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Europäische Streitkräfte

Neue Sicherheitsrisiken erfordern Reformprozesse.

Durch das Ende der zweigeteilten Weltordnung ist die Gefahr eines großen (nuklearen) Krieges auf europäischem Boden in den Hintergrund getreten.
Aufgrund der europäischen Integration (EU) und der Integration europäischer Staaten im transatlantischen Verteidigungsbündnis der NATO ist - derzeit - auch nicht mit einem klassischen, zwischenstaatlichen Krieg auf EU- bzw. NATO-Territorium zu rechnen. Dennoch sind Spannungen z.B. zwischen den NATO-Partnern Griechenland und Türkei aufgrund der ungelösten Zypernfrage und Territorialstreitigkeiten in der Ägäis noch immer vorhanden.
Dies hat zur Folge, dass die Fähigkeit zur Territorialverteidigung zumindest für „Westeuropa“ und eingeschränkt auch für Mitteleuropa zunehmend den Charakter von - wenn auch unaufgebbaren – Reservefunktionen der Streitkräfte annimmt.
Hinzu kommt das Faktum, dass die europäischen NATO-Mitgliedsstaaten die Aufgabe der Territorialverteidigung im Rahmen des Militärbündnisses lösen.
Obzwar es gelungen ist, auf EU- bzw. europäischem NATO-Territorium eine Zone der Stabilität zu errichten, bedeutet dies nicht, dass es keine europäischen Sicherheitsrisiken gibt.

Europäische Risikokategorien

Europa im geographischen Sinne weist Zonen unterschiedlicher Stabilität auf:
* Den – weitestgehend - stabilen Kernbereich jener Staaten, welche in EU und/oder NATO integriert sind,
* Staaten, welche sich in einem Annäherungsprozess an diesen Bereich befinden und
* die europäischen Randlagen – Südost- und Osteuropa, welche Konfliktherde besitzen.
Auch das europäische Umfeld – vom Mittelmeerraum über den Nahen und Mittleren Osten bis hin zum Kaukasus und nach Zentralasien beherbergt Krisenzonen mit Spill-over-Potential.

Die Sicherheitsrisiken Europas und seines Umfeldes sind:

- ungelöste ethnische und/oder religiöse Konflikte;
- ungelöste Minderheitenfragen, oft verbunden mit Sezessionsbestrebungen wie z.B. Kosovo;
- offene Territorial- und/oder Grenzfragen;
- fragile Friedensordnung der jugoslawischen Nachfolgestaaten und der Nachfolgestaaten der Sowjetunion;
- latente Kriegsgefahr im Nahen Osten;
- Gefahr gewaltsamer Konfliktaustragung in Nordafrika und im Mittleren Osten;
- Verwundbarkeit der europäischen Wirtschaft durch die Möglichkeit einer Sperre der Ölzufuhr aus der Golfregion;
- möglicher Besitz von Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten in absehbarer Zeit.
In einer zunehmend globalisierten Welt sieht sich Europa auch einem vielfältigeren und globaleren Bedrohungsspektrum gegenüber.
Aus diesem Grunde sind die vordringlichsten Aufgaben europäischer Sicherheitspolitik Konfliktprävention einerseits und die Verhinderung der Ausweitung von Krisen oder ihrer Eskalierung zu bewaffneten Konflikten andererseits.
„Eingedenk der in Köln vereinbarten Leitprinzipien sollte die Europäische Union in der Lage sein, ihrer Verantwortung im Bereich des gesamten Spektrums der im EU-Vertrag definierten Aufgaben der Konfliktverhütung und der Krisenbewältigung, den sogenannten Petersberg-Aufgaben, gerecht zu werden.
Die Europäische Union sollte autonom die Fähigkeit haben, Entscheidungen zu treffen, und, wenn die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist, zur Unterstützung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) EU-geführte militärische Operationen einzuleiten und auch durchzuführen, um auf internationale Krisen zu reagieren.“
(Zwischenbericht des Vorsitzes an den Europäischen Rat in Helsinki über die Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik)
Bis zum Jahr 2003 will die EU dazu befähigt sein, innerhalb von 60 Tagen eine handlungsfähige Eingreiftruppe in der Stärke von ca. 60 000 Soldaten für einen Einsatz in ein Krisengebiet zu stellen.
Eine EU-Truppe dieser Stärke sollte mindestens ein Jahr lang vor Ort eingesetzt werden können, was in der Praxis ein Verfügungspotential von 150.000 bis 180.000 Mann bedeutet.
Die Fähigkeiten einer einsatzfähigen europäischen schnellen Eingreiftruppe müssen den Erfordernissen wie
- Verlegbarkeit,
- Durchhaltefähigkeit,
- Interoperabilität,
- Flexibilität,
- Mobilität,
- Überlebensfähigkeit sowie
- Streitkräfteführung
für eine wirksame Krisenbewältigung entsprechen.
Diesbezüglich bedürfen die europäischen Streitkräfte entsprechender Operationsmethoden und -formen sowie geeigneter Ausbildungsprogramme.
Eine Tendenz, die europäischen Streitkräfte in Krisenreaktions- bzw. Interventionskräfte überzuführen, zeichnet sich somit ab, was impliziert, dass die EU-Staaten weniger, aber besser ausgebildete Soldaten benötigen. Damit verbunden ist auch der zunehmende Trend zur Professionalisierung der Streitkräfte.

Dr. Brigitte Sob, MWB

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