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Berichterstattung über den Irak-Krieg

"Ich sehe einen gigantischen Vormarsch von Stahl durch die Wüste"

Die Medien und das US-Militär hatten aus dem Golf-Krieg 1991 gelernt. Eine bessere Berichterstattung über den Irak-Kieg 2003 hat es trotzdem nicht gegeben. Einerseits gab es in vielen Medien Hinweise auf die Einwirkung von Propaganda und Zensur. Andererseits versuchten die Koalitionsstreitkräfte nicht mehr nur mit Satellitenaufnahmen Erfolge zu zeigen. Damit erschöpften sich aber die Lerneffekte.

"Eingebettete" Journalisten

Die Koalition ließ rund 500 Journalisten - "eingebettet" in den Streitkräften - berichten. Die Berichterstattung unterlag der Beschränkung, keine für die Truppe gefährlichen Angaben zu machen. In diesem ersten über weite Teile live übertragenen Konflikt gab es deshalb Berichte von Kampfhandlungen in Echtzeit. So konnten z. B. am 23. März die Zuschauer live die 7. US-Kavallerie im Ortskampf in Umm Kasr sehen. Mehr Informationen erhielt man dadurch nicht. Die Journalisten berichteten aus der Sicht der Beteiligten und deshalb oft unkritisch und ohne Überblick über das Gesamtgeschehen. "Ich sehe einen gigantischen Vormarsch von Stahl durch die irakische Wüste", verkündete z. B. der CNN-Reporter Walter Rodgers von einem Panzer aus. Er wusste aber nicht mehr, als dass er beim Vormarsch einer Panzereinheit irgendwo im Südirak war. Andere Korrespondenten waren dagegen noch mehr benachteiligt: Die Europäische Rundfunkunion protestierte gegen die Einschränkungen der Berichterstattung durch die Koalition; das Militär habe unabhängige Journalisten mit Gewalt aus dem Südirak vertrieben.

Inszenierte Ereignisse

Personifizierend wirkte die Berichterstattung über "Saddam und seine Paläste", und nahezu jeder Sender zeigte Bilder des US-Militärs vor den sprichwörtlichen goldenen Wasserhähnen. Als der irakische Staat zusammenbrach, inszenierten US-Truppen in Bagdad ein Medienereignis ersten Ranges: Panzer stießen in das Zentrum vor, bis zu einem repräsentativen Platz mit Saddam Hussein-Statue, genau gegenüber jenem Hotel, in dem westliche Medienvertreter wohnten. Einfacher konnte man sich nicht vor der Weltpresse präsentieren.

Auf irakischer Seite fand z. B. eine Suche nach angeblich mit Fallschirmen abgesprungenen Piloten in Bagdad statt, die live verfolgt werden konnte. Bei einigen Einstellungen war zu sehen, dass mehr Journalisten als Soldaten an der Suche teilnahmen. Es handelte sich offenbar um ein inszeniertes Ereignis. In einem Sender wiederholte eine Banderole im Bild die geringwertige Aussage der Bilder: "Irakisches Militär feuert ins Wasser". An den folgenden Tagen wurde diese Suche kaum noch thematisiert.

Falschinformationen

Bereits am 23. März wurde von der Koalition behauptet, es gäbe über 10 000 Gefangene, eine ganze Division habe sich ergeben, und die US-Truppen würden von der Bevölkerung freudig empfangen. Dies wurde mit immer gleichen Bildern einzelner Gefangener und zaghaft winkender Iraker illustriert. Am 25. März erklärten US-Sprecher, dass es 4 000 gefangene Iraker gebe und die Bevölkerung sich zurückhaltend bis feindlich benehme. Dieser Widerspruch wurde in der Berichterstattung nicht aufgeklärt.

Es gab noch weitere Falschinformationen: Die Briten berichteten, es seien SCUD-Raketen auf Kuwait abgefeuert worden (tatsächlich waren es "Silkworm"-Raketen) oder es wären britische Gefangene exekutiert worden. Auch der Fall von Umm Kasr wurde insgesamt neun Mal gemeldet, die Kontrolle über Basra ebenfalls mehrfach erzwungen.

Fehlendes Knowhow der Journalisten

Die Journalisten in der Golf-Region (etwa 500 "Embedded Journalists", 150 in Bagdad selbst und 900 im Nordirak) konnten viele Vorgänge nicht kritisch bewerten. Am 26. März hatten Medien z. B. berichtet, es seien über 100 gepanzerte Fahrzeuge der Iraker auf dem Marsch nach Fao. In anderen Berichten hieß es, es stießen rund 1 000 Fahrzeuge aus Bagdad auf Stellungen der Koalition vor. Diese großen, mehrfach berichteten Truppenbewegungen wurden in den folgenden Tagen nicht mehr erwähnt, als könnten hunderte Fahrzeuge einfach verschwinden. Entweder die Meldungen waren falsch oder die Sender hatten die Spur der Verbände verloren.

