Der Milizbegriff
Der Begriff der Miliz in der österreichischen Wehrrechtsordnung prägt wesentlich unser Wehrsystem.
Allgemeines
Der Ausdruck "Miliz" bezeichnet einen Begriff von verhältnismäßig hohem Abstraktionsgrad und erlaubt in einem breiten Spektrum möglicher Erscheinungsformen unterschiedliche Konkretisierungen.
Gemeinschaftsaufgabe
Das Wort leitet sich wie das Wort "Militär" aus dem Lateinischen her (miles - Soldat; militia - Kriegsdienst, Kriegsmacht). Es ist seit dem 17. Jahrhundert jedoch das französische "milice" in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen. Ebenso wie im Französischen bezeichnet es nach einem Bedeutungswandel nur im Kriege bestehende Streitkräfte, die in der Regel Selbstschutzkräfte einer Gemeinschaft sind, im Gegensatz zu dem "stehenden Heer", das als Berufsheer organisiert ist oder zumindest starke berufsmäßige Anteile aufweist.
Die Bedeutung einer von der Gemeinschaft selbst getragenen Schutz- und Verteidigungseinrichtung, die nur für Ausbildungs- und Einsatzzwecke zusammentritt, ist ein Wesensmerkmal des Idealtypus der Miliz geblieben.
Unterschiedliche Entwicklungen
Allerdings haben sich im Zuge historischer und regional unterschiedlicher Entwicklungen mannigfache Arten von Milizsystemen herausgebildet. Hiefür können entweder Freiwilligkeit oder Wehrpflicht ebenso wie Staatsangehörigkeit, regionale, städtische oder berufliche Anknüpfungspunkte die maßgeblichen Zugehörigkeitskriterien sein.
Je nach der jeweils spezifischen Ausgestaltung ihrer militärischen Organisation mit berufsmäßigem Kaderpersonal und ständigen Einrichtungen entsprechen die verschiedenen Milizsysteme mehr oder weniger dem erwähnten Idealtypus.
Gemeinsam ist ihnen aber jedenfalls
* eine Gestaltung der Schutz- und Verteidigungsvorkehrungen (zumindest überwiegend) nicht im Wege einer berufsmäßigen Institution, sondern als Gemeinschaftsaufgabe,
* die Organisation der Verbände (zumindest überwiegend) nicht als ständig präsente Einrichtungen, sondern in einem nur zur Grundausbildung, zu Übungen und für den Einsatz gebildeten Präsenzstand sowie
* die geistige Bereitschaft zur ständigen Mitwirkung an der Gemeinschaftsaufgabe der Verteidigung nach Maßgabe der jeweiligen individuellen Möglichkeiten.
Unterschiedliche Erscheinungsformen
Die gegenwärtig üblichen Umschreibungen des Milizbegriffes stimmen im allgemeinen mit diesen Wesenselementen des Idealtypus überein, weisen aber verschiedentlich auch auf das erwähnte Spektrum der Erscheinungsformen hin.
So ist in deutschen Nachschlagewerken dieser Begriff als "nicht ständige Streitkräfte, die im Frieden nur zu kurzfristiger Ausbildung und wiederholt zu Übungen zusammentreten oder nur schwache ständige Kader unterhalten und erst im Kriegsfall aufgefüllt werden" umschrieben.
In der englischen Fachliteratur wird die Miliz als "militärische Organisation von Bürgern mit einem bestimmten Grad an militärischer Ausbildung, die im Notfall zum Dienst verfügbar sind, gewöhnlich zur örtlichen Verteidigung" bezeichnet wobei "die moralische Basis der Miliz traditionell in der Verteidigung von Haus und Herd liegt".
Der Bericht der Wehrstrukturkommission 1972 der damaligen Bundesrepublik Deutschland wies deutlich auf die Vielfalt der Milizsysteme hin: "Der Begriff der Miliz wird unterschiedlich ausgelegt. Herkömmlich wird darunter eine spezifische Ausprägung der Wehrpflichtarmee verstanden.
