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Militärisches Minenräumen

Im Österreichischen Bundesheer hatte man vom militärischen Minenräumen am Pioniersektor bis vor wenigen Jahren ganz bestimmte Vorstellungen - nämlich das Herstellen von Minengassen durch zumeist reinrassige Minensperren. Das "Fördern der eigenen Bewegung" als eine der vier Hauptaufgaben der Pioniertruppe beschränkte sich auf das Verstärken oder Bauen von Brücken und das Instandsetzen bzw. Befahrbarmachen von Straßen und Wegen. In den letzten zehn Jahren hat sich jedoch im Minenbewusstsein (Mine Awareness) viel verändert.

Die Vorschriften unterscheiden zwischen Minengassen für Schützen und Minengassen für Fahrzeuge. Der Unterschied beschränkte sich dabei auf deren Gesamtbreite bzw. die nutzbare Breite. Über die Räumtiefe und die daraus resultierende Räumqualität, also die Sicherheit für die eigenen Truppen, gab es nur wenige bis gar keine Angaben.

Das Räumen solcher Minengassen war fast ausschließlich als Gefechtsaufgabe im Kampf der verbundenen Waffen zu sehen. Der Bedarf, Minensperren zu öffnen, ergab sich meist während eines Angriffs oder Gegenangriffs eines mechanisierten Verbandes gegen einen Feind, der gewonnenes Gelände halten wollte und sich, seinen Einsatzgrundsätzen entsprechend, zur Verteidigung einrichtete.

Die Einsatzgrundsätze des möglichen Gegners (Sperrgrundsätze), seine Verfahren und seine Gliederungen (vor allem der Warschauer-Pakt-Staaten, mit ihren beweglichen Sperrabteilungen) waren bekannt. Trotzdem hat das Österreichische Bundesheer bis heute keine Gegenmaßnahmen (besonders materiell) getroffen, um verlegte Minensperren wieder rasch beseitigen zu können.

Sperren zu öffnen war zwar immer eine der Aufgaben der Pioniere, die Gliederung und Ausrüstung der Pioniertruppe sowie der Truppenpioniere ließen das jedoch kaum erkennen. Während in den Streitkräften des Warschauer Paktes Abteilungen zur Sicherstellung der Bewegung mit zeitgemäßen Minenräumgeräten ausgestattet wurden, waren in der ÖBH-Ausrüstung nur ein Minensuchgerät pro Zug und ein kurzer sowie ein langer (hölzerner) Minensuchstab vorhanden. Fördern der eigenen Bewegung als eine der vier Hauptaufgaben der Pioniertruppe beschränkte sich daher auf das Verstärken oder Bauen von Brücken und das Instandsetzen bzw. Befahrbarmachen von Straßen und Wegen.

Minenbewusstsein

Bei einigen Streitkräften, wie zum Beispiel der Deutschen Bundeswehr, steht heute die Verteidigung im eigenen Land nicht mehr im Mittelpunkt des Einsatzkonzeptes. Das quer durch Deutschland verlaufende Sperrsystem mit baulich vorbereiteten Sprengsperren und geplanten Minensperren bzw. das Hemmen der Bewegung des Feindes sind nicht mehr Schwerpunkt der Pionieraufgaben der Bundeswehr. Durch Erfahrungen aus internationalen Einsätzen wie in Bosnien, Kosovo oder Afghanistan gewann das Fördern der eigenen Bewegung an Bedeutung.

Ähnliche Erkenntnisse erlangten auch die österreichischen Soldaten im Auslandseinsatz. Vor allem der Einsatz im Kosovo änderte die Einstellung der Österreicher zur Minenbedrohung. Die für militärisches Minenräumen übliche Akzeptanz von Verlusten wurde nicht mehr so unkritisch hingenommen wie früher. Der gesamte Aufgabenbereich für Minenräumelemente wurde erweitert und zum Teil neu definiert - erst nach der Erkundung im Einsatzraum wird nun der Auftrag für das Kampfmittelräum- und Beseitigungselement des AUCON/KFOR konkretisiert bzw. neu formuliert. Dementsprechend mussten eine neue Ausrüstung und neues Gerät beschafft und zusammengestellt werden.

