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Die sprachliche Interoperabilität des Österreichischen Bundesheeres

Das Sprachinstitut des Österreichischen Bundesheeres (SIB) unterstützt mit seinem Know-how und speziellen Lehrgängen alle international militärisch handelnden österreichischen Soldaten bei der Erlangung der Fähigkeit zur sprachlichen Interoperabilität.

Historischer Rückblick

Das "Verstehenwollen" und "Verstehenmüssen" Anderssprachiger hat in der österreichischen Armee bereits eine jahrhundertelange Tradition. War doch die Habsburgermonarchie ein Vielvölkerstaat, dessen bedeutendstes Bindeglied die Armee darstellte. Die Institutionalisierung der Fremdsprachenausbildung an einer höheren militärischen Ausbildungsstätte geht auf das Jahr 1752 zurück, der Gründung der Militärakademie durch Maria Theresia, die mit ihrem berühmt gewordenen Satz "Mach´ er mir daraus tüchtige Officirs" den Auftrag dazu gab. Die Akademie besteht heute noch und die Fremdsprachenausbildung ist heute aktueller denn je.

Damals standen allerdings nicht Englisch oder Französisch im Vordergrund, sondern vor allem slawische Sprachen wie Tschechisch, Kroatisch, Polnisch, aber auch Ungarisch. Offiziere, die die Sprache ihres Regiments nicht beherrschten, mussten innerhalb von drei Jahren Kenntnisse auf einem entsprechenden Niveau nachweisen, um in ihrer Karriere nicht gehemmt zu werden. In den meisten Regimentern gab es aber mehrere offizielle Dienstsprachen, weshalb allen Truppen die Kommandosprache Deutsch gemeinsam war. Das "Kommandodeutsch" bestand aus einer eingeschränkten Anzahl von Anweisungen, um den Befehlen zum gemeinsamen Handeln folgen zu können.

Nach dem Ersten Weltkrieg verlor die Sprachausbildung für die Truppe in Österreich enorm an Bedeutung. Für den nunmehrigen Kleinstaat stand die deutsche Sprache als Dienstsprache fest und daran hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt wenig geändert. Verstärkt wurde dies noch durch den Neutralitätsstatus des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg, der ein Zusammenwirken mit Anderssprachigen im militärischen Bereich nur begrenzten Raum bot, wie beispielsweise in der Beteiligung an Einsätzen der Vereinten Nationen. Auslöser dazu war ein Beschluss der Österreichischen Bundesregierung, sich im Rahmen der Vereinten Nationen an internationalen Aktionen militärisch zu beteiligen. Der erste Einsatz erfolgte in Afrika, wo österreichische Blauhelme 1960 im Kongo tätig waren. Die jüngste Entsendung österreichischer Soldaten erfolgte ebenfalls nach Afrika, nämlich in den Tschad. Auf Zypern beteiligt sich das Bundesheer durchgehend bereits seit 1974, auf den Golanhöhen,wo Österreich ständig mit einem Bataillon vor Ort ist, sind es nur einige Monate weniger. Derzeit sind ca. 1 500 Soldaten weltweit in 15 Regionen eingesetzt. Im Laufe der Jahre haben bisher etwa 60 000 österreichische Soldaten an humanitären oder Friedensmissionen teilgenommen. Das Österreichische Bundesheer kann somit auf dem Gebiet der Interoperabilität auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückblicken.

Interoperabilität - was ist das?