Der Begriff wird aber auch in Verbindung mit dem Prinzip der Freiwilligkeit gebraucht." Gerade dieser Aspekt zeigt auf, dass "Miliz" ein Prinzip ist, welches wesentlich auf der Bereitschaft des einzelnen beruht, einen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten.
So hat dieser Ausdruck in der Miliztradition der Schweiz eine Begriffserweiterung in einem Sinne erfahren, der über das rein Militärische hinausgeht; er umfasst Dienste an der Gemeinschaft, die nicht beruflich oder mit Erwerbsabsicht geleistet werden.
Aus dieser Sicht hat sich in der Schweiz etwa der Ausdruck "Milizparlament" als Bezeichnung für eine parlamentarische Körperschaft entwickelt, die überwiegend aus ehrenamtlichen bzw. ihre Abgeordnetenfunktion neben dem Beruf ausübenden Mitglieder besteht.
Im europäischen Raum ist historisch eine Linie von Verteidigungssystemen erkennbar, die als Selbstschutz der Gemeinschaft organisiert waren und von den Volksheeren der antiken Demokratien in Griechenland und Rom über die germanischen und frühmittelalterlichen Heeresaufgebote, die Schweizer Bauern- und Bürgerheere des 14. Jahrhunderts zu den seit dem 16. Jahrhundert entwickelten, vom Landesherrn in Gemeinschaft mit dem Landständen getragenen "Landesdefensionen", zu der "levée en masse" in der Französischen Revolution sowie zu den im 19. und 20. Jahrhundert neu errichteten oder an bestehende Standesdefensionen anknüpfenden Milizorganisationen der bewaffneten Macht des Staates ("Landwehr", "Landsturm") reicht.
Beispiele für Milizsysteme
Derzeit sind im europäischen Vergleich als Beispiele für Milizsysteme, die auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht das maßgebliche Prinzip der Landesverteidigung bilden, die der Schweiz und Schwedens zu nennen.
Während das Milizsystem der Schweiz mit einem verhältnismäßig geringen Anteil an Berufskader und einem ebenso geringen Rahmen ständiger Einrichtungen dem Idealtypus der Miliz sehr nahe kommt, ist das Milizsystem Schwedens mit einem höheren Anteil ständig präsenten Kaderpersonals und Komponenten, die als stehende Streitkräfte organisiert sind (Luftwaffe, Marine), die typische Erscheinungsform einer "Kadermiliz".
Beispiel eines Milizsystems auf freiwilliger Grundlage ist die "National Guard" der Vereinigten Staaten von Amerika, die aus der Tradition von Milizverbänden aus der Kolonialzeit seit dem 17. Jahrhundert gewachsen ist und - neben bzw. im Hintergrund der "regulären Armee" - als jeweilige Streitkraft der einzelnen Gliedstaaten Aufgaben der Aufrechterhaltung öffentlicher Ruhe und Ordnung sowie der Katastrophenhilfe zu besorgen hat, aber auch unter besonderen Voraussetzungen ("nationaler Notstand") als Bundestruppe in die Kommandostruktur der "regulären Armee" integriert wird.
Entwicklung in Österreich
Österreich hat in einer langen Wehrtradition auch eine vielfältige Entwicklung verschiedener Milizsysteme aufzuweisen.
Der Schwerpunkt solcher Verteidigungseinrichtungen lag seit dem Verfall der Lehensheere in den "Landesaufgeboten" nach dem Landrecht. Mit dem zunehmenden Ausbau von Söldnerheeren verloren allerdings die Aufgebote an Bedeutung.
In diesem Rahmen ist ungeachtet der allgemeinen Entwicklung die Tiroler Wehrverfassung ein Beispiel eines dauerhaften Milizsystems, das über Jahrhunderte hinweg bis zum Ersten Weltkrieg in einer fließenden Anpassung an das allgemeine Wehrsystem Bestand hatte und wirksam blieb.
