgefasst werden?

- In welchem Verhältnis würde ein solches Instrument zur Entwicklung einer gemeinsamen Verteidigung stehen?

- In welchem Verhältnis würde eine gemeinsame Verteidigung der EU zur nuklearen Komponente der Verteidigung stehen?

Schon aus dieser oberflächlichen Darstellung wird deutlich, dass der Begriff Europäische Armee nicht losgelöst von einem breiteren Feld sicherheitspolitischer Fragen betrachtet werden kann. Aus derzeitiger Sicht erscheint die Beantwortung dieser Fragen vielfach als unüberwindliches Hindernis. Dennoch ist es notwendig, sie schon jetzt zu stellen, denn nur dann kann man rechtzeitig Klarheit über das wirkliche Potenzial Europas zu einer eigenständigen Sicherheitspolitik erhalten. Die politische Herausforderung an jene, die ein Europa mit größtmöglichem sicherheitspolitischem Handlungsspielraum als Fernziel vor Augen haben, wird sein, diese Fragen mit Augenmaß zu stellen. Derzeit zählt wohl keine der oben gestellten Fragen zu den Hauptsorgen der europäischen Bevölkerung. Zwar müssen sich die politischen Führer der EU-Mitgliedstaaten zunächst mit den Hauptsorgen auseinandersetzen, aber sie sollten dabei nicht die sicherheitspolitische Vision aus den Augen verlieren. Gleichzeitig sollte beharrlich das weiter verfolgt und ausgebaut werden, was auf der Grundlage des vorhandenen politischen Konsenses verwirklicht werden kann. So lange man eben noch nicht von einer Europäischen Armee sprechen kann, geht es darum, die Union unterhalb der Schwelle gemeinsamer Kapazitäten mit Instrumenten auszustatten, die ein rasches Reagieren ermöglichen. Dazu gibt es dank der dynamischen Entwicklung der EU und ihrer Institutionen eine Anzahl von Möglichkeiten. Die Entwicklung rascher Reaktionsfähigkeiten, auch im militärischen Bereich, ist eine solche Möglichkeit. Die Aufgabe der Verbindungsstellen in Brüssel, darunter auch der österreichischen Militärvertretung, ist es, diese Möglichkeiten zu erkennen und Vorschläge zu unterbreiten, wie diese am besten genützt werden können.

Die so genannte "Berliner Erklärung" anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge steckt einen allgemeinen Rahmen für die Weiterentwicklung der europäischen Vision ab. Die Aussagen sind zwar sehr allgemein gehalten, aber dies kann als Zeichen für das oben erwähnte Augenmaß gewertet werden. Gerade im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Europäischen Armee ist das Gesamtverständnis der europäischen Vision wichtig. "Wir setzen uns dafür ein, dass Konflikte in der Welt friedlich gelöst (…) werden." Unter diesem Aspekt der Erklärung ist auch die Vorstellung von einer Europäischen Armee zu sehen. Die Berliner Erklärung illustriert deutlich genug, in welche Richtung Europa geht. Die erstrebte Schaffung eines Raumes des Friedens und der Stabilität erfordert auch eine militärische Dimension.

Autor: Brigadier Wolfgang Wosolsobe

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