Militärisches Minenräumen soll die Wirkung von Einzelminen und Minensperren reduzieren oder gänzlich beseitigen. Das militärischtaktische Ziel ist stets, die Bewegungsfreiheit her- bzw. wiederherzustellen. Die Arten des militärischen Minenräumens sind abhängig von Art und Umfang des Einsatzes. Sicherheit und Räumqualität richten sich hauptsächlich nach der Bedrohungsintensität und der Notwendigkeit bzw. Dringlichkeit der jeweiligen Aufgabe. Es ist grundsätzlich zu beurteilen, wie weit der Einsatz als War Operation (Kriegseinsatz) oder als Military Operation Other Than War (MOOTW - Einsatz geringerer Bedrohungsintensität und Einsatz unter friedensmäßigen Bedingungen) zu bezeichnen ist.

Kriegseinsätze

Bei Kriegseinsätzen, d. h. Einsätzen, die umgangssprachlich oft als Schießkrieg bezeichnet werden, können folgende Aufgaben anfallen:

- Schaffen von Minengassen durch Minensperren oder kombinierte Sperren hindurch ohne Vorbereitung des Einsatzes (Hasty Breaching). Es werden dabei nur jene Kräfte und Mittel verwendet, die gerade vorhanden oder rasch verfügbar sind. Eine Unterbrechung des Angriffes zur Optimierung der Aktion ist dabei nicht vorgesehen.

- Schaffen von Minengassen durch Minensperren oder kombinierte Sperren hindurch mit Vorbereitung (Deliberate Breaching). Pionieraufklärung ist dabei in jedem Fall anzusetzen. Das Aufklärungsergebnis ist auszuwerten und die optimale Methode bzw. das zweckmäßigste Räumverfahren festzulegen. Die genaue Anzahl sowie die Lage der Minengassen durch die Sperre sind zu bestimmen. Alle Räumelemente müssen von der Kampftruppe gesichert werden. Feindteile sind niederzuhalten oder zumindest zu blenden.

- Räumen von Bewegungslinien (Route Clearance). Darunter versteht man die Beseitigung oder Reduktion der unmittelbaren Bedrohung durch alle Arten von Minen, Blindgängern (Unexploded Ordnances), Sprengfallen (Booby Traps) und improvisierten explosiven Vorrichtungen (Improvised Explosive Devices) entlang einer Strecke.

- Räumen von Flächen (Area Clearance) beschreibt die Beseitigung oder Reduktion der unmittelbaren Bedrohung durch Minen, Blindgänger, Sprengfallen und improvisierte explosive Vorrichtungen aus einer definierten Fläche.

Diese Einsätze sind typische Gefechtsaufgaben im Rahmen des Kampfes der verbundenen Waffen. Die Bedrohungsintensität ist beim Schaffen von Minengassen (Breaching Operations) am höchsten. Der Einsatz erfolgt meist unter Zeitdruck und mit einer gewissen Akzeptanz von Verlusten. Die Räumsicherheit, das heißt, dass mit Sicherheit alle Minen und Blindgänger innerhalb der markierten Minengasse beseitigt wurden, ist eher gering.

Das Räumen von Bewegungslinien und Flächen kann hingegen nur ohne direkten Feinddruck erfolgen. Kräfte-, Mittel- und Zeitkalkül werden durch den Pionierführer bzw. durch den Kommandanten des Räumelementes berechnet. In beiden Fällen ist der dafür vorgesehene Offizier Berater des taktischen Kommandanten. Sowohl die taktische Zielsetzung als auch die Entscheidung und die Kontrolle über den gesamten Einsatz liegen aber nach wie vor beim taktischen Kommandanten.

MOOTW (Military Operation Other Than War)

In Einsätzen geringerer Bedrohungsintensität und Einsätzen unter friedensmäßigen Bedingungen sind einige zusätzliche Rahmenbedingungen zu beachten. Die Bevölkerung des Einsatzlandes sowie zivile staatliche und nicht staatliche Organisationen (Governmental and Non Governmental Organisations) sind in die Planung aller Räumaktivitäten mit einzubeziehen. Höhere Räumstandards sind anzuwenden, und die Akzeptanz des Risikos ist auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Standardisierte Räummethoden und Räumverfahren müssen angewendet und alle geräumten Flächen und Bewegungslinien formal übergeben werden. Die Pionieraufgaben und Verantwortlichkeiten, wie Pionieraufklärung und Pioniererkundung, Informationsgewinnung und Informationsaustausch, Erstellung und Durchführung des einsatzlandspezifischen Mine Awareness Trainings, Unterstützung und Zusammenarbeit mit Mine Action Centers etc. gewinnen zunehmend an Bedeutung. Der Umfang an Markierungsarbeiten und Räumaktivitäten nimmt im Vergleich mit Einsätzen unter Gefechtsbedingungen zu. Das militärische Ziel ist, die Bewegungsfreiheit wiederherzustellen und zu erhalten, wobei drei Bereiche unterschieden werden:

- Räumen von Flächen, die aus militärischen, taktischen Gründen benötigt werden (z. B. Lagerbereich, Check Points, Landeflächen für Hubschrauber etc.); - Räumen von Bewegungslinien; - Räumen von Zugängen zum Bergen von Verletzten (Emergency Route Clearance).

Ähnlich wie bei den War Operations muss der taktische Kommandant den Bedarf und das Ziel formulieren. Abhängig davon kann der Pionieroffizier die anzuwendenden Räumstandards definieren, wie z. B. die Beseitigung aller Minen und Blindgänger bis zu einer Tiefe von 20 cm. Je höher die Anforderungen auf die Räumqualität und Sicherheit sind, desto zeit- und personalintensiver ist die Durchführung. Alle Räumaktivitäten müssen innerhalb eines bestimmten Qualitätssicherungssystems kontinuierlich kontrolliert und überprüft werden.

Räummethoden

In allen Bereichen des militärischen Minenräumens gibt es verschiedene Räummethoden, die den jeweiligen Umfeldbedingungen entsprechend angewendet werden können. Die bekanntesten und auch praktikablen Räummethoden sind - mechanisches, - pyrotechnisches oder - händisches Räumen.

Mechanisches Räumgerät

Zu dem für das mechanische Räumen erforderlichen Gerät zählen "Flails", das sind Schlagelemente, die auf einer beweglichen Achse mit hoher Drehzahl rotieren und dabei bis zu 40 cm tief in den Boden schlagen. Minen und Blindgänger werden dadurch meist zerstört oder ausgelöst.

"Fräsen" sind ebenfalls mechanische Räumsysteme, die eine relativ hohe Räumsicherheit bieten. Sie sind allerdings durch enorme Größe und Gewicht nur bedingt und nur unter bestimmten Umständen einsetzbar. "Fräsen" werden daher meist von zivilen Firmen und Organisationen im Bereich des humanitären Minenräumens verwendet.

Walzen, Rollen und Pflüge bzw. Kombinationen davon waren nicht als eigentliche Räumsysteme entwickelt worden. Sie dienen einerseits als Selbstschutz (z. B. KMT-4 auf Kampfpanzer T-72), andererseits als Detektionsgeräte zum Feststellen des Randes einer Minensperre.

Pyrotechnisches oder detonatives Räumen

Unter pyrotechnischem oder detonativem Räumen versteht man das Auslösen oder Zerstören von Minen durch Spreng- und Zündmittel. Die Bandbreite dieser Systeme und Methoden ist sehr groß. Sie reicht von kleinen Einzelladungen zum Vernichten von bereits erkannten Minen bis hin zu Großladungen wie Sprengschlangen und Fuel Air Explosives. Der Einsatz von Sprengleitern und Sprengschläuchen (Mine Clearing Line Charges) beschränkt sich hauptsächlich auf das Herstellen von Minengassen in Minensperren im Rahmen des Kampfes der verbundenen Waffen (Combined Arms Operations). Die Räumsicherheit dieser Methode ist nicht allzu hoch, da die Sprengladung auf bestimmte, verdeckt verlegte Minen nur wenig Wirkung hat, wenn diese nicht direkt getroffen werden. Die Verwendung von Sprengschläuchen dient daher oft der Ergänzung anderer Methoden.