Auch in anderen Teilen des Reiches blieben neben der allgemeinen Entwicklung zum Berufsheer im städtischen wie im ländlichen Bereich Milizsysteme unterschiedlicher Prägung bestehen. Es waren dies regionale Aufgebote mit der Aufgabe des Abwehrkampfes, aber auch milizartige Strukturen mit Schutz- und Verteidigungsaufgaben anderer Art, wie der Instandhaltung von Fluchtburgen, der Errichtung und Aufrechterhaltung akustischer und visueller Warnsysteme, der Versorgungssicherung usw.
Ansätze für dauerhafte "Landesdefensionen", die zu dieser Zeit, insbesondere unter den Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges sowie später in Bemühungen Kaiser Karls VI. und Kaiserin Maria Theresias, feststellbar sind, traten jedoch bald wieder gegenüber dem vorherrschenden System der stehenden Heere in den Hintergrund.
Ein Milizsystem besonderer Art hat sich seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit den Türkenkriegen entwickelt. Im Gefolge der Belagerung Wiens im Jahre 1529 und des Einfalls in die östlichen Erblande von 1532 errichtete der spätere Kaiser Ferdinand I. im Jahre 1538 die sogenannte "Militärgrenze".
Die Ansiedlung von Wehrbauern mit der "Pflicht zum beständigen Kriegsdienst" und ihre Ausstattung mit Privilegien, wie Religionsfreiheit und Abgabenfreiheit, sollte einen "Schutzwall" bilden. Dieses Milizsystem, in das seit 1578 auch Berufssoldaten im Sinne einer Kadermiliz eingegliedert wurden, und das in seiner vollen Ausdehnung von der Adria bis nach Siebenbürgen reichte, hat sich in vielfältigen organisatorischen und rechtlichen Erneuerungen sowie unter modifizierten Aufgabenstellungen durch mehr als drei Jahrhunderte erhalten. Mit einem Manifest Kaiser Franz Josefs I. vom 15. Juli 1881 wurde das System der Militärgrenze endgültig aufgelöst.
Allgemeine Wiederbelebung
Eine allgemeine Wiederbelebung im öffentlichen Bewusstsein, aber auch im militärischen Denken erfuhr die Milizidee erst mit den Kriegen im Gefolge der Französischen Revolution, insbesondere mit den Befreiungskriegen gegen Napoleon I.. Sie fand ihren besonderen Niederschlag im Rahmen der von Erzherzog Karl 1801 eingeleiteten Heeresreform.
Mit Errichtung der "Landwehr" durch Kaiser Franz I. mit dem Patent vom 9. Juni 1808 wurde ein allgemeines Milizsystem als Territorialverteidigungsorganisation geschaffen, das weitestgehend dem eingangs skizzierten Idealtypus entsprach.
Nach ihrer Auflösung durch das Allerhöchste Patent vom 31. Juli 1852 wurde sie mit dem Wehrgesetz vom 5. Dezember 1868, RGBI. Nr. 151, zunächst programmatisch wieder vorgesehen und mit dem Gesetz vom 13. Mai 1869, RGBI. Nr. 68, über die Landwehr für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder auf der Grundlage der dualistischen Verfassung von 1867, neu geschaffen.
Sie war in ihrer ursprünglichen Form eine Miliz ohne ständiges Kaderpersonal. Lediglich die "Landwehr-Evidenthaltung" wies in jedem Bataillonsbezirk einen geringfügigen Personalstand von wenigen Berufssoldaten auf. In mehrfachen Änderungen ihrer gesetzlichen Grundlagen entwickelte sich die Landwehr in der Folge, unter anderem auch durch eine Verlängerung der Dienstzeit, in fortschreitender Angleichung an das stehende Heer letztlich zu einem dem k. u. k. Heer gleichwertigen Teil der Gesamtstreitkräfte.
