Slowenisches Panzer- und Artilleriemuseum Pivka
Junge Staaten haben es nicht immer leicht, die eigene Geschichte darzustellen. Slowenien, das nach zehntägigem Krieg gegen die Jugoslawische Volksarmee (JVA) 1991 seine Unabhängigkeit erreichte und 2004 der NATO und der EU beigetreten ist, hat in seinem "Park der Militärgeschichte" in Pivka einen ansehnlichen Versuch dazu gewagt.
Die Republik Slowenien weist eine Fläche von 20 253 km2 und eine Bevölkerung von rund zwei Millionen Menschen auf. Im istrischen Küstengebiet lebt eine italienische, im Osten (Prekmurje) eine kleine ungarische Minderheit. Neben einer hoch entwickelten Industrie und Landwirtschaft spielt der Tourismus eine zunehmend wichtige wirtschaftliche Rolle. Naturschönheiten, die Adriaküste und kulturelle Gegebenheiten wie der als überregionales Tourismusprojekt angelegte "Park der Militärgeschichte" in Pivka spielen eine große Rolle.
30 Prozent des Staatsgebietes sind als Schutzgebiete (darunter der Nationalpark Triglav) ausgewiesen. Slowenien ist Vertragspartei der Alpenkonvention.
In einer ehemals italienischen Kaserne (ein bei uns wenig bekanntes Faktum: ein Großteil des vorher österreichischen Krain und Istrien war von 1918 bis 1943 von Italien besetzt, Anm.), die später von einem Panzerregiment der Jugoslawischen Volksarmee genutzt worden war, haben das slowenische Verteidigungsministerium und die Gemeinde Pivka ein beachtenswertes Militärmuseum eingerichtet. Das ausgestellte Großgerät ist einen Besuch wert: vom Kampfpanzer M-3A.3 "Stuart" bis zum T-55, Flakpanzer ZSU-152 und Kampfschützenpanzer BVP-M80A reicht die Palette. Das Museum ist Zentrum eines "Parks der Militärgeschichte", der als groß angelegtes touristisches Projekt die gesamte Umgebung, wie etwa die Burg Prem, mit einbezieht und Ausgangspunkt für einen militärhistorischen Rundwanderweg ist.
Jahrhunderte militärischer Vergangenheit
Unmittelbar neben der Hauptstraße Postojna - Pivka - Rijeka befindet sich außerhalb des Ortes Pivka ein großer Parkplatz, von dem aus das ehemalige Kasernenareal erreichbar ist. Im früheren Kommandogebäude befinden sich die Kassa, der Shop und über zwei Stockwerke einer historisch-wehrgeografischen Dokumentation des Raumes der Pivka-Adelsberger Pforte. Das Becken von Pivka, am Übergang von den Ausläufern der Südalpen zum Karstgebirge, stellte schon in frühgeschichtlicher Zeit einen wichtigen Transitraum zwischen der nördlichen Adria und Zentraleuropa dar. Sehr übersichtliche und prägnant formulierte, von gut ausgewählten Bildern begleitete Erläuterungen in slowenischer und englischer Sprache sowie Modelle von Befestigungsanlagen unterschiedlicher Epochen führen den Besucher von der Römerzeit und Völkerwanderung über das Mittelalter und die Napoleonische Ära in das 20. Jahrhundert. Mit dem Herzogtum Krain, zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörig, ist die Geschichte des Raumes eng mit jener Mitteleuropas verbunden. Es wird auch dargestellt, dass unzählige Slowenen in den Heeren der Habsburger gegen die von Südosten vordringenden Türken, zusätzlich in diversen Reichskriegen sowie gegen die Invasionstruppen Napoleons und 1915 bis 1918 gegen Italien im Feld gestanden sind. Den Isonzoschlachten sowie der 1918 anbrechenden Zeit italienischer Besatzung wird einiger Raum gewidmet, hatten die Italiener in der Region doch gewaltige Befestigungswerke eines "Alpen-Walls" zur Sicherung gegenüber dem (seit 1929) Königreich Jugoslawien errichtet. Im Foyer des Kommandogebäudes sind zwei freigelegte Wandinschriften aus italienischer Zeit bemerkenswert: sie stellen die Leistungen des damals dort garnisonierten Verbandes der königlich-italienischen Armee im Laufe der Geschichte anhand der verliehenen hochrangigen Auszeichnungen dar. Jedem Soldaten wurde damit täglich die glorreiche Vergangenheit seiner Einheit vor Augen geführt.