Unter Interoperabilität wird grundsätzlich Kooperationsfähigkeit verstanden, vor allem im internationalen Umfeld. Die Deutsche Bundeswehr versteht unter "Interoperabilität" die "Fähigkeit von verschiedenen Streitkräften eines Bündnisses in der Ausführung eines zugewiesenen Auftrages effektiv zusammenzuwirken". (Siehe dazu auch "Über alle Barieren hinweg - Die Internationalisierung der Sprachausbildung" in TRUPPENDIENST 4/2004, Seite 345; Anm.) Ähnlich definiert auch der Sicherheitspolitische Bericht 2000 der Schweiz den Begriff der Interoperabilität als "… die Fähigkeit der Streitkräfte, mit Streitkräften anderer Staaten zu kooperieren. Diese Fähigkeit ist vor allem im Hinblick auf gemeinsame Einsätze wichtig. Interoperabilität bezieht sich namentlich auf Führung, Ausbildung, Ausrüstung, Struktur und Abläufe." Weiters wird dabei festgestellt, dass in der Interoperabilisierung die Grundvoraussetzung zur multilateralen Zusammenarbeit erfüllt wird. Die Beherrschung der englischen Sprache ist dabei die Grundvoraussetzung der so genannten mentalen Interoperabilität.

Die derzeit gültige NATO-Definition der Interoperabilität steht im Zusammenhang mit dem Standardisierungsprozess. Dabei werden vier Stufen dieser Standardisierung mit aufsteigender Zusammenarbeitseffizienz unterschieden:

  • Compatibility (Kompatibilität) als "niedrigste Stufe der Standardisierung ist die Fähigkeit von zwei oder mehr Geräten oder Teilen von Ausrüstung und Material, im gleichen Gerät oder der gleichen Umgebung bzw. unter gleichen Rahmenbedingungen zu bestehen oder zu funktionieren, ohne sich gegenseitig zu stören."
  • Interoperability (Zusammenarbeitsfähigkeit) als "zweitniedrigste Stufe der Standardisierung ist die Fähigkeit von Systemen, Truppenteilen oder Streitkräften, sich gegenseitig durch das Erbringen von Leistungen unterstützen zu können und die erbrachten Unterstützungsleistungen auch anwenden zu können, so dass sie durch diese ausgetauschten Leistungen in die Lage versetzt werden, effektiv zusammenzuarbeiten und dadurch die gemeinsame Erfüllung des Auftrages sicherzustellen."
  • Interchangeability (Austauschbarkeit) als "zweithöchste Stufe der Standardisierung ist ein Zustand, der erreicht ist, wenn zwei oder mehr Teile solche physischen und funktionellen Eigenschaften besitzen, dass sie in Leistung und Lebensdauer gleich sind und eines gegen das andere ohne Änderung des Teiles oder benachbarter Teile ausgetauscht werden kann, mit Ausnahme von Einstellungen (Justierungen), ohne zusätzliche Notwendigkeit der Auswahl für Passung und Leistung."
  • Commonality (Gleichheit) als "höchste Stufe der Standardisierung ist ein Zustand, der erreicht ist, wenn Gruppen von Personen, Organisationen oder Nationen gleiche Grundsätze, Verfahren oder Ausrüstung verwenden."

Die NATO strebt bei ihren multinationalen Strukturen die Standardisierung der Commonality bei Sprache, Doktrin und Arbeitsverfahren, Interchangeability bei der Logistik und Interoperability bei Führungs- und Kommunikationssystemen an.

Interoperabilität bedeutet andererseits aber immer auch Anpassung, entweder der einen Seite an die andere oder eines Systems an ein anderes. Anpassung von Hard- und Software bzw. Softskills, d. h. technische Applikationen, Anpassung an Formate und Grundlagen an Prozessabläufe oder an Denkschemata bzw. Anpassung an die entsprechende Terminologie. Man spricht auch von Harmonisierung. Die Fragen dabei sind:

  • Wer passt sich an wen an?
  • In welchem Ausmaß?
  • Wie weit werden z. B. eigene traditionell gewachsene Strukturen oder Ausbildungsformen aufgegeben (etwa durch einen NATO-Beitritt oder der Aufstellung einer EU-einheitlichen Truppe)?
  • Welche Vor- und Nachteile bringt eine solche Vereinheitlichung?
  • Reicht eine Auf- oder Zusatzschulung oder muss von Grund auf die Ausbildung anders ausgerichtet werden?
  • Lohnt sich der Aufwand (etwa finanziell oder personell, wenn z. B. Soldaten in Zukunft aufgrund zeitlich befristeter Dienstverhältnisse nicht mehr für eine längere Nutzungsphase verpflichtet werden können)?