Als neue Miliztruppe trat diesen beiden Gliederungen der bewaffneten Macht durch das Gesetz vom 6. Juni 1886, RGBI. Nr. 90, betreffend den Landsturm für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg, der "Landsturm" als subsidiarisches Verteidigungselement zur Seite. Die Landsturmpflicht erfasst nicht nur den einzelnen Staatsbürger, sondern auch die Bürgermilizen und Schützenkorps sowie die Militärveteranenvereine.
In den Wirren des Zusammenbruchs der Monarchie bildeten sich in den Ländern verschiedentlich milizartige Wehrformationen ("Heim-, Bürger-, Bauernwehren"), die regionale Selbstschutzaufgaben wahrnahmen.
Konzepte einer Gestaltung des Wehrwesens der neuen Republik auf der Grundlage des Milizprinzips wurden durch den Staatsvertrag von St. Germainen-Laye, StBGI. Nr. 303/1920, der Österreich das System der allgemeinen Wehrpflicht untersagte, gegenstandslos.
Unabhängigkeit und Wehrhoheit
Nachdem mit der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1945 neuerlich der Gedanke eines Milizsystems für das österreichische Bundesheer erwogen wurde, trat dieser Gedanke nach der Wiedererlangung der Wehrhoheit im Jahre 1955 zu Gunsten eines Rahmen-(Kader)-Heeres in den Hintergrund. Der weitere Aufbau und Ausbau des Bundesheeres führte aber bereits seit 1958 zur Entwicklung einer Milizkomponente.
Es waren dies die sogenannten Grenzschutzeinheiten, die zuerst nur im Wege von "Standesevidenzkontrollen" zu halbtägigen Überprüfungen zusammengefasst und seit 1962 in kurzen Inspektionen/Instruktionen auf Verbandsebene für territorial gebundene Einsatzzwecke weiter ausgebildet wurden.
Durch Bereitstellungsscheine und die Übergabe von Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenständen an die Wehrpflichtigen zur Verwahrung am Wohnort wurde Vorsorge für eine rasche Mobilisierbarkeit dieser Einheiten getroffen. Die notwendigen gesetzlichen Grundlagen hiefür brachten die Novellen zum Wehrgesetz BGBI. Nr. 221/1962 und 185/1966 sowie das Militärleistungsgesetz, BGBI, Nr. 172/1968, hinsichtlich der materiellen Ergänzung (insbesondere hinsichtlich von Kraftfahrzeugen).
Diese Milizkomponente wurde 1966 durch die Aufstellung territorialer Sicherungskompanien in der Tiefe des Staatsgebietes nach gleichen Gesichtspunkten wie die Grenzschutzkompanien erweitert. 1968 erfolgte die Zusammenfassung und Umwandlung der Grenzschutz- und Sicherungskompanien in Landwehrbataillone und Landwehrregimenter.
Verstärkte Hinwendung zu einem Milizsystem
Eine verstärkte Hinwendung zu einem Milizsystem erfolgte mit der Bundesheer-Reform von 1970/71 auf Grund der neuen Gliederung des ordentlichen Präsenzdienstes in einem Grundwehrdienst von sechs Monaten und Truppenübungen von 60 Tagen.
Übergang zum Milizsystem
Bereits in der Bundesheer-Reformkommission, die der Vorbereitung der notwendigen legislativen und organisatorischen Maßnahmen diente, wurde hinsichtlich der Ausbauschwerpunkte für die Landwehr u.a. ausdrücklich festgestellt, dass die neue Präsenzdienststruktur den Übergang zum Milizsystem bedeute.
Die gesetzliche Grundlage dieses Strukturwandels bildete die Wehrrechtsnovelle 1971, BGBI. Nr. 272. Sie normierte neben den erwähnten Truppenübungen auch die neue Einrichtung der Kaderübungen, die ebenfalls ein auf ein Milizsystem ausgerichtetes Präsenzdienstelement darstellen.