Mit der Besetzung Jugoslawiens durch die Achsenmächte 1941 brach die wohl unseligste Zeit über die Region herein. Slowenien wurde zwischen Italien, dem Deutschen Reich und Ungarn aufgeteilt. Dagegen und gegen die deutsche Germanisierungspolitik formierte sich bald unter kommunistischer Führung ein Widerstand, der in einen brutalen Partisanenkrieg mündete, wobei rivalisierende Partisanengruppen nicht nur gegen die deutschen und italienischen Besatzer, sondern auch gegeneinander kämpften. Auf von deutscher Seite begangene Kriegsverbrechen und Repressalien gegenüber der Zivilbevölkerung wird ebenso hingewiesen. Die von Partisanen begangenen Gräueltaten und die Vertreibung der deutschsprachigen und italienischen Bevölkerungsteile bleiben aber weitgehend ungenannt. Nach der Kapitulation Italiens 1943 fielen den jugoslawischen Partisanen große Mengen Waffen und Munition in die Hände; ebenso lieferten die Westalliierten Rüstungsgüter. Mit dem Rückzug der Deutschen Wehrmacht aus dem Balkan wurde der Raum Pivka unmittelbares Kriegsgebiet. In Vitrinen werden von den Partisanen verwendete Ausrüstungen und Waffen deutscher, sowjetischer und britischer Herkunft gezeigt.
Krieg um die Unabhängigkeit Sloweniens
Von großem Interesse sind die Darstellungen zum Unabhängigkeitskrieg Sloweniens 1991. Slowenien und Kroatien, die beiden wirtschaftlich am besten entwickelten und Westeuropa zugewandten Teilrepubliken des kommunistischen Jugoslawiens, erwirtschafteten Ende der Achzigerjahre des 20. Jahrhunderts mit 28 Prozent der Bevölkerung 45 Prozent des Bruttonationalproduktes. Die beiden jahrhundertelang mitteleuropäisch-katholisch geprägten Teilrepubliken Slowenien und Kroatien standen orthodoxen bzw. islamisch geprägten Teilrepubliken im Süden gegenüber. Trotz aller Bemühungen um einen nationalen Ausgleich wurde die zentrale Verwaltung Jugoslawiens, vor allem im Militär und Sicherheitsapparat, von Serbien dominiert. Nach dem Tod von Staats- und Parteichef Josip Broz Tito 1980 verschärften sich rasch die inneren Spannungen. Von Kroaten und Slowenen immer wieder geforderte Reformen scheiterten am Widerstand der Zentralregierung in Belgrad. Eine Mischung aus unbewältigten historisch-nationalen und gesellschaftlichen Gegensätzen sowie divergierende wirtschaftliche Interessen bestärkten die Teilrepubliken, allen voran Slowenien und Kroatien, einen eigenständigen Weg als unabhängige Staaten zu gehen. Die regionalen Wahlen 1990 brachten eine Ablöse der kommunistischen Partei in der Führung Sloweniens und am 25. Juni 1991 beschloss das Parlament in Laibach die Unabhängigkeit Sloweniens. Der Zerfall Jugoslawiens begann. Die regionalen Geschehnisse werden in Texten und Bildern einprägsam dargestellt. Das entschlossene und offensichtlich sehr ausgeklügelt angelegte Vorgehen der slowenischen Kräfte vermag durchaus zu beeindrucken. Die slowenische Polizei und die Territorialverteidigung kämpften erfolgreich, wie sie es jahrelang zur Abwehr ausländischer Aggressoren geübt hatten, nun gegen die Jugoslawische Volksarmee: Die Abwehr gepanzerter Verbände unter Ausnützung des für Hinterhalte idealen Geländes, Unterbrechung von Versorgungswegen usw.Waffen und Ausrüstungen der slowenischen Territorialverteidigung sind in zahlreichen Vitrinen dargestellt.
