Wohin wir gehen
Die volle personelle Einsatzfähigkeit unseres Bundesheeres wird nach wie vor durch unsere Kameraden aus dem Milizstand sichergestellt.
Allgemeines
Unser Wehrsystem, das nach den Grundsätzen eines Milizsystems eingerichtet ist, ermöglicht je nach Einsatzfall eine flexible Aufbietung von Soldaten für den Schutz und die Hilfeleistung im In- und Ausland. Über den Weg der verschiedenen Präsenzdienstarten können ausreichend Soldaten befähigt, ausgebildet und für den unmittelbaren Einsatz - im Ausland auf der Basis der Freiwilligkeit - in Bereitschaft gehalten werden.
Zur Aufrechterhaltung dieses bewährten Systems ist die allgemeine Wehrpflicht erforderlich, da dadurch kontinuierlich der erforderliche Nachwuchs herangebildet werden kann und Soldaten immer im Dienst stehen, die sofort zur Stelle sind, wenn schnelle Hilfe gefragt ist. Dennoch besteht aber das Wesen unseres Bundesheeres darin, den Einsatz auch dann sicherzustellen, wenn zivile Ressourcen zur Krisenbewältigung nicht mehr ausreichen. Darauf sind die Fähigkeiten unseres Bundesheeres auszurichten.
Milizsystem
Sehr häufig werden die Wehrpflichtigen des Milizstandes in der öffentlichen Diskussion pauschal mit der Bezeichnung "die Miliz" abwertend in die "Ecke" gestellt. Tatsächlich ist es aber so, dass die reinen Mobilmachungsverbände der Einsatzorganisation des Bundesheeres fast zur Gänze durch Wehrpflichtige des Milizstandes gebildet sind. Ebenso sind die anderen Verbände und Organisationseinheiten der Einsatzorganisation des Bundesheeres bis zu fünfundsiebzig Prozent mit Wehrpflichtigen des Milizstandes befüllt.
Für hochqualifizierte Kaderfunktionen sind Spezialisten aus dem zivilen Bereich mehr denn je gefragt. Ohne die Kameraden aus dem Milizstand und sogar aus dem Reservestand würde das Bundesheer sprichwörtlich in letzter Konsequenz "einpacken" können.
Weltweit beruhen die Armeen letztendlich alle auf einem milizartigen Wehrsystem, wenngleich sie temporär unterschiedlich ausgeformt sind und Aufgaben jeweils mehr oder weniger ohne Mobilmachung wahrnehmen; dennoch steht am Ende immer die zwangsweise Einberufung zum Wehr- oder Hilfsdienst. Von diesem System der verpflichtenden Einberufung zum Wehrdienst hängt das Funktionieren unserer gesamten Landesverteidigung in all ihren Facetten ab und dies muss uns allen immer wieder bewusst werden.
Professionalisierung und Erfolgskontrolle
In der strukturangepassten Heeresgliederung 1992 ist gegenwärtig der personelle und materielle Umfang des Bundesheeres festgelegt. In den Truppen und Dienststellen der Einsatzorganisation sind zum Zwecke der Ausbildung und zur Einsatzvorbereitung entsprechend den Einsatzerfordernissen mehr oder weniger Militärpersonen eingeteilt. Dieses Personal hat die Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Wehrpflichtigen der Einsatzorganisation sowie die konkreten Einsatzvorbereitungen und die Abschlussmaßnahmen nach einem Einsatz sicherzustellen.
Den Kommandanten und Dienststellenleitern der friedensmäßigen Organisationseinrichtungen des Bundesheeres ist die Gesamtverantwortung für die Herstellung der Einsatzfähigkeit der Einsatzorganisation in ihrem Zuständigkeitsbereich maßgeblich überantwort und diese Dienstpflichten werden hinkünftig verstärkt überprüft und auch eingefordert.
Zur besseren Professionalisierung unseres Bundesheeres wurde die Zentralstelle des Bundesheeres, die im Übrigen nach dem Bundesministeriengesetz einzurichten ist und keine Organisationseinrichtung der Einsatzorganisation des Bundesheeres darstellt, mit der am 1. Dezember 2002 in Kraft getretenen ReOrg auf die hinkünftigen Anforderungen und Führungsfähigkeiten ausgerichtet.
Damit wurden die Führungsstrukturen auf die
* bedarfsorientierte Planung und Organisation,
* zentrale Einsatzführung sowie
* verstärkte Erfolgskontrolle
ausgerichtet und systemgerechter auf die Verantwortungsbereiche hin gegliedert.
Gleichzeitig wurden jene bisher schon bestehenden Dienststellen, die sich nach und nach auf Grund der militärischen Erfordernisse entwickelt haben in die militärischen Kommandostrukturen übergeführt und auf Einsatzaufgaben verstärkt ausgerichtet.
Alle diese Maßnahmen sind zwar ein umfangreicher Modernisierungsschritt zur Ausrichtung auf zukünftige Anforderungen, sie verändern aber unser milizartiges Wehrsystem keineswegs, denn Freiwilligkeit wird hinkünftig mehr denn je gefragt sein.
Wehrpflichtigensystem
Entsprechend dem Personalbedarf werden derzeit jährlich ca. 30.000 Wehrpflichtige zur Leistung des Grundwehrdienstes einberufen.
Die Zuweisung der Wehrpflichtigen erfolgt mit der Wehrpflichtigenkontingentierung. Dabei werden je nach Erfordernis bestimmte Verbände mit grundwehrdienstleistenden Wehrpflichtigen so aufgefüllt, dass alle Funktionen vorübergehend besetzt sind und diese Truppen, die auch als präsente Verbände bezeichnet werden, zur Hilfeleistung sofort einsatzbereit sind.
Zu militärischen Einsätzen größeren Umfanges zur Erfüllung der im Wehrgesetz festgelegten Aufgaben müssten aber auch bei diesen Verbänden die qualifizierten Kadersoldaten des Milizstandes aufgeboten werden.
Der Grundwehrdienst dient daher einerseits zur Ausbildung und Vorbereitung auf eine Funktion in der Einsatzorganisation und andererseits zur Erfüllung von Hilfeleistungen, die das Bundesheer tagtäglich neben seiner Kernaufgabe zu erfüllen hat.
In der gegenwärtigen Situation sind derart vielfältige Hilfeleistungen wie Grenzraumüberwachung, Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze zu bewerkstelligen, dass darunter die gedeihliche Ausbildung sowie die personelle und materielle Einsatzvorbereitung in Mitleidenschaft gezogen ist.
Auf Dauer wird diese Situation der Einsatzfähigkeit des Bundesheeres nicht förderlich sein, da die Qualität der Ausbildung und die Vorbereitung auf den Einsatz immer mehr auf der Strecke bleiben und der derzeit noch hohe allgemeine militärische Ausbildungsstand zwar langsam aber dennoch sinkt. Hier wird durch neue Abläufe in der Ausbildung gegenzusteuern sein.
Aus dieser Betrachtensweise heraus wird deutlich, dass das Bundesheer nicht unter abhanden gekommenen Aufgaben leidet, sondern mit den Hilfeleistungen an die Grenze seiner Belastbarkeit angelangt ist.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass unter Beibehaltung bzw. weiterer Ausweitung der Einsatzaufgaben des Bundesheeres ein Verzicht auf die Wehrpflicht schwer vorstellbar ist und die Wehrpflichtigen des Milizstandes wichtige Träger der Landesverteidigung sind und für die Zukunft auch bleiben werden.
GenMjr Christian Segur-Cabanac, Leiter Führungsstab