Wer soll mit wem kooperieren? Dies ist eine der wichtigsten Fragen zur Interoperabilität. Und hier besteht für das Bundesheer, wie für viele andere Armeen auch, ein überaus breites Spektrum. Das reicht von internationalen Organisationen, über die Nachbarländer bis hin zur lokalen Bevölkerung in den jeweiligen militärischen Einsatzgebieten oder die Zusammenarbeit mit Streitkräften, die für Österreich von besonderem Interesse sind (etwa Schweden oder USA aufgrund der vermehrten Verwendung von Militärgütern aus diesen Ländern).

Das Interoperabilitätsspektrum des Bundesheeres (Auszug)

Das primäre Kriterium zur Erreichung der notwendigen Zusammenarbeitsfähigkeit, vor allem mit ausländischen Streitkräften, ist eine abgestimmte oder sogar harmonisierte Terminologie. Unbedingt erforderlich ist sie für eine gemeinsame Ausbildung oder in multinationalen Operationen.

Aus den für das österreichische Militär abzudeckenden sprachlichen Bedürfnissen im Bereich der internationalen Zusammenarbeit mit UNO, NATO und EU stand - und steht immer noch - die Sprache Englisch an vorderster Stelle. Dies spiegelt sich auch in der Organisation des relativ kleinen Sprachendienstes der österreichischen Streitkräfte, dem Sprachinstitut des Bundesheeres (SIB) wider. Die sprachliche Interoperabilität ist zwar nur ein kleiner aber ein unabdingbarer Teil eines komplexen und langfristigen Prozesses. Er ist untrennbar verbunden mit der prozessorientierten und technischen Interoperabilität. Einerseits geht es also um die Harmonisierung der Strukturen und Prozesse mit den zu kooperierenden Partnern - auf militärstrategischer Ebene würde dies die Herstellung der CJTF (Combined Joint Task Force)-Fähigkeit bedeuten - und andererseits um die technische Sicherstellung der Führungs-, Aufklärungs- und Informationssysteme. Die Zusammenarbeit setzt die Interoperabilität von Ausrüstung und operativen Verfahren voraus. Einheitliche Begrifflichkeit ist dabei unerlässlich.

Transformation

Aufgrund der Transformation der Streitkräfte durch die geänderte Sicherheitspolitik Österreichs im Allgemeinen und der Internationalisierung des Bundesheeres im Besonderen wurde am Sprachinstitut beurteilt, welche Auswirkungen dies für das Fremdsprachenwesen im Militär haben könnte. Auch wenn die bereits vor einigen Jahren beschlossene Reorganisation der Streitkräfte bei der konkreten Umsetzung erst am Beginn steht, so gab es hierzu bereits 2004 erste organisatorische Maßnahmen, denen weitere im Laufe des Transformationsprozesses folgten. Diese hatten unmittelbare Folgen für den Fremdsprachensektor im Militär und somit auch besondere Herausforderungen für das Sprachinstitut als zentrale Kompetenzstelle des Fremdsprachenwesens im Österreichischen Bundesheer in den Bereichen Planung, Organisation, Durchführung und Qualitätssicherung u. a.

  • die Trennung der Kompetenzen Sprachausbildung, Sprachmittlung und Terminologiearbeit in der Zentralstelle,
  • die Einführung der verpflichteten Englischausbildung im Rahmen der Unteroffiziersausbildung (unterteilt in vier Qualifizierungsstufen),
  • die Änderung der Offizierausbildung zunächst auf einen achtsemestrigen Fachhochschuldiplomstudiengang (FHDStG) und mit September 2008 auf ein sechssemestriges Bakkalaureats-Studium,
  • die verstärkte Internationalisierung der höheren Offiziersausbildung bzw. der Offiziersfort- und -weiterbildung und
  • die vermehrte Teilnahme an verschiedenen UN-, EU- und NATO-PfP(Partnership for Peace)-Missionen sowie an mulitnationalen Übungen.