Artillerie und Panzer
Oberhalb des Kommandogebäudes befinden sich zwei derzeit verfallende Unterkunftsblocks, dahinter ein Freigelände, wo u. a. ein sowjetischer Grabenbagger BTM-3, ein Brückenlegepanzer MT-55A und eine 122-mm-Panzerhaubitze 2S1 zu sehen sind. In den beiden dahinter liegenden Gebäuden sind Panzer und Geschütze des Zweiten Weltkrieges bis herauf zur jüngsten Vergangenheit ausgestellt. Betritt man das erste Gebäude, fällt naturgemäß der nach dem Krieg durch U.S.-Hilfslieferungen an Jugoslawien gelangte Panzer M.3 A3 "Stuart" auf, ein Stahlkoloss mit vergleichsweise geringer Bewaffnung (3,7-cm-Kanone, drei 7,62-mm-Maschinengewehre). Anschließend sind ein M.4 A3 "Sherman", je ein U.S.-Jagdpanzer M.36 und ein Kampfpanzer M.47 zu sehen, ebenso der sowjetische Kampfpanzer T-34/85. Ein leicht gepanzerter U.S. M.3 A1 "Armoured Scout Car" sowie ein Panzerspähwagen M.8 vervollständigen den Fuhrpark dieses Traktes. Neben den gepanzerten Fahrzeugen sind u. a. diverse Panzermotoren und Rohrwaffen ausgestellt. Dazu zählen ein 120-mm-Granatwerfer sowjetischen Baumusters, deutsche 2-cm-Fliegerabwehrkanonen 30 und 38, eine deutsche 7,5-cm-Panzerabwehrkanone 38, eine 10,5-cm-leichte Feldhaubitze 18/40 und eine französische 4,7-cm-Panzerabwehrkanone M.37 sowie eine jugoslawische 7,6-cm-Gebirgshaubitze M.48 B1. Die Weltkriegsveteranen deutscher und französischer Herkunft waren, wie in vielen Ländern des Nachkriegs-Europa, sämtlich noch in der JVA über viele Jahre weiterverwendet worden. Große Vitrinenkästen an der Rückwand des Saales zeigen Uniformen und Ausrüstungsstücke der deutschen, italienischen, sowjetischen und britischen Panzertruppe des Zweiten Weltkrieges sowie Kleidungsstücke jugoslawischer Partisanen.
In die Zeit des slowenischen Befreiungskrieges 1991 führt der 2. Trakt, der eine Anzahl neuerer Kampffahrzeuge sowjetischen und jugoslawischen Ursprungs beinhaltet. Erster Blickfang ist ein von der slowenischen Territorialverteidigung erbeuteter Kampfpanzer T-55. Die Geschichte seiner Inbesitznahme wird minutiös in Begleittexten geschildert. Weiters sind ein Radpanzer BRDM-2, eine gepanzerte "Selbstfahrlafette 30-mm-Zwilling-Flak "Praga" V3S (VZ 53/59/70) tschechoslowakischer Herkunft, ein beeindruckender sowjetischer 57-mm-Flakpanzer ZSU-57/2, ein Kampfpanzer T-72M (mit 12,5-cm-Kanone), ein jugoslawischer Kampfpanzer M-84 sowie ein Rad-Flakpanzer M55 A4 BOV-3 und ein amphibischer Kampfschützenpanzer BVP-M80A zu sehen. Dazu werden ausführliche Beschreibungen geliefert. Ergänzend sind Panzermunition und diverse Aggregate ausgestellt. In einem Diorama wird anhand von Modellfahrzeugen ein slowenischer Hinterhalt zur Bekämpfung einer Panzerkolonne der JVA veranschaulicht. Bemerkenswert ist der gute Erhaltungszustand sämtlicher gezeigter Objekte.
Ausgehend vom Artillerie- und Panzermuseum kann man einen militärhis- torischen Rundwanderweg begehen, der zu den alten italienischen Bunkeranlagen des Alpen-Walls führt. Die Gehzeit beträgt etwa vier Stunden.
Anreise: Über die Autobahn (Vignettenpflicht) Laibach (Ljubljana) - Koper bis Postojna, von dort zirka zwölf Kilometer Richtung Süden/Rijeka. Ein Besuch der nahegelegenen weltbekannten Adelsberger Grotte/Postojnska Jama im Zuge einer Reise bietet sich an.
Zur Ausstellung gibt es um fünf Euro einen gut illustrierten Begleitband (78 Seiten) in slowenischer und englischer Sprache, der geografische und organisatorische Angaben zum Park der Militärgeschichte Pivka und detaillierte Objektbeschreibungen der ausgestellten Panzerfahrzeuge und Geschütze beinhaltet.
Prof. Dipl. Ing. Hermann Hinterstoisser