Berichte von Verzögerungen der Offensive ließen vergessen, dass der Vormarsch in der Tat schnell erfolgte und wichtige Kriegsziele erreicht wurden: der irakische Widerstand brach zusammen, Israel wurde nicht beschossen, die Türkei marschierte nicht im Nordirak ein, Massenvernichtungswaffen wurden nicht eingesetzt und auch nicht gefunden.

Noch erstaunlicher war, dass die geringen Verluste der Koalition und das Ausbleiben des umfangreichen Ortskampfes nicht in den Medien gewürdigt wurden. Die Beispiele Grosny oder Mogadischu zeigen, was hätte passieren können, wenn die irakischen Soldaten nicht einfach nach Hause gegangen wären. Auch der Grund, warum irakische Soldaten nicht gekämpft haben, blieb unbekannt. Der Vergleich mit dem alliierten Sieg über Deutschland 1945, der von vielen Medien angestellt wurde, verbot sich dementsprechend von selbst, denn bis zum 8. Mai 1945 war in Deutschland gekämpft worden und allein die Amerikaner hatten über 400 000 Tote zu beklagen. Bis zum 21. Kriegstag im Irak hatten die Koalitionsstreitkräfte dagegen rund 150 Tote und Vermisste.

Beeinflussung der Medien

Beide Parteien versuchten die Medien zu beeinflussen. Die USA behaupteten z. B., dass der irakische Vizepräsident Tarek Aziz geflohen sei. Als Christ konnte er am glaubwürdigsten als Überläufer bezeichnet werden, um in den ersten Stunden den Eindruck von Panik in der irakischen Armee zu erzeugen. Viele Medien saßen der gezielten Desinformation auf.

Aziz nahm später selbst im irakischen Fernsehen an einer Propagandaaktion teil, als er behauptete, ein US-Hubschrauber sei von Bauern mit dem Gewehr abgeschossen worden.

Der 1996 gegründete arabische Sender Al-Jazeera mit einem Publikum von rund 35 Millionen Zusehern im arabischen Raum zeigte nicht nur Bilder von toten, sondern auch von gefangenen US-Soldaten. US-Verteidigungsminister Rumsfeld erklärte dazu, wer Bilder von misshandelten Kriegsgefangenen zeige, mache sich mitschuldig. Al-Jazeera hatte bereits die Videobotschaften von Osama bin Laden ausgestrahlt und war deshalb im Pentagon kritisch beurteilt worden. Im Irak-Konflikt hielten sich die US-Fernsehanstalten weitgehend an die Empfehlung Rumsfelds, die Bilder der Kriegsgefangenen nicht zu zeigen. Sie erschienen nur als Standbild. Die US-Medien übten in diesem Fall also Selbstzensur. Auf der anderen Seite waren mehrfach irakische Tote im Fernsehen zu sehen. Weil die USA Gefangene aus Afghanistan unter umstrittenen Bedingungen gefangen halten und sich dem Internationalen Strafgerichtshof entziehen, erscheint ihr Protest doppelzüngig, wie Vertreter von Amnesty International bemängelten. Bilder, welche die brutale Kriegswirklichkeit mit Tod und Verwundung zeigten, waren generell kaum zu sehen - trotz eingebetteter Journalisten. Hier griff die Selbstzensur der Medien, teilweise unter dem Vorwand, derartige Aufnahmen seien den Zuschauern nicht zuzumuten.

In den Berichterstattungskonflikt zwischen CNN und Al-Jazeera griffen auch amerikanische Hacker ein: Sie hatten die Internet-Seite von Al-Jazeera mit Links zu einer US-Flagge und u. a. der Botschaft "Gott segne unsere Truppen" manipuliert. Ähnliche Hacker-Angriffe waren besonders seit der Ausstrahlung von Bildern der US-Kriegsgefangenen auf Al-Jazeera zu verzeichnen gewesen.

Problematische "Begrifflichkeiten"

Viele Begriffe der Medien waren problematisch. So erklärte z. B. ein eingebetteter Korrespondent, die US-Truppen würden sich Gefechte mit "Rebellen" liefern, als handle es sich nicht um einen Angriffskrieg der USA, gegen den sich irakische Truppen auf ihrem Staatsgebiet verteidigten, sondern um die Auseinandersetzung zwischen Aufständischen und einer legitimen Regierung.