Neue Spracheneinteilung

Wurden früher die Sprachen landläufig nur in Weltsprachen und andere Sprachen eingeteilt, so machte insbesondere der europäische Einigungsprozess sowie die aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) resultierende und militärische internationale Zusammenarbeit Überlegungen hinsichtlich einer neuen Einteilung der Sprachen notwendig. Diese Überlegungen sollten auch in ein neues Sprachenkonzept des Österreichischen Bundesheeres einfließen. Oberst dhmfD Mag. Bruno Nestler unternahm aufgrund der sicherheitspolitischen Veränderungen in Europa den Versuch, die Sprachen nach den sicherheitspolitischen Entwicklungen und ihren unterschiedlichen Funktionalitäten in den Streitkräften zu strukturieren. Seine Kategorisierung für das Österreichische Bundesheer sieht vier Sprachfunktionalitäten vor, wobei einzelne Sprachen auch mehreren Funktionalitäten zugeordnet werden können:

  • Arbeits- und Führungssprachen als Werkzeuge der sicherheitspolitischen Integration und der Führung multinationaler Operationen;
  • Nachbar- und regionale Kooperationssprachen als Werkzeuge der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, der guten Nachbarschaft und des Militärkulturaustausches;
  • Nachrichten- und Informationssprachen als Werkzeuge der militärisch relevanten Informationsgewinnung sowie
  • Einsatzraumsprachen als Werkzeuge zur Kommunikation im Einsatzraum mit der Bevölkerung und, wenn Englisch nicht ausreicht, vor Ort mit anderen Nationen.

Das Bureau for International Language Coordination

Das Bureau for International Language Coordination (BILC) ist ein Konsultations- und Beratungsorgan der NATO (also keine Organisationseinheit der NATO) für alle Fremdsprachenangelegenheiten, dem Österreich seit 1993 angehört. Es nimmt eine bedeutende Stellung im Bereich der Harmonisierung der Sprachausbildung ein und bildet quasi ein internationales Netzwerk auf diesem Gebiet. Dieses bereits 1966 eingerichtete Gremium, soll:

  • als Informationsschnittstelle der teilnehmenden Länder für die Entwicklung auf den Gebieten der Sprachausbildung in Streitkräften dienen;
  • jährlich je eine Konferenz für die konzeptive Arbeit und ein Seminar für die Durchführungsebene abhalten, in denen sprachausbildungsspezifische Themen behandelt werden;
  • die Einhaltung von STANAG 6001 (Standardization Agreement Language Proficiency Levels) für die NATO-Agentur für Standardisierung (NATO Standardization Agency) gewährleisten;
  • den Austausch von Expertenmeinungen und Dokumenten ermöglichen, die sich mit Fremdsprachenlernen, Curriculumsentwicklung, Prüfungswesen, usw. beschäftigen;
  • als Koordinationsstelle eine Möglichkeit bieten, sich bei Projekt- und Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Didaktik und Methodik, der Unterrichtstechnologien und -techniken sowie den Neuen Medien untereinander auszutauschen.

Das Ansprechelement seitens der NATO ist die NATO-Ausbildungsgruppe (NATO Training Group - NTG), welche als leitende NATO-Agentur für individuelle und kollektive Ausbildungsbedürfnisse zuständig ist, um bi- und multilaterale Kooperationen zu ermöglichen. Dazu dienen auch die erwähnten Bildungs- und Ausbildungsstandards. Österreich, mit dem Status eines ständigen Beobachters beim BILC, bringt sich seit Beginn seiner Mitgliedschaft mit konstruktiven Bei- und Vorträgen bei den Veranstaltungen ein. Zur Erreichung eines standardisierten und einheitlichen Sprachprüfungswesens werden regelmäßig Fortbildungsseminare für das Prüfungspersonal abgehalten. Diese Veranstaltungen bringen eine Fülle von Informationen, die direkt und indirekt in die Planung, Organisation und auch in die Durchführung von Sprachausbildungslehrgängen einfließen. Sie bringen aber auch mit dem vermehrten internationalen Engagement Österreichs durch die supranationale Vernetzung und die verstärkte Kooperation einen immensen Erfahrungsgewinn.