Gleichzeitig wurde allerdings auch mit der Bereitschaftstruppe die Komponente ständig einsatzbereiter Streitkräfte ausdrücklich als Organisationselement des Bundesheeres normiert. Hinsichtlich der Landwehrbataillone und -regimenter wurde die 1968 geschaffene Gliederung beibehalten, aber bei den Militärkommanden neue Landwehrausbildungsregimenter eingerichtet, die auch als Rahmentruppen für Landwehrbrigaden der Einsatzorganisation dienten. Damit wurde jedoch nur ein erster Schritt in die Richtung eines ausgeprägten Milizsystems gesetzt.
Ein weiterer Schritt folgte 1978 mit der Schaffung von Landwehrstammregimentern, die Träger der Landwehr-Friedensorganisation waren. Ihnen kamen die Ausbildung, Materialverwaltung und Verantwortlichkeit für die Mobilmachung der ihnen zugeordneten Landwehrtruppenkörper der Einsatzorganisation zu. Da diese Landwehrtruppenkörper nur im Rahmen der Einsatzorganisation bestanden und außerhalb eines Einsatzes nur zu Waffenübungen zusammentraten, bildeten sie eine typische Milizstruktur.
Durch das Fortschreiten des Heeresausbaues umfassten diese Landwehrverbände nicht mehr nur die früheren Grenzschutz- und Sicherungstruppen, sondern die Masse der infanteristischen Kampf- und Kampfunterstützungstruppen wie Jägerbrigaden, Sperr- und Jagdkampfbataillone, Artilleriebataillone etc. mit dem gesamten Aufgabenspektrum der Einsatzarten im Rahmen der "Raumverteidigung".
Ausdrückliche Bekennung zum Milizsystem
In zahlreichen Schritten führte der Weg über die o.a. Bundesheer-Reform von 1971/72 über die konzeptiven Grundlagen der Verteidigungsdoktrin von 1975 und des Landesverteidigungsplanes von 1984 zu der Erklärung der Bundesregierung vom 28. Jänner 1987.
Dabei führte die Bundesregierung aus, dass die vom österreichischen Volk getragene umfassende Landesverteidigung einen integralen Bestandteil der Sicherheitspolitik bilde und die bewaffnete Neutralität als Beitrag zur Friedenssicherung und -bewahrung in Europa gesehen werde. Weiters bekannte sich die Bundesregierung ausdrücklich zum Milizsystem und zum Konzept der defensiven Raumverteidigung zu Land und in der Luft.
Der Milizbegriff sollte gesetzlich verankert werden. Staatsbürgern, die ihren Übungsverpflichtungen nachkommen, sollte daraus kein Nachteil erwachsen. Zusätzlich sollte für den Staatsbürger in Uniform die demokratischen Mitbestimmungs-, Vertretungs- und Beschwerdeeinrichtungen abgesichert werden.
Rechtliche Verankerung des Milizsystems in der Bundesverfassung
Im Sinne dieser programmatischen Erklärung beschloss der Nationalrat am 23. Juni 1988 das Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird. Dieses wurde unter BGBl. Nr. 341/1988 kundgemacht und trat mit 1. Juli 1988 in Kraft.
Die damit vorgenommene verfassungsgesetzliche Verankerung des Milizprinzips als Ergänzung des Art. 79 Abs. 1 B-VG ist im Hinblick auf die enge Beziehung des Milizprinzips zur Aufgabenstellung des Heeres sowie zur Art und zu den Bedingungen seiner Verwendung systemgerecht.