Die 700 irakischen Oppositionellen, die mit Ahmed Chalabis, dem umstrittenen Anführer des Irakischen Nationalkongresses, von US-Truppen im Irak abgesetzt wurden, wurden in den Medien fast durchgängig als "Freedom Fighters" bezeichnet. In irgendeiner Weise demokratisch legitimiert oder auch nur von einem größeren Teil der Iraker herbeigewünscht waren diese Kämpfer jedoch nicht.

Mancher Sender nannte die gesamte Auseinandersetzung "Krieg gegen Saddam", als handle es sich nicht um einen Konflikt zwischen Staaten mit dem offiziellen Ziel der Entwaffnung des Irak. Personifikation wurde aber auch bewusst von den Kriegsparteien eingesetzt: Nach der Vorführung von US-Kriegsgefangenen im irakischen Fernsehen konnten die USA mit der Befreiung einer Gefangenen nicht nur in der öffentlichen Meinung an Ansehen gewinnen, sondern den Erfolg auch personifizieren. Und wer sah harmloser aus als die verwundete 19-jährige US-Obergefreite Jessica Lynch, die aus einem irakischen Krankenhaus in Nassiriya befreit worden war.

Nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung setzten in vielen Städten Plünderungen ein, die im Fernsehen festgehalten wurden. In den Berichten hieß es z. B.: die Einwohner Bagdads seien dabei, "so viel Hab und Gut wie möglich zu organisieren". Die Bezeichnung Plünderung passte offenbar nicht zu dem - als positiv empfundenen - Rückzug des irakischen Staates.

Psychologische Maßnahmen

Wie im letzten Konflikt am Golf setzten die Koalitionsstreitkräfte wieder umfangreiche Maßnahmen der psychologischen Kriegführung ein: Flugblätter und Handzettel, Fernseh- und Hörfunksendungen, aber auch E-Mails und SMS an irakische Offiziere und Beamte.

Auf den Flugblättern der US-Truppen wurde in diesem Konflikt nicht nur zum Überlaufen und zur Kapitulation aufgefordert; die irakischen Truppen wurden auch gewarnt, Massenvernichtungswaffen einzusetzen, Infrastruktur zu zerstören oder Kriegsgefangene zu misshandeln.

Mehrere Hörfunkstationen mit unterschiedlicher Zielsetzung wirkten auf die Iraker mit so genannter weißer (der Absender gibt sich zu erkennen) und schwarzer (der Absender gibt sich als jemand anders aus) Propaganda. Modifizierte "Herkules"-Flugzeuge vom Typ EC-130E "Commando Solo", die in einer Höhe von 5 000 Metern über dem Irak kreisten, strahlten aus der Luft Sendungen über Mittelwelle und UKW aus. Dabei wurden u. a. bewusst irakische Sender imitiert, um glaubwürdig zu wirken und sich den Hörgewohnheiten der Bevölkerung anzupassen. Parallel dazu wurden irakische Rundfunkstationen mit Störsignalen behindert. Aber auch Sendestationen auf der Erde (z. B. in Kuwait) strahlten diese Programme aus. Zusätzlich konnten im Irak Programme der BBC, von Radio Monte Carlo oder dem US-finanzierten Sender Sawa in arabischer Sprache empfangen werden. Im Nordirak sendeten kurdische Sender und im Iran, in Saudi Arabien sowie in Kuwait andere oppositionelle Gruppen. Auch das war den Medien kaum einen Bericht wert. Angeblich sollten auch Militärangehörige und Führungspersonen aus Staat und Wirtschaft per SMS und E-Mail angesprochen worden sein, den Kampf aufzugeben. Entsprechende schnelle Erfolge sind aber ausgeblieben. Nach den TV-Auftritten von George W. Bush und Tony Blair, die sich am 10. April an die Iraker wandten und erklärten, die Koalitionstruppen würden "keinen Tag länger bleiben als nötig", startete nun auch eine neue Zeitung der Koalitionstruppen im Irak: "The Times" mit einer Startauflage von rund 10 000 Stück.

Insgesamt lässt sich dem US-Regierungsberater Harlan Ullmann zustimmen: Die Offensive lief "prächtig", was nicht prächtig laufe, sei die PR-Kampagne. Umgekehrt muss man feststellen, dass es viele Live-Berichte von Einzelereignissen gab, aber wenig Analysen des Gesamtkonfliktes und seiner politischen Folgen. Und die blutige Wirklichkeit des Krieges war auch diesmal den Bildern nicht zu entnehmen.

-SH-

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