Sprachausbildung im Österreichischen Bundesheer

Die Sprachausbildung, insbesondere die Nutzung von Englisch als Arbeits- und Unterrichtssprache, ist in den letzten Jahren im Österreichischen Bundesheer beinahe zur Selbstverständlichkeit geworden. Sprachbeherrschung erfordert in größerem Umfang und kontinuierlicher als in anderen Bereichen "Life-long Learning". Der Zweck der Sprachausbildung ist daher

  • die Herstellung der sprachlichen Interoperabilität des Bundesheeres für internationale Einsätze,
  • die fachsprachliche Vorbereitung ausländischer Soldaten auf militärische Lehrgänge in Österreich,
  • die Abdeckung der fremdsprachlichen Erfordernisse im Geschäfts- und Besuchsverkehr der Zentralstelle, der Truppe und im Attachédienst sowie
  • die Schaffung fachsprachlicher Kompetenz zur Übersetzung und Auswertung fremdsprachiger Dokumente.

Zwingend vorgeschrieben sind daher für alle Berufsoffiziere und Berufsoffiziersanwärter die Sprache Englisch sowie Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache, nach Erfordernissen auch in weiteren Fremdsprachen. Ebenso ist Englisch für alle Berufsunteroffiziere obligatorisch geworden, nach Bedarf sind auch Kenntnisse in weiteren Fremdsprachen gefordert. Auch für zivile Beamte und Vertragsbedienstete sowie für Miliz- und Zeitsoldaten können Fremdsprachenkenntnisse wenn erforderlich auch noch vorgeschrieben werden. Gemäß der Aus- und Weiterbildungssystematik erfolgt der Fremdsprachenunterricht entweder integriert im Rahmen der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Offiziere und Unteroffiziere oder in eigenen Sprachausbildungsaktivitäten wie Förder- und Intensivseminaren, in Spezialseminaren, Tutorien oder im Rahmen einer Sonderausbildung (z. B. Technisch-logistisches Englisch für das Eurofighter-Wartungspersonal).

Militärfachsprachliche Ausbildung

Fachsprachliche Ausbildung ist die Integration von Fachsprachen in die sprachliche Ausbildung bzw. die (ausschließliche) Vermittlung von fachsprachlichen Inhalten. Ziel dabei ist es, Fachterminologie passiv zu verstehen und/oder aktiv anwenden zu können. In Spezialseminaren soll das Personal des Bundesheeres besser zur Aufgabenerfüllung auf den jeweiligen Arbeitsplätzen im In- und Ausland bzw. für internationale Einsätze und Übungen vorbereitet werden.

Terminologiearbeit

Die militärischen Fachsprachen werden als die Kernkompetenz des Sprachinstituts angesehen, welche die Grundlage sowohl für die Sprachausbildung als auch für die Sprachmittlung, also Dolmetschen und Übersetzen, bildet. Es genügt aber nicht, entsprechende Kenntnisse einer Sprache zu besitzen. Es ist auch erforderlich die militärischen Systeme und Organisationen, nämlich des eigenen und des Zielsprachenlandes, zum Verständnisvergleich umfassend zu kennen.

Die Produkte dieser meist bilateralen Projektarbeiten sind Fachwortlisten, Glossare, Militärwörterbücher, die in Papierform, aber auch elektronisch verfügbar gemacht werden. Auch hier erweist sich die internationale Zusammenarbeit durch ein im Laufe der Zeit aufgebautes und ständig erweitertes Netzwerk als äußerst fruchtbar.

Interkulturelle Kompetenz

Auch inhaltlich sieht sich der Fremdsprachenunterricht im Zuge der Internationalisierung der Streitkräfte neuen Anforderungen ausgesetzt. Er muss neben der Ausbildung zu rein sprachlichen Qualifikationen auch auf den immer stärker werdenden Austausch mit anderen Nationen und den damit verbundenen Kulturen vorbereiten. Dieser Beitrag zur Entwicklung einer breiteren interkulturellen Kompetenz gilt daher als eines jener wichtigen Kriterien, welches seinen festen Bestand in den Curricula haben muss.