Hauptkomponenten des österreichischen Milizsystems
Bei der Einführung der genannten Regelung im Jahre 1988 ist der Verfassungsgesetzgeber von folgenden drei Hauptkomponenten des österreichischen Milizsystems ausgegangen:
* eine relativ kurze Dauer des Grundwehrdienstes sowie zusätzliche periodische, über einen längeren Zeitraum verteilte Wiederholungsübungen,
* eine Konzeption der Schutz- und Verteidigungsaufgabe nicht im Wege einer berufsmä-ßigen Institution, sondern als Gemeinschaftsaufgabe (zumindest überwiegend) und
* die Existenz eines bestimmten, vergleichsweise kleinen Anteiles eines sogenannten "stehenden Heeres" zur Gewährleistung einer raschen Reaktionsfähigkeit im Anlassfall.
Diese drei Hauptkomponenten des Milizsystems sind daher verfassungsrechtlich vorgegeben und können daher weder durch ein einfaches Bundesgesetz noch von den für die Heeresorganisation zuständigen Verwaltungsorganen geändert werden. Bei der Festlegung einer allfälligen neuen Heeresgliederung bzw. Reorganisation muss daher auf diese verfassungsrechtlichen Grundsätze unbedingt Rücksicht genommen werden.
Zum besseren Verständnis werden die Wehrsysteme eines Berufsheeres und eines auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht gebildeten Heeres kurz dargestellt:
* Beim System des Berufsheeres setzt sich die Armee ausschließlich aus Berufssoldaten in einem Dienstverhältnis bzw. Soldaten mit einer gewissen zeitlichen Verpflichtung zur Dienstleistung zusammen. Diese werden in ständig präsenten Truppen tätig.
* Das System der allgemeinen Wehrpflicht baut auf einer Kombination eines Rahmenkaderheeres mit einem Milizheer auf.
Rahmenkaderheer:
Der Stamm ("Kader") des Heeres besteht aus Berufssoldaten, die übrigen Soldaten leisten Wehrdienst auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht (Präsenzdienst). Hier besteht meistens ein hoher Anteil ständig präsenter Truppen. Um die volle Einsatzstärke zu erreichen, ist jedoch eine Mobilmachung notwendig.
Milizheer:
Hier besteht kein oder ein nur kleiner Kaderanteil von Berufssoldaten. Der Großteil der Armee besteht aus Soldaten, die auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht Wehrdienst leisten. Charakteristisch ist ein Präsenzdienst mit relativ kurzer Grundausbildung und auf längere Zeit verteilten Waffenübungen. Grundsätzlich bestehen hier keine präsenten Truppen bzw. nur Verbände mit geringfügigem präsenten Rahmen. Das Heer tritt durch Mobilmachung zusammen. Hier sind diverse Erscheinungsformen möglich, entweder auf rein freiwilliger Basis oder ausschließlich nach territorialen oder beruflichen Kriterien.
Das Bundesheer ist als Milizheer organisiert
Das Bundesheer ist im Wesentlichen als Milizheer mit einem nicht unbeträchtlichen Anteil eines aktiven Kaders organisiert.
* Der aktive Kader besteht aus Militärpersonen und Militärpiloten auf Zeit.
* Der Milizkader des Bundesheeres setzt sich aus Chargen, Unteroffizieren und Offizieren des Milizstandes zusammen, die ihre Funktionen im Wege der Präsenzdienstleistungen wahrnehmen und die erforderlichen Qualifikationen im Rahmen der Ausbildung erlangen.
Die nun seit 1988 bestehende verfassungsrechtliche Bindung des einfachen Wehrrechtsgesetzgebers soll als Wehrsystem ein den österreichischen Bedürfnissen angemessenes und eigenständig gewachsenes Milizsystem sicherstellen, ohne die für den militärischen Bereich unerlässliche Beweglichkeit in der näheren Ausgestaltung zu beeinträchtigen. Die konkrete Umsetzung des Milizsystems auf einfachgesetzlicher Ebene ist dem Beitrag über rechtliche Verankerung des Milizsystems zu entnehmen.
Mag. Christoph Ulrich, ELeg