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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Wenn einen die Bilder aus dem Einsatz nicht mehr loslassen

Psychotraumatologie im Bundesheer

Vizeleutnant H. liegt mitten in der Nacht wach im Bett, er kann nicht schlafen und ist schweißgebadet von einem Alptraum aufgewacht, das Herz rast, er hat Angst und steht unter dem Eindruck der Bilder aus dem Einsatz, die ihn nicht mehr loslassen. Aufgrund der dauernden nächtlichen Störungen ist er der Verzweiflung nahe. Das Schlimme an der Situation ist, dass diese schlaflosen Nächte, diese Bilder schon über zwei Monate den Alltag und vor allem die Nächte beherrschen. Im Dienst zeigt sich Vizeleutnant H. als unkonzentriert und teilnahmslos, nimmt an Sport- und Freizeitaktivitäten nicht teil. Seinen Nächsten fällt auf, dass er sich "in sein Schneckenhaus" zurückzieht, manch­mal stark dem Alkohol zuspricht.

Diese Geschichte ist frei erfunden, kommt aber nach jedem Auslandseinsatz nicht nur einmal vor. Menschen, die besonders belastenden Situationen ausgesetzt waren, berichten von quälenden Erinnerungen, sich aufdrängenden Bildern tagsüber oder in Form von Albträumen nachts. Dieses sich ständige Aufdrängen und Wiedererleben von bestimmten Bildern und Szenen wird Intrusion genannt. Gehen mit diesen Intrusionen dann noch Herzrasen, Schlafstö­rungen und das Vermeiden von bestimmten Situationen einher, spricht man von einer akuten Be­lastungsreaktion. Bei Anhalten der Symptome über einen Zeitraum von Monaten nach dem Ereignis, spricht man von posttraumatischen Be­las­tungs­stö­rung­en, einer Krankheit, die seit den Achtzigerjahren diagnostiziert wird. Natürlich hat es diese Symptome auch schon wesentlich früher gegeben, allerdings wurden sie nicht als psychologische Traumafolge erkannt und deshalb auch nicht als Krankheit diagnostiziert. Im 19. Jahrhundert und zur Zeit des Zwei­ten Weltkrieges versuchte man die Symptome den Soldaten als individuelle Schwäche unter der Bezeichnung Shell­shock (Kriegs­zitterer) sowie Kriegsneurose zuzuschreiben. Damit wurde die Ursache für die Störung dem jeweiligen Individuum und seinen "mangelnden" Be­wältigungs­stra­tegien zugeschrieben, während wir mittler­weile wissen, dass die besonders belastende Situation diese Reaktionen hervorruft. Die Person reagiert also völlig normal auf eine abnorme Situation.

Akute Belastungsreaktionen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) können bei Soldaten nicht nur in Zusammenhang mit Kriegserlebnissen auftreten. Katastrophen wie in Galtür, Kaprun oder die Hochwasserkatastrophe des ver­gangenen Jahres haben gezeigt, wie belastend Einsätze dieser Art für Soldaten sein können. Aufgrund der intensiven Erlebnisse in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einsatz können Einsatzkräfte eben wegen ihres risikoreichen Berufes Opfer von Streß und Trau­ma­ti­sierung werden. Wesentliche Faktoren für die Erkrankung an einer Belastungsreaktion oder an posttraumatischen Belastungsstör­ungen sind die Risikosituation an sich, die Person, die besonderen Risken ausgesetzt ist, und das Risikoverhalten der betroffenen Person. Als besondere Belastungsfaktoren in einer bestimmten Situation gelten das Ausmaß der Gefährdung der eigenen Person (Bedrohung des eigenen Lebens/Todesgefahr), das Ausmaß der aktuellen oder drohenden körperlichen Verletzung und das Ausmaß von erlittener oder beobachteter Gewalt oder Grausamkeit. Weitere wichtige Risikofaktoren sind die Dauer der Exposition, die fehlende Kontrolle über das Ereignis und die Schuld­frage bei von Menschen verursachten Traumata.

Soldaten werden im Rahmen ihrer Ausbildung auf Einsätze solcher Art vorbereitet und trainiert, um in diesen schwierigen Situationen bestehen zu können. Gerade deshalb ist es von besonderer Bedeutung, dass die Gefahren gekannt, erkannt und kalkuliert werden, um nicht überrascht zu werden oder zu erkranken.

Immer mehr Menschen bedürfen psychologischer Unterstützung, um mit den Schwierigkeiten des Lebens zurechtzukommen. Mittlerweile ist auch allgemein bekannt, dass Menschen, die sich Kraft ihres Amtes bzw. ihrer Profession in Krisensituationen begeben müssen - also in Situationen , wo andere die Flucht ergreifen - auch Gefahr laufen, aus diesem Tun Stressreaktionen in Kauf nehmen zu müssen und im ungünstigen Falle auch an einer posttraumatischen Störung zu erkranken. In diesem Falle ist es nicht nur die Aufgabe, sondern auch die Verpflichtung der Entscheidungsträger, Hilfestel­lungen für die betroffenen Soldaten zu geben, ja alles in die Wege zu leiten, dass sie nicht an den Nachwirkungen von Einsätzen erkranken.

Untersuchungen zeigen, dass aufgrund traumatischer Ereignisse etwa vier Prozent der am Einsatz Beteiligten an einer PTSD erkranken und daher auch einer entsprechenden Behandlung zugeführt werden müssen, um die Einsatzfähigkeit wieder­herzustellen. Bisher sind die Erst­maß­nah­men bei der Betreuung von Soldaten nach traumatischen Ereignissen im Vordergrund gestanden.

Eine Institution, die ihre Soldaten traumatischen Situationen aussetzt (aussetzen muss), hat die Verpflichtung, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Integrität der Personen auch nach einem Auslandseinsatz sicherzustellen, um damit einerseits die Betroffenen bei der Eingliederung in das Leben nach dem Einsatz zu unterstützen und andererseits eine Wieder­verwendung in Einsätzen zu gewährleisten. Entsprechende therapeutische Einrichtungen werden daher zu errichten und zu betreiben sein. Die klinische Psychologie im Militärspital Innsbruck verfügt über entsprechend ausgebildetes psychologisches Personal und hat sich zum Ziel gesetzt, diese Dienstleistung den betroffenen Soldaten anzubieten.

Oberstleutnant dhmfD OR Mag. B. Penz

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