Das Österreichische Bundesheer beteiligt sich schon seit Jahrzehnten an Auslandseinsätzen der Vereinten Nationen und verfügt demgemäß über entsprechende Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen. Im Zuge der einsatzvorbereitenden Ausbildung wird stets auch Landes- und Kulturkunde z. B. mit Verhaltensregeln in anderen Kulturen ("Do´s and Dont´s") vermittelt. Zum besseren Verstehen im Einsatzraum bietet das Sprachinstitut fremdsprachliche Unterstützung in Form von Sprachfibeln, in denen neben dem fremdsprachlichen Teil auch landestypischen Gepflogenheiten Raum gewidmet ist. Dieser interkulturelle Aspekt ist aber nur einer von vielen Bereichen, die am Sprachinstitut Berücksichtigung finden.

Weitere Aktivitäten

Zur besseren Verständnis der (militärischen) interkulturellen Verständigung wurden weitere Schritte gesetzt, die hier auszugsweise und beispielhaft angeführt werden:

  • Institutionalisierung der Fort- und Weiterbildung für ausländische militärdiplomatische Vertreter sowie Einladung derselben zu fachspezifischen Veranstaltungen;
  • Bereitschaft des Sprachinstituts, einschlägige militärfachsprachliche Lehrgänge und Veranstaltungen im Rahmen des PWP (Partnership Work Program) als Host Nation durchzuführen;
  • Teilnahme des eigenen Fachpersonals an internationalen militärischen Lehrgängen und multinationalen Übungen sowohl im In- als auch im Ausland;
  • Entsendung von Institutsangehörigen zu Auslandsverwendungen im Rahmen von EU-, UN- bzw. NATO-PfP-Missionen;
  • Austausch von authentischen Lehr- und Lernmaterialien mit den jeweiligen militärischen Partnerinstitutionen;
  • Verpflichtung von muttersprachlichem Lehrpersonal zur Vermittlung aktueller und authentischer Kulturspezifika;
  • vermehrter Einsatz der Neuen Medien (NM), insbesondere des Internets zur Recherche landesspezifischer Faktoren.

Neben der fachsprachlichen und der methodisch-didaktischen Kompetenz der institutseigenen Lehrkräfte ist auch die interkulturelle Kompetenz ein Anliegen der Institutsleitung. Dem soll vor allem die internationale Zusammenarbeit, sowohl mit militärischen Einrichtungen als auch mit zivilen Bildungs- und Forschungsinstitutionen, dienen. Als Innovation auf diesem Gebiet sind vor allem das Tandemlernen, das Teamteaching, der gegenseitige Erfahrungsaustausch und der wechselseitige Lektorenaustausch zu sehen. Aber auch die modulartig aufgebaute Fort- und Weiterbildung, der nicht nur ein ganzheitliches, sondern auch ein handlungsorientiertes Konzept zu Grunde liegt.

Die Ziele des Fremdsprachenunterrichts sind ident mit jenen, die von der EU propagiert werden, nämlich u. a. eine kompetente Mehrsprachigkeit zu erreichen, wobei es zur Zielerreichung unterschiedliche Ansätze, Methoden und Konzepte gibt. Ein interkultureller Ansatz im Fremdsprachenunterricht stellt große Herausforderungen an die Fremdsprachenlehrer, die nicht nur Sprachkenntnisse vermitteln, sondern auch Aspekte der eigenen Kultur mit jenen der anderen in Beziehung setzen sollen. Abgehend vom traditionellen Fremdsprachenunterricht soll dabei vermehrt versucht werden, Texte im Fremdsprachenunterricht einzusetzen, die kulturspezifische Gedanken beinhalten, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten zu können.

Dieses In-Beziehung-Setzen gilt aber auch für die Angehörigen der Truppen stellenden Länder, die in solchen multinationalen Streitkräften Dienst versehen. Dabei kommt dem eine eher geringe Bedeutung zu, wenn es sich um selbstständig agierende Verbände handelt. Hingegen trifft man ständig auf dieses Phänomen, wenn es sich etwa um ein international besetztes Hauptquartier handelt, in dem Angehörige mehrerer Nationalitäten unmittelbar zusammenarbeiten müssen.