Händisches Minenräumen

Händisches Minenräumen wird im militärischen, aber auch im zivilen Bereich oft als die zuverlässigste Methode angesehen. Das Räumen der Munition (Minen, Blindgänger und Sprengfallen) aus Flächen und Bewegungslinien erfordert aber zuerst die Lokalisierung und Identifikation. Erst danach können Mittel und Methode der Beseitigung bestimmt werden. Berührungsfreies Sprengen ist in den meisten Fällen die für das Räumpersonal sicherste Variante und daher anzustreben. Unter bestimmten Bedingungen kann jedoch der Schaden, der dadurch entsteht, größer sein als der Nutzen. Das aufgefundene Kampfmittel muss daher neutralisiert oder gesichert und verbracht werden. Trotz vieler Forschungsprojekte und Versuche sind beim händischen Räumen der Metalldetektor und der Minensuchstab, neben dem Kleinwerkzeug wie Gartenschaufeln, Rasenscheren etc. sowie einer Sprengausrüstung, die am häufigsten verwendeten Geräte und Mittel.

ZusätzlicheMöglichkeiten des Räumens

- Direktes oder indirektes Beschießen von Munition oder Minen.

- Für bestimmte Minentypen können elektronische Simulationsgeräte verwendet werden, die das Magnetfeld von Panzern vor das eigentliche Gefechtsfahrzeug "spiegeln" und so den Zündmechanismus der Mine verfrüht auslösen sollen.

- Zudem werden Infrarotsensoren, Ground Penetration Radar und andere Detektionssysteme zum Erkennen von Minenfeldern und Lokalisieren von Einzelminen verwendet.

Überlagerung der Methoden

Die Anwendung einer einzelnen Methode ist jedoch in den meisten Bereichen des militärischen Minenräumens aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten des Mineneinsatzes und der oft schwierigen Gelände- und Umfeldbedingungen nicht ausreichend. Das von der UNO geforderte 100-prozentige Räumen von Minen und Blindgängern, welches bei militärischen Einsätzen unter friedensmäßigen Bedingungen ebenfalls zu fordern ist, kann mit einer Räummethode allein kaum erreicht werden. Ein Räumverfahren mit zwei oder mehreren nacheinander angewendeten Methoden ist daher immer anzustreben.

Zusammenfassung und Ausblick

Militärisches Minenräumen ist die Beseitigung von Minen und anderen Kampfmitteln, mit dem Ziel, die Bewegungsfreiheit der eigenen Truppen zu erhalten oder zu schaffen und/oder die Nutzung bestimmter Flächen zu ermöglichen. Dabei sollen alle Bedrohungen, die von Minen, Blindgängern und Sprengfallen auf einer bestimmten Fläche oder entlang einer Bewegungslinie ausgehen, reduziert oder gänzlich beseitigt werden. Räumverfahren, Räumstandards und Räumsicherheit sind entsprechend der Lage und der Zielsetzung für den jeweiligen Einsatz zu bestimmen.

Das Risiko muss auf ein Minimum verringert werden, und Verluste dürfen dabei nicht von vornherein in Kauf genommen werden. Das Minenbewusstsein hat sich im Österreichischen Bundesheer, nicht zuletzt aufgrund des Kosovo-Einsatzes, in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Der Informationsbedarf über Minensperren und die Möglichkeit, diese zu beseitigen, ist gestiegen. Minenlagen sind in viele taktische Planspiele aufgenommen worden, daraus resultierende Probleme wurden erkannt. Für die Truppe erarbeitete man Lösungen und setzte sie in der Form um, dass mit Beginn des Jahres 2003 neu strukturierte Minenräumzüge in den Pionierbataillonen geschaffen waren. Nun müssen noch, als zweiter konsequenter Schritt, das Gerät und die Ausrüstung zur Erfüllung aller Aufgaben im Sinne der Countermine Operations bereitgestellt werden.

Es bleibt zu hoffen, dass in weiterer Folge auch in ausreichender Zahl entsprechendes mechanisches Räumgerät und detonative Räummittel beschafft werden, um die Sicherheit unserer Soldaten zu gewährleisten.

Autor: Hauptmann Günter Deutsch, Jahrgang 1966. Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung und Zeitsoldat 1985 bis 1992; Berufsoffiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie 1992 bis 1995, Ausmusterung 1995 zur Pioniertruppenschule; Verwendung als Kommandant Ausbildungszug und Kommandant Ausbildungskompanie; Hauptlehroffizier Sperr- und Sprengdienst. Derzeit Kommandant des Minenzentrums der Pioniertruppenschule. Auslandseinsätze: 1986/87 UNFICYP und 1999/2000 Western European Demining Assistance Mission.

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