Projekt "Sprachfibel"

Mit dem Beschluss der Bundesregierung hinsichtlich der Beteiligung Österreichs an der Friedensmission im Kosovo wurde auch das Sprachinstitut in die Vorbereitungsphase eingebunden und mit der Prüfung beauftragt, in welcher Form dabei eine sprachliche Unterstützung geboten werden könnte. Nach einer eingehenden Analyse u. a. der Bedürfnisse des eingesetzten Kontingents sowie der Zielgruppe wurde entschieden, eine deutsch-albanische Sprachfibel zu erstellen. Ziel dabei war, jedem Angehörigen des österreichischen Kontingents ein in handlichem Format gedrucktes und damit leicht mitzuführendes Büchlein mitzugeben. Inhaltlich beschränkte man sich nur auf einige wenige grammatikalische Strukturen. Es wurden hier vielmehr Floskeln, Redewendungen und Formulierungen jener alltäglichen Lebens- und militärischen Situationen aufgenommen, in die Soldaten im Rahmen dieses Einsatzes kommen könnten. Eine Möglichkeit zur einfachen Kommunikation war also gefragt. Es sollte mit der Kenntnis einfacher albanischer Redewendungen und Floskeln unter anderem der Eindruck vermittelt werden können, dass man sich in guter Absicht in der Region befindet. Das galt auch bei Verhandlungen, wo man um eine positive Atmosphäre bemüht ist. Mit dem Wissen über bestimmte (kulturelle) Gepflogenheiten sollte gegenüber den Einheimischen gezeigt werden, dass die regionale Kultur respektiert wird.

Für das Wiedergeben der in der Sprachfibel enthaltenen Wörter, Redewendungen, Befehle usw. wurde die Idee der Vertonung derselben aufgegriffen und umgesetzt. Dies erfolgte in Form von zwei Audio-CDs (und nicht auf Kassette), weil anzunehmen war, dass die Mehrheit der vor allem jungen Soldaten eher einen tragbaren CD-Player als ein Kassettenabspielgerät mitführen würde.

Mit einem überaus positiven Feedback nach einem bestimmten Beobachtungszeitraum über die Akzeptanz und Brauchbarkeit einer solchen Sprachfibel des betreffenden Einsatzraumes wurden in ähnlicher Form weitere Sprachfibeln in den Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (B/K/S) für die Missionen SFOR, KFOR und EUFOR am Balkan, in Paschtu/Farsi für die Mission ISAF in Afghanistan, in Arabisch für die österreichischen Soldaten der UN-Mission UNDOF auf den Golan-Höhen in Syrien sowie für die EU-Mission im Tschad erstellt.

"Sprachliche Osterweiterung"

Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges brachte die neue politische Lage in Mittel-, Ost- und Südosteuropa auch Auswirkungen auf das Militär mit sich. Plötzlich gab es wieder Nachbarn, mit denen man reden und auch zusammenarbeiten wollte und musste. Gab es zu Beginn dieser neuen Situation noch viele Ressentiments und eine große Skepsis, so war es gerade das Bundesheer, welches frei von politischer Voreingenommenheit als eine der ersten Institutionen Initiativen für eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit setzte.

Es waren also Sprachen wie Tschechisch, Slowakisch, Ungarisch oder Slowenisch gefragt. Diese Sprachen wurden am Institut bereits seit Jahren gelehrt. Waren früher Militärattachés und Angehörige des Nachrichtendienstes die Bedarfsträger, so wurden es dann Angehörige der Truppe, weil Verbände und Einheiten aufgrund grenzüberschreitender Kooperationen und Partnerschaften einen solchen Bedarf anmeldeten. Zu dieser Zeit stand in diesen Ländern die obligatorische Sprachausbildung für Englisch erst am Beginn und war auch noch nicht flächendeckend etabliert. Dies änderte sich jedoch schlagartig mit dem Beitritt dieser Länder zur NATO und mit deren internationalem Engagement. Englisch wurde zur Lingua franca erklärt und es gab hierzu massive Unterstützung, vor allem durch die USA und das British Council, um die Englischkenntnisse in den aufzunehmenden Mitglieds- und Partnerländern entscheidend zu verbessern.

Dass das Österreichische Bundesheer am sprachenpolitischen Konzept der Beibehaltung der Nachbarsprachen (wozu aus historisch-traditionellen Gründen auch Kroatisch und Serbisch zählen) festhält, resultiert nicht etwa aus der mangelnden Flexibilität, sondern aus einer tiefen Überzeugung der Notwendigkeit einer gedeihlichen und guten Zusammenarbeit und eines breiteren Zuganges zum Verständnis einer anderen Nation oder Ethnie. Für die sprachlichen Zwecke - neben vielen anderen der Zusammenarbeit auch - erfolgten bilaterale Abkommen. In deren Rahmen werden ein reger Studenten- und Lektorenaustausch, der wechselseitige Besuch von militärischen Kursen, die Teilnahme an fachspezifischen Tagungen und Konferenzen, einschlägige Fort- und Weiterbildungsaktivitäten des Sprachenfachpersonals sowie Kooperationen in gemeinsamen militärterminologischen Projekten durchgeführt.

Deutsch als Fremdsprache

Deutsch als Fremdsprache (DaF) nimmt am Sprachinstitut eine Sonderstellung ein. Geschichtlich war dieser Arbeitsbereich nach dem Regimesturz in Albanien konkret geworden, als der damalige österreichische Verteidigungsminister, Dr. Werner Fasslabend, bei einem Besuch in der Region, albanischen Offizieren die Möglichkeit einer Deutschausbildung am Sprachinstitut angeboten hat. War es zunächst nur ein Ausbildungsprovisorium mit Gastlehrern, erkannte man bald den längerfristigen Bedarf und es wurde ein eigenes Organisationselement in Form eines Deutschreferates eingerichtet. Hauptaufgabe war nicht nur die Vermittlung der deutschen Sprache, sondern vor allem die Vorbereitung Angehöriger ausländischer Streitkräfte für eine Teilnahme an weiterführenden militärischen Kursen in Österreich. Hierzu galt es, neben dem Spracherwerb vor allem die österreichische Militärkultur, aber natürlich auch die zivile Kultur zu vermitteln. Es wurden nicht nur eigene Heereskundeseminare eingerichtet, sondern es wird heute auch ein umfangreiches militärisches Besuchs- und Kulturprogramm geboten. Um im Vorfeld hierfür noch wirksamer zu sein, werden im Rahmen der Zusammenarbeitsprogramme jährlich mehrmals Fortbildungsseminare für Deutschlehrer ausländischer Streitkräfte durchgeführt, in denen ebenfalls Themen der beiden erwähnten Bereiche behandelt werden.


Autor: Oberst dhmfD Mag. Dr. phil. Josef Ernst, Jahrgang 1955. 1978 Ausmusterung zum Offizier der Panzertruppe. 1978 bis 1983 verschiedene Verwendungen in Freistadt, Hörsching und Wiener Neustadt. 1983 bis 1992 Kompaniekommandant, Kraftfahr- und Hauptlehroffizier an der Heereskraftfahrschule in Baden. Seit 1992 am Sprachinstitut des Bundesheeres an der Landesverteidigungsakademie. 1992 bis 1995 Diplomstudium der Bohemistik und Pädagogik, 2001 bis 2002 Doktoratsstudium. Verwendungen am Sprachinstitut als Hauptlehroffizier und Referatsleiter (Tschechisch) sowie als Hauptreferatsleiter (Slawische Sprachen). Seit 2001 Leiter des Fachbereichs Zentrale Aufgaben und stellvertretender Institutsleiter. Mehrere Friedenseinsätze im Ausland im Rahmen der Vereinten Nationen (Zypern, Syrien, Israel und Libanon).

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